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Antigone - auch nach 2500 Jahren noch beeindruckend

Moderne Inszenierung am Erasmus-Gymnasium


Amberg. Den größeren mythologischen Zusammenhang in den Erzählungen über das Geschlecht der Labdakiden (nach dem Stammvater Labdakos) zu kennen, der um die von Kadmos erbaute Stadt Theben kreist, oder den altgriechischen Text von Sophokles selbst gelesen oder in Auszügen analysiert zu haben, das könnte den Genuss der Theaterbesucher im Erasmus-Gymnasium noch gesteigert haben – aber dieses Vorwissen war weder vorausgesetzt noch nötig.
Die Schülerinnen und Schüler des Grundkurses Dramatisches Gestalten haben unter der Leitung von Uta Löw bewiesen, dass das Stück „Antigone“ auch fast zweieinhalbtausend Jahre nach seiner Uraufführung lebendig und packend ist. Musikalisch unterstützt wurden die Spieler durch das P-Seminar Musik (Leitung: Christine Hirsch). Für den Spieltext war Sophokles’ Tragödie die Grundlage, aber auch Passagen aus dem gleichnamigen Drama von Jean Anouilh und einige vom Leistungskurs Deutsch selbst geschriebene Texte wurden verwendet.

Die Wirksamkeit des Stoffes beruht zum großen Teil darauf, dass der zentrale Konflikt einfach verständlich und nachvollziehbar ist: Gilt ein aus Staatsräson und Stolz erlassenes Verbot mehr als ein Gebot der Menschlichkeit? Antigone, völlig überzeugend gleichzeitig als verletzlich und stark gespielt von Katharina Gmehling, hatte zwei Brüder, deren Tod kurz vor dem Beginn der Dramenhandlung liegt. Sie sind im Zweikampf gegeneinander auf dem Schlachtfeld gestorben, doch während Eteokles ein ehrenvolles Begräbnis erhält, soll der Leichnam des Polyneikes unbestattet verwesen, damit die Seele des Verräters keine Ruhe finde. Diese Anordnung hat ihr Onkel Kreon getroffen, der neue König von Theben, der durch diese harte Linie seine eigene Autorität unterstreichen will – und so, wie Sebastian Klinger die Rolle spielt, hat er das auch nötig: Er zeichnet die Figur des Kreon als eines neurotischen, überforderten Menschen auf dem Thron, der menschliche Regungen als Schwäche verachtet, und sich vergeblich und immer verzweifelter im Laufe des Stückes die Hände (in Unschuld?) wäscht.

Antigone setzt sich über Kreons Verbot hinweg – trotz der Warnung ihrer Schwester Ismene (eindringlich: Lena Roggenhofer), die sich vor den Konsequenzen fürchtet. Der Wächter (souverän in ihrer Doppelrolle als Wächter und Conférencier: Constanze Schneider) erwischt Antigone dabei, wie sie Erde auf die Leiche ihres Bruders streut, und Kreon lässt sich von niemandem davon abbringen, dass seine Nichte für die Übertretung seines Verbots den Tod verdiene – nicht von seiner Frau Eurydike (Susanne Mellert) noch von seinem Sohn Haimon (sehr kämpferisch: Olga Reich), der Antigone liebt und sie heiraten will.

Wie ein überirdischer Rachegott tritt nun der blinde Seher Teiresias auf (sowohl auf deutsch als auch griechisch Gift und Galle speiend: Maximilian Bäumler), angekündigt und begleitet vom durchdringenden Gekreisch und spektakulären Geflatter der Vögel (Lisa Reichenbach, Franziska Streich, Jana Suksaev, Galina Tuschin) und vom Knaben zuverlässig an der Hand geführt (Marco Kneidl). Teiresias verkündet dem erbleichenden Kreon, dass er den Rest seines Lebens einsam verbringen müsse – denn alle Familienmitglieder werden infolge seiner Hartherzigkeit sterben. Wie schmerzlich diese Einsamkeit für Kreon wird, zeigt sich bewegend in der letzten Szene, in der die Toten – in blutbespritzte Leintücher gehüllt – ihre Anklage an den gescheiterten König richten. Zum stimmigen Gesamteindruck trugen die beiden als Soldaten gekleideten Vertreter des Chors (Patrick Burke und Philipp Spieß) ebenso bei wie die Stimmen (Sina Busch und Madeleine Thümmler).

Insgesamt sahen die Zuschauer im Theatersaal des Erasmus-Gymnasiums eine moderne Fassung des Antigone-Stoffs, mit originellen Inszenierungsideen und einem äußerst engagierten, überzeugend und intensiv agierenden Ensemble, das den begeisterten Applaus wahrlich verdient hat.

Peter Ringeisen





Amberger Zeitung am 22. Juni 2010