Keine verlorene Liebesmüh

Gelungene Shakespeare-Adaption an den Dr.-Johanna-Decker-Schulen


Von Peter Seidl

Amberg. Eine über weite Strecken frische und freche, insgesamt recht kurzweilige und amüsante Shakespeare-Adaptation gelang der Theatergruppe der DJDS unter der Leitung von Peter Ringeisen mit „Verlorene Liebesmüh“.

Schon das Plakat mit Schmollmund und Pfauenfeder deutete an, dass da alles andere als eine verkopfte oder verzopfte Klassiker-Rezitation zu erwarten war. Und vom kleinen Anfangs-Gag mit Selfies und Paparazzi bis zum gemeinsam gesungenen „Nehmt Abschied, Brüder“ am Schluss war immer ein Schuss Aktualität zwischen Selbstanpreisung und Selbstironie („Nicht weit von hier ist eine Schule, auf die die besten Mädchen gehen ...“), im Spiel, der die etwas surreale Handlung und den oft recht bemühten Wortwitz der eher selten gespielten Shakespeareschen Textvorlage aufpeppte und für das Publikum besser verdaulich machte.

Vor dem zahlreich erschienenen Publikum, das den Gerhardinger-Saal bis auf den letzten Platz füllte, entfaltete sich die groteske Tragikomödie von männlicher Lust (durchschaubar umetikettiert als „Verliebtheit“) und männlicher Realitätsferne (ein Eid, den niemand halten kann und der auch sofort gebrochen wird) - gezähmt, geerdet und ad absurdum geführt gleichermaßen durch weibliche Klugheit.

Die gekrönten Protagonisten der beiden Welten (majestätisch: Verena Kosel als König von Navarra und Selina Messer als Prinzessin von Frankreich) geben einander nichts nach, und ihre jeweils drei untergebenen Edelleute (überzeugend vor allem Kristin Grüneich als Berowne, aber auch Magdalena Schütz und Lena Gimpl) bzw. Edeldamen (kokett-berechnend: Emily Hoppe, Clara Dressler und Isabella Graf, aristokratisch: Sarah Pickel als Boyet) umkreisen einander so höfisch-galant wie eiskalt berechnend, mit fein ziselierten Sprachsticheleien und übertriebenen Schmeicheleien als präzis gesetzter Wortwaffe. Das komödiantische Element wird verkörpert einerseits durch den „bäurischen Narren“ Wirsing (talentiert: Theresa Schleicher), der die Liebesbriefe der adligen Herren (absichtlich?) durcheinanderbringt, aber die Lacher des Publikums erntet, mit seiner nicht allzu treuen Geliebten Jaquenetta (bodenständig: Sabrina Wittmann), andererseits durch den spanischen Edelmann Adriano de Armado (dauer-“verliebt“: Jennifer Niedermeier), der mit seinem Diener Krümel (Johanna Hofmann) ein don-,quijoteskes Paar abgibt. Ein Wachtmeister (in Bundeswehr-Uniform: Evelyn Doban) ein hyperintellektueller Schulmeister (Emma Buegger) und ein Pfarrer (Magdalena Mandl) komplettieren als bierdimpfelndes Trio das kunterbunte Figurentableau des Stückes.



Die DJD-Theatertruppe, altersmäßig weit gespannt von Sechstklässerinnen bis Abiturientinnen, war gut einstudiert, was Sprechen und Positionierung auf der Guckkastenbühne betraf, auch das Seitenaus und der Saal wurden mit bespielt. Gut ausgesuchte Musikeinspielungen zwischen den Szenen und Auftritten erzeugten die richtige Atmosphäre und Erwartungshaltung beim Zuschauer.

Sehr gelungen war auch die Kostümierung, die zum einen das Problem der vielen Hosenrollen dadurch löste, dass die „echten“ Frauen in überbordenden bonbonfarbenen Galaroben klar erkennbar waren, zum anderen durch kleine, nicht unbedingt historisch getreue, aber gut gesetzte Akzente (z.B. Krawatten, Lederhosn und Dirndl) dem Zuschauer optische Hilfen zur Einordnung der Figuren gab.

Ebenso pointiert wurden bestimmte Requisiten eingesetzt: überdimensionierte Plüschbären als Geschenk der Galane an die Edeldamen, die so simple wie effektive Maskierung derselben wie auch ein Abakus als Rechenhilfe für die schwierige Aufgabe der Umrechnung von Zoll in Meilen. Der geschickteste Regieeinfall war zweifellos, das „Spiel im Spiel“, das bei Shakespeare aus einer Aufführung der „Neun historischen Helden“ bestand, aus dem Kontext des Stückes heraus kurzerhand ins DJD (dem Publikum erklärt als „Die jungen Diven“) zu holen und es damit zu einer Schul-Aufführung im besten Sinn zu erweitern. „Echtes“ und gespieltes Publikum konnten sich gleichermaßen an einer kleinen Leistungsschau aus Musik (Saxofon-Solo: Carmen Huber, Blockflöten-Ensemble) und Tanz erfreuen. Insbesondere die mitreißende Ballett-Einlage, einstudiert von Sigrid Ringeisen, bekam enthusiastischen Beifall. Zurück in Shakespeares Welt, werden die Spieler abrupt aus ihrer galanten Traumwelt in die Realität geholt, denn die Prinzessinnen müssen auf Grund eines Todesfalles überhastet abreisen.



Worüber das Stück ging? Letztlich um die „Liebe“ in allerlei Varianten. Ein Thema, das gerade im Gymnasiasten-Alter so viel elementarer als etwa Mathematik oder Geographie in unser Leben eintritt, hat Shakespeare auf Scherz, Geplänkel und Galanterie reduziert. Verlorene Liebesmüh’? Nicht am Publikum im Gerhardinger-Saal, das einen gelungenen Schultheater-Abend mit lang anhaltendem Beifall belohnte.





Amberger Zeitung vom 6. Juli 2016
Bilder: djd-theatanz