hostasxeng
Home
hostasxeng
Archiv
hostasxeng
Link-Liste
hostasxeng
aktuell
hostasxeng
Forum

: hostasxeng :



AZ   MZ

"Business, das sind Krieg, Blut und Tränen - so ist das"

Top-Manager haben es nicht leicht zwischen Konsumflaute, Rauswurf und Ehekrach - Ihr Leben witzig gespielt am Gregor-Mendel-Gymnasium


Amberg. Laptop, Leinwand, Beamer, ein paar Stühle - das Bühnenbild ist reduziert auf das Wesentliche. Ein Spieler nach dem anderen betritt die Bühne, nimmt scheinbar lässig seinen Platz ein in der Runde der Topmanager, der modernen Könige unserer globalisierten Welt.

Als "Königsdrama der Wirtschaft", bezeichnete Gerhard Jörders in seiner Preisrede beim Berliner Theatertreffen 1997 Urs Widmers postdramatisches Stück "Top Dogs", das der Grundkurs Dramatisches Gestalten unter der Regie von Christoph Althaus in der Aula des Gregor-Mendel-Gymnasiums präsentierte.

Dass die Könige gestürzt, sprich gefeuert sind, kann der Zuschauer zunächst nur der angespannten Körperhaltung, dem Zucken im Gesicht, dem nervösen Zupfen an der Kleidung entnehmen. Ort der Handlung ist eine Outplacement-Agentur, in dem die entlassenen Spitzenmanager von Frau Wrage gecoacht werden sollen, so heißt das wohl auf Neudeutsch, um runderneuert, aufpoliert und Gewinn bringend wieder auf den Markt geworfen zu werden.

"Gipfelkonferenz" heißt das erste von 12 Bildern, Deér (ausdrucksstark gespielt von Johanna Foitzik) betritt den Raum. Posen und Diktion sind die des erfolgsgewohnten Managers, seinen Rausschmiss hat er noch nicht realisiert. Die Gruppe umkreist ihn wie hungrige Wölfe, die Demontage des Rollenbilds beginnt. Frau Wrage (Susanne Zimmerer) bleibt in ihrer Rolle konsequent professionell: "Ihre Krawatte, Herr Deér. (...) Und warten Sie mit dem Kauf einer neuen, bis unsere Beraterin Ihr Erscheinungsbild evaluiert hat." Im 2. Bild "Heute sind wieder die Churchills gefragt" simulieren Bihler (Katharina Teiluf) und Tschudi (Robby Zippel) im Rollenspiel die Entlassung Tschudis: "Business, das ist Krieg. Blut und Tränen. So ist das."

Szenisch gut gelöst "Die Schlacht der Wörter": Vor der Nase die "Financial Times" skandieren die Spieler die Schlachtrufe der globalisierten Welt . Im "Camp" sollen die Klienten ihre Reaktionen auf die Entlassung reflektieren. Auf dem Hüpfball (guter Regieeinfall!) unter Beobachtung der Gruppe die coole Pose zu behaupten, kann nur misslingen. Müller (Delia Richter) projiziert seine Probleme auf seine Frau, Frau Königs (Anastasia Loktev) Traumurlaub in der Karibik entpuppt sich als traumatisch, Neuenschwanders (Dennis Schmidt) Porsche 911 steht unbenutzt in der Garage und Krause (Christian Franz) entlarvt sich im Rollenspiel mit Bihler als "unerträgliches Arschloch". Die "Gangübungen", denen sich Deér unterziehen muss (sehr witzig gespielt im Mittelgang zwischen den Zuschauerreihen) entlarven den Manager als verkrampfte Marionette. In "Blöde Kuh" spielen Neuenschwander und Frau Jenkins (Sabine Popov) sehr eindrucksvoll analog zum Krieg in der Wirtschaft im Rollenspiel den alltäglichen Ehekrieg.

In der atmosphärisch dichten Szene "Träume" liegen die Protagonisten im abgedunkelten Raum und geben sich ihren verborgenen Wünschen hin, die hinter vordergründigen Menschlichkeitsphrasen Allmachtsfantasien und nackte Aggression erkennen lassen: Der Kapitalismus hat die Seelen seiner Kinder gefressen. In der Szene "Märchen" flüchten die Figuren in eine Kinder- und Märchenwelt, in der aber auch keine Lösungswege zu erkennen sind. Das Stück gipfelt in der "Großen Klage" und endet mit Frau Jenkins Vermittlung an einen Arbeitsplatz in eine "äußerst dynamische Industriestadt in Südkorea, nahe der Grenze zu Nordkorea". Die Agentur hat ihre Aufgabe erfüllt.

Der Grundkurs hat ein stimmiges Gesamtkonzept mit vielen überzeugenden Einfällen erarbeitet, das auch ohne Nebelmaschine und Rotlicht in der "großen Klage" keinen Schaden genommen hätte. Sehr beachtlich auch, wie die jungen Spielerinnen und Spieler den doch recht komplexen und umfangreichen Stoff darstellerisch und sprachlich gemeistert haben. Großer Applaus der Truppe und ihrem Leiter!

Uta Löw



Amberger Zeitung am 1. Mai 2007