Johann Sebastian Bach
Messe in h-Moll

Sonntag, 6. April 2003, 17.00 Uhr
St. Konrad Amberg - Ammersricht

Susanne Geb, Sopran / Andrea Bierbaum, Alt
Christoph Späth, Tenor / Rainer Weiß, Bass
Forchheimer Kammerorchester (Boris Kupin)
Amberger Chorgemeinschaft
Leitung: Berthold Höps

Die h-Moll-Messe gilt nicht nur als höchstes Meisterwerk Bachs, sondern bildet innerhalb der gesamten Musikliteratur einen Gipfelpunkt, der eigentlich nicht zu übertreffen ist. Der Leiter der Berliner Singakademie Zelter bezeichnete sie als "größtes musikalisches Kunstwerk aller Zeiten und Völker". Der Komponist hat in diesem Stück die Summe seiner Fähigkeiten und der musikalischen Möglichkeiten seiner Zeit zum Ausdruck gebracht. Durch die Vertonung eines im Vergleich mit den Kantaten und Passionen abstrakten Messetextes hat er praktisch den gesamten Inhalt des Christentums künstlerisch gestaltet und ein zeitloses Werk geschaffen, das zwar auch persönliche oder konfessionelle Züge trägt, im Wesentlichen jedoch zu einem allgemeinen Bekenntnis aller Gläubigen geworden ist. Nicht zuletzt deswegen diente es vielen späteren Versuchen als Vorbild, etwa der "Missa solemnis" von Beethoven oder den großen Messen Haydns.

Die einzelnen Teile der Messe entstanden zu verschiedenen Zeiten über zwei Jahrzehnte hinweg. Kurz vor seinem Tod fasste Bach sie jedoch zusammen und komponierte die noch fehlenden Abschnitte, etwa das Credo, dazu, um eine vollständige Messe zu hinterlassen. Mit einem weiteren Spätwerk Bachs, der Kunst der Fuge, hat die Messe gemeinsam, dass beide Werke nicht als Gebrauchsmusik geschaffen wurden und Bach sie tatsächlich auch nie ganz aufgeführt hat, sondern sie als eine Art Testament der Nachwelt hinterlassen hat. In der Tat würde jedes dieser Stücke genügen, die ganze Meisterschaft des Komponisten zu demonstrieren. An die Ausführenden wie auch an die Hörer stellen deshalb diese Werke ganz besondere Ansprüche und Anforderungen. Es erfordert eine intensive Beschäftigung mit den Stücken, um ihnen gerecht zu werden, und viele Musiker und Wissenschaftler seit Bach haben das getan, um neben den offensichtlichen auch noch allen versteckten musikalischen Hinweisen und Symbolen auf die Spur zu kommen. Und die h-Moll-Messe ist voll davon.

Das Werk hat die Form einer "Missa concertata", also einer Kantaten-Form mit Wechsel von Solo- und Tuttistellen, mit einer Folge von Arien, Duetten und Chören, wobei dem Chor (meist fünfstimmig, im Osanna achtstimmig) mehr die allgemeinen Aussagen zukommen, den Arien die persönlichen. Die Duette werden eingesetzt, wenn es sich um die 2.Person Gottes, also um Christus, handelt. Oft sogar als Kanon soll so das Geheimnis der 2 Personen in einem Wesen versinnbildlicht werden.

Eine besondere Bedeutung hat der Einsatz der Instrumente. In anderen Werken zur Begleitung oder zur Unterstützung der Singstimmen verwendet, kommt ihnen hier fast ausnahmslos eine selbständige, eigene Aussage zu, etwa wenn im "Credo" die sieben Stimmen auf den Chor (5 Stimmen) und die beiden Geigen (2 Stimmen) verteilt sind.

Wie kein zweites Werk ist die h-Moll-Messe von Symbolik, vor allem auch Zahlensymbolik durchdrungen. Die Zahl 7 z.B., die die 7 Schöpfungstage und somit die Allmacht Gottes versinnbildlicht, wird von Bach ausdrücklich und gezielt eingesetzt und oft mit der 1 (für 1 Gott) verbunden: Gloria und Credo haben beide 7 Teile, der erste Credo-Chor ist siebenstimmig, das Thema hat 7 Töne, seine Vergrößerung umfasst 7 Takte, die beiden Stimmen im ersten Takt haben 1 und 7 Töne, die ganze Fuge hat 17 Einsätze, das Crucifixus hat 7x7 Takte usw.. Zur symbolischen Gestaltung gehört auch die Wahl der Taktart (3er Takt = Trinität), der Tonart (Subdominante = Erniedrigung), die besondere Bedeutung von Intervallen (Oktave = Allmacht) oder der bildliche Bau der Themen (z.B. in Kreuzform).

Ein weiterer interessanter Fall ist die häufige Verwendung von Parodien in dieser Messe, d.h. Verwendung und Umtextung von früher zu anderen Gelegenheiten komponierten Stücken. Für Bach war das etwas Selbstverständliches, hier war der Grund dafür vermutlich die Suche nach den bestmöglichen Stücken für sein Gipfelwerk.

Diese wenigen Aspekte sollen eine Ahnung wecken, wie komplex und bis ins kleinste Detail durchdacht Bach sein Werk angelegt hat, das nicht nur innerhalb des Gesamtwerks des Komponisten einen Spitzenplatz einnimmt, sondern zu den kunstvollsten und bedeutendsten Schöpfungen unserer Kultur zählt.

Berthold Höps