Kaiser Karl IV und die Zielsetzung der Goldenen Straße Kaiser Karl IV. (1316- 1378) Böhmischer König, Graf von Luxemburg, Markgraf von Mähren, römischer Kaiser
Auf der "Goldenen Straße" reiste Karl IV während seiner 32 Regierungsjahre zwischen 60 und 74 mal durch Neuböhmen
nach Nürnberg, Würzburg und Frankfurt. Diese Landbrücke führte wahrscheinlich über Koblenz in das Land seiner Väter, nach Luxemburg, wohin er allerdings selten kam. Dies bot ihm auch Gelegenheit zu repräsentieren und eine gute Möglichkeit, um "Volksnähe" zu zeigen, was wir durch viele Audienzen belegt finden. Zudem gewährleistete die Verbindung dem Kaiser eine bequeme, sichere und kostengünstige Reise.
Darüber hinaus sicherte sie den militärischen Schutz des Kaisers und der darauf reisenden Handelsleute. Der Geleitschutz wurde zu einer profitablen Einnahmequelle des Kaisers. Zahlreiche Pflegamtssitze und Burgen pflasterten ihren Weg. Das "böhmische Salbüchlein" beschreibt, wie diese bemannt und mit Waffen bestückt waren.
Des weiteren plante Karl IV. das mutige Projekt einer Verbindung von Venedig über Ungarn, der habsburgischen Länder und Böhmen über die Elbe und Oder bis hin zum hanseatischen Handelsraum. Dies sollte dem wirtschaftlichen Aufschwung von Handel und Handwerk unter anderem in Böhmen zugute kommen.
Kaiser Karl IV. (1316-1378) verfolgte nicht nur wirtschaftspolitische Ziele mit der Idee der Goldenen Straße, sondern förderte auch den kulturellen und geistigen Austausch zwischen Ost und West. So gründete er die erste deutschsprachige Universität jenseits der Alpen in Prag (1348) und nannte sich stolz: Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.
Bild: Das Standbild Karl IV. am Rande der Altstadt vor dem Weg über die Karlsbrücke wurde in Nürnberg gefertigt und ist ein Geschenk Frankreichs anlässlich der 500-Jahr-Feier der Karlsuniversität im Jahre 1848.
Goldene Bulle
Als Initiator des bedeutendsten Reichsgesetzes des Heiligen Römischen Reiches, der Goldenen Bulle, erlangte der Kaiser weiter große Bedeutung. Dieses Gesetz regelte - erstmals und endgültig - die Modalitäten der Wahl des Königs und der Rechtsstellung der Kurfüsten. Gegenüber den Forderungen des Papsttums, zum Beispiel die Zustimmung des Papstes bei der Königswahl, setzte er sich diplomatisch durch Stillschweigen hinweg. Außerdem wurden künftige Doppelwahlen von Königen unmöglich gemacht.
Damit der Kaiser nach dem Erlass der Goldenen Bulle "nicht willenloser Spielball in der Hand der Kur- und Reichsfürsten" wurde, schuf er in Böhmen ein Kultur- und Wirtschaftszentrum, das bis Italien, Frankreich, Polen und tief in den Osten ausstrahlte. Böhmen sollte mittels der "Goldenen Straße" an Frankfurt, dem Ort der Königswahl und an seine luxemburgische Hausmachtgüter angeschlossen werden. Von der Grenze Böhmens bis vor die Tore der freien Reichsstadt Nürnberg sicherte er den Weg durch das Gebiet des ehemaligen "Neuböhmens" mit der Hauptstadt Sulzbach.
Hinweis: Das Buch der Goldenen Bulle mit Übersetzung ist in einer Mikroverfilmung im Deutschen Historischen Museum in Berlin, Abteilung 14.Jahrh. zu durchzustöbern.
Karl ordnet das Reich
Von Deutschland oder von Bayern zu sprechen, wäre für damalige Verhältnisse aus historischer Sicht falsch, denn den staatsrechtlichen Titel "Deutsches Reich" gibt es schließlich erst seit 1870. Und das alte Reich, das sich 911 bildete und 1806 auflöste, hat nie diesen Titel geführt, sondern bekanntlich erst später den eines römischen Reiches angenommen. Aus dieser Sicht ist das Verhältnis der Menschen im Mittelalter lediglich durch Sprache und Volksart getrennt, als Bindeglied fungierte vor allem die römisch katholische Kirche. Der Zerfall des Kaisertums, die verworrenen Verhältnisse im Reich zu ordnen, das
gelingt Karl IV. Das stolze Rittertum verfällt während seiner Regierungszeit immer mehr. Der Handel, die Entwicklung der Städte, das zunehmende Bewusstsein der Bürger kennzeichnen die Epoche. Mit Klugheit und Geschick nutzt, steuert und fördert Karl diese Tendenzen - nicht ohne Vorteil für ihn. Nürnberger Kaufleute finanzieren seine Politik, noch heute belegen dies erhaltene Urkunden. Karls Politik geht von einer zentralen Machtstelle aus, diese sieht er in Prag. Innerhalb des Reiches baut er die Spannungen unter den Fürsten ab, Expansionsideen lässt er fallen. Durch das Reichsgesetz der "Goldenen Bulle" von 1356, stärkt und verbrieft er die Vorrechte der Kurfürsten. Bis zum heutigen Datum darf dieses bedeutende Werk ob seiner
Rechtsstaatlichkeit gerühmt werden. Um das Reich zu festigen, unternimmt er Reisen in all seine Besitztümer und im Gegensatz zu seinen Vorgängern mied er den Süden Europas. Zu Böhmen gewinnt er mächtige Ländereien: die Mark Brandenburg, die Lausitz und Niederschlesien. Nebenbei wirkt er als Schriftsteller, schreibt seine Jugendzeit auf, gestaltet eine Legende über den Heiligen Wenzel und einen Fürstenspiegel für seine Nachfolger. Unter der Federführung des Humanisten Johann von Neumarkt lässt er die lateinische und deutsche Schriftsprache reformieren.

