Amberger Nachrichten vom 30.06.2001

Als noch Dampfrösser bis Schmidmühlen fauchten
Vor 35 Jahren wurde der Personenverkehr auf der Vilstalstrecke eingestellt/ Radfahren auf der Bahntrasse

VON JOSEF POPP

SCHMIDMÜHLEN. Wenig erinnert in Schmidmühlen noch an eine "gute alte" Zeit. An eine Zeit, als im Vilstal noch schwarze fauchende Dampflokomotiven, schnaubend und viel Dampf und Rauch ausstoßend Personen und Güter nach Schmidmühlen transportierten. An eine Zeit, als noch nicht Geschwindigkeit und Service groß geschrieben wurden. Eine gute alte Zeit? Morgen jährt es sich zum 35. Mal, dass der Personenverkehr auf der Bahnstrecke von Amberg nach Schmidmühlen eingestellt wurde.

Dieses Ereignis ist für die Amberger Nachrichten Grund genug für einen nostalgisch-historischen Rückblick. Die Geschichte der Eisenbahn im Vilstal nahm um die Jahrhundertwende ihren Anfang. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierte in der Oberpfalz neben den Hauptbahnen Nürnberg-Regensburg und Nürnberg-Schwandorf-Regensburg nur die Lokalbahn Amberg- Lauterhofen. Es fehlte vor hundert Jahren nicht an Plänen für weitere Lokalbahnen. So existierten mehrere Pläne für den Bau weiterer Lokalbahnen, auch nach Schmidmühlen.

Zwei Varianten

Nachdem verschiedene Projekte aus dem Wettbewerb ausgeschieden waren, blieben noch zwei Varianten übrig. Eine Bahnlinie von Schwandorf nach Schmidmühlen und Hohenburg sowie eine Trasse von Amberg nach Schmidmühlen und Hohenburg. Wie von vornherein zu erwarten war, fiel der Vergleich der beiden Linien zugunsten der Lokalbahn Amberg-Schmidmühlen-Hohenburg aus. Es ergab sich, dass diese Linie sowohl in technischer als auch wirtschaftlicher Hinsicht dem Konkurrenzprojekt vorzuziehen war. Die durchwegs im Vilstal verlaufende Lokalbahnteilstrecke Amberg-Schmidmühlen konnte unter einfachen bautechnischen und günstigen betriebstechnischen Verhältnissen angelegt worden, während die Schwandorfer Linie zunächst das Naabtal zu überschreiten und dann die Wasserscheide zwischen der Naab und Vils mit einer Steigung von 66 Metern zu überwinden gehabt hätte. Außerdem war das Vilstal dichter bevölkert als die Jurahöhe zwischen Schwandorf und Schmidmühlen.

Zugunsten des Anschlusses in Amberg fiel ins Gewicht, dass der Verkehr des unteren Vilstales sich schon immer in Richtung Amberg abwickelte. In den Vorverhandlungen mit den Bahninteressenten am 2. Juli 1903 konnte zunächst nur der Grunderwerbsaufwand für die Teilstrecke Amberg-Schmidmühlen sicher-gestellt werden, die Reststrecke Schmidmühlen-Hohenburg konnte nicht in den Gesetzesentwurf einbezogen werden. Besonders für den Bau der Bahnlinie im Vilstal sprachen auch noch wirtschaftliche Aspekte. Im Gegensatz zu den dünn bevölkerten wasserarmen und meist von einförmigen Wäldern bedeckten Hochflächen waren die Täler der Vils und Lauterach die fruchtbarsten und daher auch dichtesten bevölkerten Landstriche des Verkehrsgebietes.

Kunstmühlen und Brauereien

Bei den landwirtschaftlichen Betrieben verdienten fünf Kunstmühlen, eine größere Anzahl von Mahlmühlen und kleinere Brauereien Beachtung. Bei den Industriebetrieben waren das Stanz- und Emaillierwerk in Haselmühl, fünf Glasschleifbetriebe und Polierwerke (so auch in Schmidmühlen und Emhof, eine Glasurmühle, eine Holzwollfabrik und eine Pulverfabrik, eine Gipsmühle, mehrere Ziegeleien, einige Kalköfen und Kalksteinbrüche, Ton-und Sandsteingruben erwähnenswert. Der Güterverkehr der projektierten Lokalbahn sollte sich auf die Einfuhr von Kunstdünger, Hülsenfrüchte, Kolonialwaren, landwirtschaftlichen Maschinen und Bedarfsartikeln, Vieh, Holz, Ziegeln, Stein, Glas und Eisenwaren erstrecken.Von besonderer Bedeutung war auch die Holzverfrachtung.

Eine Lokalbahn durch das Vilstal nach Amberg begünstigte, da sie der natürlichen Verkehrsrichtung folgte, die wirtschaftlichen und die allgemeinen Verkehrsverhältnisse. Insbesondere erhoffte man sich die Erschließung neuer Kalksteinbrüche, Ton- und Sandlager. Aus den umliegenden Waldungen versprach man sich durch die Bahn größeren Nutzen und durch die zum Teil noch nicht ausgenutzten Wasserkräfte der Vils und Lauterach die Ansiedlung neuer Industrien.

Der Personenverkehr wurde durch den lebhaften Marktverkehr, den Wallfahrtsverkehr zum Mariahilfberg und nicht zuletzt durch den Ausflugsverkehr der Amberger in das Vils- und Lautcrachtal günstig beeinflusst. Sowohl im Personenverkehr als auch im Güterverkehr erwartete man also gute Verkehrsergebnisse. Am 10. August 1904 schließlich wurde der Bau der Lokalbahn von Amberg nach Schmidmühlen genehmigt. Allerdings nicht ohne Druck der Bevölkerung.

