Amberger Nachrichten 29.3.2001

„Wir sind nicht blau und grün, sondern Bürger dieser Erde“
Bischof Jacques Gaillot vermittelte Vision einer Kirche der Zukunft

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Bischof Jacques Gaillot. Foto: ake

AMBERG (ake). „Wir sind nicht blau und nicht grün, wir sind Bürger dieser Erde“, formulierte Bischof Jacques Gaillot mit leiser Stimme am Mittwoch vor den konzentrierten Schülern des Gregor-Mendel-Gymnasiums (GMG). Online präsentierte er aus Paris seine Internet-Diözese „Partenia“ und erzählte seine Geschichte von der Freiheit des Wortes.

Willkommen bei „Partenia“ blinkt es vom Monitor, eine online- Internet-Diözese, die auf der Landkarte nur als winzig kleiner Punkt inmitten der Wüste existiert. Denn dorthin sollte er geschickt werden, der ehemalige Bischof von Evreux, der sich die Freiheit des Wortes nicht verbieten lassen wollte. Im hohen Atlasgebirge in Nordafrika findet man diese Einöde, ein 100-Seelen-Dorf am Rande der Welt. Doch das eigentliche „Partenia“ ist weitaus größer, lässt sich nicht in Flächenmassen ausdrücken, wohl aber per „clicks“ definieren.

Die Schüler wussten natürlich längst Bescheid. Die Web-Site und Homepage des Bischofs gibt es nämlich schon seit sechs Jahren. Auf der Suche nach einem Weg der direkten Kommunikation, die Wissen für Jeden zugänglich macht, griff Gaillot zum Internet. Mit 55.000 „clicks“ pro Monat dürfte „Partenia“ die meisten Schützlinge weltweit schnell erreichen. Auf 4000 Seiten können Texte, der „Hirtenbrief“ - ein Tagebuch, der „interaktive Katechismus“, das Partenia-Forum oder die Chatline in sieben Sprachen abgerufen werden. Bischof Jacques Gaillot, der „Menschenfischer im Netz“, stellte den Schülern des GMG am Mittwoch seine „Vision einer „Kirche der Zukunft“ vor.

Schon tags zuvor hielt der in Paris ansässige, strafversetzte Vertreter des Vatikans beim Katholischen Bildungswerk Amberg einen Vortrag für die Großen. Am Dienstag dann für die Jungen, „von denen wir viel lernen können, denn sie atmen den Zeitgeist und stehen für die Zukunft“, lächelte der Mann auf dem Podium weise.

Dass „Zukunft“ nichts Selbstverständliches ist, konnten die Gymnasiasten den Erzählungen entnehmen, die Gaillot von seinen Reisen aus Gaza und Algerien mitbrachte. Der rückhaltlose Einsatz für Menschen am Rande der Gesellschaft oder politisch verfolgte Minderheiten wie beispielsweise in Palästina, seine expliziten Äußerungen in politischen Fragen, gegen Atomwaffen oder nukleare Abschreckung, machten den Franzosen im Vatikan zu einem unbequemen Zeitgenossen.

Als „avantgardistisch“ empfanden die Schüler diesen Bischof, der sich querstellt und Zivilcourage zum Dogma erhebt. „Was halten Sie denn von einer online-Beichte?“, so eine Schülerin. Es sei nicht das Anliegen der Internet-user, Sakramente zu empfangen. Vielmehr biete das Netz „einen Raum von Freiheit, in dem man sich begegnen kann, wie auf einem großen Platz“.

Dieser interaktive Gedankenaustausch biete ein „offenes Haus“, das viele Menschen beherberge, erklärte Bischof Gaillot, der seine „Kirche im Netz und ohne Grenzen“ als zeitgemäßes Medium versteht. „Sie zeigen sich doch eher protestantisch, denn katholisch“, bemerkten die GMGler und staunten über so viel bischöfliche Aufgeschlossenheit. „Das Wichtigste ist heute ökumenisch zu leben“, unabhängig von Konfessionen. Religionsunterschiede seien unwichtig. „Wir sind alle Bürger dieser Erde. Erdbewohner.“

Doch nicht nur die Schokoladenseite interessierte die in der Aula versammelten Schüler. Schließlich sei der Bischof 1995 strafversetzt worden. Akribisch wurden Details erfragt. Insbesondere Stellungnahmen im französischen Playboy „Lui“ und das Befürworten von Präservativen im Bezug auf Aids habe der Vatikan scharf kritisiert. „Entscheidend ist wohl nicht, was man sagt, sondern wo.“ Im Evangelium seien alle Menschen gleich, die Gymnasiasten stimmten applaudierend zu. Tabu-Themen dürfe es in der Kirche nicht geben, so Gaillot und verurteilte Abtreibung gezielt als etwas „Böses und Hartes“, eine dramatische Erfahrung im Leben einer Frau.

 

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URL: www.gmg-amberg.de 
Letztes Update: 08.02.2005

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