Molière mit viel Liebe zum Detail inszeniert

Schauspielgruppe des Dr.-Johanna-Decker-Gymnasiums erhielt viel Beifall für "Der Bürger als Edelmann"


Amberg. (rgu) Was macht den Bürger zum Edelmann? Dieses Problem plagt den Kaufmann Jourdain, zentrale Figur in Molières 1670 entstandener Komödie "Der Bürger als Edelmann". Unter der Leitung von Peter Ringeisen probten die Schülerinnen des Grundkurs "Dramatisches Gestalten" des Dr.-Johanna-Decker-Gymnasiums seit Mitte Oktober dieses Stück.
Monsieur Jourdain versucht - an der Hand des Tanzlehrers - nachzumachen, ...
Am vergangenen Freitag konnten die jungen Damen dann endlich ihr schauspielerisches Talent vor dem zahlreich erschienenen Publikum beweisen. Eine hervorragende Leistung bot Doris Dachs in der Rolle des Bürgers Jourdain. Dieser versucht alles, um von der vornehmen Gesellschaft akzepiert zu werden und selbst ein Adeliger zu werden: Keine Mühen und Opfer sind ihm da zu viel. So läßt er sich im Tanz, in der Musik, im Fechten und sogar in der Philosophie unterrichten, gibt dafür Unsummen von Geld aus und das alles nur, um seiner Angebeteten, der Baronin Dorimène (gespielt von Susanne Mösbauer) zu imponieren. Daß er sich dabei unsäglich tölpelhaft anstellt und viel Szenenapplaus und Lacherfolge erhält - das ist pure Situationskomik.

Seiner Frau (Christa Strebel) und seiner Tochter Lucile (Birgit Gleich) kommt das Benehmen des Familienoberhauptes zwar ausgesprochen merkwürdig vor, richtig "ernst" wird die Situation dann allerdings erst, als der Vater sich weigert, Cleonte (Claudia Scharl), den Nicht-Edelmann, als Bräutigam seiner Tochter zu akzeptieren. Da allerdings hat dann Covielle (Astrid von Hirschheydt), Diener des Cleonte, den rettenden Einfall, der nach einigen Verwicklungen das Liebespaar dann doch noch zusammenführt. ... was ihm die Tänzer vorher vorgeführt haben.
Aufgelockert wird die ohnehin schon komische Handlung durch moderne Einlagen, so als der Tanzunterricht in einen fetzigen Rock'n'Roll ausartet oder auch in solchen Kleinigkeiten wie den schwarzen Sonnenbrillen der beiden Lakaien des Bürgers Jourdains. Die Inszenierung des Molièreschen Stoffes ist mit viel Liebe zum Detail bemerkenswert. Die durch weitere Schülerinnen des Gymnasiums aufgestockte Schauspieltruppe erhielt am Ende viel und langen Applaus.

Am heutigen Montag, und morgen, Dienstag, haben interessierte Amberger noch einmal die Möglichkeit, die Komödie zu sehen. Beginn ist um 19 Uhr im Gerhardinger-Saal der Schule.


Amberger Zeitung vom Montag, 7. März 1988








Zofe Nicole will nicht begreifen, welche Schönheit in der richtigen Aussprache liegt - zur Entrüstung des Herrn Jourdain

5. Amberger Jugend-Theater-Programm

Doris Dachs als Mann vom Schlage Polts

Amberg. (bee) Wenn ein Wohlstandsbürger versucht, zur gesellschaftlichen Creme de la Creme aufzusteigen, dann geht - das in der Regel wenig glanzvoll in die Hose - zum Gaudium fast aller Beteiligten und natürlich erst recht aller Außenstehenden. Molière hat dies mit seiner (Ballett)-Komödie "Der Bürger als Edelmann" beispielhaft vorgeführt, und gleiches ist am zweiten Abend des "5. Amberger Jugend-Theater-Programms" auch der Theatergruppe des Dr.-Johanna-Decker-Gymnasiums unter der Leitung von Peter Ringeisen gelungen. Nach der Premiere Anfang März und zwei weiteren Aufführungen vor Ort im Gerhardinger-Saal präsentierte die Gruppe sich mit dieser Produktion am Freitag nun auch im kleineren Rahmen des Jugendtreffs in der Alten Reitschule und bot den Zuschauern ein rundherum gar köstliches Theatervergnügen.

