Crashkurs Neue Rechtschreibung" für alle
Eltern
Am 19. 11. 1996 gab OStR Fütterer allen interessierten Eltern einen Überblick
über die neue Rechtschreibung, die ab dem Schuljahr 1997/98 in allen Schulen Bayerns
verpflichtend eingeführt wird. Nach einer kurzen Einführung durch OStD Edsperger, der
vor allem auf die amtlichen Rahmenbedingungen (Termine der Einführung, Bewertung der
Verstöße gegen die neue Rechtschreibung) hinwies, wurden die Schwerpunkte der
Rechtschreibreform dargestellt: (Ausschnitte aus dem Referat)
Auch wenn die Reform den Namen nicht verdient gibt es doch eine Reihe von
Vereinfachungen und Klärungen.
Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung hat heftige Reaktionen hervorgerufen.
Entweder man war enttäuscht oder man war entsetzt. Dem Einen geht die Reform nicht weit
genug, für den Anderen signalisiert die Reform den Verlust wichtiger Kulturgüter. Ich
meine:
Wir sollten die Reform als das nehmen, was sie ist: als einen Kompromiss, und darin liegen
allerdings alle Probleme begründet, die auch weiter bestehen.
Die neue Regelung soll die Rechtschreibregeln von 1902 und die nachfolgenden
Anpassungen ersetzen. Bis zum Ende des Schuljahres 2004/05 sollen die neuen Regeln
eingeführt sein. Die alten Schreibweisen gelten dann als überholt, aber nicht als
falsch. Die Schulen in Bayern beginnen in diesem Schuljahr mit der Einführung. Den
Schülern wird das Regelwerk vor allem im Deutschunterricht beigebracht werden. Alle
anderen Fächer sind aber angehalten, behutsam die neuen Schreibweisen einzufordern.
Veraltete Schreibungen gelten aber nicht als Fehler. Mit dem Korrekturzeichen
Ü" wird den Schülern die veraltete/ überholte Schreibweise deutlich zu
machen sein.
Bevor wir zu den einzelnen Regelungen kommen, ein paar allgemeine Hinweise.
Diese Rechtschreibreform ist nichts Außergewöhnliches. Das Unverständnis
gründet sich meistens auf dem falschen Verständnis der Sprache als einer
unveränderlichen, unberührbaren Größe. Ich möchte hier einen kurzen Exkurs einfügen:
Jede lebendige Sprache wandelt sich, auch die Schreibung (denken Sie nur an das
th, das - außer bei Fremdwörtern fast ganz verschwunden ist) - (das - nebenbei bemerkt
teilweise zur Unterscheidung gleichlautender Wörter eingesetzt worden war (Thau - Tau)).
Im Laufe der letzten 90 Jahre haben sich so viele Neuschreibungen eingebürgert und damit
die ursprünglichen Regeln immer mehr aufgebläht. Die Rechtschreibung wurde immer
schwieriger, weil mit vielen Ausnahmen und Sonderregelungen gearbeitet werden musste.
In (jeder) der Sprache haben wir zunächst einmal ein generelles Problem: Die
Fülle der gesprochenen Laute soll in die begrenzte Anzahl der Laute (26) umgesetzt
werden, die uns das Alphabet liefert. Dies ist nicht möglich. Dies war auch historisch
gesehen nicht möglich und daraus ergibt und ergab sich eine Fülle von
Rechtschreibproblemen.
So wird z. B. auf der einen Seite bei der Umsetzung der gesprochenen Sprache in die
schriftliche Sprache nicht unterschieden zwischen langen und kurzen Vokalen (a) - dafür
gibt es keinen Buchstaben (Armut der Sprache), auf der anderen Seite werden verschiedene
Buchstaben für den gleichen Laut verwendet und damit auch etymologische Zusammenhänge
zerrissen (z.B. Fülle - voll).
Noch einmal: Die Reform der Rechtschreibung ist nichts Außergewöhnliches. Sie
liegt in der Lebendigkeit einer gesprochenen Sprache begründet.
Rechtschreibregelungen hat es schon immer gegeben (spätestens seit dem 15.
Jahrhundert). Die Prinzipien der Reformen ähneln sich. Ich nenne nur ein paar:
Das historisch - etymologische Prinzip:
Das heißt: Man versuchte schon sehr früh, zusammengehörende Wörter gleich zu schreiben
(Stammprinzip). Genauso wie heute hat man natürlich nicht alle Zusammenhänge erkannt
oder bedacht: z. B. der Umlaut ä": Berichtigt hat man die Pluralform von Vater
- in Väter" (im mhd. meist noch mit e geschrieben!), ähnlich Hand - Hände
(nicht erkannt hat man, dass auch behende" mit Hand zusammenhängt), ähnlich
alt - älter (nicht erkannt: Eltern!).
Das logisch - systematisches Prinzip:
- Gleichlautende Wörter wurden unterschiedlich geschrieben.
- Vereinfachungen (Sparsamkeitsprinzip") wurden vor allem bei
Konsonantenhäufungen vorgenommen.
Aber auch hier wurden viele Widersprüche übersehen: z. B. die unterschiedliche Form der
Dehnung bei gleichlautenden Wörtern:
kam - nahm; Scham - Hahn; oder Grün - kühn; oder Beere - Schere usw.
Das pädagogische Prinzip:
Gerade die Pädagogen waren darum bemüht, die Rechtschreibung möglichst systematisch
und damit auch leicht fasslich zu gestalten.
Das Nützlichkeitsprinzip:
Ich nenne auch hier nur ein paar Punkte: der Buchdruck verlangte nach Einheitlichkeit;
die immer stärkere Verflechtung der Staaten verlangte nach einer einheitlichen Sprache,
nachdem das Lateinische immer mehr als Verkehrssprache verblasste.
