Die "Aschenputtel-Story" bei den Schulspieltagen einmal anders:

Der Prinz liebt eine Andere


Schon zu spät - Aschenputtel hat sich den Prinzen geschnappt Amberg. Auch das gibt es: Das verbraucherfreundliche Theater. Die Schauspielerinnen der Klassen 6 bis 9 der Dr.-Johanna-Decker-Schulen zeigten am Donnerstag, daß Theatervergnügen auch mit 45 Minuten Spielzeit möglich ist. Die "Aschenputtel-Story" hieß das Stück, mit dem der Autor Kenneth Lillington dem Zuschauer die Augen öffnet für die wahre Geschichte von Aschenputtel.

Die Wahrheit entdeckt ein Journalist (Sabine Irmer) aus dem Lande Erstwil bei seinem Besuch am Hofe der Königin Aschenputtel. Er hat sich von der autoritären und selbstbewußten Privatsekretärin (Andrea Franz) ihrer Majestät nicht abweisen lassen und ist am Hofe zufällig mit den beiden älteren Stiefschwestern Lavinia (Miriam Eschbach) und Honoria (Katja Fischeder) zusammengetroffen.

Die Spieler öffnen dem Zuschauer die Augen: die Stiefschwestern sind die Geprellten. Doch nun erzwungenermaßen in Ehren ergraut, wollen sie der Welt die Wahrheit sagen, auch wenn Lavinia gesteht, zu Lebzeiten des Prinzen dessen Geliebte gewesen zu sein. Die Geschichte, die die beiden erzählen, wird als Rückblende gekonnt auf der Bühne dargestellt.

Aschenputtel (Jutta Frank) sitzt grau und zerlumpt am Kamin und geht allen mit ihrer Hilfsbereitschaft und Larmoyanz auf die Nerven. Die Bitten ihrer beiden Stiefschwestern Lavinia (Martina Kunst) und Honoria (Susanne Krones), sich endlich wie ein normaler Mensch zu benehmen, fruchten nicht.

Auch die Stiefmutter (Angelika Schwinger) ist machtlos, Aschenputtel verdreht jedes Wort ins Gegenteil, um noch mehr leiden zu können. Dem Zuschauer ist schon bald klar, da dies nur ein falsches Spiel sein kann. Und damit weiß er mehr als die Figuren; auch die Patentante, die Komplizin von Aschenputtel, durchschaut das Spiel nicht.

Dann taucht der Prinz (Sara Wade) auf - Typ vergammelter Psychologiestudent. Er liebt Lavinia. Sie wollen heiraten. Ein schönes Paar. Doch daraus wird nichts. Aschenputtel erscheint scheinbar zufällig und es gelingt ihr durch raffiniertes, falsches Spiel, den Prinzen zu übertölpeln. Die anwesenden Pressefotografen (S. Fink. M. Hanauska, A. Herbert, K. Konrad) notieren eifrig die neuesten Entwicklungen im Königshaus: Der Prinz heiratet Aschenputtel. Dies wird in aller Welt bekannt. Dem Prinz bleibt nichts anderes übrig. Das ist die Macht der Medien.

Die Schauspielerinnen zeigten große Spielfreude. Hervorzuheben ist die ausgezeichnete Artikulation der Darstellerinnen. Es haben sich bei dieser Aufführung einige Talente gezeigt, die man bei den nächsten Schulspieltagen sicher wiedersehen wird.

Anton Fütterer




Amberger Zeitung vom 23. März 1993