Daß Doris Dachs in der Titelrolle den Löwenanteil des starken Szenen- und Schlußbeifalls für sich einheimsen konnte, verwundert nicht. Der Erfolg dieses Stücks steht und fällt mit der Besetzung des Herrn Jourdain: Doris Dachs wurde den ohnehin großen Anforderungen mehr als gerecht, da sie es hervorragend verstand, ihrer Stimme und ihrem Spiel einen überzeugend männlichen Gestus zu geben; das Publikum durfte schnell vergessen, daß dieser Jourdain von einer jungen Frau verkörpert wurde. Ihre Leistung ist schon deshalb bewundernswert, weil es ihr gelang, sich über das naturgemäße Quantum an persönlicher Eitelkeit grandios hinwegzusetzen und in Körpersprache wie in der Physiognomie ein Mann vom Schlage Gerhard Polts zu sein.

Der nur kleine geistige Horizont des Jourdain zeigte sich bei Doris Dachs schon in den wechselnden Formationen der Stirnfalten, Jourdains in jeder Hinsicht gegebene Trampelhaftigkeit führte die Gymnasiastin natürlich auch im Wortsinn vor, indem sie dessen musikalische Vorliebe röhrte und auf die Bretter stampfte. Der Philosoph und sein papageienhaft gelehriger Schüler Jourdain Ein Kabinettstück war vor allem jene Szene, in der Jourdain sich philosophisch schulen lassen wollte, aber statt in geistigen Höhen zu wandeln nur in den Niederungen von ABC-Schützen Fuß zu fassen vermochte. Sehenswert, wie sich auf Doris Dachs' Gesicht erst die Verständnislosigkeit und dann das sehr langsame Begreifen widerspiegelte, wie dieser nur papageienhaft gelehrige Schüler Wachs in den Händen seines Lehrmeisters war.

Diese Szene erscheint mir auch deshalb wichtig, weil Doris Dachs in Meike Wöhlert als arrogantem und verfressenem Philosophen (mit modischem Drei-Tages-Bart) eine Partnerin hatte, die ihr darstellerisch als einzige an diesem Abend das Wasser reichen konnte, wichtig auch, weil sie die Qualitäten der stark auf die schauspielerischen Fähigkeiten bauenden Inszenierung von Peter Ringeisen beispielhaft aufzeigt. Bis auf einen Tisch und ein paar Stühle, die notwendigsten Requisiten und treffende Kostüme aus diversen Rumpelkammern kommt diese Produktion ohne Ausstattung aus, setzt also vielmehr darauf, die Inhalte durch entsprechende Bewegungsabläufe zu charakterisieren. Das geschieht mit Einfallsreichtum und Pfiff - wie beim Menuett, aus dem heraus sich ein fetziger Rock'n'Roll entwickelt, wie beim Schmollen und dann sich Wiederfinden der beiden jungen Paare, das in einer ausgefeilten Choreographie abläuft. Baronin Dorimène - ganz etepetete Bleiben die übrigen Darsteller, die ihre Sache recht gut machten, auch wenn sie an die Leistung der beiden schon Genannten nicht herankamen. Ganz etepetete Susanne Mösbauer als Baronin (in einem Kleid, das zur großen Erheiterung mitspielte), handfest und geradeheraus Christa Strebel als Frau Jourdain, zupackend und listig Astrid von Hirschheydt als Diener Covielle, aufmüpfig und schnippisch Verena Baur als Zofe Nicole, vornehm-schleimig Sabine Schmidt als Graf Dorante und rettungslos romantisch das Paar Lucile und Cleonte mit Birgit Gleich und Claudia Scharl. In den Nebenrollen verdienten sich vor allem die Tänzer- und Sängerinnen einen Sonderapplaus.



Amberger Zeitung vom Montag, 25. April 1988