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Mit Mister Fogg in 80 Tagen um die Erde

Inszenierung am MRG entführte zu den Schultheatertagen in die faszinierende Abenteuerwelt von Jules Verne


Fotos von der Aufführung

Egal, ob es sich um die gediegenen Sessel daheim im Reform-Club in London handelt oder den schaukelnden Sitzkorb auf einem Elefantenrücken beim Ritt durch den indischen Dschungel, ein echter englischer Gentleman mit festen Prinzipien macht in jeder Lebenslage eine gute Figur. Er bewahrt selbst dann noch Haltung, wenn er als Schiffbrüchiger in Gesellschaft kurioser Persönlichkeiten wie dem amerikanischen "Möchtegern-Exzentriker" Archibald auf offenem Meer treibt und dort zu allem Unglück noch von einem übereifrigen Detektiv als angeblicher Bankräuber festgenommen wird.

Dies turbulente Treiben konnte ein sichtlich amüsiertes Publikum am vergangenen Mittwoch im Festsaal des Musischen Gymnasiums hautnah miterleben. Unter der Leitung von Edgar Dietl wurden die Zuschauer - nach einführenden Worten von Schulleiter Rohleder - von der Theatergruppe der Unter- und Mittelstufe dazu eingeladen, auf eine Reise mitzukommen, die sich der Naturwissenschaftler, Dichter und Begründer der Science-Fiction Literatur Jules Verne 1872 für eine noch optimistisch in die Zukunft blickende, technikbegeisterte Leserschaft ausgedacht hatte.

So nutzt auch der Held dieses Theaterabends, Phileas Fogg, jedes sich bietende "moderne" Transportmittel, einen Ozeandampfer ebenso wie die Eisenbahn (gegebenenfalls aber auch den erwähnten Elefantenrücken), um die Wette gewinnen zu können, in genau 80 Tagen die ganze Welt umrundet zu haben. - Auch wenn es dabei um sein gesamtes Vermögen und die Wahrung des Gesichts vor den dekadenten Snobs aus dem Londoner Club geht, mit denen er die Wette abgeschlossen hat: Mr. Fogg (Timo Dietl) bleibt bei seiner Jagd um den Erdball vom Scheitel bis zur Sohle ein Gentleman. Dabei steht ihm sein treuergebener, allzeit findiger französischer Diener Passepartout (Anna Liebhäuser) zur Seite: Als Dream-Team bestehen sie die außergewöhnlichsten Abenteuer und erretten trotz des Wettlaufes mit der Zeit "noch ganz nebenbei" die liebreizende indische Prinzessin Aouda (Edith Luschmann) und ihre Schwester Nemea (Sarah Funk) vor dem sicheren Tod einer rituellen Witwenverbrennung.

Als sei dies noch nicht anstrengend genug, müssen sich die beiden außerdem immer wieder jenes lästigen Scotland-Yard Agenten "Fix" (Thomas Wilhelm) erwehren, der seinem Namen alle Ehre machend in die Idee verrannt ist, Fogg als einen gesuchten Bankräuber enttarnen zu können. Und dass der von der Mitgliedschaft im Reform-Club träumende neureiche Amerikaner Archibald (Anja Mändl) unserem Gentleman ebenfalls nur Schwierigkeiten bereitet, versteht sich von selbst.

Natürlich findet ein Phileas Fogg für jedes Problem eine Lösung, und es gelingt ihm nach all den Abenteuern punktgenau zum vereinbarten Termin zurück im Club bei seinen sich an Exzentrik überbietenden Freunden (Luisa Schuster, Lisa Jütte, Anna-Lena Ganster und Peter Dreiß) einzutreffen, die ihn zunächst nicht gerade freudestrahlend in Empfang nehmen. Anlass zum Feiern gibt es dann aber um so mehr, als am Ende nicht nur Dolly (Elisa Dorfner), die attraktive Hausbedienstete des Clubs, ihren Passepartout endlich von den Vorteilen der Ehe überzeugen kann, sondern auch der lange schon in Aouda verliebte Fogg und ebenso Freund Archibald glücklich unter die Haube kommen.

Dass die Handlung dem Publikum so überzeugend vermittelt werden konnte, dafür sorgten nicht nur die Unbefangenheit und Spielfreude der Akteure in den Hauptrollen. Ebenso gelungen waren auch mit Julia Mändel, Ines Begemann, Isabella Biro, Lisamarie Hirmer sowie Julia Welsch die weiteren Rollen besetzt.

Zu loben ist besonders der "Körpereinsatz" der jungen Talente: Ob wankend auf dem Rücken des Elefanten oder durchgeschüttelt im Eisenbahnabteil, die Schauspieler verstanden es durch ein entsprechendes Repertoire passender Bewegungen, die verschiedenen Stationen der Reise glaubhaft umzusetzen. Die indischen Tänzerinnen und Zirkusakrobaten (in schönen Kostümen von Angelika Dietl) brachten genau so Schwung und Exotik in die Aufführung wie atmosphärische Details, z. B. die Rauchschwaden in einer der Opiumhöhlen von Hongkong. Hervorzuheben ist auch die musikalische Begleitung von Gabi Biehler, die trefflich auf das Bühnengeschehen abgestimmt war. Insgesamt gelang es mit einer Vielfalt von Ideen und geschickter Regie, die Sinne der Zuschauer anzusprechen und sie so zu "Mitreisenden" werden zu lassen.

Ein eigenes Kapitel stellte als "Stück vor dem Stück" das Schwarze Theater unter Leitung von Georg Meier dar, das mit den eindrucksvollen Aktionen der dargestellten Transportmittel (vom Segelschiff bis zur Mondrakete) überzeugend auf das Thema des Abends einstimmte und nahtlos zur Spielhandlung überleitete. Für diese Darbietung ernteten die daran Mitwirkenden (Elli Graf, Nina Bogner, Ines Begemann, Michaela Bachhuber, Julia Kolesis, Michael Reindl und Carolin Kummer) verdienterweise ebenso herzlichen Applaus wie alle anderen Darsteller. Eine Extraportion bekam selbstverständlich noch der Held des Abends, unser Gentleman par excellence, Mr. Fogg, den man gern über zwei Stunden auf seiner Abenteuerreise begleitet hatte. Schade, dass sie dieser Tage so selten werden, die wahren Gentlemen, mag wohl mancher der Zuschauer gedacht haben, als sie vergnügt den Festsaal verließen.

Bettina Arens-Cakir