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"Raus, du Schlampe!"

Gregor-Mendel-Gymnasium spielt "Goldberg-Variationen"


Amberg. "Was mir...so gefiel, war die Unaufwendigkeit deines Theaters, es strengte sich nie an, ein Kunstprodukt zu sein, wollte nie brillieren; es war fast schlampig und eine Nonchalance, als wäre alles nur zufällig im Moment entstanden." So schreibt der Schauspieler Gert Voss, der Mr. Jay der Wiener Uraufführung der "Goldberg-Variationen", in der FAZ anlässlich Taboris 90. Geburtstags in einer Hommage an den großen alten Mann des deutschen Theaters. Ich habe einige seiner Inszenierungen am Berliner Ensemble gesehen und den charismatischen Regisseur, der sich selber lieber als Spielmacher bezeichnete, in Publikumsgesprächen erleben dürfen. Und ich bin mir sicher: Tabori hätte seine Freude gehabt an der Aufführung am Gregor-Mendel-Gymnasium.

Regisseur Christoph Althaus und seine Truppe waren so mutig, sich an ein Stück zu wagen, das auf dem Programmzettel tiefstapelnd und verharmlosend als "Theologischer Schwank" daherkommt. Ein Stück, das zwischen dem Tiefsinn der biblischen Geschichten und dem Wahnsinn der Theaterproben hin- und hertaumelt. Das so abgründig, albern, monströs, melancholisch, brüllend komisch, manchmal klamaukhaft ist, dass man sich unwillkürlich fragt: Darf man so ein Stück einer Schultheatergruppe zumuten? Man darf. Wenn man so locker, so unbeschwert, so voller Spielwitz an die Sache herangeht wie die GMG-Truppe.

Groteske Pannenserie

Der Clou an Taboris "Goldberg-Variationen" ist die Vermischung zweier Ebenen. Eine Theatertruppe probt unter der Regie des gottähnlichen Mr. Jay (Alexander Karzmarczyk) Szenen aus der Bibel für eine recht fragwürdige Bühnenshow. Mr. Jay´s Gegenpart ist sein Assistent Goldberg (Philipp Ziebell), die Beziehung zwischen beiden ganz offensichtlich eine Metapher für das Verhältnis Gottes zu seinem Volk Israel bzw. zu den Menschen im Allgemeinen. Die Proben zum Bühnentheater sind so chaotisch, krass und brutal wie das Welttheater selbst. Und so steht die Frage im Zentrum: Warum hat Gott so eine Welt erschaffen?

Wenn anfangs statt Bachscher Klänge der Radetzky- Marsch aus dem Lautsprecher grölt, während die Putzfrauen (Svenja Schmidt, Sophia Paskuy) die Bühne säubern, ahnt man, dass dies nur der kleine Einstieg in eine sich immer grotesker steigernde Pannenserie ist. Die Schauspieler Masch (Daniel Kimball), Raamah (Tobias Renghart) und Japhet (Lucas Kreuzer) sorgen in den unterschiedlichsten Rollen für Chaos. In Erinnerung bleiben die keifende Sara, der genervte Abraham und der rotzfreche Isaac, der beim Proben quasi aus Versehen geschlachtet wird. Auch die Paradies-Szene hat es in sich, wenn Gottvater brüllt: Raus aus meinem Garten, du Schlampe!

Ein schwieriges Stück

Aber Gott alias Mr. Jay ist halt auch nur ein Mensch. Wenn er z. B. den Superstar Terese (Lea Rossow) umschwänzelt. Und weil die 10 Gebote für die Menschen einfach zu heftig sind, wird Moses/Goldberg von den Hells Angels (Alexander Gräfenhahn, Tuncer Ayten) zusammengeschlagen. Dann ist da auch noch die Frage zu klären, wie stellt man eine Kreuzigung realistisch dar. Für die coolen Bühnenbildnerinnen (Sonja Richter, Katharina Preischl) kein Problem. Und wenn am Ende dem gekreuzigten Jesus/Goldberg der Besenstil in die Seite gerammt wird, bleibt wirklich nur noch die Frage: Vater, warum hast du mich verlassen? Ein schwieriges Stück, ein schwieriges Thema, dreht sich doch alles um die Theodizee, die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes. Die Gruppe hat es mit jugendlichem Charme gemeistert: urkomisch, aber nicht platt, nahtlos und leicht der Übergang zwischen den Spielebenen, temporeich, aber nicht hektisch. Tabori hätte es gefallen.

Uta Löw





Amberger Zeitung am 7. April 2009