Soweit einige Prinzipien aller Rechtschreibreformen.
Auch bei der neuen Rechtschreibereform lassen sich diese Prinzipen
wiederfinden.
Prinzipien der neuen Rechtschreibreform:
Laut - Buchstabenzuordnung
In der Reform versucht man, die Abweichungen beim Stammprinzip zu beseitigen.
Die Methode, nach der das geschieht, ist nicht immer eine streng wissenschaftlich -
etymologische, sondern man orientiert sich am allgemeinen Sprachgefühl (was schwer zu
definieren ist!)
Vereinheitlicht wurden auch die Verdoppelungen der Konsonanten nach kurzem
Vokal:
numerieren |
nummerieren |
Nummer |
Bei der S- Schreibung gibt es eine Kompromisslösung: Das ß"
kennzeichnet nun eindeutig die Länge des vorausgehenden Vokals oder Doppellauts vor
stimmlosem s-Laut (draußen, beißen)
hassen - Haß |
hassen - Hass |
|
lassen - läßt |
lassen - lässt |
ließ |
daß |
dass |
|
Für große Aufregung hat der Erhalt der Stammschreibung bei Zusammensetzungen
gesorgt:
Ballettänzer (Ballett - tänzer) |
Balletttänzer |
heute schon: Balletttruppe |
Bei der Substantivendung - heit bleibt jetzt ein vorausgehendes h"
erhalten:
Ein paar Bemerkungen zur Schreibweise von Fremdwörtern: Jede Sprache gleicht
die Aussprache von fremden Wörtern der eigenen (historisch gewachsenen) Laut - Buchstaben
- Zuordnung an. Denken Sie etwa an das berühmte Wort Rhythmus", das z.B. im
Französischen längst ohne rh" geschrieben wird, und Rheuma schreibt man im
Italienischen auch schon längst ohne rh", obwohl das Italienische näher am
Griechischen ist als die deutsche Sprache (als Randbemerkung zum Thema
Kulturverlust"). Die Integration von Fremdwörtern in eine deutsche
Schreibweise wird nicht zu verhindern sein. Und es bedeutet auch keinen kulturellen
Verlust, wenn man irgendwann Apotheke" ohne th schreibt. Wir haben uns schon
längst gewöhnt an Fotografie, Grafik, Mikrofon, Allee, Komitee. Kein Mensch empfindet
etwas dabei, wenn er Scheck" schreibt oder Streik" (strike).
Wichtiger als die Schreibung von Fremdwörtern ist meiner Meinung nach die
Regelung der Getrennt- und Zusammenschreibung:
Grundsätzlich gilt: statt der inhaltlichen Kriterien für Getrennt- und
Zusammenschreibung, die nur schwer einsehbar und eine Fülle von Sonderregelungen
enthielten (wenn ein neuer Begriff entsteht", wenn die Bedeutung des
Substantivs verblasst ist), sollen grammatische Proben treten (Erweiterbarkeit,
Steigerbarkeit ...).
Grundsätzlich gilt: der Normalfall ist die Getrenntschreibung:
radfahren |
Rad fahren |
wie : Auto fahren |
Groß- und Kleinschreibung
Die generelle Kleinschreibung hat sich nicht durchgesetzt. Man hat sich für eine
modifizierte Großschreibung entschieden, die zu einer leichten Vermehrung der
Großschreibung führt: alle Wörter, die als Nomen gebraucht werden, werden groß
geschrieben. Ich erkenne ein Nomen:
durch einen Artikel : z. B. des Weiteren
durch ein Adjektiv: z. B. langes Reden
durch eine Präposition: z.B. im Folgenden, im Großen und Ganzen, auf Deutsch
unbestimmtes Zahlwort: z. B. genug Essbares
durch ein Pronomen: z.B. dein Flüstern
Tagesangaben nach Adverbien (vorgestern, heute, morgen) : heute Morgen
bei: Paarformeln: z.B. Groß und Klein; Jung und Alt; Arm und Reich
nur noch Höflichkeitsanreden im Brief (Sie/Ihr) nicht mehr Du (etc.)!
Nach dem Doppelpunkt werden ganze Sätze stets groß geschrieben.
mehrteilige Eigennamen: der Nahe Osten, Regierender Bürgermeister
Zu den Namen:
Kleinschreibung bei Ableitungen von Eigennamen:
das ohmsche Gesetz (früher ohmscher Widerstand - Ohmsches Gesetz), die platonische Liebe,
die grimmschen Märchen
Will ich die Person betonen:
Ohmsches Gesetz; Grimmsche Märchen
Trennung am Zeilenende
st ist trennbar (Wes - te)
ck bleibt erhalten: Zu - cker
Fremdwörter können auch nach den Trennregeln des Deutschen getrennt werden
(Sprechsilben): Päd - agogik oder Pä - dagogik
Auch Einzelvokale am Wortanfang können abgetrennt werden: U - fer
Lesehemmende Trennung sind zu vermeiden: Seeu - fer
Zeichensetzung
- Mit und / oder verbundene Hauptsätze müssen nicht durch Komma getrennt
werden.
- Freigestellt wird die Kommasetzung bei Partizipial- und Infinitivgruppen (Frage nach dem
erweiterten Infinitiv). Kommas sollen den Satz gliedern helfen: Verständnishilfe!: Ich
rate (,) ihm (,) zu helfen.
- Bei wörtlicher Rede ist auch nach einem Ausrufe-/Fragezeichen ein Komma zu setzen:
Kommst du morgen?", fragte sie.
A. F ü t t e r e r
Inhaltsverzeichnis
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