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Inhalt

Sagen um die verschwundene Burg. 8

Ein seltsames Geschichtsbuch. 15

Ein kostbares Pergament 19

Ein königlicher Freund Ambergs 23

Friedrich der Siegreiche – Der böse Fritz 28

Amberger Treue – Amberger Blut 28

Ein guter Vormund. 28

Eine kurze aber erfolgreiche Regierung – Ludwig IV. 28

Vom Vormund zum Kurfürsten. 29

Amberg und die Arrogation. 33

1452 – Zögerliche Anerkennung Friedrichs 34

Erfolgloses Verhandeln 1453. 35

Schmerzhafter Freitag 1453. 36

Interdikt in Amberg. 39

Winterfeldzug gegen Amberg. 42

Strafjustiz am 5. Februar 1454. 44

Einschränkung städtischer Rechte. 45

Behandlung „etlicher Abtrünniger“ 49

Amberg unter Friedrichs Herrschaft 52

Friedrichs oberster Geschützmeister, ein Amberger 55

Friedrichs Probleme. 58

Philipps Hochzeit in Amberg. 61

Kurfürst Philipp. 62

Aufruhr Fehler! Textmarke nicht definiert.

Hans Klopfer, Bürger zu Amberg. 66

Notvolle Jahre in Weiden. 67

Reich durch Heirat 68

Besitzer einer Kapelle. 69

Bürger zu Amberg. 70

Klopfermesse St. Wolfgang. 72

Bürger unter Bürgern. 73

Die Klopferstiftung. 74

Wenn Fürsten heiraten. 78

Vilsabwärts Eisen, vilsaufwärts Salz. 83

Rechtsstreit um beschädigte Brücke. 86

Wie der Eselsbeck seinen Namen bekam.. 98

Der ungetreue Fuchssteiner 100

Die festeste Fürstenstadt 103

Das "Amberger Lärmen" 108

Kurfürst Friedrich's Gewaltritt. 114

Das große Sterben - Die Pest in Amberg. 120

Neue Heimat in Amberg, 1649. 129

Ein Hochaltar für St. Martin. 134

Der Amberger Knödel 140

Der Heideschuster Lind und die Sebastianskirche. 147

Die Belagerung Ambergs im Österreichischen Erbfolgekrieg 1745. 153

Zuversicht in Amberg. 153

Winterfeldzug gegen Amberg. 154

Gefechte zwischen Ullersberg und Kastl 157

Die erste Belagerung. 159

Beängstigende Vorbereitungen, eine bange Nacht 162

Die Entscheidung, Neumarkt 164

Die zweite Belagerung. 166

Ausfall der Amberger 169

Ende der Belagerung. 171

Abmarsch der Garnison - Kapitulation. 172

Anselm Desing, ein Universalgenie aus Amberg. 176

Dozent in Salzburg. 178

Baumeister in Kremsmünster 179

Hunger! Hunger! 185

Hochwasser in der Altstadt 1784. 194

Bernhardskirche - Nationaltheater 199

Rezers Ehrentag - 21.09.1848. 208

Amberg und die Eisenbahn. 218

Wasserversorgung Ambergs bis 1893. 227

Wasser in Amberg. 227

Wasser für den Haushalt 229

Manche Handwerker brauchten besonders viel Wasser 229

Öffentliche Brunnen in der Altstadt 231

Die städtische Wasserleitung. 233

Jesuitenleitung und andere Privatanlagen. 236

Hygienische Verhältnisse und Wasserversorgung. 238

Wasser für Ambergs Krankenhaus 240

Ambergs Wasserversorgung im 19. Jahrhundert 245

Leitungswasser für Amberg - 1892/93. 249

Ein Mahnmal aus schwerer Zeit 256

Das Kümmersbrucker Gefangenendenkmal 256

1914 – die ersten Franzosen in Amberg. 257

Menschliche Anteilnahme. 258

Barackenlager Kümmersbruck – Amberg. 260

Zivilgefangene in Amberg. 260

Aufruf um Hilfe. 262

Sterbefälle und Geburten im Lager 263

Kriegsgefangenlager für Franzosen, Russen und Italiener 265

Ums tägliche Brot 267

Ärztliche und religiöse Betreuung. 270

Arbeiten im Lager – Freizeit 272

Amberger Lagertheater 275

Arbeitseinsatz der Gefangenen außerhalb des Lagers 278

Helfer in der Landwirtschaft 280

Ende des Kriegsgefangenenlagers 1919. 282

 


 

Sagen um die verschwundene Burg

Wer nach Amberg kommt, ganz gleich aus welcher Richtung, sieht stets als erstes Zeichen der Stadt den Mariahilfberg mit der schönen Wallfahrtskirche. Früher schaute eine Burg von dieser Höhe aus weit ins Land. Eine Burg? Wo ist die denn hingekommen?

Schon vor 200 Jahren wussten das die Amberger nicht mehr genau. Was haben sie nicht alles vom Ende dieser Burg erzählt. Um 1840 hat Herr Schönwerth diese Geschichten für seine Sagensammlung aufgeschrieben. Hier eine Zusammenfassung:

Nordöstlich der Bergkirche ist ein zerklüftetes, muldenreiches Gelände, das um 1800 noch unbewaldet war und die Hollerwiese genannt wurde. Dort stand in alter Zeit ein großes Schloss, das zuletzt zwei Ritterfräulein gehörte. Von ihrem Vater hatten sie außerdem das Klösterl in Amberg und die Orte Raigering und Neumühle geerbt.

Nun lagerte im Keller des Schlosses in Fässern und Kisten eine riesige Menge Geld und die beiden wollten ihren gemeinsamen Reichtum teilen. Eine der Schwestern war blind. Die sehende Schwester holte deshalb ein Metzengefäß, denn abzählen konnte man die Münzen nicht. Für sich selbst füllte sie den Metzen ordnungsgemäß, für ihre Schwester drehte sie das Maß um und häufelte die Münzen auf den Boden. Sie forderte sogar die Blinde auf, mit ihren Händen sich zu überzeugen, dass auch für sie der Metzen randvoll war. So betrog sie die Blinde. Diese aber tastete zum Schluss die beiden Haufen ab und merkte schnell den Betrug. Verbittert verließ sie ihr Vaterhaus und verwünschte es. Da bebte die Erde. Das Schloss versank und ein öder, unfruchtbarer Erdenfleck nahm seine Stelle ein. Die Blinde verbrachte den Rest ihres Lebens in Neumühle. Die Habgierige aber ward nicht mehr gesehen.

Vom Untergang der Burg berichtet auch eine andere Sage. Es hauste auf dem Berg ein schlimmer Raubritter. Er nahm den Kaufleuten ihre Waren weg und holte den Bauern die Ernte vom Felde. Über dieses Treiben war seine gute Tochter sehr betrübt. Sie tat alles, um das Unrecht wieder gut zu machen. Sie half den Beraubten, wann immer sie konnte. Oft hat sie den Vater gebeten, sein wüstes Treiben aufzugeben, doch er hat sie nur ausgelacht. Auch auf die Strafe des Himmels wies sie hin, aber der Ritter blieb verstockt. Schließlich war das Maß seiner Schuld voll. Ein Gewitter zog auf, das den Tag zur Nacht machte. Als das Unwetter ausgetobt hatte, war das Schloss nicht mehr zu sehen. Es war in der Erde versunken.

 

Seitdem sieht man am Sonnwendabend eine Jungfrau in weißem Gewande bei der Hollerwiese auf einem Stein sitzen. Neben ihr wacht ein schrecklicher Hund, kohlschwarz, mit feurigen Augen. In den Zähnen hält dieses Untier den goldenen Schlüssel, der die Schatzkammern der versunkenen Burg öffnen kann. Den Vorübergehenden winkt die Jungfrau zu, doch bisher hat es noch niemand gewagt, dem Höllenhund den Schlüssel zu entreißen und den Raubritterschatz zu heben.

Auch beim Kräuterbrünnerl, dem alten Schlossbrunnen, ist es nicht geheuer. Zu heiligen Zeiten sitzen auf der Einfassungsmauer zwei Geister, Mann und Weib, Gesicht und Kleider wie Birkenrinde. Das sind die Hirtenleute des wilden Ritters, die ihm bei seinen Übeltaten geholfen haben. Auch sie winken allen zu, die vorbeikommen, ja, sie begleiten diese oft bis zum Lindenbrünnerl und warten, dass man sie anspricht.

Manche haben beim Kräuterbrünnerl eine große Herde geisterhafter Schafe gesehen und aus dem versunkenen Schloss eine wunderschöne Musik gehört. Andere berichten von einer weißen Frau, die eine Butte mit glänzenden Goldreifen trägt, um Wasser zu schöpfen.

Eine Bäuerin aus Raigering musste einst in der Christnacht nach Amberg, um einen Arzt zu holen. Ein Irrlicht führte sie zum Brunnen, und dort erwartete sie gar freundlich die weiße Jungfrau. Beide schritten durch eine Tür neben der Brunnenstube in den Berg. Sie kamen in einen Saal. Ein grimmiger Ritter saß dort an einem Tisch und stützte sich auf sein Schwert. An einem anderen Tisch saßen mehrere Herren in schwarzen Gewändern und tranken aus großen Humpen. Aus einem düsteren Nebengemach drangen Klagelaute von Gefangenen. Die Jungfrau kniete sich vor dem Ritter nieder und zeigte dann der Bauersfrau die Schätze, die der Ritter zusammengeraubt hatte. Doch vor Schreck konnte die Bäuerin keinen Ton herausbringen. Sie flüchtete aus dem Saal, ohne auch nur eine der Münzen genommen zu haben. Hätte die gute, redliche Frau zugegriffen, dann wären die Geister erlöst gewesen.

Ein bekannter Geizkragen hatte es auf diese Schätze abgesehen. Er suchte zu heiliger Zeit diesen Ort auf und ging mit der Jungfrau in den Berg und ward nie mehr gesehen.

Die Stelle der versunkenen Burg, also die Hollerwiese, ist öde und unfruchtbar und nichts wächst auf ihr, denn sie ist verflucht, berichtet Schönwerth. Die Burg ist allerdings nicht tief versunken. Würde ein Hahn an der richtigen Stelle scharren, könnte er die Turmspitze freilegen. Wenn man auf dieser Wiese einen Stein fallen lässt, dann klingt es dumpf und hohl aus dem Erdengrund, denn nicht nur die Burg liegt knapp unter der Oberfläche, auch alte, unterirdische Gänge ziehen sich durchs Erdreich hinunter zum Ziegeltor, zum Schloss Rosenberg und zum Annaberg bei Sulzbach.

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Der Bergfried der Burg

Sicher kommen uns diese Geschichten unglaublich vor. Doch es stimmt, dass auf dem Berg eine Burg war, und zwar dort, wo jetzt unsere Wallfahrtskirche steht. In keinem Archiv hat man bisher gefunden, wer sie errichtet und bewohnt hat. Noch im 14. Jahrhundert tagte die Landschranne auf dem Berg nahe der Burg, und deren letzter Rest, der mächtige Bergfried, wurde erst 1702 abgebrochen.

Auf der Hollerwiese stand nie ein Schloss. Das sehr hügel- und muldenreiche Gelände ist jetzt trotz des sagenhaften Fluches mit schönen Bäumen bewachsen. Unter der Erde aber gibt es wirklich Hohlräume, und es tönt an manchen Stellen dumpf, wenn man fest aufstampft. Bereits Wiltmeister berichtet in seiner Chronik von diesem „Hohlen“ auf der Hollerwiese, die einst „Hohle Wiese“ hieß. Doch wie entstanden diese Hohlräume?

Man hat schon sehr früh die festen, gelben Sandsteine des „Ambergs“, so hieß einst der Mariahilfberg, für die Gebäude der Stadt gebrochen. Hinter der Ruine der alten Burg hat man um 1550 sogar ein Bergwerk mit Stollen und Schächten angelegt, um an die Steine zu kommen. Man schuf also einen unterirdischen Steinbruch.

Nachdem dieser aufgelassen wurde, brachen nach und nach stellenweise die Stollen und der Zugang ein und schließlich versank dieser seltene Steinbruch unter der Erde in Vergessenheit. Man entdeckte dieses Bergwerk wieder, als 1978 ein Stollenstück einbrach und man in das alte Steinbergwerk einsteigen konnte. Außerdem fand man im Staatsarchiv, Akten über diesen unterirdischen Steinbruch.

Franz Schönwerth, der uns diese Sagen aufgeschrieben hat, ist in Amberg geboren. Er hat außer den Sagen unserer Heimatstadt auch jene der gesamten Oberpfalz gesammelt. An ihn erinnert eine Straße im Dreifaltigkeitsviertel.

Jahrhunderte ober- und unterirdischer Steinbruchtätigkeit haben auf unserem Berg vielerorts Mulden, Gruben, Steilhänge, Abraumhalden und sogar unterirdische Gänge hinterlassen.

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Auch das sagenumwobene Kräuterbrünnerl hat einen irreführenden Namen. Es erinnert nicht an üppige Kräuter, die einst hier wuchsen, sondern an den ersten Mesner des Marienheiligtums auf dem Berg. 1662 bezog Sigmund Kreukl das Mesnerhaus und musste über 30 Jahre jeden Tag das notwendige Wasser an einer kleinen Quelle holen, die bald Kreuklbrünnlein hieß, und von dem auch im 18. Jahrhundert in den Bergkirchenrechnungen berichtet wird. Im 19. Jahrhundert wusste man vom Mesner Kreukl nichts mehr, und Kreuklbrünnerl musste man sinnvoll erklären. Man wandelte „Kreukel“ zu „Kräuter“ um, und das ergab einen zwar klar verständlichen, aber irreführenden Sinn.


 

Ein seltsames Geschichtsbuch

Die Herrnstraße, die zum Rathaus führt, ist aufgerissen. Neue Kanalrohre sollen eingelegt werden. Die Arbeiter pickeln, und der kleine Wall gelben Sandes wird immer höher. Wer ins Geschäft geht oder zum Einkaufen, der bleibt ein bisschen stehen und guckt neugierig in den Graben. Dann geht er wieder weiter.

Einer aber hat Zeit. Stundenlang steht der Mann schon da und schaut jedem Schaufelwurf nach. Manchmal bückt er sich auch, hebt ein wenig Erde auf und zerbröckelt sie mit seinen Fingern. „Was der wohl sucht“, denken sich die Leute, die vorübereilen.

Jetzt wird die Erde schwarz braun. „Herr Oberregierungsrat, was ist das für Zeug?“, fragt einer der Arbeiter, der auf einer Schaufel spürt, wie schwer der schwarzbraune Brocken wiegt. „Das ist Schlacke von den Eisenschmieden, die früher einmal in unserer Stadt betrieben wurden“, antwortete Herr Oberregierungsrat Dollacker. Die Arbeiter wundern sich, dass der Schlackenbrocken so schwer ist.

Ja, damals, im 10. oder 11. Jahrhundert, so alt sind diese Schlacken sicher, da konnte man das Erz noch nicht so gut ausschmelzen wie heute. In den Schlacken steckt noch viel Eisen und daher sind sie so schwer.

Die Arbeiter pickeln und graben weiter. Die Schlackenschicht nimmt gar kein Ende. Jetzt fällt dem Herrn Oberregierungsrat ein Brocken besonders auf. „Das ist doch keine Schlacke?“, denkt er sich. Er hebt ihn auf und kratzt mit den Fingern die Erdkruste weg. Neugierig schauen die Arbeiter zu. „Das ist ja ein Geißhorn!“, lachen sie. „Reich waren die Amberger damals nicht, wenn sie sich mit Geißen abfretten mussten“, sagen sie und lachen noch einmal.