Bild: Große Ausstellung über Karel IV. 02 / 05- 2006 in Prag
Nach Karl gibt es keine Einheit mehr
Schon Goethe bemerkt bei seinem Besuch im Frankfurter Römer "das historisch interessante fing für uns erst mit Rudolf von Habsburg an". Seit Karl IV., gründet die Vorherrschaft seines Hauses auf ein kluges System das dazu führte, Ländereien zu erwerben, ohne Kriege zu führen. Für ihn zählen geschickte Verhandlungen, oft ist es auch die List, aber auch das Ernstnehmen des Kontrahenten und das Nachgeben am rechten Ort. "Sei friedsam, und wo du etwas in Güte erreichen kannst, da lass den Krieg!" lautete seine Botschaft.
Ja, er ging sogar so weit, Kriege, Händel, Brandstiftungen, Raub und Plünderungen, überzogene Zollgebühren unter Strafe zu verbieten. In der Rechtsprechung wird das überholte "Gottesurteil" abgeschafft, Böhmen erhält ein neues Gesetzbuch. So gelingt es dem Kaiser, dass in einem Vielvölkerstaat Friede gehalten wird, ohne die darin lebenden Menschen ihrer Rechte zu berauben. Eine Kunst, von der wir auch heute in Europa noch lernen können. Von Schmerzen und Gicht geplagt stirbt Karl IV. Am 29. November 1378 in Prag, noch zu Lebzeiten - was sehr ungewöhnlich war - empfängt sein Sohn Wenzel die Krone. Kurz vor seinem Tod trifft er noch eine politisch umstrittene Entscheidung, er teilt seine Hausmacht auf seine drei lebenden Söhne auf. Seinem Sohn Wenzel aber gelingt es nicht, auch nur annähernd in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Er versagt kläglich und damit verlieren die Luxemburger die Herrschaft im Reich.
In den Reihen der deutschen Fürsten gab es später niemanden, der Karl nacheifern kann. Die kleinen deutschen Landesstaaten kannten eben nur "kleine Ziele und Aufgaben": Ein paar Quadratmeter Landerwerb, eine lästige Grenzfestung im Nachbargebiet zu zerstören oder sich anzueignen und vor allem den Untertanen möglichst viele Steuern aufzubürden - das war Sinn und Trachten der durchlauchten Fürsten. All dieser Tatsachen müssen wir uns bewusst sein, wenn wir beim Suchen eines Geschichtsbildes vor allem bei unseren tschechischen Nachbarn beginnen.
Bild: Karl IV. am Rathaus der Stadt Hamburg
Neubelebung einer Nachbarschaft
Nach der Öffnung der Grenzen 1989 reichten sich mehr als 40 Jahren nach Beendigung des 2. Weltkrieges Deutsche und Tschechen die Hand zur Aussöhnung. Wenn auch in beiden Ländern von Teilen der Bevölkerung nicht unumstritten, so wurde dennoch eine Basis für eine gut nachbarschaftliche Beziehung gelegt. Eine Beziehung, die in der "Volkspolitik", also an der Basis sofort nach der Grenzöffnung vielerorts umgesetzt wurde. Man nehme nur als Beispiel die Schulen entlang der gemeinsamen bayerisch / böhmischen Grenze. Von Selb über Furth im Wald bis Passau entstanden in den Jahren nach der Öffnung bayerische Schulpartnerschaften, die seitdem von Leben erfüllt sind und zwischenmenschliche Kontakte anbahnen. Gehen wir in das Jahre 2010- dann ist es wohl kaum mehr möglich, die vielen Preojekte, Kontakte und Initiativen zwischen Tschechen und Deutschen auf allen Ebenen- mit Ausnahme der offiziellen bayerischen Politik aufzuzählen. Zum Glück jedoch gibt es die "Volksdiplomatie".
( CHR)
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