Amberger Nachrichten v. 21.04.2001
Arme brauchten Erlaubnis zum Heiraten
Dienstboten und Hirten oft von Armut betroffen / Ein unbekanntes Kapitel der
Geschichte
Von Josef Popp
SCHMIDMÜHLEN. Ein Blick in das Archiv der Gemeinde Schmidmühlen zeigt ein Stück
Geschichte, an die sich heute so gut wie niemand mehr erinnern kann und mag. Es
ist die Geschichte der Armen und Kranken im 19. Jahrhundert.
Wissenschaftlich schon längst unumstritten ist, dass die zu verschiedenen
Zeiten erscheinenden Formen der Armut geschichtliche Phänomene sind, die als
wichtige Bestandteile eines Landes bzw. einer Region zu gelten haben.
So hat es früher auch in Schmidmühlen Arme und Kranke gegeben, die der
öffentlichen Unterstützung bedurften. Zu einem wirklichkeitsnahen Bild der
Geschichte Schmidmühlens gehört es auch zu zeigen, wer diese Armen und
Kranken waren und welchen sozialen Schichten sie angehörten.
Magistrat musste zustimmen
Vor rund zwei Jahrhunderten war es für ärmere Leute gar nicht so einfach, sich
in einem Ort nieder zu lassen oder gar zu heiraten. Die Gesetzgebung des 19.
Jahrhunderts zur Heimat- und Ansässigmachung und Heirat bewegte sich
zwischen dem Interesse auch der ärmeren Bevölkerungsschichten, zu heiraten, und
den Interessen der Gemeinden, die Anzahl der unterstützungsbedürftigen gering
zu halten. Jede Gemeinde war nämlich verpflichtet, bei Bedürftigkeit
die zum Leben notwendige Unterstützung zu gewähren. So war es in einem
Bettelmandat vom Jahr 1780 den kurfürstlichen und ständischen Beamten geboten,
keine Leute heiraten zu lassen, die sich selbst nicht ernähren
konnten.
Im Lauf des Jahrhunderts wurde die Gesetzgebung jedoch weitgehend revidiert.
Dennoch mussten über lange Zeit hinweg ärmere Leute um Heirat oder Heimat bei
den Verwaltungsbehörden nachfragen und Antrag stellen. So auch in
Schmidmühlen.
Am 27. Dezember 1845 z.B. bringen Johann Dobler, lediger Hirtensohn aus
Höchensee, und Maria Margarete Peter, ledige Taglöhnerstochter von Parsberg, zu
Protokoll des Marktmagistrats Schmidmühlen ein Ansässigmachungs- und
Verehelichungsgesuch vor. Sie bitten um Aufnahme in den Gemeindeverband und um
Erteilung der Verehelichungslizenz. Als Gründe bringen sie vor: Sie haben das
Taglöhneranwesen des Andreas Fischer um 727 Gulden 42 Kreuzer käuflich
erworben, vom Kaufpreis bereits 227 Gulden 42 Kreuzer bar bezahlt. Sie besitzen
400 Gulden Barvermögen. Außerdem geben sie zu Protokoll, dass sie bereits ein
gemeinsames außereheliches Kind, nämlich ein dreijähriges
Mädchen, haben, das sie durch ihre Verehelichung "legitim machen"
wollen.
Der Widerspruch hatte Erfolg
Das Gesuch der Beiden lehnte der Magistrat von Schmidmühlen am 1. Dezember 1846
ab. Der Widerspruch der beiden bei der Regierung hatte Erfolg. Dem
Marktmagistrat war ein formaler Fehler unterlaufen. In der Allgemeinen
Verordnung über das Armenwesen vom 17. November 1816 werden örtliche
Armenpflegen in den Stadt-, Land- oder Marktgemeinde vorgeschrieben. In Schmidmühlen
gab es eine örtliche Armenpflege, auch
Lokalarmenpflege genannt. Und in Städten und Märkten, die einen Magistrat
hatten, musste ein Pflegschaftsrat gebildet werden. Die Mitglieder des
Armenpflegschaftsrates Schmidmühlen, nämlich Pfarrer Frank, Bürgermeister
Reindl, Magistratsrat Fleischmann, Magistratsrat Hammer, der Bäcker Georg
Hoffmann, der Drechsler Ferdinand Gottsauner, der Metzger Joseph Windl und der
Landarzt Franz Pfab, haben am 30. November 1846 den Bäckermeister Georg
Hoffmann mit sechs gegen zwei Stimmen zum Vorstand der Lokalarmenpflege in
Schmidmühlen gewählt.
Hammerschloss einst Armenhaus
Am 14. Dezember 1836 wies die Armenbeschreibung in Schmidmühlen zwölf
hilfsbedürftige Personen auf, so eine 79-jährige Seifensiederswitwe, eine 76-jährige
ledige Küfnerstochter, einen 89-jährigen verheirateten
Zimmergesellen oder eine 79-jährige Taglöhnerswitwe. Für die Armen in
Schmidmühlen gab es bis 1857 kein eigenes Armenhaus; bis dahin diente das
Krankenspital auch als Armenhaus. Diese Kombination bewährte sich
offensichtlich nicht, zumal das Spitalgebäude nicht allzu groß war.
Am 27. April kaufte der Markt von der Schuhmacherswitwe Barbara Vandersitt das
ehemalige Hammerschloss als Armenhaus an. Dieses befand sich von Anfang an in
einem schlechten Bauzustand. Am 2. Juli 1872 forderte das Bezirksamt
Burglengenfeld die Marktgemeinde auf, das Armenhaus einer durchgreifenden
Reparatur zu unterziehen. 1864 waren zehn Personen (fünf Frauen, vier Kinder,
ein Mann) im Armenhaus untergebracht. Nach dem vorliegenden Protokoll vom 12.