Ein hart gebrannter säulenartiger Lehmbrocken rollt über die Schaufel. Dollacker schüttelt, stochert an dem Gebilde und schau, im harten Klumpen steckt eine Röhre aus gebrannten Ton. Herr Dollacker zeichnet das seltsame Ding mit ein paar Strichen in sein Notizbüchlein und drunter schreibt er: „Tondüse für den Blasebalg zu einem Rennofen.“ So hieß man in alter Zeit die Schmelzöfen.

Die braune Schicht geht zu Ende und der gelbe Sand ist wieder da. Plötzlich stutzt ein Arbeiter. Sein Pickel ist in ein Stück morsches Holz gefahren. „Halt!“, ruft der Herr Oberregierungsrat und bückt sich. Wirklich, unter der Schlackenschicht ist ein Stück Holz. „Jetzt ganz vorsichtig weiterarbeiten, meine Herren!“, sagt er zu den Arbeitern. Und schon steht er selbst im Graben und wühlt mit seinen Fingern im Sand. Noch ein Stück Holz und dann ein Knochen, und gleich daneben noch einer. Die Arbeiter stehen da und schauen. Sie brauchen nichts zu fragen. Sie sehen ja selbst, was da im Boden liegt: das ganze Skelett eines Menschen. Eine unheimliche Geschichte!

Graeberfeld

In den nächsten Tagen werden noch elf Gräber entdeckt und freigelegt. Hier war ein Friedhof, ein christliches Gräberfeld, das sicher schon 1200 Jahre alt ist. Als man später die Friedhöfe bei den Kirchen anlegte, hat man den alten Friedhof mit seinen Toten vergessen, und schließlich hat man über die Gräber die Schlacken gebreitet. Und die Amberger sind jahrhunderte lang über die Gräber gelaufen und wussten es nicht.

So erzählt der Amberger Boden aus der alten und uralten Geschichte. Man muss nur lesen können in diesem Geschichtsbuch, so wie es der Herr Oberregierungsrat Dollacker gekonnt hat.

Diese Geschichte hat sich 1920 zugetragen. Ähnliches geschah in der Herrnstraße auch schon 1914, und damals hat Regierungsrat Dollacker noch interessantere Funde gemacht. Acht Reihengräber konnte er feststellen. Im Bereich unserer Herrnstraße liegt demnach ein Reihengräberfeld, von dem man bisher 20 Gräber gefunden hat. Dieser Friedhof wird im 8. Jahrhundert angelegt worden sein, also in der Zeit Karls des Großen. Ferner hat der unermüdliche Heimatforscher 5 Hügelgräber aus der späten Hallstattzeit aufgedeckt. Vor über 2500 Jahren siedelten schon Menschen innerhalb unserer Altstadt. - An den eifrigen Forscher, der aus Liebe zur Geschichte seiner Vaterstadt ohne jede Entschädigung seine gesamte Freizeit mit Archivforschung und Bodenbeobachtung zubrachte, erinnert die Dollackerstraße.

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Ein kostbares Pergament

In Amberg gibt es eine Archivstraße. Dort steht das Staatsarchiv für den Regierungsbezirk Oberpfalz, in dem viele alte Akten und Urkunden aufbewahrt werden. Einige Millionen alter, vergilbter Blätter sind dort, auf denen man lesen kann, was vor 200, 300 oder auch vor 500 Jahren in unserer Heimat Oberpfalz geschehen ist. Im Hauptstaatsarchiv in München sind noch viel mehr solcher alter Akten.

Eine Urkunde hätten wir zu gerne in Amberg, aber die Archivverwaltung gibt sie nicht heraus. Freilich, zur 950-Jahr-Feier Ambergs konnten wir sie im großen Rathaussaal sehen. Sie hatte einen Ehrenplatz.

Wollen wir dieses kostbare Stück genauer betrachten. 65 cm misst es in der Länge und 50 cm in der Breite. Ein eigenartiges Papier ist das, leicht bräunlich und dick. Man hat hier Pergament verwendet, und das ist eine besonders gegerbte Kälberhaut.

Was hat der Schreiber auf das Pergament geschrieben? Es ist die früheste Kunde von unserer Vaterstadt. Wir können die alte Schrift nicht lesen. Die Buchstaben sehen ganz anders aus als die unsrigen, und die Sprache ist gar nicht Deutsch, sondern Latein. Doch einige Wörter lassen sich entziffern:

AMMENBERG, GISELA, HENRICI und EBERHARD.

Und das steht in der Urkunde: Kaiser Konrad schenkt auf Wunsch seiner Gemahlin Gisela und seines Sohnes Heinrich dem Bischof Eberhard von Bamberg für seine treuen Dienste AMMENBERG im Nordgau. AMMENBERG, so hieß 1034 unser Amberg.

Wir erfahren noch mehr. Dieses Amberg war damals schon ein bedeutender Ort. Da fuhren von Amberg Schiffe auf der Vils nach Regensburg, Fischer holten ihre Beute aus den Gewässern und Jäger stellten dem Wild nach. Mehrere Mühlen gab es bereits. Kaufleute lebten dort, zogen mit ihren Waren zu Wasser und auf den Straßen zum Markt und entrichteten in Amberg ihren Zoll. Der Bischof von Bamberg aber bekam das Recht, in seinem neuen Besitztum Gesetze zu erlassen und seine Einkünfte zu mehren.

Die kaiserliche Villa Amberg wurde so bischöflich - bambergischer Besitz.

Das war für den Bischof von Bamberg sicher ein schönes, wertvolles Geschenk. Nun hatte er über Vils, Naab und Donau eine schnelle Verbindung zu den bambergischen Besitzungen in Österreich. Damit nun niemand diese Schenkung anzweifeln konnte, hat sie der Kanzler Burchard unterschrieben, man hat das kaiserliche Siegel aufgedrückt und Kaiser Konrad hat sein Namenszeichen dazusetzen lassen.

Wann und wo ist diese Urkunde ausgestellt worden? In der letzten Zeile steht:

REGENSBURG, 24. APRIL 1034

Seit dieser Zeit ist der Name Amberg schriftlich überliefert. Kannst du ausrechnen wie alt diese Urkunde ist?

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24. April 1034, Regensburg

Kaiser Konrad II. überlässt Bischof Eberhard I. von Bamberg verschiedene Herrschaftsrechte „in villa, quae dicitur Ammenberg“ (in dem Dorf, das Ammenberg genannt wird).
Sie betreffen Bann, Markt, Zoll, Fährgerechtsame, Mühlen, stehende und fließende Gewässer, das Fischerreirecht, das Jagdrecht sowie sonstige kaiserliche und herzogliche Rechte.

Es gibt nicht viele Städte, die ihre Vergangenheit so weit zurückverfolgen können wie Amberg. Nürnberg wird erstmals 1050, Eger 1061, München 1158 und Weiden 1241 schriftlich erwähnt. Andere Orte unserer Heimat sind sogar älter als Amberg. Nabburg ist für 929, Lauterhofen für 806 und Vilshofen gar schon für 777 schriftlich überliefert.

Die Bischöfe von Bamberg, die neuen Herren Ambergs, haben ihren neuen Besitz nach Kräften gefördert. Sie ließen um 1050 die Pfarrkirche St. Georg bauen. Sie erreichten 1165 beim Kaiser, dass die Amberger die gleichen Handelsrechte im Reich erhielten wie sie die Nürnberger besaßen. 1166 erließ der Bischof von Passau den Amberger Händlern alle Abgaben auf Fürsprache des Bambergers, wenn sie mit ihren Waren durchs Passauer Bistum nach Ungarn fuhren. – Zu bedenken ist, dass Villa damals nicht nur vornehmes Wohnhaus, oder Ortschaft mit mehreren Bauernhöfen sondern auch einen Verwaltungsbereich mit mehreren Dörfern, Einzelhöfen und Mühlen bedeutete.

Übrigens, wenn die Archivalien des Amberger Staatsarchivs eng aneinander gepresst längs der B 85 abgestellt würden, wie lange wäre diese "Papierschlange"? Nun, ihr Kopf wäre schon in Sulzbach, während ihr Schwanz im Staatsarchiv endete. Viele Akten über Amberg hat auch unser Stadtarchiv.


 

Ein königlicher Freund Ambergs

Ende Oktober 1347 wusste man es auch in Amberg: Kaiser Ludwig der Bayer ist tot. Während einer Bärenjagd vor den Toren Münchens war er plötzlich vom Pferd gesunken. Ein Bauer war ihm zu Hilfe geeilt, hatte den Sterbenden am Feldrain ins Gras gebettet, und in den Armen dieses einfachen Mannes ist der mächtigste Herrscher Deutschlands gestorben.

In Amberg war man erschüttert. Wo Bürger zusammenkamen, sprachen sie von ihrem König und Kaiser, der so viel für die Stadt getan hatte. Man erinnerte sich an seine Wohltaten: 1310 war es. Rings um Amberg gab es fast kein Holz mehr für den Bergbau und die Hammerwerke.

Auswärtige hatten viel Holz aufgekauft und weggeschafft. Arg waren die Wälder verwüstet. Da hat Herr Ludwig, damals war er noch Pfalzgraf, befohlen, dass innerhalb einer Meile rings um Amberg auch nicht das kleinste Bäumchen anderswohin verkauft werden darf. Von Wolfsbach über Bittenbrunn, Ursensollen, Ammerthal, Rosenberg, Hahnbach, Urspring, Pursruck, Ebermannsdorf und wieder zurück nach Wolfsbach sollte sich dieser Meilenkreis ziehen. Da gab’s bald wieder preiswertes Grubenholz und reichlich Holz für die Köhler.

1317 hat Kaiser Ludwig das Bürgerspital gegründet. Nicht nur die alte Johanniskirche und den großen Hof vor dem alten Nabburger Tor hat er für dieses fromme Werk gegeben, auch viele Bauernhöfe und Felder und Wälder hat er dazu geschenkt. 50 alte, arme Bürgersleut’ konnten schon damals im Spital sorgenfrei ihren Lebensabend verbringen, und es kostet sie keinen Pfennig. Gott vergelt's dem guten Kaiser.

Und wie war es mit unserer Stadt? Niemals hätten wir unser Amberg so vergrößern und so stark befestigen können, wenn unser Herr Ludwig nicht den Zoll vom Erzberg und in der Stadt für diesen Zweck uns überlassen hätte. Die Pfarrkirche St. Georg, die Georgenvorstadt, das Spital und die Häuser an der alten Magdeburger Straße sind jetzt (1347) schon weitgehend durch den tiefen Graben und einen Wall oder sogar schon von Tortürmen und Mauern geschützt und mit der Stadt vereint. Und mit großem Einsatz wird weiter an den Befestigungen gearbeitet. Dank des Erzzolls werden auch unsere Nachkommen das große Befestigungswerk weiterführen und vollenden.

Händler und Kaufleute denken daran, wie er ihnen den Zoll und alle Abgaben im ganzen Herzogtum Bayern auf allen Straßen und Flüssen erlassen hat. Auf viel Geld hat er verzichtet, unser König. Wie hat er unser uraltes Recht auf die Schifffahrt geschützt! Zu gern hätten 1311 die Regensburger die Erz- und Eisenfracht ab Schmidmühlen an sich gerissen. Herr Ludwig hat sie sauber abblitzen lassen.

Auch die hochweisen Herren des Rates denken zurück. Wisst ihr noch wie unser guter Herr Ludwig 1325 verfügt hat, dass kein Amberger Bürger wegen Besitz- und Erbschaftsstreitigkeiten vor ein anderes Gericht gerufen werden darf als vor das Schrannengericht bei der Eichenstauden oder auf dem Amberg? 1324 hat er unsere Stadtsteuer auf den niederen Betrag von 90 Pfund Pfennigen für alle Zeiten festgesetzt. Und 1318 hat er gar auf eine alt überlieferte Abgabe verzichtet. Ob Amberg je wieder einen so gütigen Herrn bekommt?

Schließlich wissen sogar die Kinder etwas Besonderes vom toten Kaiser zu rühmen. Jedes Jahr wird zu Lichtmess der Jahrestag für Herzog Ludwig, den Vater des Kaisers, gehalten. Nach dem Amt kommt immer das große Schenken. Priester, Lehrer und Schüler erhalten nach dem Willen des Stifters kleine Geldbeträge, den Aussätzigen gibt man Bier, und das ist das Allerschönste, jedes Amberger Kind kriegt 2 Eier.

So denken die Amberger an Allerseelen 1347 mit Liebe und Trauer an ihren Kaiser. Die Amberger Bürger waren ihm wirklich „lieb vor anderen“, wie er es in der Spitalurkunde von 1317 sogar aufschreiben hat lassen.

Die meisten Amberger haben den Kaiser mehr als einmal gesehen. Oft hat er die Stadt besucht, sehr gern hat er sich in der alten Veste, im Eichenforst aufgehalten. Mit jedermann war er freundlich, mit allen Sorgen durfte man zu ihm kommen und geholfen hat er, wenn es möglich war.

Unvergessen ist ihnen sein Besuch nach der siegreichen Schlacht bei Mühldorf am Inn 1321. Der Gegenkönig, Friedrich der Schöne von Österreich, war geschlagen und saß als Gefangener in der Burg Trausnitz. Umjubelt zog Ludwig ein, umjubelt ritt er weiter nach Kastl zu seinem Freund Abt Hermann und zu seinem Feldhauptmann, dem wackeren Seyfried Schweppermann. - Lange ist's her.

 

Nach bald 700 Jahren ist das Bürgerspital, diese großzügige Stiftung König Ludwigs, noch immer ein Segen für Amberg. 190 Bürger werden gegenwärtig dort versorgt. Am Ludwigstag, zu Lichtmess, gibt es leider keine Eier mehr für die Kinder, wie es der Kaiser angeordnet hat. Seit einigen Jahren aber spendet eine Amberger Brauerei am Lichtmesstag jedem Spitalinsassen ein Seidel Bier. Die Landschranne bei der Eichenstaude findet man heute in keinem Stadtplan mehr. Beim Drahthammer aber ist noch der hohe Erdhügel zu sehen, auf dem einst die Gerichtsherren tagten.

Ein Pfund Pfennig sind nicht 500 Gramm in Pfennigmünzen. Mit Pfund bezeichnete man einst eine Menge von 240 Stück. Nun kann man ausrechnen, wie viele Pfennige damals die Stadt Amberg an Steuern zahlen musste. Allerdings war 1347 ein Pfennig sehr viel wert. Für 90 Pfennig konnte man ein Schwein kaufen. Ein Handlanger verdiente an einem Tag 7 bis 10 Pfennige.

An den guten Kaiser erinnert ein Gedenkstein am Bürgerspital und eine Straße beim Bahnhof. - In Kastl feiern die Bürger bis heute das "Kastler Recht" zur Erinnerung an die Marktrechtsverleihung durch Kaiser Ludwig. Die Stürmerin, eine Riesenglocke, die Ludwig dem Kloster stiftete, begleitet seit mehr als 650 Jahren mit tiefem Gebrumm den Tagesablauf des Marktes. Droben in der Klosterkirche aber ruht, im Laufe der Jahrhunderte zur Mumie geworden die kleine Anna, ein Töchterlein des Kaisers.

Die Bilder zeigen den Kaiser nach einem Relief in Mainz, unser Bürgerspital um 1900 und die alte Veste in der alten Hofhaltung um 1590. An der Vils die "Engelsburg", oder Klösterl, dahinter "Eichenforst" oder "Alte Veste" und Frauenkirche.


 

Friedrich der Siegreiche – Der böse Fritz

Amberger Treue – Amberger Blut

18 Jahre war Pfalzgraf Ludwig IV., als er 1442 Kurfürst wurde. Sein Vater Kurfürst Ludwig III. war bereits 1436 gestorben, und die folgenden sechs Jahre hatte sein Onkel Pfalzgraf Otto von Moosbach als Vormund die Geschicke der Kurzpfalz bestimmt und sich auch der drei Söhne seines verstorbenen Bruders angenommen, besonders als deren Mutter 1438 ebenfalls starb.

