Zwei Zeitungsberichte über das Wirken und Leben von Erasmus Grasser

 

 

 Amberger Zeitung  v. 20.03.2000

Amberger Nachrichten vom 01.08.2003

 

 

(Amberger Zeitung vom 20.03.2000)

Im Zeichen des Bildhauers

 

Erasmus Grassers Schnitzerkunst beschränkte sich nicht nur auf die Moriskentänzer. Aus seiner Werkstatt gingen die rassigen Konosolbüsten des Chorgestühls der Marien‑Frauen‑Kirche, wohl auch die  Ausstattung mancher  Landkirchen in der Umgebung Münchens, Petrusfigur auf dem ,Hochaltar St. Peter in München, Beweinung Christi im Freisinger Dom, der Heilig‑Kreuzaltar im Ramersdorf und der Achazius‑Schrein von 1508 in Reichersdorf.                       

 

Erasmus Grassers Begabung war sehr vielseitig, denn er hatte auch einen weit reichenden Ruf als Kirchenbauer und Wasserbautechniker. Um 1485 machte er die Entwürfe für das Kloster Mariaberg bei Rohrschach, wozu er eigens vom Abt  von St. Gallen berufen wurde. Das Urteil der Kunstgeschichte zu Erasmus Grasser lautet: Der größte Spätgotische Bildhauer im bayerischen Raum. Für die diesjährigen Kulturwochen sind in Schmidmühlen unter anderem ein Vortrag über Erasmus Grasser, eine Fahrt zu seinen Werken (insbesondere: Moriskentänzer) nach München und eine kleine Ausstellung geplant.

 

Den Vortrag wird Klaus Altenbuchner halten. Die Ausstellung wird im Juli und August (zum: Marktfest) im Oberen Schloss zu sehen sein und die Fahrt nach München ist für September vorgesehen. Mittelfristig will der Kulturverein für den Markt Moriskentänzer ankaufen und im Hammerschloss eine ständige Ausstellung einrichten.

 

,,...ich Bildhauer. von Schmidmühlln"

Moriskentänzer machen Erasmus Grasser berühmt ‑ Marktgemeinde feiert 550. Geburtstag des Künstlers

 

 

Der Markt Schmidmühlen kann in diesem Jahr einige, wenn auch kleinere „runde Geburtstage" feiern: So erfolgte vor 990 Jahren, also im Jahre 1010, die erste urkundliche Ernennung, vor 730 Jahren wurde Schmidmühlen zum Markt erhoben. Das Hammerschloss wird heuer 800 Jahre und das obere Schloss (in der jetzigen Form) 400 Jahre alt. Einen Geburtstag hat sich der Kulturverein Schmidmühlen anlässlich zu den diesjährigen Kulturwochen heraus gepickt: den 550. Geburtstag seines berühmtesten Sohnes Erasmus Grasser.

 

Sein Geburtsjahr ist zwar nicht genau bekannt, dennoch tendieren Historiker dazu, dies auf etwa 1450 zu datieren. An seinen berühmtesten Sohn will der Kultur‑ und Fremdenverkehrsverein Schmidmühlen in diesem Jahr mit einigen Veranstaltungen erinnern und ihn vorstellen.

 

 

 

Der Bildhauer und Schnitzer

Als der Stadtschreiber im Münchener Stadtkammerbuch im Jahre 1480 unter dem 14. August die Ausgabe von 150 Pfund vier Schilling an Meister Erasmus für sechzehn Moriskentanz‑Figuren eintrug, lieferte er eine ganze Reihe unschätzbarer Mitteilungen zu einer wichtigen Epoche der Münchner Kunst: „Item 150 4 ß zalt maister Erasem Schnitzer von 16 pilden Maruschka tanntz geschniten fur 172 flrh zu 7 ß auf das Tanntzhauß an sand Marie Magdalene abent 1480". Damit ist für die Moriskentänzer der ausführende Bildschnitzer mit Namen überliefert, ein Umstand, der in der Geschichte der mittelalterlichen Kunst, auch noch in der Spätgotik und des ausgehenden Mittelalters, keineswegs die Regel ist.