August 1864 befanden sich Margarete Friedrich, Jakob Friedrich, Theres
Fletterer, die Schwestern Katharina und Kunigunda Trinkl und Theres Schmidt,
diese mit vier Kindern, im Hammerschloss. Von diesen erklärten sich nur Margaretha
und Jakob Friedrich zur Zahlung eines jährlichen Herbergszinses von acht bzw.
fünf Gulden bereit, die übrigen Personen erklärten sich dazu außerstande.
Zu den von Armut besonders bedrohten Bevölkerungsgruppen gehörten vor allem die
unselbstständig Beschäftigten, die sich mit ihrer täglichen Arbeit den
Lebensunterhalt verdienen mussten. Die größte Gruppe waren die Dienstboten, die
in bürgerlichen Handwerkerfamilien und bäuerlichen Betrieben beschäftigt waren.
Auch der Gemeindehirte, den es in Schmidmühlen noch bis in die zweite Hälfte
des 19. Jahrhunderts gab, gehörte dazu.
Nach einer Aufstellung für die Jahre 1898 und 1899 waren 49 Dienstboten in der
Marktgemeinde beschäftigt. 1853 waren 37 Gemeindearme verzeichnet, darunter nur
13 Frauen. 1864 waren von den zehn Insassen fünf Frauen,
darunter eine mit vier Kindern, und nur ein Mann.
Besonders von Armut bedroht waren in der Regel auch die Gemeindehirten, weil
sie meist Ortsfremde waren, jederzeit gekündigt werden konnte und nur selten
einen eigenen Besitz hatten. In Schmidmühlen war dies teilweise etwas
anders, da der langjährige Gemeindehirte Leonhard Dobler seit 1842 selbst
Besitz hatte. Mit der Dienstleistung Doblers war man aber offenbar wenig
zufrieden. Schon 1857 wurde einstimmig beschlossen, Dobler den Dienst
aufzukündigen. Dies ließ sich offenbar nicht verwirklichen. Nach einer zweiten
Kündigung musste er jedoch nach 26 Jahren Tätigkeit als
Gemeindehirte seinen Platz räumen.
Mit einstimmigen Beschluss vom 25. Juli 1857 kündigt der Magistrat und
Gemeindebevollmächtigte des Markts dem Viehhirten Leonhard Dobler den Dienst
auf, wobei gleichzeitig beschlossen wurde, einen neuen Hirten zu dingen. Mit
vorliegenden Protokoll der Gemeindeverwaltung vom 25. Oktober 1869 wird Andreas
Fischer von Kirchenödenhardt als neuer Gemeindehirte aufgenommen. Er wurde
verpflichtet, aus eigenen Mitteln zwei taugliche Sprungtiere und einen
Schweinsbären anzuschaffen und zu unterhalten. 1870 wurden an das Hirtenhaus
Schweineställe angebaut.
Mit dem Armenwesen einer Gemeinde hängt das Gesundheitswesen eng zusammen, weil
dessen Organisation und Ausgestaltung für die Armen und Hilfsbedürftigen von
existentieller Bedeutung war. Schmidmühlen hatte selbst
ein Spital. 1857 wurde ein Krankenunterstützungsverein gegründet, in dem
Mitgliedschaft für alle Dienstboten, Handwerksgesellen und Fabrikarbeiter im
Landgerichtsbezirk Pflicht war.
Am 8. Januar 1882 schlossen die Gemeinden Lanzenried, Emhof, Kirchenödenhardt,
Bergheim, Winbuch, Schmidmühlen, Vilshofen, Büchheim, Pilsheim und Höchensee
einen eigenen Krankenunterstützungsverein. Ihm oblag
auch, die Höhe des Verpflegungssatzes im Schmidmühlner Spital festzulegen.
Das Spital war jedoch sehr spärlich ausgerüstet. So zeigt die Inventarliste vom
9. Dezember 1860 für die vier Krankenzimmer jeweils eine Bettlade (zusammen
waren sechs Bettladen aufgestellt); in jedem Zimmer stand ein
Tisch mit jeweils einem Stuhl. Nur im ersten Zimmer hing ein Kruzifix. Diese
Einrichtung war zwar spärlich, entsprach aber dem damaligen Standard.
Medizinische Geräte waren nicht vorhanden, sondern wurden vom behandelnde
Arzt jeweils mitgebracht.
Viel gab es nicht im Spital
Am 6. Februar 1872 wurden dann u.a. angeschafft: ein Tischchen mit Schublade,
zwei Leibtücher, eine Tragbahre, eine Laterne und eine Schere. Untergebracht
war auch eine Totenkammer. Irgendwann wurde dann neben dem
Spital eine eigenes kleines Leichenhaus gebaut.
In das Spital wurden auch Patienten mit ansteckenden Krankheiten eingeliefert.
So teilte am 24. April 1859 der praktische Arzt Dr. Wenzl dem Magistrat mit,
dass die an Blattern leidende Dienstmagd Walb Knoll von
Schwarzmühle am 23. April in das Krankenspital zu Schmidmühlen eingeliefert
wurde.
1879 wurde das bestehende Krankenhaus erweitert. Das Spital war nach einer
Auflistung 1883 mit einer Belegungskapazität von nur 31 Prozent unzureichend
belegt. Es war damals doch die Regel, dass die meisten Kranken zu Hause
gepflegt wurden. Beide Häuser, Spital und Totenhaus, werden heute als
Wohnhäuser genutzt.
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Siehe auch weiterer Bericht aus dem Jahr 2007