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Die Macht der Liebe und die Liebe zur Macht

Darstellerinnen des Dr.-Johanna-Decker-Gymnasiums überzeugen mit Oscar Wildes "Der ideale Ehemann"


Fotos von der Aufführung Amberg. Bei der Uraufführung von Oscar Wildes "Der ideale Ehemann" kamen einige Rezensenten zu einem vernichtenden Urteil über die Sittenkomödie aus dem englischen Fin de Siècle: zu krude, schwerfällig, vulgär, zu viel hohles Geschwätz, zu wenig ausgleichende Gerechtigkeit am Ende, wo ein Schurke auch noch mit einem Kabinettsposten belohnt wird. Welcher Teufel ritt nun Peter Ringeisen, mit dem Grundkurs Dramatisches Gestalten und Teilnehmern des Wahlfaches Schulspiel aus der 10. und 11. Jahrgangsstufe ausgerechnet ein solch "misslungenes" Stück zu inszenieren?

Gleich vorweg: Wer in dem Dramatiker Oscar Wilde eine Mischung aus Wünschelrutengänger, Animierdame und Hebamme vermutet, stößt endlos ins Leere. Zugegeben, die Fabel des Stückes klingt nach einem Groschenroman: Die steile Karriere und die glückliche Ehe eines Mitglieds der High Society stehen durch Machenschaften böser Mächte plötzlich vor dem Aus. Wäre da nicht ein "Deus ex Machina", der leichthändig repariert und ein Happy End herbeizaubert.

Wilde treibt im Rahmen dieses so simplen Handlungsschemas sein messerscharf ausgeklügeltes Spiel mit dem Moralkodex der viktorianischen Gesellschaft. Keiner ist dazu besser in der Lage als er, der am eigenen Leibe spürte, welche Konflikte bei dem Streben nach Selbstverwirklichung sich durch öffentliche Konformitätszwänge entwickeln können. In seinen Gesellschaftsdramen entlarvt er die Seichtigkeit einer sozialen Ordnung, für die Rang und Namen und kommerzieller Erfolg oberste Priorität besitzen.

Sir Robert Chiltern, Untersekretär im Außenministerium, und seine Frau Gertrude, seit Jahren "glücklich verheiratet" , stehen plötzlich vor skandalösen Enthüllungen, weil es auf der weißen Weste des "idealen Ehemannes" einen schwarzen Fleck gibt, verursacht durch Bestechlichkeit und Vorteilsannahme im Amt. Susanne Herdegen und Judith Seel harmonierten bestens miteinander, vor allem auch dann, wenn Lady Chiltern resolut um die Wahrheitsfindung bemüht ist, die ihr ihr Gatte, um den Schein zu wahren, erheblich erschwert. Sie muss nun, was ihr sakrosankt erschien, in Frage stellen und ist dabei kalt und streng und ohne Mitleid. Mrs Cheveley, die Intrigantin und Erpresserin - schön durchtrieben und verrucht von Florence Lienhardt in Szene gesetzt - scheitert schließlich nach Entfaltung erheblicher krimineller Energie an der Gegenintrige der Hauptfigur, Lord Goring. Cornelia Fehlner brillierte in der Rolle, die sich Wilde selbst auf den Leib geschrieben hat als verwöhntes und bewundertes Enfant terrible der Kreise, in denen er gerne zeitlebens seinen Traum vom eigenen Dandytum verwirklicht gesehen hätte.

Kurz und gut: Das Happy End wird mit gefährlichen Kompromissen erkauft. Ehrgeiz wird als etwas definiert, was manchem die Ehre raubt, und Macht ist die einzige Lust, derer man nicht müde wird. Nicht die Macht der Liebe triumphiert, sondern die Liebe zur Macht in Verbindung mit Reichtum und hohem gesellschaftlichen Ansehen. Der/Die so gepolte Mann/Frau bleibt auf einer "bescheidenen Entwicklungsstufe".

Es lag sicher nicht nur an der weiblichen Intuition der Darstellerinnen, dass sie sich mit ihrem Regisseur in beeindruckender und sehr unterhaltsamer Manier mit einem Stück duelliert haben, dessen Thematik aktueller denn je ist. Lange und verzwickte Textpassagen stellten ein hohes Lernpensum dar, und das in der Zeit der Abiturvorbereitung: Hut ab vor so viel Engagement!

Edgar Dietl



Amberger Zeitung am 5. April 2006