Ein guter Vormund

Ludwig, Friedrich und Ruprecht fanden in der kinderreichen Familie des Vormunds einen guten Platz. Die beiden Älteren erhielten eine umfassende, vielseitige Ausbildung in allen ritterlichen Künsten und in vielen Wissenschaften. Sie sollten schließlich als Herrscher in den von ihrem Vater ihnen zugeteilten Pfalzgrafschaften die Regierung übernehmen. Für Ruprecht war eine Laufbahn im höheren Klerus vorgesehen.

Eine kurze aber erfolgreiche Regierung – Ludwig IV.

Ludwig IV. konnte ohne Schwierigkeiten in allen kurpfälzischen Landen die Regierung antreten. Noch 1442 erwarb er Vilseck pfandweise vom Bamberger Bischof. Nachdem sein Bruder Friedrich 1443 ebenfalls großjährig geworden war, hätte er nach dem Testament des Vaters einen stattlichen Teil der Kurpfalz als eigene Pfalzgrafschaft beanspruchen können. So sollte er im Nordgau Hahnbach, Vilseck, Pressath, Oberviechtach und Kastl erhalten. Doch die beiden Brüder wollten die Kurpfalz nicht weiterhin durch eine Teilung schmälern. Ludwig sollte sie noch 8 Jahre ungeteilt regieren und Friedrich für diese Zeit eine angemessene Lebensführung ermöglichen.

Der junge Kurfürst musste sich sogleich mit den Armagnaken auseinandersetzen. Diese französischen Söldnerhaufen, die sich nach dem Ende des englisch / französischen Krieges nicht aufgelöst hatten, suchten seit Jahren plündernd und raubend die deutschen Grenzgebiete heim. Der junge Kurfürst bemühte sich vergebens um eine friedliche Lösung. Er war noch keine 20 Jahre, als er Reichshauptmann wurde und die Freibeuter bis 1445 endgültig vertrieb. 1445 heiratete Ludwig die Tochter Margaret des Herzogs von Savojen, der in seinen älteren Jahren Kleriker geworden war und schließlich noch Papst wurde. 1448 wurde dem Kurfürstenpaar ein Sohn geboren und auf den Namen Philipp getauft. Bei einem Besuch in Amberg 1449 wünschte der junge Vater seine kurpfälzischen Untertanen im Nordgau sollten dem kleinen Kind als Kurfürsten huldigen und beschwören, niemand andern als Kurfürsten anzuerkennen. Dazu war man gerne bereit. Wenige Monate später, am 13. August 1449 starb Kurfürst Ludwig IV. plötzlich und unerwartet. Der kleine Philipp war Kurfürst. Sein Onkel Friedrich übernahm die Vormundschaft auf Wunsch des Verstorbenen bis zu dessen Volljährigkeit und die Regierung der Kurpfalz.

Vom Vormund zum Kurfürsten

Pfalzgraf Friedrich hatte keinerlei Schwierigkeiten mit seinen neuen Aufgaben. Die Bürger der Städte und Märkte, das Landvolk und die Adeligen und der Klerus leisteten ihm überall in der Kurpfalz bereitwillig als Vormund den Huldigungseid.

Schon im Oktober 1449 schrieb Friedrich seinen ersten Reichstag nach Bretten aus, um im Krieg zwischen Nürnberg und Markgraf Albrecht von Hohenzollern zu vermitteln. Am 11. Januar 1450 wurde dieser Fall wieder in Heidelberg behandelt und dort ging es zudem um Differenzen zwischen Ulrich von Württemberg und der Reichsstatt Esslingen. Für die Wertschätzung, die dem kurpfälzischen Vormund entgegengebracht wurde, spricht der starke Besuch, denn 35 Reichsfürsten, 3 Bischöfe und Vertreter mehrerer Reichstädte hatten sich eingefunden. Er wurde ebenso als Vormund anerkannt, wie einst Pfalzgraf Otto. Keiner seiner Nachbarn hegte feindselige Absichten gegen die Kurpfalz.

Als Friedrich am 3. August 1451 zu einem Fürstentag nach Speyer einlud, kamen sogar der Kurfürst von Mainz der Markgraf Albrecht von Hohenzollern, Herzog Ludwig von Landshut, weitere 12 Fürsten, 26 Grafen, 20 Freiherrn und 32 Ritter. Man konnte einen Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Lichtenbergern und Leinigern vermitteln und andere Meinungsverschiedenheiten aushandeln. – Dann sorgte Friedrich für eine allgemeine Überraschung. Er teilte den Adeligen und hochadeligen Herren mit, er beabsichtige durch die Arrogation (Anwünschung, Adoption) des minderjährigen Kurfürsten Philipp dessen Vater und auch Kurfürst zu werden. Zu seiner Überraschung fand dieses Vorhaben bei dieser Versammlung hoher und niedriger Fürstlichkeiten keine Zustimmung.

Doch Friedrich gab seinen ehrgeizigen Wunsch nicht auf und wandte sich an die Adeligen und hohen Räte der Kurpfalz, mit denen er seit Jahren ein gutes Einvernehmen pflegte. Von diesen Verhandlungen berichtet sein Schreiben vom 16. September 1451: „Frau Margareth von Savoy, Pfalzgräfin bey Ryne (Philipps Mutter) … und die trefflichsten rete und … gelieder des Fürstenthums der pfalzgrafschafft bey Ryne … hant uff ihre eyde geraten, dass dem hochgeborn fürsten philip und der … pfalzgrafschafft … es am nützlichsten sei wenn wir (Friedrich) unsern vetter zu unserm Sohn annehmen.“ Er versicherte, er werde nicht heiraten, solange Philipp oder einer von dessen Söhnen lebt. So sollte vermieden werden, dass es zwischen seinen und Philipps Nachkommen zu Irrungen und zu einer Teilung des Fürstentums kommt. Er stellt fest „dass bislang die kurpfalz mechtiglich in hohen wirden eren und macht kumen ist“ und er „von gantzen Hertzen geneyget (ist), dass das selbe fürstenthum by solchen wirden, eren und macht … also blieben möge. So begeren wir, den obgenannten unsern vetter hertzog Philips zu unsern sohne zu han.“ Und all dies geschehe Gott dem Allmächtigen zum Lob, dem heiligen römischen Reich und der Kurpfalz zur Stärkung und gemäß der Ordnung und Satzung unseres allergnädigsten Herren des römischen Königs Friedrichs III.

Ob Friedrichs Vorhaben wirklich ein Gotteslob war? Mit Sicherheit war es ein Wortbruch gegenüber seinem Bruder. Ganz sicher aber ist, dass der König und spätere Kaiser Friedrich III. diese Arrogation niemals anerkannt hat, da er sie nicht mit der Goldenen Bulle vereinbaren konnte. Versichert hat Friedrich ferner, dass der Kurpfalz all seine eigenen Erbstücke, dann alles was ihm sonst noch zusteht und was er als Kurfürst erwirbt und „erobert“ ganz und ungeteilt verbleiben soll.

Vom 13. Januar 1452 stammt die Urkunde zu dieser Arrogation. Einleitend wird betont, dass die Mutter Philipps, die Räte und herausragenden Glieder der Pfalzgrafschaft am Rhein Pfalzgraf Friedrich gebeten haben, die Kurwürde zu übernehmen und seinen Neffen zu adoptieren. Weil „ihm Nutzen und Wohlfahrt der Kurpfalz sehr am Herzen liegen“, willigte er ein, unter folgenden Bedingungen:

  1. Kurfürst Friedrich soll seinem Vetter wie einen rechten, natürlichen, ehelichen Sohn halten. Erst wenn er zu Jahren gekommen ist und geheiratet hat, soll er einige Schlösser, Städte und Dörfer, wie es Friedrich am passendsten dünkt, erhalten.
  2. Friedrich wird nicht heiraten bei Lebzeiten Philipps und dessen männlichen Nachkommen. – Wegen dieser Bereitschaft Friedrichs zum Zölibat, um „all seine Lieb, Milde und väterlichen Neigungen dem Sohn seines Bruders zuwenden und auch um die Pfalz vergrößern und mehren zu können“, preist sein Hofkaplan und Chronist Matthias von Kemnath diese Entscheidung als eine „wunderliche Schickung der ewigen Vorsehung Gottes“ und „das allergrößte gute Werk überhaupt“ in vielen wohlklingenden Zeilen.
  3. Friedrich verspricht wie schon erwähnt, all seine gegenwärtigen Güter und künftigen Erwerbungen der Kurpfalz zu überlassen.
  4. Friedrich versichert, von den Landen, die jedem Kurfürsten vorbehalten sind, nichts zu veräußern und zu versetzen, und in seinem Testament nur über 6000 fl verfügen zu wollen.
  5. Festgehalten wird, dass alle kurpfälzischen Dienstleute nur von Friedrich Lehen nehmen dürfen und ihm Huldigung und Eid leisten müssen. Dies gilt auch für die Verwaltung in jenen Landen, die er Philipp einst bei seiner Hochzeit überlassen wird.
  6. Fremde Lehen, die zur Pfalzgrafschaft gehören darf nur Friedrich empfangen und zwar bis zu seinem Tod.
  7. Allen Ständen des Landes, den Geistlichen, Grafen, Rittern, Herren und Knechten der Kurpfalz sichert er alle ihre Rechte zu. Ebenso erhalten die Universität Heidelberg, die Städte und Märkte und die Juden ihre gesiegelten Briefe und alten Rechte.
  8. Dagegen soll Friedrich seinen und seines Neffen Erbteil mit allen Herrlichkeiten, Rechten und Zugehörungen inne haben … als ein rechter Herr des Landes auf Lebenszeit.
  9. Gleichzeitig erklärte Friedrich alle Eide, die Bauern, Bürger, Räte und Lehensleute der Kurpfalz, seinem Vetter Philipp, dem Kurfürsten und ihm als dessen Vormund geschworen haben, für nichtig. Alle haben nunmehr ihre Huldigung ihm als „ihren rechten natürlichen Herren zu leisten“.

Amberg und die Arrogation

Als man in Amberg von der Arrogation erfuhr und aufgefordert wurde, Friedrich als Kurfürsten zu huldigen, befand man sich in einem schweren Gewissenskonflikt. Man hatte Kurfürst Ludwig IV. eidlich versprochen nur Philipp als Kurfürsten anzuerkennen. Friedrich hatten sie selbstverständlich nur als Vormund gehuldigt. Nun verlange er von ihnen einen Eidbruch.

Sie hatten bislang alle ihre Pflichten gegenüber Heidelberg und dem Vormund gewissenhaft erfüllt und würden dies auch fernerhin tun. Doch hat man mehrmals untertänigst gebeten ihnen die Vereidigung auf Kurfürst Friedrich zu erlassen. Es ging für sie um einen Eid mit Gott als Zeugen. Jeder Untertan, der seinem Fürsten geschworen hatte, musste bereit sein, die Rechte seines Herren in den Stadt- oder Landfahnen bis zum Tode zu verteidigen. Jeder Landesherr bestrafte Meineid schwer. Dann aber war Meineid auch schwere Sünde und es ging um die ewige Seeligkeit. Konnte Friedrich wirklich von einem Eid lösen, den man einem anderen geleistet hatte? Man nahm diese Angelegenheit sehr ernst und wandte sich an Rechtsgelehrte und diese erklärten „dass diese Anwünschung nicht statthaben möge (dürfe), dieweil der angenommene Sohn reicher und mächtiger ist als der anwünschende Vater.“

Bürgermeister und Rat erklärten sich schließlich bereit zu huldigen, wenn der Papst, der Kaiser oder das Kurfürstenkollegium ihnen versichern würden, dass diese Huldigung Friedrichs nicht gegen ihre Philipp beschworenen Verpflichtungen verstoße. Friedrich lehnte dieses Verfahren ab, obwohl Papst Nikolaus V. bereits Ende 1451 die Arrogation gebilligt hatte und Friedrichs Standpunkt vertrat. Der Kurfürst fand es wahrscheinlich unter seiner Würde, wegen einiger Bürger eine Entscheidung anderer einzuholen und sich dieser unterwerfen zu müssen.

1452 – Zögerliche Anerkennung Friedrichs

In der Rheinpfalz hatte es in der Huldigungsfrage keinen Widerspruch gegeben, doch sonst hatte nur der Kurfürst von Trier 1452 dieser Rangerhöhung Friedrichs zugestimmt.

Erst 1452, neun Monate nachdem er sich zum Kurfürsten gemacht hatte, führte Friedrich seinen ersten Krieg. Er zog gegen die Grafen von Lützelstein, eroberte Stadt und Schloss und besetzte ihre Lande. – Der erste Feldzug, die erste größere Mehrung der Kurpfalz.

In Amberg hatte man im Lauf des Jahres genug Zeit, die Situation zu überdenken. Schließlich hatten im westlichen Bereich der Kurpfalz alle Untertanen in Stadt und Land, aber auch die Adeligen vom Edelmann bis zum Grafen und selbst die geistlichen Würdenträger Friedrich als Kurfürsten gehuldigt. Man war weiterhin gegen Friedrichs Vorgehen, das den Regierungsantritt ihres kleinen Kurfürsten Philipp weit über die Jahre seiner Mündigkeit hinaus verzögern musste. Viele waren jedoch der Meinung man müsse den Verhältnissen Rechnung tragen und tun, was die Verhältnisse zuließen bzw. erzwangen. Das war zumindest die Meinung vieler Räte und Bürger. Die meisten Inwohner und Bürger aber wollten die Arrogation verweigern, und in diesem Punkt herrschte innerhalb der Einwohnerschaft steigende Zwietracht.

Friedrich hatte in Amberg nicht nur seine kurpfälzischen Dienstleute und Räte, sondern auch Zwischenträger, die ihm genau berichteten was in Amberg vorging. Er wollte endlich versuchen die Amberger zur Zustimmung der Arrogation zu bringen. Nach einjährigen Verhandlungen musste etwas geschehen, denn es war zu befürchten, dass man seine kurfürstliche Würde allgemein nicht ernst nähme, wenn diese selbst in seinem Herrschaftsbereich nicht ernst genommen würde.

Erfolgloses Verhandeln 1453

Friedrich schickte im Februar 1453 den Domherrn und Doktor der Theologie Ernst Landschad, seinen einstigen Lehrer, dann Hans Landschad von Steinach, beide kurpfälzische Räte mit kleinem Gefolge nach Amberg. Am 25. Februar predigte der Domherr im neuen Chorteil der Martinskirche über das Gewissen und betonte, dass die Amberger ohne alle Bedenken Friedrich als Kurfürsten huldigen können. Nicht wenige Zuhörer wünschten, seine Worte würden viele überzeugen, damit der Zwiespalt in der Stadt und mit Heidelberg ein Ende habe.

Am 26. Februar wurde der Rat und die Gemein (Bürger und Inwohner) in den großen Saal des Schlosses geladen. Diesmal sprach Dr. Landschad als Jurist und Diplomat. Er versuchte darzulegen, dass der kleine Philipp durch die Arrogation keine Nachteile haben werde, wie die Vertragspunkte zeigen. Doch die kannte man in Amberg auch, und es kam zu erregten Debatten, besonders als ein Amberger Mechanikus (Geschütz- und Glockengießer) die Argumente des Herrn Doktor gründlich zerpflückte und mit Rechtsgutachten widerlegte. Selbst an der Heidelberger Universität zeigte man sich von diesem gelehrten Disput eines Handwerkers mit Doktor Landschad sehr beeindruckt und noch nach Jahren sprach man davon. Gerade diese Diskussion beweist, dass man sich selbst in den Amberger Bürgerkreisen recht gründlich mit Friedrichs Rangerhöhung beschäftigt hatte.

