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Kein Vertrauen in die Romantik

Geschlossene künstlerische Team-Leistung der Theatergruppe des Erasmus-Gymnasiums



In einer Zeit, in der über Sozialabbau und Kürzung der Sozialhilfe nachgedacht wird, den "Taugenichts" von Eichendorff als Helden auf die Bühne zu stellen, erfordert schon einigen Mut. Erfüllt er doch alle die Vorurteile, die einen arbeitsunwilligen Menschen begleiten. Er lebt in den Tag hinein und lässt den "Herrgott", wie man so schön sagt, "einen guten Mann sein" und, o Wunder, in der Novelle wird trotzdem alles gut. Wie es halt im Märchen so ist, der Träumer macht sein Glück, nicht derjenige, der die "Ich-AG" zum Lebensinhalt wählt.

Doch kurz zum Inhalt: Der Vater, ein Müller, wirft seinen Sohn hinaus, weil er nur in der Sonne liegt und sich nicht darum kümmert, dass der Alte schwer arbeiten muss. Zufällig findet er dann eine Hilfsarbeiterstelle in einer Gärtnerei, durch Protektion rückt er zu einem Steuereinnehmer auf. Dies hätte zumindest seinen Lebensunterhalt gesichert. Er aber, angewidert von dieser Beamtenstelle, zieht mit seiner Violine nach Italien, lebt in Rom bei Künstlern, erfährt, dass ihn eine Frau, die er fälschlicherweise für eine Gräfin hält, in Rom gesucht habe, weil sie ihn heiraten wolle. Über Wien reist er nach Deutschland zurück und heiratet dort die Frau seines Lebens. Die Novelle schließt mit den Worten: "... und es war alles, alles gut." Die Romantik glaubte eben noch daran, dass ein eigentlich asozialer Mann in der Ehe sozialisiert werden könnte, Wagner ging ja noch weiter, wenn er von der "Erlösung" des Mannes durch die Frau sprach.

Gerade diesen Schluss aber ließ die Regisseurin Uta Löw nicht zu, denn kurz nach der Hochzeit verlässt dieser "Taugenichts" seine Frau, um seine Freiheit zu leben. Genausowenig wie hier, scheint sie das ganze Stück hindurch dem romantischen Programm vertraut zu haben. Anscheinend konnte sie sich nicht entscheiden, welchem Lebensentwurf, dem kapitalistisch-biedermeierlichen oder dem romantischen ihre Sympathie gehören sollte, beide werden in der Novelle gegenübergestellt. Es ist aber heute auch schwerer als 1826, letzterem gehört die Sympathie von Eichendorff, wir aber wissen mit Heine, dass letzteres nur ein "Traum", böswillig könnte man sagen, eine Lüge ist. Was also bleibt uns?

Dass die Regisseurin dem romantischen Programm wenig traute, zeigte sich schon im Vortrag der Lieder aus der Novelle, von denen wohl "Wem Gott will rechte Gunst erweisen" das bekannteste ist. Verfremdet in Brechtscher Manier war danach auch die Reisekutsche - ein wirklich genialer Einfall -, die aus einem Einkaufswagen bestand. Der Gedanke, dass hier die Frau Warencharakter habe, leuchtete kurz auf. Verfremdet war auch Italien und waren die Künstler dort, denn im Wesentlichen bestand doch deren Leben aus Essen und Rotweintrinken. Ein Klischee, das schon bei Eichendorff auftaucht, hier aber durch das Ambiente, vor allem durch die italienische Gestik und Sprache verstärkt wurde.

Die bürgerliche Welt, aber auch die höfische Welt wurden überzeugend grotesk dargestellt. Erstere war gekennzeichnet durch harte unterdrückende körperliche Arbeit, die überzeugend in Gruppenpantomimen auf die Bühne gestellt wurden. Was Mühlrad bedeutet, wie viel Kraft Holzfällen verschlingt wurde leibhaftig sichtbar und spürbar. Höfische Welt erging sich in schönen Kleidern.

Wie schon gewohnt, vertraute die Regisseurin auf Körperarbeit und Bühnenpräsenz ihrer Schauspieler. Das Bühnenbild spielte fast keine Rolle, ebenso wenig die Beleuchtung. Beides war angesichts des überragenden Paul Weigl als Taugenichts auch nicht nötig. Schon äußerlich mit seinen struppigen Haaren repräsentierte er diesen Typ. Mit seinem Blick und seiner Ausstrahlung machte er immer deutlich, dass er nicht dazu gehört, den Außenseiter repräsentiert. Nina v. Bannerfeld, Sophia Hörmannsdorfer, Benjamin Ibler, Wolfram Rosenblatt, Christopher Schmidt, Florian Götz, Maria Moosburger, Dominik Wertschek, Benedikt Etzold, Natynka Nemecek, Maximilian Paßler, Madeleine Püttner, Verena Saurenbach, Maresa Wies, und der Geiger Uli Schneider wechselten in ihren Rollen. Einen bzw. eine davon besonders hervorzuheben würde die künstlerische Leistung aller - und ich sage das neidvoll - schmälern.

Der Kritiker hätte sich noch mehr Romantik gewünscht, mehr Poesie, wie sie ja in den angedeuteten Annäherungszenen zwischen dem Taugenichts und seiner Geliebten zu finden waren. Möglicherweise ist die "schönste deutsche Novelle", wie sie Adorno einmal nannte, heute aber nicht anders aufzuführen, außer man würde letztlich doch an die Versöhnung glauben, daran, dass alles gut wird. Denn sonst bleibt, um mit Adorno zu sprechen, überhaupt nicht mehr zu entscheiden, welches das "richtige" Leben und welches das "falsche" ist. Der Schluss, der eher an Sartre erinnert, überzeugte mich nun auch wieder nicht.

Im Fach Deutsch der Oberstufe wird dieses Werk noch häufig gelesen. Wenn unsere Politiker wüssten, dass wir damit einen Lebensentwurf propagieren, der diametral zu den Verwertungsinteressen des Kapitalismus steht, angesichts der Globalisierung nicht zu vertreten ist, wird dieses Werk sicher bald aus dem Literaturkanon gestrichen.

Eine Inszenierung, welche die Zuschauer nachdenkend in die Nacht entließ.

Johann Ott
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