"Ein Leberkäs im Fahrstuhl zur Ewigkeit"

Heimat pur: Schulspielreigen im Dr.-Johanna-Decker-Gymnasium forderte höchste Konzentration


Ich bin lebendig und faul und reich / und ob du schon tot bist, ist mir doch ganz gleich! Heimat in den Köpfen und im Herzen, Heimat mit Händen und Füßen, Heimat in Wort und Spiel: Heimat im Dr.-Johanna-Decker-Gymnasium. Beim Schulspielreigen 1994 im Gerhardinger-Saal zeigen die Heimatsterne, neudeutsch die Stars aus dem "Grundkurs dramatisches Gestalten", dem "Wahlfach Schulspiel" und der "Band" "Heimat pur" in siebenundzwanzig Sketchen, Gedichten und Songs, am Stück und in Scheiben, zum Nachdenken, Lachen, Kopfschütteln ...

Die Bühne gähnt dunkel in das Publikum, reckt sich in den Saal hinein, ist gänzlich leer, zieht die Zuschauer ins Geschehen hinein. In schwarzen Hosen und Shirts treten die Schauspielerinnen auf. Einzige Requisiten während des ganzen Abends sind je nach Bedarf ein paar Stühle, ein Tisch, ein Telefon, einige Tücher und Hüte, Infos mit dem Projektor an die Wand geworfen, sonst nichts. Die Regie von Peter Ringeisen setzte auf Reduktion, auf punktgenaue Interpretation, auf präzise, abwechslungsreiche Textauswahl, auf die peppigen musikalischen Einlagen und auf viel schauspielerischen Ausdruck und Einsatz. Für die Akteure bedeutet es keine leichte Aufgabe, über zwei Stunden lang die Spannung zu halten, oder sogar noch zu steigern. [...]

Prima in Deutschland Die Heimatrevue wurde aufgeblättert. Mit blitzlichtartigen Auftritten beleuchtete die Truppe um Peter Ringeisen ihr Thema: lustig und ernst, nachdenklich und wach, aufrüttelnd und sentimental, frech und frisch. Da durfte "Der Heimatdichter" (Birgit Kölbl, Hanne Flach), Herr Schäfer, in einem Interview seine tiefen Gedanken über neun Quadratmeter Mischwald äußern, einen 350 Meter entfernten Pfahl andichten und diesen sogar treffen und sein Poem "Ein Leberkäs im Fahrstuhl zur Ewigkeit" vorstellen. "Der Durchblicker" (Anja Winter, Angie Schwinger, Christa Schmidt) kannte sich all überall aus, mußte jedoch feststellen: "Die Intelligenz der Massen hat ihren Sättigungsgrad erreicht." Choreographie und Körpersprache verdeutlichten bei dem Programmpunkt "Prima in Deutschland" das "Oben" und "Unten", Verwirklichung und Unterdrückung.

Manipulierten Robotermaschinen gleich antworteten zwei junge Frauen (Kerstin Jahnsmüller, Anja Winter, Angie Schwinger) auf die Frage "Was macht Ihr so?" (Text aus dem Jugendmagazin der SZ). Aussagen, die in dieser Form unheimlich trafen. Wie übrigens auch der Monolog "Dreck" (Jutta Frank). Die Worte des Arabers Sad bohrten sich ins Gehirn. Die Schlichtheit des Vortrags erhöhte den nachhaltigen Eindruck. Heimat, das forderte auch eine Auseinandersetzung, mit der jüngsten Geschichte, mit Nazizeit, Judenverfolgung, Hoyerswerda, das war Aufrütteln aus Lethargie und Voyeurismus, das hieß auch a la Musikantenstadel: "Geschlechter kommen, Geschlechter vergeh'n - Hirschlederne Reithosen bleiben besteh'n."

Die Band spielte für den Erfolg eine beträchtliche Rolle Eine Revue ohne Musik wäre wie ein Rosenkranz ohne Ave Maria. Ergo spielte die Schulband mit Ulrike Greiner, Ute Landes, Simone Rütz, Christa Schmidt, Angig Schwinger, Annette und Judith Steger, ergänzt durch Joachim Hochgürtel, der auch die Einstudierung leitete, für den Erfolg eine beträchtliche Rolle. "Bei uns sitzen Sie ein ganzes Stück näher als in der ersten Reihe", hatten die Schauspielerinnen versprochen und über zwei Stunden lang auch gehalten. In dieser Zeit verabreichte die DJD-Schulspielgruppe das anspruchsvolle und ansprechende Heimatkonzentrat! Das verlangte sowohl von den Akteuren als auch vom Publikum eine geballte Ladung an Konzentration und Durchhaltevermögen. Es hat sich gelohnt.

Marielouise Scharf




Mittelbayerische Zeitung vom 22. März 1994