Bei der anschließenden Abstimmung lehnte die Mehrzahl der Anwesenden die Arrogation ab. Man war stolz über diesen Sieg im Wortgefecht mit dem Domherrn und war zuversichtlich, Friedrich würde bei weiteren Verhandlungen nachgeben. Die Heidelberger reisten nach wenigen Tagen zu den kurpfälzischen Ämtern im Nordgau (Hirschau, Vilseck, Nabburg, Oberviechtach, Schnaittenbach, Kemnath, Waldeck, Rieden). Doch die Nachricht von der Entscheidung der Amberger war bereits überall bekannt und überall lehnte man die Arrogation ab. Am 20. März kamen die beiden Landschads nach Amberg zurück, bezogen wieder ihre Quartiere und man vermutete sie würden länger bleiben. In Amberg hoffte man auf eine Fortsetzung der Verhandlungen.

Schmerzhafter Freitag 1453

In der Passionswoche waren die Heidelberger nach Amberg zurückgekehrt. Wie überall in der Christenheit bestimmte die nahe Karwoche den Tageslauf. Der Freitag dieser Woche hieß allgemein der schmerzhafte und war ein Tag, an dem des Mitleidens der Gottesmutter in der Leidenszeit ihres Sohnes gedacht wurde. Ein stiller, ernster Tag also. Man besuchte die Messfeier und besondere Andachten und begab sich auch zum stillen Gebet in die Kirchen.

Plötzlich, zwischen 11 und 12 Uhr schreckten hektische Hornsignale vom Martinsturm die Bürger auf. Eilig hasteten sie aus Kirchen und Wohnstuben, spähten zum Turm hinauf, sahen wie der Türmer die weiße Kriegsfahne schwenkte und sie gegen Norden festmachte. Sogleich richtete sich jeder nach der für Kriegsfälle vorgeschriebenen Ordnung. Die Zugbrücken rasselten nach oben, die Torflügel wurden verschlossen, bewaffnete Bürger eilten zu ihren Sammelplätzen und zum Marktplatz kamen jene, die vom Feind verursachte Brände zu löschen hatten. Frauen Kinder und Greise schafften Löschwasser auf die Dachböden ihrer Häuser.

Aber wer war es, der unter Missachten der üblichen Waffenruhe zu heiligen Zeiten gen Amberg rückte? An den Hohenzoller Albrecht dachte man, der war keine Freund der Kurpfalz. Ganz verwunderlich war, dass die große Glocke nicht geläutet wurde. Sie sollte nicht nur die Bürger zu den Waffen rufen, sie musste den Feinden auch künden, dass man sie erwartet und besonders hoffte man, sie würden die Hilfe der Stadtheiligen herbeirufen. Und dann verbreitete sich überall die schlimme Feststellung des Türmers, dass der Klöppel der Glocke entwendet worden war. Die Angreifer mussten Helfer in der Stadt haben.

Ein Angriff ohne Fehdeansage! So handelte doch kein Ritter und erst recht kein Domherr. Dann erschienen die ersten Reiter und über ihnen wehte die Fahne der Kurpfalz. Zorn und Wut über diesen feigen Anschlag überwogen rasch alle Befürchtungen und Ängste der Bürger. Man war mit den Heidelbergern doch im Gottesdienst in der Kirche gewesen, war ihnen ruhig und zuvorkommend begegnet. Mancher war mit ihnen im gleichen Gasthaus gesessen und diese Herren hatten diesen heimtückischen Überfall vorbereitet. Es war nicht zu fassen. Was wäre geschehen, wenn es zum Kampf gekommen wäre.

Inzwischen hatten sich die Angreifer vor der Stadtmauer gesammelt. Die Anführer waren unschlüssig, was angesichts der abwehrbereiten Stadt zu unternehmen war. Die Wehrgänge waren besetzt und die Lunten der Wallbüchsen qualmen. Damit hatte man nicht gerechnet. Mit der Abteilung schwer bewaffneter Reiter und dem Aufgebot der Untertanen der Churpfalz war ein Sturmangriff über Wassergraben, Zwingermauer gegen wohl gerüstete und mit Feuerwaffen versehene Bürger auf der hohen Stadtmauer unmöglich. Dafür fehlt es sogar an Leitern. - Von Verhandlungen zwischen Ambergern und den Angreifern ist nichts überliefert.

Das für den Überfall zusammengeholte Aufgebot von Bauern und Bürgern aus dem kurpfälzischen Landen nördlich Ambergs und die Reiterei rückten ab und verschwanden hinterm Galgenberg. Der Türmer rollte die weiße Kriegsfahne ein und die Krieger auf den Mauern wurden wieder Bürger und waren froh über diesen Ausgang. Doch nun musste man sich um die Heidelberger Gäste kümmern. Man traf die Landschads wohl gerüstet in ihren Quartieren, bereit sich an die Spitze der in die Stadt eingedrungenen Krieger zu setzen. Es kam zu wüsten Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten, und „wenn nicht einer der Räte dazwischen gekommen wäre, hätte man sie alle zu Tode gebracht“, berichtet der Chronist Panholz, ein Zeitgenosse.

Mit Ketten gefesselt brachte man die Heidelberger, Herren und Knechte samt dem kurpfälzischen Landschreiber, Landrichter und den Unterrichter Peter Nortweiner ins „Loch“, dem sicheren Gefängnis unterm mittleren Rathaussaal, das sonst nur für Verbrecher und geringe Leute bestimmt war. Gern hätte man auch den Ratsherrn Gregor Alhard eingelocht, doch der hatte sich seiner Festnahme entzogen, wie Münster in seiner „Cosomografie“ 1550 berichtet. Er war ein streitsüchtiger und wenig beliebter Rat, der sich mit den Heidelbergern gut verstand. Da Alhard fürchtete, festgenommen zu werden, musste er unerkannt aus der Stadt kommen. Aber wie? Nun war ihm eine Kuh verendet, die schnitt er auf, weidete sie aus und ließ sich in die Kuhhaut einnähen. Kein Torwärter hat sich um die verendete Kuh gekümmert, die sogleich aus der Stadt geschafft werden musste.

Interdikt in Amberg

Dieser Freitag brachte für die Bürger noch eine weitere, bedrückende Situation. Im Lochgefängnis saß auch der Domherr Dr. Landschad. Für den wäre aber nur ein geistliches Gericht zuständig gewesen. Der Amberger Pfarrherr Heinrich von Rabenstein wollte die Kirchenrechte gewahrt sehen und verhängte über die Stadt das Interdikt. Ab sofort entfielen Andachten, Messen und Predigten, die Kirchenglocken verstummten und keine Sakramente wurden mehr gespendet. Zu Taufen, Sterbefällen, Beerdigungen und Hochzeiten würde kein Priester kommen.

Da man am 24. März das Fest Mariä Verkündigung feiern wollte, das man wegen der nahen Kar- und Osterzeit vorverlegt hatte, war am 23. März abends Komplet und Salve Regina vorgesehen. Nichts wurde gefeiert. Der Stadtrat reagierte schnell und noch am Freitag eilten berittene Boten nach Regensburg, um die Aufhebung des Interdikts beim  Bischof zu erreichen. Am Fest Mariä Verkündigung schwiegen dann wirklich die Glocken und die Kirchen blieben geschlossen. Der Palmsonntag kam, und weite Strecken gingen die Gläubigen mit ihren Palmbuschen in die Nachbardiözese Eichstätt, also nach Ursensollen oder Götzendorf zur Palmenweihe. Man stand plötzlich außerhalb der Christenheit.

Endlich am frühen Nachmittag des Palmsonntags kam der Regensburger Weihbischof mit der bischöflichen Vollmacht zur Beendigung des Interdikts. Es bedurfte keiner langen Verhandlungen, und Glockengeläute verkündete das Ende der kirchen- und priesterlosen Zeit, ja man konnte sogar noch die feierliche Palmsonntagsvesper in St. Martin begehen. Die Predigt des Weihbischofs trug übrigens viel dazu bei, in Ruhe und Frieden den Tag zu beenden. Dr. Landschad wurde noch am Palmsonntag aus dem Lochgefängnis geholt.

Am 26. März endete die Haft für die übrigen Gefangenen. Der Rat der Stadt verlangte von den drei adeligen Herren Hans Landschad, Landrichter Konrad von Eglofstein und Landschreiber Georg von Riecken „Urfehde“. Sie mussten schwören, sich an den Ambergern, die sie „in Sicherung genommen, nicht zu rächen“. Die Heidelberger dürften Amberg rasch verlassen haben. Die kurpfälzischen Herren des Amberger Regiments blieben und übernahmen wieder ihre Aufgaben.

In der Stadt muss es nach diesem vereitelten Überfall zu Änderungen beim Stadtregiment gekommen sein. Die „Gemein“ gewann größeren Einfluss und schloss Verträge mit dem Rat und beide Seiten beschworen sie. Von den Abmachungen ist leider nichts in Amberg erhalten geblieben. Nunmehr saßen neben den Herren aus alten Ratsgeschlechtern auch bürgerliche Handwerker im Inneren Rat, dem Entscheidungsträger der Stadt. Was bereits 1352 am Widerstand des Rates und der Landesherrschaft gescheitert war, hatten die Bürger in dieser Notsituation des Widerstands gegen das ungerechtfertigte Vorgehen der Heidelberger Gesandtschaft erreichen können. „Gemein“, und Bürger waren nunmehr bei  den Entscheidungen des inneren Rats mitbeteiligt.

Dem Kurfürsten in Heidelberg hat der Rat sicher eine Stellungnahme zum Ergebnis der Diskussion mit dem Domherrn von Landschad, dann zum Überfall am 23. März und zur Arrogation übersandt. Friedrich muss „mit Vertröstungen“ geantwortet haben, wie man ihm noch 1460 vorgeworfen hat.

Die Pflichten gegenüber dem Vormund und der Kurpfalz hat man in Amberg nach wie vor erfüllt. In Amberg selbst beschäftigte man sich in diesem Jahr noch mit dem Bau des Franziskanerklosters. Friedrich unterstützte die Stadt dabei. Von dem Anschlag wollte er sicher wenig wissen. Er verkehrte also mit „seinen Lieben, Ehrsamen und Getreuen zu Amberg“ in alter herkömmlicher Weise und unterstützte brieflich die Bemühungen der Stadt für das Franziskanerkloster, das der Amberger Bürger Hans Bachmann gestiftet hatte.

In der Stadt kam niemand auf den Gedanken, dass jemand, der mit seinen „Lieben, Ehrbaren und Getreuen“ gemeinsam ein fromme Stiftung fördern will, einigen dieser „Lieben usw.“ am liebsten den Kopf vor die Füße legen wollte.

Friedrich wollte und konnte den Fehlschlag im Februar / März 1453 nicht hinnehmen. Von Ehrgeiz getrieben hatte er sich zum Kurfürsten gemacht und dabei schwere Verpflichtungen übernommen. Doch bis Ende 1453 hatte nach dem Kurfürsten niemand mehr seine Würde anerkannt. Seine Absichten verrät sein Auftrag an seine geheimen Vertrauensleute in Amberg. Sie mussten eifrig in Wirtshäusern, Schenken und auf dem Markt herumhorchen und jene notieren, die Schlechtes über ihn redeten. Er verlangte die Aufzeichnungen und sammelte Belastungsmaterial. Die Amberger wussten davon nichts.

Das Jahr 1453, das den Ambergern so viele Aufregungen gebracht hatte, ging für sie ruhig zu Ende. Der Winter, der keine Jahreszeit zum Kriegführen war, zog ins Land und man hoffte weiter auf eine friedliche Zeit im Jahr 1454 und eine Einigung mit Heidelberg.

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Winterfeldzug gegen Amberg

Anders Friedrich! Er wusste, dass man in Amberg an gar keine Gefahr dachte und viele des alten Rats unzufrieden mit der Entwicklung waren. Von Parteiungen und Meinungsverschiedenheiten hatte er erfahren. Ende Januar beschloss er zu handeln.

Die Amberger waren etwas überrascht, als Ende Januar ihnen gemeldet wurde, dass sich bei Kastl gegen 400 kurpfälzische Reiter aufhielten. Von dieser geringen Streitmacht erwarteten sie keine Gefährdung. Umso größer war der Schrecken aller, als sich diese Streitmacht in kurzer Zeit auf über 1000 Reiter und 2000 Mann Fußvolk erhöhte, damals eine stattliche Streitmacht. Das Fußvolk bestand in der Hauptsache aus Aufgeboten kurpfälzischer Ämter im Nordgau. Die Reiterei waren meist Söldner. Von Artillerie berichtet kein Chronist etwas. Friedrich war demnach überzeugt, dass eine überraschende Machtdemonstration genügen wird, um diejenigen, die ihm nicht gehorchen wollten, einzuschüchtern. Er wusste durch seinen Geheimdienst wie schlecht es um die Verteidigungsbereitschaft der Stadt stand, und dass in der Bürgerschaft viele bereit waren ihm zu huldigen. Hinhaltende Täuschung und plötzlicher überraschender Aufmarsch waren ihm gelungen. Friedrichs Chronisten berichten stolz, dass man die Amberger mit der Nachricht von nur 400 Reitern bei Kastl bewusst getäuscht hatte. Als man in Amberg erfuhr, dass am 2. Februar der Kurfürst selbst in Kastl eingetroffen war, und über 3000 Bewaffnete sich dort versammelt hatten, dachte niemand mehr an Widerstand. Bürger, die sich sehr gegen Friedrich gestellt hatten verließen eiligst die Stadt. Sogar noch nachts, als die Tore geschlossen waren, „fielen noch viele über die Stadtmauer aus“. Der Rat der Stadt beschloss, Friedrich entgegen zu ziehen und sich seiner Gnade zu unterwerfen.

Am 3. Februar brach Friedrich noch vor Tagesanbruch in Kastl auf. Graf Emich von Leiningen führte die Vorhut. Er fand das Wingershofertor unverteidigt und besetzte es. Er brachte sogleich die anderen Tore unter Kontrolle und beorderte vor jedes einige Adelige und 40 Schützen bzw. Bauern. Als man in der Stadt mit dem Anzug des Kurfürsten rechnete, stellten sich die Geistlichkeit mit einer wertvollen Reliquie, die Stadträte mit den Stadtschlüsseln und die ganze „Gemein“ auf, um ihm entgegenzugehen. Doch dazu kam es nicht. Als der hohe Herr von diesem geplanten Empfang erfuhr, zog er durch ein anderes Tor in die Stadt ein. Von einem Empfang durch die „Lieben, Ehrsamen und Getreuen“ wollte er nichts mehr wissen. Er war jetzt Sieger und Herr. Er ließ die Torschlüssel zu sich ins Schloss bringen und sofort alle Tore sperren und bewachen. Anschließend mussten die Bürger ihre Waffen abliefern. Die Landfahnen wird er nun entlassen haben. Seine Reiter und Söldner kamen in städtische Quartiere. Friedrich hatte sein Ziel erreicht und zwar: „Listig wie ein Fuchs, rasch und wild wie ein Wolf und machtvoll und stark wie ein Löwe.“ So schreibt uns Josef Kraft, ein Zeitgenosse des Ereignisses in Regensburg.

Noch am Nachmittag mussten ihm alle Einwohner auf dem Marktplatz huldigen. Doch vorher versicherte der Kurfürst Bürgermeister und Rat, dass Amberg stets beim Kurpräzipium bleiben und auch nie verpfändet werde.

