Eine „hair“-liche Inszenierung

Theatergruppe der 10.-13. Klassen des Dr.-Johanna-Decker-Gymnasiums meistert die „Haarausforderung“ von Nestroys Klassiker „Der Talisman“


Von Sabine Edl

Amberg. Haarscharf hat der österreichische Satiriker Nestroy in diesem Stück die Gesellschaft unter die Lupe genommen – und lässt kein gutes Haar an ihr.

Titus Feuerfuchs, ein rothaariger Barbiergeselle (textsicher dargestellt von Sabine Thiele), versucht in einer Gesellschaft, die Menschen mit seiner Haarfarbe misstrauisch betrachtet, sein Auskommen zu finden. Die Gänsemagd Salome Pockerl, (zauberhaft gespielt von Verena Weiß), ebenfalls rothaarig, findet Gefallen an Titus. Der Zufall sorgt dafür, dass Titus die Gelegenheit erhält, dem Friseur Monsieur Marquis (bemerkenswert vornehm: Deborah Flierl) das Leben zu retten. Dieser überlässt ihm als Dankeschön einen Talisman: eine schwarze Perücke, die Titus‘ feuerrotes Haar verdecken hilft.

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Kaum trägt dieser den neuen „Kopfschmuck“, interessieren sich drei Witwen auf dem Gut der Frau von Cypressenburg für ihn: Zunächst ist da Flora Baumscheer (sehr treffend interpretiert von Nathalie Seidel), Gärtnerin und verzweifelt auf der Suche nicht nur nach einem neuen Ehemann, sondern auch nach einem Mitarbeiter, da ihr Gehilfe Plutzerkern (herrlich phlegmatisch verkörpert von Melanie Benedikt) zu nix nutze ist. Dann macht sich auch noch die Kammerfrau Constantia (souverän: Teresa Hager) an Titus heran. Schließlich findet die Herrin selbst, nämlich Frau von Cypressenburg (toll besetzt mit Olga Rudolf), Gefallen an ihm. Die Möchtegern-Schriftstellerin und stolze Mutter der etwas bockigen Teenagerin Emma (glaubwürdig von Marie Siegert verkörpert) fachsimpelt gern mit dem aufgeblasenen Herrn von Platt (mit einem Augenzwinkern gespielt von Lisa Wrosch).

Titus scheint am Ziel seiner Wünsche zu sein. Doch ausgerechnet dieselbe Person, die ihm mit dem Geschenk der Perücke den Zugang zur Gesellschaft ermöglicht hat, wird Titus nun zum Verhängnis: Der eifersüchtige Monsieur Marquis entlarvt den Rothaarigen, indem er diesem den Talisman wegnimmt. Auch ein notgedrungener vorübergehender Wechsel auf eine blonde Perücke verschafft Titus nur kurz Luft – er wird von allen Damen wegen seiner abstoßenden Haarfarbe abgelehnt und muss gehen.

Als sein dümmlicher, durch Glück zu Geld gekommener Onkel Spund (witzig von Katharina Bäumler gespielt) Titus zu seinem Universalerben machen will, erscheint den drei „Schwarzen Witwen“ der Ekel vor den roten Haaren plötzlich überwindbar und sie umschmeicheln Titus erneut. Dieser jedoch lehnt das Erbe ab, begnügt sich mit einem von seinem Onkel finanzierten Geschäft und entscheidet sich für die Frau, die von Anfang zu ihm gehalten hat: die Gänsehüterin Salome.

Das Stück bewegt sich zwischen Schein und Sein, zwischen Doppelmoral und Eigennutz, zwischen Fügung und Zufall. So oft Titus seine Haarfarbe wechselt, nämlich von rot über schwarz zu blond und schließlich zu grau, so oft wendet sich sein Schicksal, bis er, nunmehr ohne Perücke, schließlich sein Glück findet. Erstaunlich ist, wie die Schülerinnen der 10. bis 13. Klassen das sehr anspruchsvolle Stück in so kurzer Zeit so gut einstudieren konnten! Hut ab – oder vielleicht besser: Perücke ab – vor dieser beeindruckenden Leistung!





Amberger Zeitung vom 08. Feb. 2011
(Überschrift und Untertitel verändert)
Bild: Uwe Walzenbach