Da Meister Erasmus auch in anderen Werken greifbar ist, ist der volle Name des Schnitzers dieser Figuren nie verloren gegangen. So steht es auf dem ausführlich signierten Rotmarmor‑Epitaph für den Domdekan Ulrich Aresinger zu lesen: „den Stein hat gehauen Meister Erasmus Grasser 1482". Durch das ausbezahlte Honorar wird auch die Wertschätzung des Auftraggebers deutlich: Diese Summe entsprach damals dem Wert von 1042 Schafen. Die Moriskentänzer waren für das Rathaus, das heute allgemein als „Altes Rathaus" bekannt ist bestimmt.

Dort haben die Figuren nahezu 450 Jahren gestanden, bis sie im Jahre 1928 abgenommen wurden arid durch Kopien ersetzt wurden. Die Originale wurden in den Werkstätten des Bayerischen Nationalmuseums untersucht und soweit nötig, restauriert. Im Bayerischen Nationalmuseum waren sie drei Jahre, bis sie das Münchner Stadtmuseum in ihre Sammlung übernahm. Nach einer vierjährigen Renovierung war anlässlich der Wiedereröffnung in der „Münchner Post" zu lesen: „Im Vorraum der Waffenhalle hat ein  bedeutendes Denkmal spät mittelalterlicher Holzbildmalerei Platz gefunden, die 1480 von Erasmus Grasset geschaffenen Moriskentänzer..." Seither gehören die Moriskentänzer zum kostbarsten Besitz des Münchner Stadtmuseums.

 

 

Grasser Schmidmühlener und Münchner

Im Jahre 1508 bezeichnete sich Erasmus Grasser als Schmidmühlener: „ich Bildhauer, von Schmidmülln". Um 1450 war nachweisbar Grasser In Schmidmühlen ansässig. Wiederholt wird ein Hans Grasset genannt. An der Außenwand der Riedener Pfarrkirche ist ein Grabstein für die am 20.1.1505 verstorbene Barbara Hanauerin, Gattin des Hans Grasset zu Schmidmühlen, eingelassen. Vielleicht waren beide die Eltern des Künstlers? 1485 hatte Erasmus Grasset in Manchen das (heutige) Spatenhaus erworben.

Dass er auch ein warmes und mitfühlendes Herz besaß, bewies er wohl damit, dass er 1508 eine Urkunde ausstellte, nach welcher er alljährlich 10 fl. stiftete, damit eine arme und sittsame Jungfrau verheiratet werden könne. Als er im Frühjahr 1518 starb, hinterließ er 2238 Pfund Pfennige und war wohl damit der reichste Bürger Münchens. Begraben wurde er hoch angesehen im Salwatorfriedhof. Ob er Nachkommen hinterließ, ist ungewiss. Verheiratet war er mit Dorothea Kaltenbrunner aus Ebertshausen.

 

 

Komisch‑erotischer Tanz

Moriskentänze ‑ Durch extravagante Sprünge um Geliebte werben

 

Die Anfänge des Moriskentanzes, dem Erasmus Grasser mit seinen Schnitzereien huldigt, sollen angeblich in Spanien liegen. Er ist als stilisierter Schwertkampf aufgeführt worden und soll die Auseinandersetzung zwischen Christen und Mohammedanern symbolisiert haben. Diese Bedeutung hat der Tanz im Laufe der Zeit offensichtlich verloren. Der Begriff „Moreske" taucht erstmals am Hofe des Königs Aragon auf (damals das spanische Süditalien). Dort bezog er sich auf das bunte Völkergemisch aus Juden, Arabern und Afrikanern, Türken und Griechen, die auch als „gente nigra" verächtlich gemacht wurden.

 

Die Lieder und Tänze dieser heimatlosen  Menschen haben wohl auf Reisende einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die oben beschriebene spanische Version ist in unseren Breiten nicht bekannt. Im 15. Jahrhundert ist der Moriskentanz in Süddeutschland in Mode gekommen. Hier allerdings ist der Mortskentanz ein Männertanz geblieben und hat eine Ausprägung ins Komisch Erotischen genommen. In Süddeutschland ist er zu einer Allegorie auf die Torheit des Liebeswerbens geworden: Eine junge Frau protestiert zwischen Kavalieren.

