Moderne Tartuffes gibt es auch heute zuhauf

Theatergruppe des Dr.-Johanna-Decker-Gymnasiums nimmt sich des Molière-Klassikers an


Von Uta Löw

Amberg. Beim Wort "Tartuffe" mag einem an diesen heißen Julitagen spontan die italienische Eisspezialität "Tartufo" in den Sinn kommen, die man bei Temperaturen um die 30° in den Abendstunden in einer der Eisdielen in der Amberger Fußgängerzone genießen könnte. Nichtsdestotrotz ist es den jungen Damen der Theatergruppe 2 des Dr.-Johannna-Decker-Gymnasiums und ihrem Spielleiter Peter Ringeisen gelungen, mit Molières zeitkritischer Komödie, die das bigotte Pariser Großbürgertum des 17. Jh. aufs Korn nimmt, doch etliche Zuschauer in den angenehm kühlen Gerhardingersaal zu locken.

In der Eingangsszene sitzt die Familie verstört in ihrem Wohnzimmer. Das dezente Bühnenbild mit dem schwarzen Flügel im Hintergrund lässt das großbürgerliche Ambiente erahnen. Obwohl sie das falsche Spiel des skrupellosen Betrügers Tartuffe (Sarina Wagner) durchschauen, fühlen sich die Familienmitglieder machtlos: der besonnene Schwager Cléante (Katharina Bäumler) ebenso wie der hitzige, aufbrausende Sohn des Hausherrn, Damis (Nathalie Seidel), und erst recht die passiv duldende Tochter Marianne (Franziska Farr, Yvonne Nguyen), die, obwohl sie Valère (Stefanie Spiegel, Lisa Kneidl) liebt, mit Tartuffe zwangsverheiratet werden soll: "Was soll ich denn tun, wenn mein Vater mich zwingt?", fragt sie verzweifelt die Zofe Dorine (Jessica Büsser, Teresa Hager), die als schnippisch-emanzipierte Gegenspielerin Orgons (Olga Rudolf) Bewegung in die lethargische Familie bringt.

Orgon, der Hausvater, ist nämlich so vernarrt in den heuchlerischen, schleimerischen Tartuffe, den er von der Straße aufgelesen und in sein Haus aufgenommen hat, dass er ihm sogar sein gesamtes Hab und Gut überschreibt. Und auch Orgons Mutter, Frau Pernelle (Sabrina Bui, Sabine Thiele) hat sich von Tartuffe einwickeln lassen. Erst als Tartuffe der Ehefrau Orgons, Elmire (Verena Weiß, Christiane Hetzenecker), durch einen Trick dazu provoziert, an die Wäsche geht, werden Orgon die Augen geöffnet und er erkennt die wahren Absichten des Betrügers. Aber da ist es fast schon zu spät, Tartuffe hetzt Orgon den Gerichtsvollzieher (Veronika Gonschorek) und den Polizisten (Lisa Irlbacher) auf den Hals. Am Ende löst sich dann doch noch der Knoten und statt Orgon wird der entlarvte Tartuffe verhaftet: Der König hat die Gerechtigkeit wiederhergestellt.

Molières bitterböses Stück löste seinerzeit einen Riesenskandal aus und war jahrelang verboten, sein Schöpfer handelte sich sehr viel Ärger vor allem von Seiten der hohen Geistlichkeit ein. Die Aktualität der Komodie liegt in ihrer zeitlosen Musterhaftigkeit: Moderne Tartuffes verstecken sich auch heute noch gern unter der Maske der Seriosität und Ehrenhaftigkeit und naiv-dumme Orgons fallen mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder darauf herein .

Dafür, dass die Theatergruppe diese alles andere als leichte Komödie mit temporeicher und spritziger Spielweise auf die Bühne brachte und den Zuschauern auch ohne Tartufo einen heiter-besinnlichen Abend bescherte, bedankte sich das Publikum mit kräftigem, verdientem Applaus.





Amberger Zeitung vom 22. Juli 2010