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"Tonnenfieber" lässt den Puls des Publikums steigen

Wortwitz und Situationskomik bei Schultheatervorstellung am MRG


Amberg. Alle Achtung - am Abend des Viertelfinales den Festsaal des Max-Reger-Gymnasiums voll zu bekommen - das allein ist schon eine Leistung! Für 29 Schüler/innen Rollen zu finden und alle in einer witzigen, überwiegend selbst erarbeiteten Szenencollage unterzubringen nicht minder! Dass man als Zuschauer nicht nervös auf die Uhr schauen musste, ob man denn den Anpfiff noch erreichen würde, hatte nicht nur mit der fußballfreundlichen Kürze des Theaters zu tun. Die Regisseure Diana Schneider, Gabriele Biehler und Edgar Dietl brachten zusammen mit ihren Spieler/innen so kurzweilige Szenen auf die Bühne, dass man gut verschmerzen konnte, Schweinsteigers Tor verpasst zu haben.

In einer Tonne leben - warum eigentlich nicht? Wenn´s Mode wird, machen es alle. Das Tonnenfieber greift um sich wie eine Epidemie. Es verbreitet sich wie ein unheimlicher Virus und setzt sich in allen Lebensbereichen fest. Zuerst trifft es die Kinder. Die Psychologin (Aileen Salgado) verteidigt im Expertinnen-Disput gegenüber der skeptischen Ärztin (Antonia Meyer) die Tonne als kindliche Erlebniswelt. Während die Erwachsenen (Michelle Couvillion, Rebecca Kunert, Anja Wimmer, Judith Mittag) zunächst noch geschockt auf die neue Lebensweise der Kinder (Mona Sommerer, Wolfgang Preuß) reagieren, wird das Tonnenleben bald immer mehr zum Alltag, was sich auch in den Medien zunehmend bemerkbar macht (Nachrichtensprecherin: Julia Kalb, Moderatorin: Tetyana Tryhub). Die ob der grassierenden Seuche überforderten Müllmänner (Florian Goertz und Anna Weskamp) sehen sich auf einmal mit der kapitalistischen Logik (Herr Menzel: Sascha Kierner) konfrontiert: Geld regiert die Welt, Kinder kosten Geld, also müssen Kinder entsorgt werden. Undenkbares wird zum Alltag.

Auch Diogenes (Marie Hanke), eigentlich Experte in Sachen Tonnenleben, präsentiert seine verkehrte Weltsicht: "Ich lebe nicht mehr, ich wohne." Dass in einer solchen Welt - die ja eigentlich die unsere ist - Penner (Jan-Marco Müllner, Florian Schaudig) dem Türken ( Felix Kellner) die Tonne neiden, wirkt fast schon selbstverständlich. Das Tonnenleben wird institutionalisiert, Lehrerinnen (Sonja Wiesner, Lisa Pfeiffer, Paula Schoberlein) halten Unterricht im Zeichen der Tonne. Es sind schließlich die Kleinkinder (Leonie Rudolf, Franziska Kohl, Magdalena Schuth), die die naive Frage nach dem Warum stellen. Roswitha (Sophie Reinwald), Margarete (Christina Preuß) und Lizzy (Ann-Katrin Brüning) können den Umbruch nicht mehr stoppen: "Kinder, raus aus den Tonnen!" Die Moral am Schluss in Form von Fotos halb verhungerter Kinder bis hin zum Atompilz kam ein bisschen dick aufgetragen daher. Die ist aber auch der einzige Kritikpunkt.

Die locker ineinander fließenden Szenen, kommentiert und aufgelockert von zwei Sprecherinnen (Jessika Krischock, Eva Steinmetz) und einem Zuschauer (Gabriel Schieder) boten viel Wortwitz und spielerische Situationskomik. Die klare, funktionale Bühnengestaltung mit Mülltonnen als Hauptrequisit und passenden Hintergrundprojektionen trug neben der sicht- und hörbaren Spielfreude aller Beteiligten ein Weiteres dazu bei, diese Aufführung zu einem rundum gelungenen Theatererlebnis werden zu lassen.

Uta Löw



Amberger Zeitung am 24. Juni 2008