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Komödien sind nicht out

Was passiert, wenn Unter-und Mittelstufenschülerinnen sich an Shakespeare wagen?


Fotos von der Aufführung

"Warum spielen wir nicht einmal ein richtiges Theaterstück, z. B. Romeo und Julia?" Welcher Schultheaterleiter kennt sie nicht, diese Frage aus sehnsuchtsvollem Schülerherzen? Einmal auf der Bühne die Julia, einmal den Romeo spielen - oder eben zur Not auch den Faust ...Wenn Sechs- bis Achtklässlerinnen mit so einem Herzenswunsch daherkommen, dann wird´s schwierig. Zumindest für den Theaterleiter, der sich was einfallen lassen kann. Spielleiter Andreas Hilgart hat sich nicht der Verzweiflung hingegeben, sondern die Herausforderung angenommen: Er lässt Shakespeare verzweifeln! "Shakespeares Verzweiflung" nennt sich denn auch das Stück, das die Theatergruppe der 6. bis 8.Jahrgangsstufe der Dr.-Johanna-Decker-Schulen im Rahmen der Amberger Schultheatertage auf die Bühne brachte. Und so spielten die jungen Darstellerinnen wirklich nur sehr, sehr frei nach Shakespeare, wofür die begeisterten Zuschauer mit Sicherheit dankbar waren.

Während das Publikum noch den Saal füllt, schreibt Master Shakespeare, stilvoll mit Gänsefeder und bei Kerzenlicht, an seiner berühmten Tragödie. Julia liegt derweilen in ihrem todesähnlichen Schlaf dekorativ hingebreitet mitten auf der Bühne. Noch bevor die Handlung ihren - zunächst tragischen - Verlauf nimmt, werden Schauspieler und Publikum von einem besserwisserischen Oberlehrer darauf eingestimmt, was sie zu erwarten hätten: eine Tragödie nämlich. Damit sind aber weder die Schauspieler noch der Theaterdirektor einverstanden: Das Publikum soll sich doch amüsieren und im Theater keine Tränen vergießen! Der Dichter wird also dazu verdonnert, eine Komödie zu schreiben.

Als Zugeständnis an den Publikumsgeschmack - leichte Kost ist gefragt - bringt der Dichter eine ebenso einfache wie geniale Idee zu Papier. Die Geschichte wird einfach umgedreht: Die Capulets und die Montagues sind zwei befreundete Familien, deren Kinder von klein auf einander versprochen sind. Pech nur, dass Romeo und Julia sich auf den Teufel nicht leiden können. Während Romeo mittels diverser Kupplerdienste umgepolt werden kann, bleibt Julia in schwärmerischer Liebe ihrem Paris zugetan. Es bedarf dann schon höherer Mächte in Form eines Engelchens und eines Teufelchens, um die Story zu einem happy end zu bringen. Die Schauspieler wollen halt einfach nicht immer so, wie es der Dichter gern hätte, und die Szenerie auf der Bühne entwickelt ein durchaus dynamisches Eigenleben, sodass Master Shakespeare verzweifelt stöhnt: "Die Handlung nimmt einen gar seltsamen Lauf!" Als sich die beiden am Ende doch noch kriegen und die Bühnenhandlung endlich steht, muss sich der arme Dichter vom Theaterdirektor sagen lassen, dass Komödien mittlerweile out seien.

Was man von "Shakespeares Verzweiflung" nicht behaupten kann: Wenn man so souverän und respektlos mit einer ehrwürdigen, literarischen Vorlage umgeht, ist es sogar für Unter-und Mittelstufenschülerinnen möglich, als Julia oder Romeo oder Mercutio oder sogar Shakespeare auf der Bühne zu glänzen und das Publikum mit einer unbeschwerten und erfrischenden Spielweise zu erfreuen. Gut aufgebaute Bilder, die fast ganz ohne Requisiten auskamen, schöne Choreographien, eine gelungene Tanzeinlage und sehr witzige Spielszenen, die das Publikum immer wieder zu begeistertem Zwischenapplaus animierten, machten die Aufführung zu einem kurzweiligen und amusanten Schultheater.

Uta Löw
Amberger Zeitung am 03. Mai 2004 (Schlagzeile: "Kurzweiliges Spiel")