Von
einem ungewöhnlichen Kirchturm, geheimnisvollen Grabsteinen und einer
Katastrophe
Wo
heute der alte Grabstein steht, war früher eine Marienkirche.
SCHMIDMÜHLEN (ajp/x). Wenn an diesem Wochenende voraussichtlich wieder einige tausend Besucher zum Marktfest kommen, gilt ihr Interesse natürlich dem, was die Vereine, Gastwirte und der Kulturverein an Attraktionen oder kulinarischen Genüssen vorbereitet haben. Das soll auch so sein. Doch der Ort selbst steckt voller großer und kleiner steinerner Zeitzeugnisse aus der langen und glanzvollen Geschichte. Und oft geht man an ihnen eher achtlos vorbei. Das soll nicht so sein. Der Kulturverein und die Amberger Nachrichten bieten einen kleinen Spaziergang durch die Geschichte Schmidmühlens an.
990 Jahre alt wird der idyllisch am Zusammenfluss der Vils und der Lauterach gelegene Marktflecken - ein kleiner runder Geburtstag also. Urkundlich erstmals erwähnt wird Schmidmühlen um das Jahr 1010. Das Land war um das Jahr 1000 im Besitz der Markgrafschaft Hohenburg. Die Landgrafenswitwe Philifrieda vermachte, wie es damals weit verbreitete Sitte war, die Besitztümer zum Seelenheil ihres Mannes dem Kloster St. Emmeram.
Im ältesten Urbar von 1233 war Schmidmühlen ein Dorf mit einem einzigen abgabepflichtigen Hof. Kaum 40 Jahre später, im Salbuch Herzog Ludwigs des Strengen 1270, war Schmidmühlen als Markt und Amt aufgeführt. Das Schmidmühlener Amt war sehr klein. Es bestand 1283 aus dem Markt Schmidmühlen, dem Vogteihof Harschof, dem Hof Ettsdorf und dem Hof Härbenthal; im Salbuch 1326 fehlt Härbenthal. Dieser zwischen Schmidmühlen und Emhof gelegene Einzelhof war also inzwischen abgegangen.
In
Schmidmühlen gibt es eine Viehlzahl von Zeugnissen aus einer bewegten
Kirchengeschichte. Auffallend ist der für die Region recht untypische
und eigenwillige Kirchturm. Am Fronleichnamstag im Mai 1807 stürzte
am Nachmittag der Turm der Pfarrkirche ein. Glücklichen Umständen
ist es zu verdanken, dass niemand zu Schaden kam. Mehr als 25 Jahre hatte
die Pfarrkirche keinen Kirchturm mehr.
Idyllisch:
„Klein-Venedig“ mitten in Schmidmühlen. Fotos: Popp
Stolz auf einmaligen Turm
Um jene Zeit kam auch König Ludwig I. durch das Lauterachtal gefahren. Die Schmidmühlner - gar nicht dumm - baten den König gleich um eine Spende, damit sie auch wieder eine schöne Kuppel auf den Turm setzen könnten. Der König aber meinte, sie bräuchten keine Kuppel, sie sollten den Turm mit einem flachen Dach abschließen. Solche Türme würden sich in Italien oft finden. So wurde es dann auch gemacht. 1834 wurde der Turm fertig. Glücklich waren die Schmidmühlener aber nicht und wurden von manchen ausgelacht. Heute aber ist man stolz auf diesen einmaligen und außergewöhnlichen Turm.
Eine außergewöhnliche Geschichte hat auch ein alter Grabstein, der heute zwischen den Lauterachbrücken in der Poststraße steht. Dass er da steht, hat man der Aufmerksamkeit eines Baggerfahrers zu verdanken. Beim Neubau der Hohenburger Straße wurden einige dort stehende Gebäude abgerissen und der Schutt weggefahren. An dieser Stelle, wo heute der Grabstein steht, soll eine Marienkirche (vielleicht die erste Kirche in Schmidmühlen) gestanden haben. 1956 wurde in einem dieser Gebäude (ehemals Mulzhaus) ein gotisches Fenster entdeckt.
Die Blütezeit der Marienkirche war im 11. und 12. Jahrhundert. Man schätzt, dass diese Kirche hier um 1431 gebaut wurde. Und ganz offensichtlich wurde jemand in dieser Kirche (vielleicht gab es auch einen Friedhof an der Stelle?) beerdigt. Zu diesem Grab gehörte der Grabstein.
Als der Schutt abtransportiert wurde, fiel einem Baggerführer der Grabstein auf. Nachdem der Stein Jahre lang in der Bahnhofstraße lagerte, sicherten ihn Mitglieder des Gartenbauvereins und stellten ihn an diesem Platz auf. Das Geheimnis, für wen der Grabstein gesetzt wurde, wurde noch nicht gelüftet.
Wenige Meter weiter in Richtung Marktplatz an der Hauswand der „Alten Apotheke“ findet man eine kleine Steintafel, wie sie an mehreren Gebäuden zu sehen sind. Sie erinnern an die größte Hochwasserkatastrophe, die der Markt je erlebt hatte. Im Januar 1909 herrschte eine schneelose große Kälte und die Erde war tief gefroren. Ende Januar ließ die Kälte plötzlich nach und es fing sehr stark zu schneien an, drei Tage und drei Nächte. Dieser Schneefall ging dann in Regen über, der wieder drei Tage und Nächte dauerte.
Vom 4. auf den 5. Februar kam dann rasend schnell das Hochwasser. Eine Evakuierung von Tieren war nicht möglich, denn alle Zu- und Ausgänge waren plötzlich überflutet. Die Flut stieg so schnell, dass die Bewohner nur mehr das eigene Leben retten konnten. Meter hoch rauschte das Hochwasser durch die Straßen des Marktes und riss alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. Hilflos mussten die Bürger zusehen, wie durch das Jahrhunderthochwasser Hab und Gut zerstört wurden. 22 Kühe, etwa 30 Schweine, 49 Schafe und eine Menge Geflügel ertranken in den Fluten. Schmidmühlen versank in Wasser und Schlamm. Im ganzen Land wurde für die Geschädigten eine Spendensammlung durchgeführt.
Hafen brachte Wohlstand
Interessant war der Hafen von Schmidmühlen insofern, da durch den Zusammenfluss der Wasser reichen Lauterach mit der Vils größere Schiffe verwendet werden konnten. Deshalb auch die Wahl des Hafens in „smidimulni“. Der Zusammenfluss von Vils und Lauterach war übrigens da, wo heute das „Klein-Venedig“ von Schmidmühlen ist.