Nicht das Theater, die Politik ist grotesk

Dr.-Johanna-Decker-Gymnasium glänzt mit Farce des Nobelpreisträgers Dario Fo


Von Uta Löw

weitere BilderAmberg. Dario Fos Farce „Er hatte zwei Pistolen und seine Augen waren schwarz und weiß“ brachten die Mädels aus der Theatergruppe 9/12 der Dr.–Johanna–Decker-Schulen im Gerhardinger Saal auf die Bühne. Angekündigt wurde die Aufführung unter dem Titel „Wer bin ich?“ Als Zuschauer war man nach diesem Theaterabend fast versucht zu ergänzen „und wenn ja, wie viele“? Dass die Titelfrage am Ende doch unbeantwortet blieb, liegt in der Natur des Stücks. Dario Fo ist ein Enfant terrible unter den Literaten. Die Tatsache, dass er 1997 den Literaturnobelpreis erhielt, führte angeblich dazu, „…dass die Beruhigungsmittel in den italienischen Apotheken fast ausverkauft waren.“ Auch wenn nach Fos Meinung nicht das Theater, sondern die Politik grotesk sei, so tat man doch gut daran, sich auf ein aberwitziges, in höchstem Maß groteskes Verwirrspiel einzustellen. Nur gut, dass Spielleiter Peter Ringeisen noch vor Beginn der Komödie die beiden sich (fast) zum Verwechseln ähnelnden Giovannis dem Publikum vorstellte.

Ein von Sigrid Ringeisen perfekt einstudierter Tanz stimmte die Zuschauer auf die turbulente Handlung ein: Das Spiel beginnt in der Psychiatrie. Ein Mann ohne Gedächtnis (Katharina Bäumler) in einem Priestergewand und mit Wolldecke wird dort für einen Deserteur gehalten, der seine Amnesie nur simuliert. Aber wer ist denn nun eigentlich verrückt? Der mit dem angeblichen (?) Gedächtnisverlust? Oder doch Professor (Claudia Haasmann), Stabsarzt (Marie Siegert), Ärzte (Annemarie Iberer, Sabine Schöppl) und Krankenschwester (Annika Traczyk)? Oder wie ist es sonst zu verstehen, dass sie alle nach der Pfeife des Unbekannten tanzen bzw. Straßenbahn fahren – gekonnt pantomimisch übrigens. Luisa (Melanie Heldmann) löst das Rätsel: Sie identifiziert den Fremden als ihren Mann Giovanni Galina, mit dem sie, wie sich herausstellt, gar nicht verheiratet ist, und nimmt ihn mit nach Hause. Nicht nur Angela (Sabine Schöppl) und Bar-Besitzer Luigi (Annika Traczyk) sind verwundert: Die Amnesie hat aus dem Gangster Giovanni einen sanften Typen gemacht, der, konfrontiert mit seiner Vergangenheit, erschüttert bemerkt: „Mein Gott, bin ich unsympathisch.“

Richtig turbulent wird es, als der echte Giovanni (Sarina Wagner) auftaucht und die Situation für seine dunklen Machenschaften nutzt. Mit Blondi (Stefanie Spiegel) kommt ein weiterer Ganove ins Spiel und Polizisten (Annemarie Iberer, Annika Traczyk), Wachtmeister (Lisa Wrosch), Assistent (Deborah Flierl) und Kommissar (Sabine Thiele) mühen sich mit allen Tricks, dem üblen Treiben ein Ende zu bereiten. Der wunderschöne Sologesang Marias (Marie Siegert) lässt nur kurz Zeit zu verschnaufen, bevor die Sache eskaliert und Giovanni (welcher denn nun?) erschossen wird.

Auch als Don Antonio die Identität des Gedächtnislosen aufklärt, nimmt die Geschichte noch kein Ende: Die Ganoven fordern eine Gangstergewerkschaft. Am Schluss tragen alle Masken: Das Verwirrspiel hat (k)ein Ende.

Wer als Zuschauer bei diesem Stück nicht auf logische Handlungsentwicklung eingestellt war, konnte sich entspannt zurücklehnen und einen sehr amüsanten und gelungenen Theaterabend genießen. Wie die Spielerinnen innerhalb kürzester Zeit von Rolle zu Rolle schlüpften, ihre Identität auf der Bühne wechselten und sich mit Engagement und sichtbarer Spielfreude auf die Verwicklungen einließen, verdient große Anerkennung. Congratulazioni!





Amberger Zeitung vom 30. Juni 2011
(Überschrift und Untertitel verändert)
Bild: Uwe Walzenbach