Im Jahre 1904 war der Sommer besonders heiß gewesen. Die Bewohner des Vilstales waren durch die Missernte infolge anhaltender Trockenheit in einer bedauernswerten Lage. In einer gemeinsamen Eingabe vom 25. August 1904 unter der Führung von Bürgermeister Schmid der Marktgemeinde Schmidmühlen schilderten die Gemeinden des Vilstales dem Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten recht eindrucksvoll ihre Notlage und baten um sofortigen Beginn des Bahnbaus.

In ihrer devotesten Bitte führten sie unter anderem aus: "Das Jahr 1904 wird wohl in bezug auf Not, Jammer und Elend einzig und allein dastehen, ja selbst die ältesten Leute vermögen sich eines solchen Mißjahres in allen Produkten nicht zu erinnern. Die Getreideernte ist sehr schlecht ausgefallen. Zu diesem Übelstand gesellt sich leider auch eine große Futtersnot. Es gibt keine Grummeternte, die Wiesen sehen zum Teil wie verbrannt aus, sogar Klee hat versagt, er konnte nur einmal abgeschnitten werden. Sogar junge Baumbestände haben gelitten. Durch den Bahnbau würden die Tagelöhner und Gütler einen Verdienst erlangen und wäre so der größten Not abgeholfen."

1908 Baulos genehmigt

Die Vorarbeiten zogen sich aber doch länger hin als ursprünglich erwartet. Erst 1908 wurde das erste Baulos genehmigt. Den Schmidmühlnern ging es mit dem Bahnbau zu langsam. In einer Eingabe vom 13. Juli 1909 ließen sie ihrem Unmut freien Lauf: "Der Bahnbau geht so fürchterlich langsam voran, daß gar nicht abzusehen ist, wann er endlich einmal einem Ende zugehen wird, obgleich Tausende zur Hebung ihrer wirtschaftlichen Lage schon jahrelang sehnsuchtsvoll darauf warten. Noch kaum dürfte ein Bahnbau solche Verzögerungen erlitten haben, wie dieser, was um so niederdrückender wirkt, als noch keine Terrainschwierigkeiten bestehen und auch die Grundablösung keine Hindernisse bietet. Die gehorsamst unterfertigte Marktgemeindeverwaltung Schmidmühlen in gewissenhafter Vertretung gemeindlicher Interessen stellt an das hohe königliche Staatsministerium die ehrerbietigste gehorsamste Bitte, Hochdasselbe wolle gnädigst verfügen, daß der Bahnbau in einem etwas rascheren Tempo vollzogen werde, wofür die ganze Bevölkerung sehr dankbar sein wird."

Am 18. Dezember 1910, kurz vor Weihnachten, konnte schließlich die Strecke von Ensdorf nach Schmid-

mühlen in Betrieb genommen werden. Vor etwas mehr als 90 Jahren dampfte also dann doch die erste Lokomotive nach Schmidmühlen. Auf der Gesamtstrecke von Amberg bis Schmidmühlen verkehrten vorerst drei Zugpaare. Der Personen- und Güterverkehr war bis nach dem 2. Weltkrieg sehr lebhaft, besonders während der Weltkriege.

Allmählich aber entwickelte sich die Motorisierung durch Straßenomnibusse und Autos so stark, dass sich der Personen- und Güterverkehr immer mehr von der Bahn auf die Straße verlagerte. Die Bundesbahn wurde durch diese Entwicklung gezwungen, den Reisezugverkehr auf der Strecke Amberg-Schmidmühlen wegen Unwirtschaftlichkeit anfangs auf ein Reisezugpaar täglich einzuschränken. Am 1. Juli 1966 wurde auch der letzte Personenverkehr nach 60 Jahren eingestellt. Zehn Jahre später, am 30.5.1976 auch der Transport von Expressgut.

Am 2. Juni 1985 wurde die Strecke Vilshofen-Schmidmühlen und am 28. Mai 1988 die Reststrecke nach Amberg stillgelegt. Die Gleise wurden abgebaut. Eine Ära, verbunden mit vielen Hoffnungen und einem wirtschaftlichen Aufschwung in Schmidmühlen und dem Vilstal hatte ein Ende gefunden.

1987 kaufte die Gemeinde Schmidmühlen das Bahnhofsareal. Übrig geblieben ist in Schmidmühlen noch das alte Bahnhofsgebäude. Dieses wurde von den Sportschützen liebevoll und in harter Arbeit vor dem Verfall gerettet und in ein Schützenheim umgebaut. Es gilt als ein schmuckes Kleinod. Noch erhalten als ein leerstehendes Gebäude sind der Lokomotivschuppen, der alte Brunnen, von dem aus die alten Dampfloks mit Wasser aufgetankt wurden und die Bahnhofsstraße. Auf dem Gelände des Bahnhofs hat der Markt Schmidmühlen im letzten Jahr ein attraktives Wohngebiet ausweisen können. Heute zieht ein Radweg auf der alten Bahntrasse die Freizeitsportler von Amberg in das Untere Vilstal.

Auch eine Bahn auf Schmalspur

Während des 2. Weltkrieges wurde vom Bahnhof Schmidmühlen aus eine Schmalspurbahn nach Hohenfels in Angriff genommen. Diese Strecke wurde aber nur bis Rohrbach fertig. Beim Zusammenbruch des Naziregimes 1945 wurde die Strecke als herrenloses Gut einschließlich der Brücken abgebaut. Sogar die Lokomotiven wurden auseinander geschweißt und ausgeschlachtet.
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