Strafjustiz am 5. Februar 1454

Friedrich_der_boese_FritzAn sich hätte Friedrich sich als versöhnlicher, großzügiger Sieger zeigen können. Doch Unterwerfung und Huldigung genügten ihm nicht. „Wutentbrannt war er gegen Amberg gezogen“, schreibt Veit Arnpeck, der 1454 in Amberg studierte und diese Tage miterlebte und später beschrieb. Die Zuträger hatten dem Kurfürsten reichlich Material geliefert. Allerdings waren viele der Angezeigten aus der Stadt geflohen, dennoch fanden die Häscher noch 60 Bürger, gegen die am 4. Februar verhandelt werden konnte. Die Anklage fußte ausschließlich auf den geheimen Mitteilungen der Spitzel Friedrichs. Bei der Vielzahl der Beschuldigten konnte von langen Verhandlungen nicht die Rede sein. Verteidiger standen den Angeklagten nicht zur Verfügung.

Am 5. Februar wurden die Urteile über die „Verbrecher“ in aller Öffentlichkeit auf dem Marktplatz in Anwesenheit Friedrichs verkündet und vollzogen. Veit Arnpeck schreibt, dass 48 auf Bitten und Flehen ihrer Angehörigen zu hohen Geldstrafen „begnadigt“ wurden, acht Bürger wurden des Landes verwiesen, und vier ließ Friedrich enthaupten. (Andere Chronisten melden drei bis fünf Hingerichtete.) Den Besitz der Enthaupteten und Aus­gewiesenen beschlagnahmte der Kurfürst, und ebenso verfuhr er mit Hab und Gut der vielen Flüchtigen.

In den folgenden Tagen mussten auch die anderen Städte, Märkte und Ämter der Kurpfalz Friedrich als Kurfürsten huldigen, doch scheint ihn bei dieser Aufgabe der Statthalter Emich von Leiningen vertreten zu haben. Am 7. Februar geschah dies in Nabburg und am 12. in Waldeck. Überall wurden Strafgelder kassiert, während in Amberg manche der zu Geldstrafen Verurteilten im Gefängnis festgehalten wurden. Friedrich verstand es jedenfalls in der Stadt und den kurpfälzischen Ländern reichlich Bußgelder zu kassieren.

Einschränkung städtischer Rechte

Friedrich erließ sogleich neue Vorschriften, die seine Herrschaft in Amberg stärkten und die Freiheiten der Stadt schmälerten. So musste nunmehr jeder, der sich in Amberg niederließ um Bürger zu werden, außer der Stadt auch „der Landesherrschaft schwören und geloben“.

Schloss wird Zwingburg

Schloss_Amberg

Gebaut unter Friedrich I.

A – Tor zur Stadt ê

B – Tor ins Freie

C – Hoher Turm (Fuchssteiner)

E - Lange Mauer ê

F – Turmzwinger ê

H – Wehrmauertürme ê

J – vorgeschobener Turm

K – Bogen über Auslauf des Schlossgrabens

L – Ehemals Vilsgrund

M – Wohnturmbau (Ruine) ê

ê = abgebrochen

Vor 1455 vorhanden

1 - Altes Wingershofer Tor (unterer Fuchssteiner)

2 - Stadtmauer über die Vils

3 - Zinnenturm

4 - Alte Bastion ê

5 - Turm (Gegenstück zu 3)

6 - Rundturm (Gegenstück zu 5)

7 – Auslauf des äußeren Schlossgrabens

8 - Quellen

9 - Auslauf des inneren Stadtgrabens

Kurfürst Friedrich war entschlossen eine künftige Auflehnung der Bürger unmöglich zu machen. Das 1417 gebaute Schloss, das nur von einer Gartenmauer umgeben war, musste eine wehrhafte Zwingburg werden. Die Stadt hatte das alte Wingerhofertor, die anschließende Stadtmauer und zwei Türme rechts der Vils, dann die Fortsetzung der Stadtmauer auf drei Bogen über die Vils, den Zinnenturm am linken Vilsufer und das Bollwerk vor diesem Turm abzutreten. Außerdem „durfte“ die Stadt ihm 3000 Gulden in drei Jahresraten „verehren“.  Später wurde die dritte Rate erlassen.

Der Kurfürst ließ an Stelle der Stadtmauer im Süden einen wehrhaften Schloss- und Torbau (Landratsamt) schaffen, von dem aus eine Zugbrücke über den Schlossgraben ins Freie führte. Die Herrschaft war nunmehr künftig nicht mehr auf die städtischen Tore angewiesen. Das Stadtgrabenstück im Süden wurde verbreitert und vertieft und mit Mauern eingefasst. Zur Vils hin schloss ebenfalls eine Mauer den Graben ab. Dahinter sammelte sich im Graben all das Wasser aus einem größeren Einzugsgebiet zu einem kleinen Weiher. An der Vils befand sich ein Wehr mit dem der Wasserstand zu regulieren war. Auf der inneren Grabenmauer errichtete man eine feste Mauer mit Schießscharten in zwei Stockwerken. Im Norden errichtete man westlich des „alten Schlosses“ einen festen Torbau mit Waffenhof und einen hohen Turm, heute Fuchssteiner genannt. Der alte schon vorhandene Graben nördlich vor dem alten Schloss, durch den das Wasser einiger Quellen zur Vils floss, wurde breiter und tiefer ausgegraben und vom Fuchssteiner ab weiter gen Süden bis zum alten Wingershofertor vergrößert. Auch der innere Schlossgraben wurde mit Mauern begrenzt. Riesige Erdmassen mussten hier ausgehoben werden. Mit ihnen füllte man die Vils so auf, dass sie nur mehr durch zwei Bogen floss. Für die Vilsschifffahrt allerdings unbeabsichtigt eine wesentliche Verbesserung. Die schon erwähnten Quellen füllten den neuen inneren Schlossgraben. Der Auslauf zur Vils blieb unverändert. Zwischen Fuchssteiner, Nordwestecke des neuen Schlossgebäudes und altem Wingershofertor erstreckte sich die lange Mauer, die ebenso wie alle anderen Wehrmauern mit Türmen verstärkt war. Von der damals entstanden Stadtbrille verlief bis zum Auslauf des äußeren Stadtgrabens ebenfalls eine Wehrmauer mit Schießscharten in zwei Stockwerken, die dem Vilslauf flankierten.  Der dritte Bogen der Stadtbrille wurde beiderseits geschlossen und der dadurch gewonnene Raum von der Hofküche benutzt.

Aus dem Schlossareal war eine große, kaum angreifbare Wasserburg geworden, deren stärksten Befestigungswerke stadtwärts lagen. Vom damals wesentlich höheren Turm beim Tor zur Stadt war ein Gutteil Ambergs zu kontrollieren. Wasser, Türme und Mauern trennten die kurpfälzischen Herren künftig von ihren „Lieben, Ehrsamen, Getreuen“, die fürderhin weniger eigene Befugnisse und Rechte, dafür aber mehr Abgaben hatten und ansonst um einiges ärmer geworden waren.

Behandlung „etlicher Abtrünniger“

Zu jenen, welche die Arrogation abgelehnt hatten, gehörte auch Jörg Kastner dessen Geschlecht immerhin turnierfähig war. Ihm gehörten die Hammerwerke Moos und Laubhof, er trieb Eisenhandel und war im Bergbau tätig. Er war lange Zeit im inneren Rat und einige Jahre Bürgermeister gewesen. Im Februar 1453 konnte er rechtzeitig fliehen, und Kurfürst Friedrich beschlagnahmte sogleich seinen gesamten Besitz, neben den Hammerwerken, verschiedene Häuser in Amberg, große Grundstücke um Amberg und Hab und Gut von einigem Wert. Doch aus Rücksicht auf einflussreiche Verwandte und Freunde Kastners musste Friedrich mit dem „Abtrünnigen“ verhandeln und ihm seinen Besitz 1455 zurückgeben. Am 14. April 1455 versicherte der Hammerherr schriftlich, künftig ein getreuer und gehorsamer Diener des Landesherrn zu sein und sich ohne dessen Genehmigung nicht in Amberg oder Sulzbach niederzulassen. Kurfürst Friedrich versprach, ihn als einen in seinen Landen Ansässigen bei seinen Geschäften zu schützen.

Kastner musste allerdings auf jede Entschädigung für Einbußen an Besitz und Einkünften während der Nutzung durch den Kurfürsten verzichten. Auch sein Schwiegersohn Jörg Baumgartner in Nürnberg verzichtete auf Ersatzleistungen für solche Verluste. Was der Kurfürst an beweglichen Besitz und an Grundstücken verschenkt, für sich genommen und veräußert hat, ist leider nicht bekannt.

Sehr hoch und dem Reichtum Kastners entsprechend war mit 1000 Gulden sein Strafgeld. Verständlicherweise hatte der „Begnadigte“ diese Summe nicht bar. Sein oben genannter Schwiegersohn konnte ihm diesen Betrag als Darlehen für ein Jahr geben. Als Pfand verschrieb ihm Kastner sein Haus mit Hofraum am Marktplatz, die große Paint (Gründe nahe der Stadt) vorm Nabburgertor und die Wiese jenseits der Vils beim Kloster. Kastner konnte schon nach einem Jahr das Darlehen ablösen und durfte sich in Amberg 1457 wieder als Bürger niederlassen. Bürgermeister und Rat verzichteten auf seine Bitte auf die Steuern von 1455 – 1457 angesichts „seiner verderblichen Schäden so ihm angestanden“. Von 1455 – 1459 war er wieder einer der vier Bürgermeister, musste aber dann dies Amt aufgeben und starb 1467.

Erhard Frank, der Kastner von Vilseck, ein Mann in den 70iger Jahren und seine Familie wurden von Friedrich besonders hart behandelt. Er dürfte sich 1453 geweigert haben, am 23. Februar das Aufgebot der Vilsecker nach Hahnbach und weiter gen Amberg zu führen. Friedrich I. scheint ihn als Hauptschuldigen am Misslingen jenes fragwürdigen Überfalls auf die Stadt betrachtet haben. Spätestens am 6. Februar 1454, als Vilseck dem Statthalter den Huldigungseid auf Friedrich leistete, wurde Frank verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Es sollte es nicht mehr lebend verlassen. „Frank ist wegen seiner Verbrechen ins Gefängnis gekommen und dort im September 1454 gestorben“, schreibt der Heidelberger Chronist Mathias von Kemnath. Friedrich ließ daraufhin sogleich einen Revers ausstellen, dass Agnes, die Witwe Erhard Franks „auf alles Hab und Gut ihres Ehemanns verzichtet und solches Kurfürst Friedrich übergeben hat“. – Eine sehr vornehme Umschreibung für Enteignung.

Nach dem Tod der Witwe um 1458 bemühte sich die Tochter Barbara mit ihrem Ehemann Heinrich Bestler um die Rückgabe des väterlichen Erbes. Auf ihr und ihrer Freunde „fleißiges Bitten“ hat sich der Kurfürst 1459 „so gnädig erwiesen und ihr und ihrem Schwiegersohn Hans Schlammersdorfer“ sämtlichen 1454 beschlagnahmten Besitz ihres Vaters „wieder gegeben“. Barbara Bestler und Hans von Schlammersdorf aber, „begaben sich (entsagten) der anderen Güter und Habe …, es sei Bargeld, Hausrat oder andere liegende und fahrende Habe ihres Vaters, … so zu des gnädigen Herren Handen gekommen, aber durch sein Gnaden einbehalten oder jemand anderem gegeben wurde“. Sie verzichteten ausdrücklich „auf Schönlind, Irlbach und den Wald, das Ole (Ölhof) genannt, mit allem Zubehör“, und haben ferner auf den Ersatz „der Schäden, die ihre Güter gelitten haben“ am Montag nach Oculi 1459 verzichtet.

Friedrich hatte also 5 Jahre recht großzügig Franks Nachlass verwaltet. 1457 hat er z. B. Conz Schrott den Jüngeren für geleistete Dienste mit dem Dorfe Schönlind beim Hammer Bruck „begnadet“. Wie Conz Schrott wurden sicher viele andere mit beschlagnahmten Gütern kurfürstlich belohnt.

Der Tod des alten Erhard Franks im Gefängnis verdient besondere Beachtung. Die Hofchronisten, die über Friedrich nur Lobenswertes berichten und alles was er tat, berechtigt finden, führen an, dass der Kurfürst grundsätzlich Abtrünnige mit dem Tod bestrafte, es sei denn, sie hätten sehr hohe Fürsprecher. Sie führen dafür Beispiele an: 1470 nahm der Kurfürst bei der Eroberung von Armesheim 40 Fußknechte gefangen, die früher einmal der Kurpfalz unterstanden. Er betrachtete sie als Abtrünnige und „fürbass begunnd man die zu fueren bis hin gen Altzen (Alzey) in die Tuerm, drinn mussten sie erfaulen“. Ähnlich handelte Friedrich 1471 nach der Eroberung von Wachenheim. 53 Gefangene, darunter solche, die wider seine Gnad gehandelt haben und seine Leibeignen waren“, wurden ertränkt. – Erhard Frank war für ihn ein „Abtrünniger“. Die verhängte strenge Haft war das Todesurteil für den alten Mann.

Amberg unter Friedrichs Herrschaft

Die Amberger mussten sich fürderhin Friedrichs Willen fügen, und sie betrachteten die ihnen aufgezwungenen Eide als bindend. Friedrich war weiterhin ein strenger Herr gegen jene, die ihm 1453/54 die Huldigung verweigert hatten. Das Gesuch des 1454 ausgewiesenen Hans Seidl um die Erlaubnis endlich heimkehren zu dürfen, lehnte er 1460 ab. Der Stadtschreiber Hans Schober, der 1454 entlassen worden war, aber 1460 von der Stadt wieder angestellt wurde, musste 1468, also nach 14 Jahren endgültig entlassen werden. Schobers Rechtfertigungsschreiben half ihm nichts.

Auch nach 1454 musste die Stadt noch manche Einschränkung ihrer Rechte hinnehmen. Schon 1455 hat Friedrich seine Einspruchsmöglichkeiten beim Bergbau erreicht. Ab 1466 fordert er auch das Mitspracherecht bei der Jurisdiktion der Hammereinigung. Er verlangte unter anderem die Hälfte der Strafgelder. Bislang war die Hammereinigung nur eine von Amberg und Sulzbach geführte Vereinigung der Oberpfälzer Hammerwerke. Wo es aber um seinen Nutzen auch ging, setzte er sich für die Bürger ein. So begehrten die Sulzbacher 1455/56 freie Schifffahrt auf der Vils für Erz und Eisen. Ihr Landesherr, Herzog Albrecht III. in München und Kaiser Friedrich III. unterstützten nachdrücklich dieses Verlangen. Doch Friedrich I. verteidigte die alten Vorrechte Ambergs auf der Vils nachdrücklich, unbeugsam und erfolgreich.

Besonders verbunden war Friedrich den Amberger Franziskanern. So kam er am 11. April 1455 zur feierlichen Grundsteinlegung des Klosters und spendete als Bauzuschuss 100 Gulden. Das war allerdings sehr bescheiden, denn nicht nur hatte er im Vorjahr ein Vielfaches der Stadt Amberg und ihren Bürger abgepresst, sondern mancher Amberger Bürger hat ein Mehrfaches für das Kloster gestiftet als der Kurfürst. Friedrich kam noch öfter nach Amberg, schon um sich von den Fortschritten der Bauarbeiten an seiner Stadtburg zu überzeugen. Gelegentlich wandte er sich sogar an Amberger Bürger in finanziellen Angelegenheiten. Ohne lange Verhandlungen leistete ihm der Berggewerke und Eisenhändler Hans Klopfer Bürgschaft für 900 Gulden und Wilhelm Ortenburger für 800 Gulden.

1454 hatten die Amberger zwar alle Waffen abliefern müssen, doch der wehrlose Zustand konnte nicht lange dauern. Die Stadt musste sich schließlich selbst verteidigen können. Nach kurzer Zeit konnten die Amberger Büchsenschützen wieder ihre Schießkünste ausüben.

