Amberger Zeitung 29.3.2001

Ein Rebell oder ein Prophet? 
Bischof Jacques Gaillot war gestern zu Gast am GMG - Live-Übertragung ins Internet

Amberg. (dor) Was ist Bischof Jacques Gaillot - " ein Rebell oder ein Prophet?" Gestern hatten die Schüler der 10. bis 13. Jahrgangsstufe des Gregor-Mendel-Gymnasiums Gelegenheit, sich selbst ein Bild des französischen "Rebellen-Bischofs" zu machen. Die Diskussionsveranstaltung wurde erstmals mit Hilfe einer Web-Cam mit Bild und Ton live ins Internet übertragen. 
Am Vorabend hatte Bischof Gaillot bereits auf Einladung des Katholischen Bildungswerkes (KBW) im Casino zu seiner "Vision einer Kirche der Zukunft" gesprochen. Oberstudienrat Josef Bayer, Religionslehrer am GMG und selbst beim KBW aktiv, hatte die Gelegenheit genutzt, den Bischof an das Gymnasium zu holen. Studiendirektorin Monika Havenstein übernahm die Übersetzung aus dem Französischen. 

Der heute 65-jährige Jacques Gaillot war von 1982 bis 1995 Bischof der Diözese Evreux in der Normandie. Insbesondere wegen seiner progressiven Haltung zu sensiblen Kirchenthemen wie Frauenpriestertum, Zölibat und Homosexualität wurde Gaillot im Januar 1995 von Papst Johannes Paul II. abgesetzt und erhielt die nur noch auf dem Papier existierende Diözese Partenia in der algerischen Sahara. Diese "Strafversetzung" machte Gaillot weit über die Frankreichs bekannt und Tausende Menschen bekundeten ihm ihre Solidarität. Im Internet baute er eine "virtuelle Diözese" Partenia auf, die mittlerweile rund 50000 Besucher pro Monat zählt. 

Schon zu seiner Zeit als Bischof von Evreux hatte sich Gaillot unter anderem für die Rechte der Palästinenser und gegen die restriktiven Einwanderungs- und Flüchtlingsgesetze in Frankreich eingesetzt. Seine Vorstellung von einer "Kirche der Zukunft" machte er auch gestern am GMG an Beispielen aus seiner Arbeit deutlich: "Die eigentliche Rolle der Kirche ist, dort zu sein, wo die Menschen leiden", so wie zum Beispiel jener Priester in Gaza, der sich dort sechs Jahre lang insbesondere um die Kinder gekümmert hat. 

Erst am Dienstag war Bischof Gaillot von einem Besuch im israelisch besetzten Gazastreifen zurückgekehrt und berichtete den Schülern auch von weiteren Erfahrungen auf dieser Reise. 

Bekannt geworden war Gaillot auch durch die Unterstützung jener rund 200 Ausländer ohne gültige Arbeitserlaubnis, die in Paris eine Kirche besetzt hatten. Auch wenn die Polizei letztendlich die Kirche gewaltsam räumte, hätten schließlich alle Ausländer eine Arbeitserlaubnis bekommen, erzählte Gaillot. 

"Und auch das sollte die Rolle der Kirche sein: Bei denen zu sein, die die Gesellschaft allein lässt oder die am Rand der Gesellschaft stehen. Das ist im Grunde ganz einfach, aber auch ganz schwierig", so der Bischof. Seine Kirchenvision fasste Gaillot mit den Worten "eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts" zusammen. 

In der anschließenden Diskussionsrunde wurde der Bischof auch nach den "Skandalen" gefragt, die er unter anderem mit dem Eintreten für die Priesterweihe verheirateter Männer, mit einem Interview mit dem Männermagazin "Lui" oder mit der Veröffentlichung eines Artikels in einer Homosexuellen-Zeitschrift ausgelöst hatte. Gaillot verwies auf die Schwierigkeiten, sich in der katholischen Kirche zu manchen Themen frei ausdrücken zu können. 

"Es gibt aber keine Bestimmung, dass sich Bischöfe nur in religiösen Dokumenten ausdrücken dürfen." Wenn er etwas zu sagen habe, wolle er möglichst viele Menschen erreichen. "Und wenn ich dazu die Möglichkeit habe, warum sollte ich sie nicht nutzen?" so Gaillot. 

 

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URL: www.gmg-amberg.de 
Letztes Update: 08.02.2005

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