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Der Besuch der alten Dame

Gregor-Mendel-Gymnasium glänzt mit modernem Klassiker - Mit Schwung und Ernsthaftigkeit


Amberg. Müllsäcke, wohin das Auge schaut: halbvoll, prall gefüllt, kreuz und quer auf der Bühne des Gregor-Mendel-Gymnasiums verteilt - ein geschicktes Zeichen, das den wirtschaftlichen Verfall der Stadt Güllen symbolisiert (die schon diesen sprechenden Namen hat).

In diesem heruntergekommenen Nest beginnt das Drama Friedrich Dürrenmatts mit dem harmlosen Titel „Der Besuch der alten Dame“. Um die Titelfigur, die alte Dame Claire Zachanassian, dreht sich alles: Eine unermesslich reiche Frau, die die Ehemänner wechselt wie die Handtücher, kehrt in ihren Geburtsort zurück, um sich an Alfred Ill zu rächen. Ill war ihre große Jugendliebe gewesen und hatte sie dann, als sie von ihm schwanger war, zugunsten einer besseren Partie sitzengelassen - ja sogar vor Gericht die Vaterschaft abgestritten und falsche Zeugen zum Meineid angestiftet. Die Verbitterung über Ills Verhalten und die Missachtung durch die Gesellschaft lassen sie zur Prostituierten werden. Als sie in diesem Metier schließlich den Milliardär Zachanassian kennenlernt, der sie auch heiratet, kostet sie rücksichtslos das Leben aus. Ihre Verachtung für Gefahren und ihre Rücksichtslosigkeit auch sich selbst gegenüber zeigt sich unter anderem darin, dass die alte Dame mittlerweile fast nur noch aus Prothesen zu bestehen scheint - in der GMG-Inszenierung dadurch ausgedrückt, dass die Zachanassian ständig in einem Rollstuhl umhergefahren wird.

In einem perfiden Schachzug taucht die Milliardärin also nun in ihrer alten Heimatstadt auf, die sie zuvor systematisch über Mittelsmänner in den Ruin getrieben hat, und bietet der Stadt und allen ihren Einwohnern finanziellen Wohlstand, allerdings nur unter der Bedingung, dass Güllen ihr dafür das Leben ihres einstigen Liebhabers opfert. Wie nicht anders zu erwarten, weist der Bürgermeister dieses Angebot zunächst unter dem heftigen Applaus der versammelten Bürger empört zurück. Doch dann beginnt die Verlockung des Angebots zu wirken, und da sind wir beim Kern dieses Dramas: Wie der Lockruf des Geldes immer mächtiger wird, wie sich die Güllener Bürger immer mehr von ihrem bis dahin so beliebten Mitbürger Ill distanzieren, bis sie durch den vorgezogenen Konsum auf Pump gar nicht mehr anders können, als den kollektiven Mord zu begehen, das seziert Dürrenmatt in eindrucksvollen Schnitten.

Mit diesem Klassiker der Moderne sind die Schülerinnen und Schüler des Gregor-Mendel-Gymnasiums unter der Leitung von Christoph Althaus mit frischem Schwung und großer Ernsthaftigkeit umgegangen. Die eiskalte Rachegöttin im Rollstuhl verhielt sich in der bizarren Mischung aus immer noch glimmender Liebe und tödlichem Vernichtungsdrang ganz richtig, und der windige und schmierige Krämer Ill, der in der Annahme des Todesurteils noch etwas an Größe zurückgewinnt, fand den treffenden Ton. Sehr gut gelangen auch dem Butler (dem früheren Richter der Stadt) sein Plädoyer und sein unbestechliches Vorgehen; der Pfarrer, der Bürgermeister, der Polizist - die Repräsentanten der Güllener Gesellschaft, bei denen Ill vergeblich Hilfe sucht, sie alle wirkten sehr überzeugend mit ihren heuchlerischen Beteuerungen, man wolle Ill nichts Böses.

Eine besonders beeindruckende Szene machte die Truppe aus Ills versuchter Flucht mit dem Zug, als die Güllener Bürger ihn zuerst schon vor der Bühne umringen und, nachdem er auf die Bühne (den Bahnsteig) vorgedrungen ist, von allen Seiten des rundum zugänglichen Bühnenpodests zu ihm hinaufklettern und ihm so verdeutlichen, dass eine Flucht sinnlos wäre. Die ab und zu wechselnden Ehemänner der alten Dame sorgten durch geschicktes Spiel für humorvolle Momente in diesem ansonsten düsteren Stück.

Insgesamt konnte die Theatergruppe um Studienrat Christoph Althaus mit einer stimmigen Inszenierung und engagierten Schauspielerinnen und Schauspielern das Publikum überzeugen. Den reichlichen Beifall haben sie sich wirklich verdient.

Peter Ringeisen





Amberger Zeitung am 12. August 2009