"Immer zu Kerzen angesägt"
Ironie, Tiefsinn und Klamauk im GMG-Theater
Die Herkunft des Titels "08/15" stand am Anfang
des Theaterabends in der Aula des
Gregor-Mendel-Gymnasiums: Studiendirektor Anton
Fütterer erläuterte, wie die Bezeichnung
des Maschinengewehrs am Anfang des 20. Jahrhunderts
zustandekam und dass sich aus der alltäglichen
Pflicht der Soldaten, dieses Gerät
auseinanderzunehmen, zu reinigen und wieder
zusammenzubauen, die heutige Bedeutung entwickelt
habe. Allerweltstheater also? - Im besten Sinne, ja;
das zeigte sich in der folgenden reichlichen Stunde,
in der die Spielerinnen und Spieler ein Panorama
allgemeiner Probleme menschlicher Kommunikation
ausbreiteten, die manchmal tiefgründig, manchmal
kryptisch, oft humorvoll dargestellt wurden. Dass die
Zahlen "0 - 8 - 15" auch die Notenskala der
Kollegstufe umspannen, stand dabei des öfteren -
unausgesprochen - als reizvolle Doppeldeutigkeit im
Raum.
Die Texte, die den Szenen der dreißig
Schülerinnen und Schüler zugrundelagen,
waren zum Teil selbst geschriebene Dialoge, zum Teil
Bearbeitungen von Texten, die im Schultheater
Kultstatus erreicht haben; Werke von Georg
Büchner, Jean Tardieu und Wolfgang Deichsel
dienten der GMG-Truppe als Inspirationsquelle.
Auf der kargen Aulabühne wurde wieder
äußerst ökonomisch und effektvoll mit
Requisiten umgegangen: Ein mannshohes Absperrgitter
diente als Rückwand, als Trennwand, als Netz -
und für die Befestigung eines Hirschgeweihs, das
als Symbol deutscher Spießigkeit eine Reihe von
Szenen stumm kommentierte. Dass sowohl durch Reden
als auch durch Schweigen Missverständnisse
erzeugt und Kommunikation zum Scheitern gebracht
werden kann, stand bei einer Reihe von Szenen im
Mittelpunkt.
Ein Paar, das sich offenbar nichts mehr zu sagen hat,
streitet sich darum, wer es wohl sei, der dem anderen
nicht mehr zuhört, bzw. wer dem anderen durch
seine Monologe seine Nichtachtung demonstriere -
intensiv und mit überzeugender Emotion
ausgespielt. Schön auch eine Zweierkombination
von Szenen exklusiv um die Zahl Fünfzehn:
Zunächst sieht man ein Paar, bei dem der Mann
ein Fußbad nimmt, sich der Pediküre widmet
und dann darüber sinniert, warum der Mensch wohl
fünf Zehen habe - wobei aber die "fünf
Zehen" immer wie "fünfzehn" ausgesprochen
werden: "Warum eigentlich fünfzehn? - Weniger
wäre besser ... dann wäre auch der Schnitt
sauberer" - die intelligente Verknüpfung des
Themas Notenpunkte mit dem Bereich der
Fußpflege wurde von den Wissenden besonders
genossen.
Die zweite "Fünfzehn"-Szene beschäftigte
sich mit einem Problem, das dieses Alter für
viele Jugendliche mit sich bringt. Wie sehr das
Mädchen sich davor fürchtet, mit dem
Pickel, den sie auf ihrer Stirn entdeckt hat, nicht
mehr beachtet, ja nur mehr bemitleidet zu werden, das
wurde anschaulich dargestellt. Gerade beim Thema
Liebe spielt die Kommunikation natürlich eine
große Rolle.
Hierzu, unter dem Titel "Liebe, na ja", wurden drei
Szenen zusammengefügt, die das Thema aus
unterschiedlichen Blickwinkeln und stets faszinierend
bespiegelten: In "Wild Tier" wurde die erotische
Anziehung der Geschlechter thematisiert, Mann und
Frau getrennt durch das nun zum Raubtiergitter
umfunktionierte Requisit, in "Rosetta" ging es um das
Ende einer Liebe, und in "Zeitungsmeldung" wurde der
Gegenstand wieder ins Komische gedreht, als der Mann
von einem Gewaltverbrechen vorliest, das die Frau vor
allem deswegen erbost, weil das Opfer sich bereit
erklärt hatte, dem geschiedenen Mann die Hose zu
flicken.
Besonders echt - und in ihrer Doppeldeutigkeit sowohl
Erheiterung als auch Bestürzung erzeugend -
wirkten die Szenen "Im Stehcafé", in denen
Langeweile, Einsamkeit, Stammtischgerede vom Krieg
und Krankheiten als Gesprächsthema im Zentrum
standen. Hierbei konnten einzelne Schüler auch
mit ihren besonderen individuellen Stärken
glänzen, indem sie sich eines Dialektes bzw.
Akzents bedienten: So klang der Stammtisch auf
Fränkisch, Saarländisch und mit
türkischem Akzent erst recht stimmig.
Für all die nachdenklich machenden, lustigen,
geheimnisvollen Szenen, die im richtigen Tempo und
mit sichtlichem Teamgeist dargeboten wurden,
erhielten die Akteure begeisterten Beifall. Die
Spielerinnen und Spieler ihrerseits bedankten sich
bei Regisseur Anton Fütterer, der sich in
Zukunft nicht mehr mit der Frage "Null, acht oder
fünfzehn?" auseinandersetzen will und deshalb
seine Spielleitung des Grundkurses Dramatisches
Gestalten mit dieser Inszenierung niederlegt.
Peter Ringeisen
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