Von der weiblichen Schönheit verführt und vom stetig steigernden Rhythmus der Moreske angetrieben, beginnen die Tänzer das ruhig verweilende Mädchen zu umkreisen. Jeder versucht durch extravagante Sprünge die Gunst der Angebeteten zu gewinnen. Der Moriskentanz wurde damals bei festlichen Gesellschaften zur Unterbrechung des allgemeinen Tanzes geboten. Aufführungen in Frankfurt (1462) und Nürnberg (1479, 1487,

1496) sind bekannt; in Nürnberg haben sich noch bis in die heutige.

 Zeit „Morischgentanz" betitelte Fastnachtsspiele erhalten.

Ähnliche Tänze lassen sich auch bis nach England und in die Niederlande verfolgen. Es scheint, als hätte Erasmus Grasset fürwahr ein altes europäisches Tanzspiel mit seinen Figuren festgehalten. Von diesen sind nur noch zehn der damals 18 „Pilden" erhalten geblieben. Die restlichen ‑ eine Jungfrau und die Musikanten ‑ fielen späteren Veränderungen des Saales zum Opfer.

 

(Amberger Nachrichten vom 01.08.2003)

16 Holzfiguren machten Erasmus Grasser unsterblich

Fünf Jahre lang mussten die Schmidmühlener warten, doch das Warten hat sich gelohnt: Zum 25. Markt fest treten am Sonntag die Moriskentänzer der Universität München auf. Mit der Verpflichtung der Tanzgruppe unter Leitung von Dr. Gertrude Krombholz ehrt der Markt seinen berühmtesten Sohn und setzt damit einen glanzvollen Höhepunkt beim Jubiläums Marktfest am Wochenende.

Erasmus Grasser, darüber ist sich die Kunstwelt einig, gilt als der berühmteste Bildhauer der Spätgotik in Süddeutschland. Geboren ist Erasmus Grasser um 1450 in Schmidmühlen. Damals waren in der prosperierenden Lauterachtalgemeinde nachweisbar Grasser ansässig; wiederholt wird ein Hans Grasser genannt.

An der Außenwand der Riedener Kirche ist ein Grabstein für die am 20. Januar 1505 verstorbene Barbara Hanauerin, Gattin des Hans Grasser zu Schmidmühlen eingelassen. Es waren wohl die Eltern des jungen Erasmus. Die Tatsache, dass dieser Grabstein an der Riedener Kirche angebracht ist, lässt die Vermutung zu, dass die Familie Grasser links der Vils am heutigen Anger zu Schmidmühlen gewohnt hat.

Künstler hatte keinen guten Ruf

Über den jungen Künstler ist bis jetzt zumindest wenig bekannt. Vermutlich hat er in Amberg seine erste Ausbildung erhalten: Amberg war damals die Hauptstadt, die Georgs-kirche kurz vor der Vollendung, die Martinskirche im Ausbau: zwei Werke, welche Bildschnitzern und Steinhauern Arbeit in Hülle und Fülle bot.

Anno 1474 erscheint Erasmus Grasser erstmals in den Akten der Münchner Sankt Lukas-Zunft, welcher er als Bildhauer angehören musste. In München verbrachte er seine Gesellenjahre. Man wollte ihn nicht zum Meisterstück zulassen, "um dass Asm Schnitzer ein unfriedlicher, verworrener und arglistiger Knecht ist, wie er dick mannigen (häufig) bewiesen hat".

Kein gutes Urteil seiner Zeitgenossen. Mit dem Schnitzen von Wappen schildern und einer Sonne machte der junge, zielstrebige Künstler auf sich aufmerksam. 1480 - inzwischen Meister - bekam er den Auftrag, für den zwischen den Jahren 1470 und 1474 von Jörg von Halspach neuer bauten Tanzsaal des Münchner Rathauses (heute Altes Rathaus) 16 Holz geschnitzte Tänzer zu schaffen. Ein Auftrag, der Grassers Ansehen und Ruhm als größter bayerischer Bildhauer des bayerischen Spätgotik begründet hat.

Erwähnt sollte noch werden, dass sich Erasmus Grasser 1508 als Bürger von Schmidmühlen bezeichnete: "...ich Bildhauer von Schmidmühlen..". In dem Vertrag mit der Stadt München ist auch der Lohn fest gehalten: "Item einhundert Pfund vier Schilling zahlt Meister Erasm Spitzer von 16 Pilden Maruschka Tantz geschnitten für 72 Gulden Rheinisch zu 7 Schilling auf das Tanz haus an Sankt Marie Virgine abent".