Solange Friedrich sich hauptsächlich mit seinen rheinpfälzischen Nachbarn, besonders mit seinem Vetter Pfalzgraf Ludwig von Veldens herumschlug, war Amberger Waffenhilfe nicht gefragt. Das änderte sich, als 1460 Markgraf Albrecht Achilles von Ansbach im Bunde mit vielen Fürsten gegen Friedrich kämpfte und seine Ritter in kurpfälzische Gebiete des Nordgaus einfallen ließ. Darauf hin zog der Amberger Vicedom mit einem kleinen Aufgebot der Stadt und des Umlandes ins Fränkische und zerstörte zwei Burgen. 1461 jedoch befahl wahrscheinlich der Kurfürst selbst ein allgemeines Aufgebot aller Wehrfähigen, und der Statthalter führte Reiterei und Fußvolk samt der „Wagenburg“ in die Markgrafschaft. Neustadt am Kulm, Weißenstadt, Creußen, Schnabelweiß und viele weitere Städte und Märkte eroberten die Kurpfälzer und brannten alles nieder. Über 100 Dörfer gingen in Flammen auf. Kein Heer des Markgrafen hinderte sie an ihrem Tun. 1500 Rinder und viele Wagenladungen mit Beutegut brachte man zurück nach Amberg, wo „billiger Markt“ gehalten wurde. Die Amberger und die Kurpfälzer im Nordgau hatten das „Kriegen“ in jeder Form rasch gelernt. Der Krieg erfasste schließlich halb Deutschland. 1462 sprach der Papst den Kirchenbann über Friedrich aus und der Kaiser verkündete ihm die Reichsacht und den Reichskrieg.

Friedrich aber besiegte 1462 bei Seckenheim seine benachbarten Gegner, zersprengte ihr Heer und machte 500 Gefangene, darunter Markgraf Karl von Baden, Graf Ulrich von Württemberg, den Bischof von Metz und viele Grafen, Ritter und Adelige. Der Kurfürst ließ sich auch diesen Sieg reichlich mit Lösegeld vergolden. Graf Ulrich von Württemberg z. B. musste 100.000 Gulden zahlen. Die rheinpfälzischen Burgen reichten kaum aus, um all die vornehmen Gefangenen gut und sicher zu verwahren, bis sie ihr Lösegeld bezahlt hatten. Kurz darauf siegte Herzog Ludwig von Landshut, der einzige treue Verbündete Friedrichs, bei Gingen über den Markgrafen von Ansbach / Hohenzollern. Beide Wittelsbacher hatten sich siegreich gegen eine große Übermacht durchgesetzt und überall in ihrem Landen feierte man diese Erfolge, sicher auch in Amberg. Man war schließlich Sieger, und gemeinsame militärische Erfolge fördern auch die Verbundenheit zwischen Landesherrn und Untertanen.

Friedrichs oberster Geschützmeister, ein Amberger

Friedrich der Siegreiche verdankt einen beachtlichen Teil seiner Erfolge einem Amberger, dem Geschützmeister Martin Mertz. General Dollacker nimmt an, dass dieser als Sohn des Türmers und Rechenmeisters Mertz in Vilseck geboren wurde. 1438 übernahm der alte Mertz die Türmerstelle auf dem Amberger Martinsturm, die er bis 1458 inne hatte. In Amberg besuchte Martin die Lateinschule, denn er beherrschte später diese Sprache. Mathematik dürfte ihm sein Vater beigebracht haben. Bei einem Amberger Glocken- und Geschützgießer ging er in die Lehre und wurde Meister. Besonders pflegte er den praktischen Umgang mit Feuerwaffen und wurde so Geschützmeister. 1460 hatte er bereits Erfahrung und trat in den Dienst Friedrichs I.. Beim Feldzug gegen Mainz bewies er dann sein Können. Bei der Belagerung von Kleinbockenheim beherrschten die Bürger vom Wehrturm ihrer Kirche aus das Vorfeld der Stadt. Dank seiner Treffsicherheit richtete Mertz diesen Turm so zu, dass er nicht mehr benutzt werden konnte und die Kleinbockenheimer kapitulieren mussten. 1469 wurde Mertz nach vielen Einsätzen zum Obersten Geschützmeister der Kurpfalz befördert. Dank seiner Schießkunst und seines großen Geschützes, der Basteinerin mussten die Burgen Bocksberg und Schupf nach kurzer Zeit kapitulieren. Im Feldzug 1470/72 schoss er Schiersheim, die Strahlenburg, Arnsheim, Stadt und die Schlösser Wachenheim, Bockenheim, Niederulm, Lambsheim, Ruprechtseck und Dürckheim sturmreif. Michael Boehm reimt bei Wachenheim:

… es ruckten Gesellen frisch und voll Mut,

wohl vierzig Büchsenschützen gut,

die die von Amberg hätten,

geschickt an solche Stätten.

Ihr Hauptmann der mit ihnen kam,

Jörg Gutzinofen war sein Nam

die schossen allzeit von dem Schloss

in diese Stadt mit Büchsen groß.

Mathias von Kemnath schreibt von der Belagerung der Stadt Dürkheim: „Besonders hatte Friedrich zwei sehr gute Büchsenmeister für das Schießen mit großem Geschütz und zwar so wirksam, wie es Friedrich je vorgekommen ist. Dazu kamen 40 sehr gute Büchsenschützen mit Schlangen (Feldschlangen), Voglern und Hakenbüchsen von Amberg.“ Man kann annehmen, die Amberger haben auch die Geschütze mitgebracht. 372 Tonnen Schießpulver hat Mertz in diesem Krieg verschossen.

Und wieder dichtet Michael Boehm:

Als der kunstreich Meister Martin

in solchen Haufen gern schoss hin,

wie ich einstmals sah, als er schuss

aus einem Hauptstück tat einen Schuss

dass Arm und Haupt aufstuben,

gen Himmel sich erhuben.

MetzAmberg ist die einzige kurpfälzische Stadt, deren militärische Hilfe die beiden Chronisten Friedrichs erwähnenswert fanden, und nur Martin Mertz und Jörg Gutzinofen haben sie sogar persönlich gerühmt.

Nach 1472 war Mertz nicht mehr im Kriegseinsatz. Er beschäftigte sich in Amberg, wo er ein Haus besaß und eine Einheimische geheiratete hatte mit Geschoßkonstruktionen, Geschützlafetten, Schießlehre und Pulvermischungen. Er unterrichtete ferner Geschützmeister in der Schießlehre.

1472 kam das Amberger Aufgebot wieder zum Einsatz nachdem böhmische Adelige raubend und plündernd in die pfälzischen Lande eingefallen waren. Die Vicedom zog über den Wald (Böhmerwald), man eroberte die Burg Dissaw, erschlugen viele der Besatzung und zerstörten die Burg bis auf den Grund. Der Schlosshauptmann Reb wurde nach Amberg gebracht und kam in strenge Haft.

Erst 1486 wird wieder von einem Einsatz des Meisters Mertz berichtet. Kurfürst Philipp belagerte Schloss Geroldseck eine große ausgedehnte Burganlage mit Mauern die über 2 m dick waren. Kurfürst Philipp hatte ein stattliches Heer aufgeboten. 1800 Reiter, 4000 Gewappnete, 250 Schweizer (Söldner) und 1600 Landsknechte. Beachtlich war die von Mertz eingesetzte Artillerie. Die großen Geschütze hatten wieder Namen: „Ballauf“, „Neidhart“, „Baslerin“, „Pfalz“, „Löw“ und „Narr“. Dazu kamen 24 Schlangen (lange Rohre), 25 Sturmbüchsen und 30 Vogler (Hinterladergeschütz). Sechs Wochen lang beschoss Mertz die starken Mauern und dann war die Feste sturmreif und ziemlich demoliert und kapitulierte.

Er lebte dann weiterhin in Amberg, beschäftigte sich noch immer mit Schießlehre und verfasste dazu sogar ein Buch. 1501 starb er und wurde bei St. Martin beerdigt. Sein kunstvoller Grabstein ist wahrscheinlich ein Denkmal, das ihm sein Kurfürst setzen ließ.

 Die Inschrift beweist dies.

Anno domini 1501 jar am tag vitalis ist verschieden der erber meyster martin mercz buchssenmeister in der kunst mathematica buchssenschiessen vor andern berumt der seynn hercz und wergk aleg zu aufnemen der pfalcz vor andern furstenthum bis an seyn endt geseczt und getreulich gedynet des sele got gnedig und barmherzig sey.

Friedrichs Probleme

So streng Friedrich jene, die für ihn Abtrünnige waren, abstrafte, so großzügig musste er bald mit seinen eigenen Versprechungen fertig werden. Bei der Arrogation hatte er versprochen, auf Ehe, Liebe und Kinder zu verzichten, um sich dem Wohl der Kurpfalz und des kleinen Philipp widmen zu können. Die Kurwürde und die lebenslange Herrschaft waren ihm mit 25 Jahren mehr wert als Ehe und Kinder, und er beschwor zölibatär zu leben. Kaum acht Jahre später aber dachte er anders, hatte als ständige Gefährtin die Bürgerstochter Clara Dett aus Augsburg, die einige Zeit Hofjungfer beim Münchner Herzog Albrecht gewesen ist. 1461 und 1463 wurde der Kurfürst Vater von „zwen huebscher, natuerlicher sone“ und er war ihnen allem Anschein nach ein guter Vater.

Doch uneheliche Kinder hatten es damals schwierig. Handwerksmeister durften sie z. B. nicht als Lehrlinge nehmen und für Kleriker war eheliche Geburt Voraussetzung. Kurfürst Friedrich unternahm alles, um seinen Wildfängen den Lebensweg zu erleichtern. Er ließ sich das einiges kosten. Vom Papst erwarb er eine Bulle, die seinen ältesten Sohn Friedrich als ehelich erklärte. Weitere Urkunden bestätigten dem Zehnjährigen als künftigen Kanonikus von Worms und Speyer, und schließlich wurde ihm sogar noch die Stelle eines päpstlichen Protonotarius (Oberschriftführer) zugesichert. Eine Pergamenturkunde des Hochstiftes Speyer machte, kraft eines dem Stift verliehenen Privilegs Kaiser Karls IV., seine beiden Söhne zu allen weltlichen Sachen ehelich. Er wollte aber auch die Mutter seiner Kinder versorgt wissen und verschrieb ihr Hausbesitz in Heidelberg, Worms und Darmstadt und legte für sie 5000 Gulden bei verschiedenen Städten zu 5% an. Auch für jeden seiner Söhne standen 5000 Gulden samt den entsprechenden Zinsen zur Verfügung, wenn sie in die Jahre gekommen waren. – Eigentlich wollte er Geld nur zum Nutzen der Kurpfalz verwenden, allerdings kam es selbst auf diese hohe Ausgabe nicht an. Die Einnahmen des Landes waren entsprechend gewachsen.

Friedrich war nunmehr unehelicher Vater zweier ehelicher Söhne und einer ledigen Mutter. Das Versprechen bei Philipps Arrogation war damit gebrochen. Doch ohne Erlaubnis einer irgendwie zuständigen Stelle oder Person wollte er diesen seltsamen Familienstand nicht beenden. Seinen Adoptivsohn Philipp, der inzwischen ja großjährig geworden war, bat er am 24. Januar 1472 um die Erlaubnis, Clara Dettin heiraten zu dürfen. Philipp hatte keine Einwände, er gedachte ja ebenfalls demnächst zu heiraten. Clara und ihre Söhne verzichteten daraufhin auf alle kurfürstlichen Würden, Rechte und Ehren, und kurz darauf fand die Trauung zwischen dem Kurfürsten und seiner Clara in aller Stille statt.

Nun blieb Friedrich nur, für seinen jüngsten Sohn Ludwig eine entsprechende Stellung zu schaffen. Schwer fiel dies Friedrich nicht. Seine kriegerischen Erfolge und seine Macht hatten die Kurpfalz sehr vergrößert. 40 größere und kleinere Herrschaften mit vielen Städten, Märkten und Dörfern hatte er erobert, 30 weitere konnte er durch Kauf, Verträge und „gütige Abmachungen“ erwerben. - Wohl hatte Friedrich einst versprochen, alles was er besitzt, erwirbt und erobert verbleibt der Kurpfalz. Doch angesichts dieser unerwarteten Vergrößerung des Fürstentums konnte man das Versprechen vergessen. Die 15 Herrschaftsgebiete, die er für Ludwig zu einer eigenen Grafschaft Wertheim / Löwenstein vereinte, schmälerten den Zuwachs der Kurlande nur unwesentlich. Vertraglich wurde besonders auf die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Fürstentümern Wert gelegt. Die Löwensteiner Grafen sollten z. B., wenn sie etwas verkaufen wollten, Länderbesitz erst der Kurpfalz anbieten. – Noch heute leben Nachkommen Friedrichs des Siegreichen als Grafen von Löwenstein und Wertheim unter uns.

Philipps Hochzeit in Amberg

Die Macht und das Ansehen der Kurpfalz konnte nach Friedrichs Ansicht sein Sohn Philipp durch eine gute Partie am besten vergrößern. Die Gräfin Sophia von Katzenellenbogen, Erbin einer größeren Grafschaft hätte die Kurpfalz gut abgerundet. Philipp lehnte ab. Kurfürst Friedrich empfahl ihm Maria, die Tochter Karls des Kühnen, Erbin eines großen Reiches zwischen Deutschland und Frankreich mit dem wohlhabenden reichen Holland und Flandern und dem sehr angesehen Herzogtum Burgund. Eine mitteleuropäische Großmacht wäre die Kurpfalz geworden, wenn Philipp seinem Vater gefolgt hätte.

Dieser aber bestand darauf Margareta, die Tochter Ludwigs des Reichen zu heiraten. Wie der Titel des Vaters schon vermuten lässt, wars keine schlechte Partie. Vom 19. bis 22. Februar 1474 dauerten die aufwändigen und von vielen vornehmen Gästen besuchten Hochzeitsfeierlichkeiten in Amberg. Das Programm dafür hatte der Kurfürst selbst genau festgelegt, teil genommen hat er aber nicht. Wieder musste Friedrich mit der Reichsacht rechnen und als Geächteter konnte er kaum Reichsfürsten und Verwandte des Kaisers empfangen.

Erst nach der Hochzeit bekam Philipp im April 1474 die kurpfälzischen Lande um Amberg als seine Herrschaft übertragen, nachdem er schon zehn Jahre lang volljährig war. Er durfte jedoch nur die entsprechenden Einnahmen genießen, die Regierungsgewalt gab Friedrich nicht aus der Hand. Er besetzte weiterhin die Amtsstellen, nahm und verlieh die kurpfälzischen Lehen, und alle Amtsinhaber waren nur dem Kurfürsten verantwortlich. Seinen Räten in Amberg teilte er mit, dass Philipp „nichts im Lande verkaufen oder verpfänden“ dürfe. Das Land war ihm nur auf „Widerruf“ überlassen. Friedrich bestand darauf, „Philipps Lande zu ordnen und zu setzen wie es ihm dünkt“.

Trotzdem herrschte zwischen dem jungen Pfalzgrafenpaar und dem Rat der Stadt Amberg ein entgegenkommendes, gutes Verhältnis. Der Rat der Stadt besaß schließlich weitgehende Selbstverwaltung. Über Geldangelegenheiten z. B. verhandelten Bürgermeister und Rat mit dem Pfalzgrafen, ohne sich um Heidelberg zu kümmern.

Kurfürst Friedrich besuchte Amberg nicht mehr. Er war ab Mai 1474 in Reichsacht, weil er sich weigerte, die Herrschaft der Kurpfalz dem nunmehr volljährigen Philipp zu übergeben und die hohen Lösegeldforderungen ganz oder teilweise zu erlassen. Nicht herausgeben wollte er zudem einige Reichsbesitzungen im Elsass. - Vollziehen wollte allerdings niemand die Reichsacht.

