»Der Trojanische Krieg findet nicht statt« - ein Ausschnitt Giraudoux's Drama um Helena


Zur Strafe für die Emanzipation geht es zwei Schritte zurück

Theatergruppe des Johanna-Decker-Gymnasiums zu den Nebenwirkungen von Frauen

Amberg. Man nehme eine kleine Prise Gift und mische sie mit einer großzügig bemessenen Portion Witz und Charme: Die volle Dosis einer sehr weiblichen Rezeptur mit Breitband-, Tiefen- und Kontra-Indikation verabreichte die Theatergruppe samt Band des Dr.-Johanna-Decker-Gymnasiums mit ihrem Beitrag "Frauen: Risiken und Nebenwirkungen" im Rahmen der Amberger Schultheatertage '95. Die spritzige Revue-Mixtur, konzipiert und inszeniert von Peter Ringeisen und unter der musikalischen Leitung von Joachim Hochgürtel sang- und klangvoll umgesetzt, zeitigte eine äußerst belebende Wirkung: Das Publikum im - bis auf den letzten Platz gefüllten - Gerhardinger-Saal des DJD-Gymnasiums applaudierte begeistert.

Was ist eine Frau? Mit Texten aus der Literatur im engeren und im weitesten Sinne, mit Songs, Jazz- und Showeinlagen führten die insgesamt 33 Schülerinnen - in strenges Schwarz gewandet - ein sehr buntes Spektrum weiblicher Symptomatik im gesellschaftlichen, sprich: männlichen Kontext vor Augen. Ein paar echte Hits waren darunter, wie zum Beispiel Brechts "Zuhälterballade", "Frauen", frei nach Grönemeyer, und die lautmalende Musikalität des Dichterworts in "mein famili".

Die Frau als Objekt der Begierde, der Macht, der Gewalt, womöglich auch der Liebe - und als Subjekt ihres eigenen, zwiespältigen Selbstfindungsprozesses im Halbschatten der Menschheits- und Kulturgeschichte - ein "Emanzipationsspiel" nach dem Motto: einen Schritt vor und, zur Strafe, zwei zurück: "Habe nun, ach...," seufzt "die Faust" in dreimaliger Ausführung, "das Apfelstrudelrezept (I), Dauerwelle und Augenaufschlag (II) sowie den Börsenkurs und den Finanzbericht (III) durchaus studiert" - und nun steht sie da, bzw. liegt auf der Psychiater-Couch: voll selbstentfaltet fremdgesteuert.

Kein Grund zur Sorge, die "gute Nachricht für alle, deren Füße schmerzen", verkündet vielstimmig der hausfrauliche Jubelchor: Hier ist es - wir haben es lange gesucht, jetzt ist es da: Es sorgt - soviel sei auszugsweise wiedergegeben für "festsitzende Zähne, geruchfreie Abflüsse und einen erregenden Geschmack auf der Zunge, nichts ist mehr schlaff, welk, stumpf, brüchig, faltig, schuppig, strähnig oder fett. Der Schmutz ist besiegt, jetzt kann jede sicher auftreten, kraftvoll zubeißen - und die Gardinen flattern blütenweiß. Das ist wirklich ein großer Schritt in die Zukunft".

Für eine bessere Zukunft jener Wesen, die alle Natascha heißen, sowie der bedauernswerten aber zahlungskräftigen deutschen Männer, die täglich von deutschen Frauen ausgebeutet, gedemütigt und frustriert werden, sorgt "Interlink", die Agentur fürs einsame Männerherz: Mit einer Riesenauswahl anspruchsloser und warmherziger Modelle, besonders preisgünstigen Sonderangeboten aus der sibirischen Steppe, speziellen Nackt- und Busenkatalogen für den Kenner - und Umtauschgarantie bei Nichtgefallen der Ware.

Den Superlativ des steigerbaren weiblichen Attributs schön, schöner, am schönsten vertreten zwei vielbeachtete Blondinen: die klassische Helena und Claudia Schiffer - auch ein "klassischer Typ". Erstere befestigt öffentlich und mit historisch schwerwiegenden Folgen die Sandale am lieblichen Fuß, die andere plant eine - voraussichtlich sehr viel weniger dramatische - Talkshow, in der sie z. B. Paul Newman, beim Tête à Tête in der Küche, sein delikates Barbecue-Saucenrezept zu entlocken hofft. Viel Glück kann man da nur wünschen, Claudia und allen anderen Frauen, die da Zukunft planen - und mit "Frau Plückerjahns" ergreifenden Worten schließen: "So kam noch alles rasch zum guten Ende! Gleich gibt es Lönch. Man wasche sich die Hände."

Beatrix Becker





Amberger Zeitung, 10. April 1995