Inspiriert wurde Erasmus Grasser von einem Tanzbankett, das Herzog Christoph der Starke gegeben hatte. Von den alt eingesessenen Meistern wurde die Arbeit des jungen Grassers zunächst mit großen Argwohn und neidvoller Beunruhigung begleitet.

Reichster Bürger Münchens

Von ursprünglich 16 Tanzfiguren sind noch zehn erhalten geblieben. Diese haben fast 450 Jahre im Rathaussaal ungestört überdauert. Erst im Jahr 1928 wurden sie, durch Kopien ersetzt, nachdem sie 1726 und 1887 zwei Mal restauriert wurden. Nach einer erneuten Restaurierung fanden sie, zunächst im bayerischen Nationalmuseum und ab 1931 im Münchner Stadtmuseum ihr Zuhause und können dort bewundert werden.

Als Erasmus Grasser im April oder Mai 1518 verstarb, er war der reichste Bürger in München. Er hinterließ 2236 Pfennige. Begraben wurde er hoch angesehen im Salvator- Friedhof. Ob er Nachkommen hinterließ, ist ungewiss. Verheiratet war er mit einer Dorothea Kaltenbrunner aus Ebertshausen.

Die Moriskentänzer der Universität München gastieren am Sonntag in Schmidmühlen. Ihre Auftritte sind für 16 und 18 Uhr vorgesehen, zeitliche Verschiebungen sind möglich.

Faszination der Tänzer

Entsprechend ihrer Kostümierung wurde den Tanzfiguren frei erfundene Namen zugewiesen: Burgunder oder Figur mit Kegelmütze, Bauer, Jüngling oder Hochzeiter (auf Brunnen in Schmidmühlen), Damenhut oder Figur mit Wagenrad artiger Krempe, Orientale oder Figur mit kleinem Turban, Mohr, Prophet, Schneiderlein oder Figur mit Jagdhut ähnlicher Kopf bedeckung, Zadelrock oder Figur mit Hochmütze und schließlich Zauberer oder Figur mit Löwenkopf besetzter Mütze.

Die von Grasser geschnitzten Figuren gelten als einmalig in der mittelalterlichen Kunst. Um sie schnitzen zu können, dürfte er die Tänzer und die Bewegungsabläufe intensiv studiert haben. Möglich, dass er sich im Jahr 1479 in Nürnberg bei den Tänzern Anregungen geholt hat. Die Tänzer - eigenhändig bis ins Detail - sind die herrlichste Verkörperung altbayerischer Lebensfreude und Lust am Komödiantischen. Grasser hat die Figuren als faszinierende Tänzer mit unterschiedlichen ausdrucksstarken Bewegungscharakteren dargestellt. Die Art der Bewegung ist bei allen Tänzern ähnlich. Typisch sind dabei die Prinzipien der Gegenbewegung, der Isolierung und Verwirrung ,,Als tanzten die Morisken miteinander, schnalzen mit den Fingern dazu- schreien dazu wie die Kälber": gekreuzte Beine große gestreckte Armbewegungen mit weit gespreizten fingern, in alle Richtungen gebeugte Körper und mit schnellen Bewegungen und raumgreifenden Sprüngen- so tanzten die Morisken.

Die Gesichter der Tänzer sind als alt, ja fast vulgär zu bezeichnen. Typisch für sie sind Kinn- und Lippenbärte. Die Morisken verkörpern eine Tanzart , die sicher nicht auf deutschen Boden entstanden sind.

Zugeschrieben werden sie spanischen Mauren. Über Frankreich und England, wo er sich lange Zeit Beliebtheit erfreute. Im Mittelpunkt des Tanzes stand eine Frau als Glücks- oder Maienkönigin, die als Preis einen Ring oder Apfel und schließlich damit sich selbst anbot.

Zu den Tänzern gehörten auch Musiker so wie Narr.

Die Figur des Jünglings ziert den Brunnen vor dem Rathaus.

siehe auch: Moriskentänzer der Universität München

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