Als Geächteter konnte Friedrich 1475 nicht zur Landshuter Hochzeit reisen. Der junge Herzog Georg von Niederbayern, der Bruder Margaretas, der Gemahlin von Friedrichs Sohn Philipp heiratete die polnische Königstochter Hedwig. Der Vater des Bräutigams, Herzog Ludwig war ein alter Waffengefährte Friedrichs. Bei der Hochzeit zu Landshut, die jene des Vorjahres in Amberg an Aufwand, Gästen und Festlichkeiten noch weit übertraf, erfuhr Pfalzgraf Philipp besondere Beachtung. Der ebenfalls anwesende Kaiser Friedrich III. empfing ihn freundlich als pfälzischen Kurfürsten, und Philipp leistete willig alle Dienste, die mit der pfälzischen Kurwürde verbunden waren. Viele der anwesenden weltlichen und geistlichen Fürstlichkeiten folgten dem kaiserlichen Vorbild. – Unbekannt ist, wie Friedrich der Siegreiche diese Aufwertung seines Adoptivsohns empfunden hat.

Kurfürst Philipp

Seine letzten zwei Jahre brachten dem wahrscheinlich bereits kranken Kurfürsten manche Betrübnis. 1475 starb im Alter von 15 Jahren sein Sohn Friedrich als päpstlicher Protonotar und Domherr zu Worms und Speyer. Von kriegerischen Unternehmungen Friedrichs wird nichts mehr berichtet. Nur von Verleihungen mehrerer Benefizien und einer Mesnerstelle steht etwas in den Regesten. Im Frühjahr 1476 starb dann sein Hofkaplan und Chronist Mathias von Kemnath, und am 12. Dezember des Jahres endete das Leben des Kurfürsten nach 51 Lebensjahren, von denen er zwei als Phlipps Vormund und 25 als Kurfürst regiert hat.

Zur Beerdigung am 29. Januar 1477 reiste Pfalzgraf Philipp nach Heidelberg. Nicht in der stattlichen Heiliggeistkirche, der Ruhestätte einiger seiner Vorgänger, sondern in einer kleinen von Friedrich gestifteten Kapelle des schlichten Franziskanerklosters wünschte er begraben zu werden. Auf Pracht und Herrlichkeit legte er keinen Wert mehr. Aufgebahrt und beigesetzt wurde er in der schlichten Kutte der Franziskaner. Seine Grabstätte ist nicht mehr erhalten. Sie wurde 1689 bei der Zerstörung Heidelbergs von den Soldaten Ludwigs XIV. von Frankreich völlig demoliert.

Pfalzgraf Philipp wurde in Heidelberg von seinen Untertanen, Dienstleuten und vom Klerus sogleich als Kurfürst gehuldigt. Anschließend nahm er die Huldigung in den rheinpfälzischen Landen entgegen. Nach Amberg und in den Nordgau reiste er im April 1477 „mit 230 Pferden, etwann Rittern und Grafen darunter“. Die Herren des Amberger Rates  ritten ihm mit Pfeifern, Trommlern und Trompetern entgegen und haben ihren „natürlichen, gnädigen Herrn“ mit Musik in die Stadt geleitet zum festlichen Empfang durch die Bürger. Am Mittwoch nach dem Passionssonntag huldigten Bürgermeister, Räte und Bürger und die ganze Gemein ihrem gnädigen Herrn Kurfürst Philipp. Bereits vor 28 Jahren hatten sie ihn als kleines Kind bereitwillig ihre Eide geleistet, dann ihrem Eid gemäß handeln wollen und Leben, Freiheit und Hab und Gut riskiert, ehe sie dem siegreichen Friedrich huldigen mussten. Nun war Philipp ihr Kurfürst und für 31 Jahre ihr wohlwollender Regent.


 

Hans Klopfer, Bürger zu Amberg

Klopferwapen003Links des Hauptportals von St. Martin ist dem Mauerwerk eine auffallend schöne Steinplatte aus rotem Marmor eingefügt. Ungewöhnlich ist schon ihr Breitformat. Rundbogenarkaden gliedern die Fläche, wobei das Mittelfeld die doppelte Breite eines der übrigen vier Felder hat und zudem durch einen „Eselsrücken" noch vergrößert ist. Eine zeitlos wirkende Kreuzigungsgruppe bildet die Mitte des Steines. In den rechts und links anschließenden Arkaden stehen die Bischöfe St. Nikolaus und St. Wolfgang. Die äußeren Felder füllen prächtig gestaltete Wappen.

Die Inschrift fasst als breites Band den Stein ein, obere und untere Zeile stehen normal zum Betrachter, man kann also ohne Kopfverrenken lesen, dass „der. Erberg (ehrbar), man. Hanns. Klopffer. Purger. tzu. amberg. am. suntag. Jubilate." starb. Römische Ziffern nennen an der linken Randleiste das Sterbejahr 1473.

Der Stein hat sicher nie das Grab Klopfers gedeckt. Er ist so gestaltet, dass er senkrecht an einer Wand anzubringen war, um so Rang, Reichtum und Frömmigkeit des Toten zu zeigen.

KlopferEpitaph_besser

Grabstein der Berggewerken Hans Klopfer, + 1473. Nördliche Außenwand zu St. Martin.

Wer war nun dieser Hans Klopfer, der ein so adeliges Wappen führte und sich stolz als Bürger verewigen ließ? Die Volksüberlieferung weiß nichts mehr von diesem Amberger. Archivalien im Stadtarchiv können dagegen einiges an dieser in 500 Jahren allmählich vergessenen Persönlichkeit aufhellen, und eine ferne Vergangenheit uns näher bringen.

Notvolle Jahre in Weiden

Um 1410 wurde Hans Klopfer in Weiden geboren. Goldschmied war dort sein Vater, doch so wohlhabend, wie man nach diesem Beruf annehmen möchte, war die Familie nicht. Weidens Entwicklung unterschied sich in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts sehr von dem ruhigen Fortschreiten Ambergs. 1400 hatte König Ruprecht Weiden dem Böhmenkönig abgenommen, die Kämpfe in diesem grenznahen Land gingen weiter bis 1410. Kurfürst Ludwig verpfändete anschließend die Stadt an Herzog Ludwig von Ingolstadt, was Pfalzgraf Johann, der über weite Gebiete der Oberpfalz herrschte, gar nicht gefiel. Johann verbündete sich mit dem Burggrafen von Nürnberg, und 1421 standen die Aufgebote dieser Fürsten vor Weiden. Trotz hartnäckiger Verteidigung wurde die Stadt im Sturm genommen und durchlitt all die Schrecken und Nöte einer gewaltsamen Eroberung. Pfalzgraf und Burggraf übernahmen gemeinsam das Regiment im Weidener Land.

Kaum dass die Mauern ausgebessert und verstärkt waren, begannen die schlimmen Hussitenjahre. Ab 1426 stürmten fast jedes Jahr die fanatischen Kriegshaufen über den Böhmerwald. Weiden war zwar einer jener wenigen Orte, die nie von den Hussiten belagert wurden, doch die Not des Umlandes zehrte auch den Wohlstand der Stadt auf. So stark war Weidens Befestigung, dass die Stadt 1427 und 1431 zum Sammelpunkt des Reichsheeres gewählt wurde. Den siegessicheren Aufbruch gegen Böhmen erlebten hoffnungsvoll die Bürger, und jedes Mal sahen sie kurz darauf die flüchtenden Haufen deutscher Kriegsknechte durch ihre Stadt hasten. Erst 1434 endete diese schreckensvolle Zeit. - Die Volksüberlieferung hat sie bis heute nicht vergessen.

Wo Schwert und Morgenstern regieren, kann ein kunstreicher Goldschmied wenig erhoffen. Hans Klopfer, der all die Not seiner Geburtsstadt mittragen musste, wandte sich gleich gar nicht dem Beruf seines Vaters zu. Lehrer wurde er. Als ihm der Abt von Waldsassen für seine Dienste einige Zehentrechte übertrug, konnte Lehrer Klopfer mit seinen Einkommensverhältnissen durchaus zufrieden sein. Sie reichten aus für den Lebensunterhalt einer Familie.

Reich durch Heirat

Als Schulmeister Klopfer heiratete, konnte ihm sein Vater nur 30 fl geben. Seine Auserwählte, deren Na­men wir nicht wissen, brachte ihm jedoch gut das Zwanzigfache an Mitgift in die Ehe. Jetzt konnte sich Klopfer auch im Warenhandel und in Geldgeschäften betätigen. Wie er es mit der Schule hielt, wissen wir nicht. Dann starb seine Frau, er kam in den Besitz ihres Vermögens und hatte nun 700 Gulden zu versteuern. - Mit dem Frieden begann sich allmählich der Wohlstand des Landes zu heben. Für einen Mann mit dem Unternehmungsgeist Klopfers ergaben sich gute Geschäftsgelegenheiten. Wahrscheinlich wandte er sich schon in Weiden dem Eisenhandel zu.

Reich jedoch wurde Klopfer erst durch seine 2. Ehe mit der Witwe Elisabeth Markhart. Einiges wissen wir auch von ihrem Leben. Ihr Vater, Hans Unrue, wird sowohl als Metzger als auch als Ofensetzer, immer aber als wohlhabender Bürger bezeichnet. Im bösen Jahr 1421 hat man ihn bei der Verteidigung Weidens totgeschossen. Die Waise Elisabeth Unrue heiratete in jungen Jahren Ulrich Markhart, einen Weidener Bürger, der als Händler zu einigem Reichtum gekommen war. Lange währte diese Ehe nicht, von einer Pilgerfahrt nach Rom kehrte Ulrich nicht zurück. Elisabeth war einzige Erbin. Zehent- und Giltrechte, Häuser und Feldgründe und ein Barver­mögen von 1800 fl brachte sie mit in ihre zweite Ehe.

Besitzer einer Kapelle

Kurz nach der zweiten Hochzeit dürfte Hans Klopfer eine stattliche Kapelle auf dem Fischerberg bei Weiden erbaut haben. Wahrscheinlich war an dieser Stelle schon seit Jahren ein Heiligenbild, das an einem Baum befestigt war, von frommen Leuten verehrt worden. Die Kapelle hieß nämlich fortan „Zur heiligen Staude" oder auch „die heilige Staude". Der Sage nach soll allerdings ein reicher Bürger Weidens in schwerer Krankheit den Bau einer Kapelle gelobt haben. Er wurde gesund und wusste nun nicht, wohin er das Kirchlein stellen sollte. Zwei Ochsen mussten den Bauplatz angeben. Er ließ sie frei laufen, am Ort ihrer ersten Rast wurde die Kirche errichtet.

Sagenhaft ist manches bei dieser Kapelle am Fischerberg, sicher aber wissen wir, dass sie Hans Klopfer gehörte und dem heiligen Wolfgang und der hl. Helena geweiht war. Wolfgang war nämlich der Lieblingsheilige des Kapellenbesitzers Klopfer. Vielleicht erinnert die Mitpatronin St. Helena an seine erste Frau; möglicherweise hieß sie Helene.

Bürger zu Amberg

KlopferwapenMehr und bessere Gelegenheiten zu gewinnbringen­der Geldanlage als Weiden bot damals die kurpfälzische Residenzstadt Amberg. 1444 bewarben sich die Klopfers um das Amberger Bürgerrecht. Das kostete nicht viel, Bürgermeister und Rat Ambergs freuten sich über diesen Neubürger, der fortan sein großes Vermögen an der Vils versteuern wollte.

Als Amberger Bürger konnte Klopfer nunmehr am Eisenhandel nach Ulm und Schwaben teilnehmen. Den billigen Wasserweg auf Vils, Naab und Donau durften ja nur die Amberger zollfrei mit ihren Eisen-, Erz - und Salzfrachten benutzen, ein sehr einträgliches Vorrecht. Das „bayerische Eisen" aus der „Eisenstadt Amberg" beherrschte dank der günstigen Frachtkosten konkurrenzlos den schwäbischen Markt. Klopfer verstand es, diese Situation zu nutzen.

Als Amberger Bürger durfte er auch im Bergbau tätig werden. So wohlhabend war er, dass er sich keiner Gesellschaft anschließen brauchte. Er konnte allein alle Risiken tragen, verfügte aber auch alleine über die Gewinne. Reicher Bergsegen war ihm beschieden. Seine Erzgrube, „Klopferin" hieß sie noch nach Jahrzehnten, galt als besonders ergiebig.

Die Erfolge stärkten sein Selbstbewusstsein. Ein prächtiges Wappen mit allem heraldischen Beiwerk, mit Helm und Helmzier ließ er sich schaffen. Im Schild aber zeigten drei Berghämmer nicht nur seinen Namen, sondern auch sein Betätigungsfeld. Auch seine Frau bekam ein Wappen, vielleicht eine Fortentwicklung der Hausmarke ihres Vaters.

Schon 1450 vertrat der „ersam und weis" Hans Klop­fer gemeinsam mit Conrad Alhard und Hans Kastner, zwei Angehörigen alteingesessener Ratsfamilien, die Stadt Amberg bei verschiedenen Gelegenheiten. 1451 übernahm er die Verwaltung der Martinskirche. Der Chor der neuen Kirche stand damals kurz vor der Vollendung. Durch seine Tätigkeit und reichliche Beiträge erwarb er sich den Anspruch auf eine eigene Kapelle in diesem Gotteshaus. Ab 1453 verwaltete er gemeinsam mit Hans Bachmann, der das Franziskaner­kloster gestiftet hatte und ebenfalls ein erfolgreicher Ulmfahrer war, das umfangreiche Amberger Bürgerspital.

Als 1452 Friedrich I. die Stadt überfallen ließ, stand Hans Klopfer im eigenen Harnisch, bewaffnet wie ein Rittersmann, auf der Stadtmauer. Anschließend jedoch riet er zu Verhandlungsbereitschaft und Nachgiebigkeit.

Die Eroberung Ambergs und das Strafgericht Friedrichs I. brachten ihm keine Nachteile. In der städtischen Gemeinschaft des Eisenbergwerks, die nach 1454 gegründet werden musste, hatte niemand einen höheren Anteil als Klopfer. Auf 500 Gulden lautete sein Brief 1456.

Klopfermesse St. Wolfgang

Klopferwapen001Reichtum verpflichtet. Wie andere angesehene Bürger hat auch Hans Klopfer das seine beigetragen zum Bau von St. Martin, zu dieser bewundernswerten Gemeinschaftsleistung der Amberger. 1457 stiftete er zudem noch eine „ewige Messe" zu Ehren des heiligen Wolfgangs, die auf dem Nikolausaltar in der Klopferkapelle zu lesen war. Dem Seelenheil der Klopferschen Eheleute und deren Vorfahren,  besonders aber der Seelenruhe des Ulrich Markhart, des ersten Mannes der Klopferin, ist diese Stiftung gewidmet.

Ein eigener Messkaplan musste Woche für Woche mindestens fünf heilige Messen laut Stiftungsbrief während des täglichen Hochamts in St. Martin lesen. Ansonsten hatte er keine Verpflichtungen. Er konnte sich aber freiwillig als Lehrer, Chorsänger und Buchabschreiber betätigen.

Dem Benefiziaten standen für seinen Dienst am Klopferaltar hohe Getreideabgaben aus zwei Höfen in Pirk bei Weiden, dann der 7. Teil des Großzehents und der 7. Teil aller Waldnutzung in diesem Dorf und noch sieben Käse und eine Fastenhenne zu.Klopferwapen002

Ferner hatte Klopfer der Amberger Stadtkammer 400 fl auf ewige Zeit geliehen, dafür musste die Stadt dem Messkaplan jährlich 20 fl geben. Ein eigenes Haus wurde dem Priester zugesichert. Die Stadt be­freite dieses Gebäude, wie alle anderen Benefiziatenhäuser, von Steuern, Wachdienst und anderen bürgerlichen Lasten.

