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Fotos von der Aufführung

Es fängt schon mit dem Titel an: Florian Götz, der Abiturient des Erasmus-Gymnasiums, der sein eigenes Theaterstück nicht nur geschrieben hat, sondern auch Regie führt und selbst mitspielt, stimmt den Zuschauer schon darauf ein, dass bei diesem Stück nicht alles so ist wie sonst im Theater. So wie der Titel auf dem Plakat dargestellt ist, lässt er sich mit normalen Lettern gar nicht drucken, denn die ersten beiden Buchstaben stehen spiegelverkehrt zum Rest und drücken so aus, was diese Überschrift wohl besagen soll: Die Realität ist nicht eindeutig, es gibt auch Irreales; und wenn man sich irrt (lateinisch „errare“), kann man im völligen Gegensatz zur Wirklichkeit stehen.

Also ein tief philosophisches Stück, zu dessen Verständnis einige Semester hochgeistiger Genüsse nötig sind? Zum Glück nicht. Florian Götz und seine Mitschüler im Grundkurs Dramatisches Gestalten haben es verstanden, ein höchst kurzweiliges, oft amüsantes und gut gemachtes Stück Theater auf die Bühne zu zaubern, für das ihnen die vollbesetzte Erasmus-Aula mit kräftigem Applaus dankte. Die Spielerfahrung sowie den einen oder anderen Tipp bezogen die Schauspieler von ihrer Grundkursleiterin, Oberstudienrätin Uta Löw.

Was geschieht? Es gibt eine Reihe sich kreuzender Handlungsfäden und Spielebenen. Ein Motiv, das sich durchzieht, ist die Rolle des Autors, des Künstlers, den Florian Götz selbst darstellt. Er eröffnet das Stück damit, dass er die auf der Bühne aufgestellten Figuren durch ein Fingerschnipsen zum Leben erweckt. Später wird diese Rolle dadurch variiert, dass eine Szene auf Intrige und Erpressungsversuche bei Casting-Shows anspielt; dort soll der Regisseur dazu gebracht werden, die Hauptrolle mit einer anderen Schauspielerin zu besetzen. In einer weiteren Spielart des Motivs wird die Illusion fast ganz gebrochen, indem der Leiter seinem Beleuchter durch lauten Zuruf Anweisungen erteilt; und gegen Ende spricht er mit einem Teil der Besetzung darüber, wie es ihnen denn nun gefallen hätte - alles en passant und unaufdringlich eingeflochten.

In dem, was zwischen diesen verschiedenen Meta-Ebenen passiert, spielt Götz als Autor mit den Erwartungen seiner Zuschauer. Ein Liebespaar (anscheinend) trifft sich in einer schummrig beleuchteten Straßenszene, plötzlich zieht er einen Revolver, zielt auf die Frau, das Licht geht aus, ein Schrei ertönt - und als das Licht wieder angeht, liegt der Mann auf dem Boden und die Frau umklammert einen Koffer. Ein gut gebauter Weiberheld nimmt die in ihrer Verwirrung wehrlose Frau mit zu sich nach Hause, wo sich dann herausstellt, dass der Koffer voller offenbar illegalen Geldes ist. Zum Glück verfügt der Macho über dubiose Verbindungen zu einer Mafia-Organisation, der das Geld sogleich übergeben werden soll.

So weit - in groben Zügen - der eindeutigste Handlungsstrang, dem aber die zahlreichen Neben- und Zwischenszenen in der Intensität der Darstellung nicht nachstanden. Es wurde durchgehend in einer sehr harmonischen Ensembleleistung konzentriert und textsicher gespielt; etliche Szenen wurden durch das frische und selbstbewusste Agieren der jungen Leute zum Genuss. Zum Beispiel wird die Figur des Autors (in der Rolle des frustrierten Autors oder des enttäuschten Liebhabers) durch einen guten Geist wieder aufgeheitert, der wie ein Wirbelwind mit Zauberkräften aus einem deprimiert Herumsitzenden im Laufe eines Popsongs einen fröhlich Tanzenden macht. - Auch an anderen Stellen trug die eingespielte Hintergrundmusik intensiv zur Stimmung der jeweiligen Szene bei. So wird eine düstere, bedrohliche Atmosphäre erzeugt, als das Paar mit dem Koffer das Mafia-Hauptquartier betritt - und plötzlich wird diese Stimmung gebrochen, denn der „Pate“ spricht nicht etwa mit russischem (oder wenigstens italienischem) Akzent, sondern in breitem Oberpfälzisch. Der Schluss zieht in einer sehr gefühlvollen Monologszene Parallelen zwischen der Rolle des Autors, der sein Stück zu schreiben hat, und der Rolle eines jeden Menschen, der seine eigene Biographie zu er-leben hat. Für beide, für alle gelte - so die Quintessenz: Die Liebenden haben die Kraft, die Zukunft zu bestehen. Ein wahrlich passendes Motto für die jugendlichen Spieler.

Peter Ringeisen