Wahrscheinlich stammten die Ausstattungsgüter dieser einträglichen Messstiftung aus dem Nachlass des Ulrich Markhart.

Wie die angesehenen Familien Kastner, Reich, Alhard, Gießer, Baumgartner und Steinhauser hatte nunmehr auch das Ehepaar Klopfer in St. Martin sei­nen eigenen Kaplan, seine Messstiftung, seine Kapelle, seinen Begräbnisplatz und natürlich auch seine Wappen. Übrigens gibt es kein Wappen in dieser Kirche, das sich stolzer und selbstbewusster gibt als jenes der Klopferschen Eheleute.

Am 6. August 1457 bestätigte Kaspar Schenk, Domvikar in Regensburg, diese Stiftung, die auch die Zustimmung des Amberger Pfarrherrn Heinrich von Rabenstein fand.

Bürger unter Bürgern

Im öffentlichen Leben nahm der erfolgreiche Berggewerke seine Pflichten gebührend wahr. Als er 1457 zu Unstimmigkeiten wegen der Löhne und Arbeitszeiten der Taglöhner in Amberg kam, beauftragte man den „lieben Ratsfreund" Klopfer, gemeinsam mit anderen Ratsherren eine gerechte und angemessene Regelung zu erarbeiten.

Es gab auch Zwist mit den „Ratsfreunden". Als Klopfer 1459 seine Steuern zum Rathaus trug, eine wenig erfreuliche Bürgerpflicht, entlud sich sein Groll in böser Kritik an den Rechenherrn. Als „Junker" bezeichnete er sie, warf ihnen vor, ihn ungerecht zu behandeln und mehr Wert auf sein Geld als auf sein Wort zu legen. Das war „Bürgermeister und Rat" zu viel. Er wurde zu acht Tagen Haft auf dem Vilstorturm und zum Bau von sechs Ruten Stadtmauer (das sind 21 m) verurteilt. Das fand wiederrum Klopfer als unangemessen. Er beschwerte sich bei Kurfürst Friedrich, erreichte aber nur einen Teilerfolg. Der Landesherr tadelte den erbosten Steuerzahler wegen der Beleidigung des Stadtrats. Er mahnte ihn zu Bescheidenheit, da er ja „nicht zu den Vornehmsten der Stadt zähle". - Das war ein peinlicher Hinweis auf Klopfers Schulmeistervergangenheit. - Zusammenfassend fand Friedrich I. das Urteil gerecht, hob aber, und das freute Klopfer, die Haftstrafe auf. Das Stadtmauerstück dagegen musste er bauen lassen. Das dürfte ihn 15 bis 20 Gulden gekostet haben, eine Kleinigkeit für Klopfer, für andere ein Betrag, von dem sie gut ein Jahr leben konnten.

Als man ihm 1460 eine Strafe von zwei Gulden diktierte, weil er nicht zur Teilhaberversammlung der Gemeinschaft des Eisenbergwerks erschienen war, zahlte er ohne Widerrede.

Ansonst war Klopfer ein hochgeschätzter Mitbürger. Mehrmals übernahm er Vormundschaften, stets hat er gewissenhaft das Vermögen seiner Mündel verwaltet. 1464 lieh er der Stadt Amberg die stattliche Summe von 1000 fl gegen 50 Gulden Jahreszins. Wenn nötig, half er Mitbürgern durch Darlehen; er lieh z. B. Michael Ortenburger 633 fl. Auch Bürgschaften übernahm er, und so wurde er sogar Bürge seines Herrn, des Kurfürsten Friedrich, als dieser ein Darlehen von 900 fl brauchte.

Die Klopferstiftung

Ein erfolgreiches, erfülltes Wirken also! Dennoch liegt ein Schatten über dem Leben der Klopferschen Eheleute. Kinder blieben ihnen versagt. Kinderlosigkeit hat man damals als bitteres Los empfunden. Der Name Klopfer, den beide zu hohem Ansehen gebracht hatten, sollte mit ihnen vergehen, ihr großes Vermögen sollte in fremde Hände kommen. Sie konnten nur durch letztwillige Bestimmungen über ihr Vermögen zukunftsweisend verfügen. Sie taten's nach bestem Wissen, in bester Absicht.

Ihrer beider Geburtsstadt Weiden übereigneten sie 1470 die Klopferkapelle „Zur heiligen Staude". Gerne übernahm die Stadt diese Kapelle, die inzwischen zu einer beliebten Wallfahrtsstätte geworden war. Wahrscheinlich hatte bereits Hans Klopfer einige Jahresmessen für dieses Kirchlein gestiftet.

Eine sehr bemerkenswerte Stiftung ließen beide 1471 besiegeln. Sie übergaben der Stadtkammer 1200 fl, wogegen sich die Stadt verpflichten musste, 52 fl als „Klopferstiftung" jährlich zu verteilen.

Da sollte, erstens, zwei Amberger Bürgersöhnen, deren Eltern unter 1000 fl an Vermögen hatten, das Studium an einer Universität ermöglicht werden. Für jeden waren jährlich 20 fl vorgesehen, genug, um Studiengelder und Lebensunterhalt an einer Universität zu bestreiten. Bedingung war nur, dass das Studium der sieben freien Künste nach vier Jahren, jenes der Medizin oder der Dichtkunst nach fünf Jahren, das Jurastudium nach sechs Jahren und das Studium der Philosophie und Theologie nach sieben Jahren als Licentiat oder Doktor beendet wurde.

Zweitens, musste sich die Stadt verpflichten, jedes Jahr von diesen Zinsen einer armen, ehrsamen Bürgerstochter, deren Eltern unvermögend waren, zehn Gulden als Heiratsgut und Haussteuer zu geben.

Drittens musste jährlich mit einem Gulden ein Jahrtagsamt mit sieben Beimessen, am Wolfgangsfest für die Vorfahren des Ehepaars Klopfer finanziert werden. Der Stadtpfarrer, seine vier Kapläne, die Benefiziaten der zwei Marienstiftungen in St. Martin und der Klopfersche Messkaplan sollten den Jahrtag halten und dafür gebührend bezahlt werden.

Viertens hatte der Stadtrat gemeinsam mit der Kirchenverwaltung am Nikolaustag eine Spende für die Schulkinder auszurichten.

Wenn diese nach alter Gewohnheit bei der Nikolausprozession vom Pfarrhof bei St. Georg nach St. Martin am Rathaus vorbeikamen, mussten unterm Rathaustor jedem Schüler eine Hallersemmel (1 Heller ist 1/2 Pfennig), jedem Hilfslehrer vier, dem Herrn Schulmeister aber sechs solcher Brote gereicht werden. Hilfslehrer und Magister aber sollten ja nicht den Schulbuben ihre Nikolaussemmeln wegnehmen.- Eigens vermerkt hat's der einstige Schulmeister.

Es ist sicher kein Zufall, dass in dieser Stiftung so sehr der Kinder und Heranwachsenden gedacht wurde. Da Klopfer selbst keine Kinder hatten, sollten wenigstens Kinder anderer beschenkt und gefördert werden.

Knapp zwei Jahre später starb Hans Klopfer. Seine Witwe scheint ihn fast um zehn Jahre überlebt zu haben. In St. Martin fanden beide ihre letzte Ruhe­stätte. Ihr Nachlass dürfte trotz aller Stiftungen noch einige reich gemacht haben. So lieferte z.B. ein Benefiziat dem Testamentsvollstrecker über 800 fl ab, die ihm die Klopferin zur Verwahrung übergeben hatte.

Heute erinnern nur noch die Wappen in St. Martin und die anfangs geschilderte Gedenkplatte, an das Ehepaar Klopfer, deren Stolz es war, „Bürger zu Amberg" zu sein.

Von den Klopferschen Stiftungen fand das St. Wolfgangsbenefizium schon um 1540, als Amberg sich allmählich der Lehre Martin Luthers zuwandte, ein frühes Ende. Die Kapelle zur hl. Staude am Fischerberg wurde unter den evangelisch / kalvinischen Kurfürsten ab 1553 immer mehr vernachlässigt und ab 1588 demoliert. An ihrer Stelle steht seit 1952 wieder eine kleine Kapelle. Am längsten erhielt sich die Spende der Niklaussemmeln. Nach 1634 war die durch Krieg und Pest verarmte Stadt nicht mehr in der Lage, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Es muss nun festgehalten werden, dass weder der Reichtum des Hans Klopfer noch seine verschiedenen Stiftungen im alten Amberg etwas Einmaliges waren. 38 ähnliche Benefizien wurden von Eisenhändlern, Berggewerken, Handwerkern und Priestern gestiftet.

Auch andere Bürger ließen Kirchen bauen. Wolfhard Reich verdankt Amberg die Katharinenkirche, und Hans Bachmann hat aus eigenen Mitteln ab 1452 das Franziskanerkloster samt Kirche errichten lassen.

Die vermögenden Amberger dachten aber nicht nur an die Ehre Gottes und an ihr Seelenheil, sie vergaßen nie ihre ärmeren Mitbürger und die Bedürfnisse der Allgemeinheit. Erst durch Zustiftungen der Bürger wurde das Bürgerspital zur umfassenden Versorgungsanstalt für Alte und Hilfsbedürftige. Häufig wird in Testamenten der Aussätzigen im Leprosenhaus und der Kranken im Lazaretthaus gedacht, doch auch den Bau von Straßen und Brücken hat man durch Vermächtnisse gefördert. Als Einzelstiftung sei „das reiche Almosen" des Hans Kastner vom Jahre 1433 erwähnt. Der wohlhabende Berggewerke und Eisenhändler gab so reichlich Zehent und Gilteinkünfte, dass man jede Woche 54 armen Leuten je einen achtpfündigen Laib Brot, ein Pfund Fleisch bzw. in der Fastenzeit 1/2 Pfund Schmalz und alle Vierteljahr zehn Pfennige geben konnte.

Erst die Inflation von 1923 hat diese alten Wohltätigkeitsstiftungen ihrer finanziellen Grundlagen beraubt und sie ausgelöscht. Bis heute aber besitzt die Stadt Amberg noch viele um fangreiche Waldungen, die einst zum Bürgerspital, zur Leprosenstiftung und zum Almosenamt von Amberger Bürgern gegeben wurden.


 

Wenn Fürsten heiraten

„Jörgl“, hat der gestrenge Herr Hofkastner gesagt, „du musst helfen, die Rinder nach Amberg zu treiben für die Festtage, wenn unser Herr Pfalzgraf Philipp die Pfalzgräfin Margareth, die Tochter des reichen Landshuter Herzogs heiratet. Vielleicht bleibst gleich die Hochzeitstage in der Stadt, wenn der Vater erlaubt. Siehst was, was du dein Lebtag nimmer vergisst."

Jetzt treibt also der Spitalhofbauernjörgl von Hiltersdorf seine zwanzig Ochsen, Kühe und Kälber nach Amberg hinein. "Arg viel für eine Hochzeit", denkt sich der Jörgl.

In Paulsdorf sieht er eine noch größere Herde. Die kommt von Nabburg her und will auch nach Amberg. Da muss sich der Jörgl schon sehr wundern. Dann kommt er in Moos mit seinem Vieh zwischen ein paar Kaufmannswagen, beladen mit Gewürz, Wein und Fisch. Hinterm Dorf überholt ihn ein Reiterzug. Die Rüstungen der Ritter glänzen, die Pferde sind festlich geschmückt. Der Jörgl muss nur grad schauen. Von seinem Vieh will er kein Stück verlieren, aber es wird immer schwerer, aufzupassen.

Das letzte Stück der Reise ist eine Qual. Bauernkarren mit Mehl, Jäger mit Wildbret, Wagen mit Weinfässern, dann wieder Bauernkarren mit Kisten drauf, in denen Ferkel quietschen. Alles zwängt sich hinein zur Stadt, zur Fürstenhochzeit.

Endlich ist der Jörgl im Schloss. Der Vorratsverwalter zählt das Vieh und übernimmt es. Dem Jörgl drückt er 15 Pfennig in die Hand. Der schaut. So viel Geld denkt er sich. Aber der Verwalter sagt: "Kommt nicht drauf an heut, wo unser Fürst heiratet!"

Auf dem engen Hof des Schlosses sind die Küchen aufgebaut. Vor jeder stehen ein paar Wagen mit Schweinespeck, mit Hasen und Rehen, mit Heringsfässern und mit Sachen, die der Jörgl sein Lebtag noch nie gesehen hat. Da muss er staunen, wie die Köche gerade einen ganzen geschlachteten Ochsen auf den Spieß stecken.

"Haben die Heimburger immer noch nicht die fünfhundert Hühner gebracht?" So schreit einer von den Köchen. "Und die Waldecker müssten doch schon lang da sein mit ihren zweihundert Spansäuen!" So hört der Jörgl aus der anderen Ecke. „Donnerwetter“, denkt der Jörgl! „So also geht's zu, wenn ein Fürst Hochzeit hat.“

Da drückt ihm einer eine Semmel in die Hand und zwei Würste. "Kost nix heut! Bist auch zu Gast geladen zur Fürstenhochzeit wie wir alle! Freu dich, Bruderherz!"

Dann geht der Bub zum Bäckergirgl. Der wohnt am Roßmarkt und ist sein Taufpate. Die Begrüßung ist kurz, denn auch im Hause des Bäckergirgls geht's zu vor lauter Hochzeit. In der unteren Kammer haben zwei kurpfälzische Reitknechte aus Heidelberg ihr Quartier aufgeschlagen, oben im Dachkammerl hausen drei sächsische Lakaien. Zwei Ratsherren stehen gerade bei seinem Paten. Er soll jetzt noch zwei Landsknechte aus dem Gefolge der Braut, der Herzogstochter Margarethe von Landshut aufnehmen. "In Gott's Namen! Ich werd sie schon noch unterbringen", sagt der Bäckergirgl.

Und der Jörgl hat aber in selbiger Nacht im Hause seines Paten auch noch ein Schlafplatzerl gefunden.

Am nächsten Tag, es ist ein Sonntag, erlebt der Jörgl den Einzug der Fürsten. Über vierhundert adelige Herren und Damen, alle in rote Gewänder gekleidet, kommen mit dem jungen Pfalzgrafen Philipp. Gut tausend Pferde mag sein Gefolge zählen. Ganz wirr ist dem Jörgl schon im Kopf vor lauter Schauen. Aber er treibt mit hin und her unter den Menschen, und isst und trinkt mit ihnen, ein Stück vom gebratenen Ochsen, ein Glas Wein, eine Brezel. Wie im Schlaraffenland! Aus allen Augen leuchtet die Freude: Unser Pfalzgraf hat Hochzeit!

Am Abend donnern die Kanonen. Bum, bum, bum! „Jörgl, brauchst nicht zu erschrecken. Jetzt gerade hat der Bischof das junge Paar vermählt. Hörst du  die Trompeten schmettern?“

Am Montag sieht der Jörgl das Brautpaar beim Kirchgang. Drei golddurchwirkte Röcke und drei ebensolche Überwürfe trägt die Braut und das Krönlein auf ihrem Haar blinkt und blitzt. Es gibt nichts Schöneres, denkt der Jörgl.

Am Nachmittag ist ein Turnier auf dem Amberger Marktplatz. Der Jörgl hat nichts davon gesehen. Es war einfach nicht durchzukommen, so viele Menschen wollten zuschauen.

Am Abend geht der Jörgl mit seinem Paten ins Schloss, um die Fürsten an der Tafel zu sehen. Welch ein Glanz! Tausend Kerzen brennen und ihr Schein bricht sich in den silbernen und goldenen Geschenken, die auf dem Gabentisch ausgebreitet sind. Der Pokal der Stadt Amberg ist gut zwei große Bauernhöfe wert und ist noch nicht der größte.

Jetzt tragen die Diener eine große Burg herein. Ach, das ist ja ein Kuchen! Da sieht der Jörgl, wie ein Diener mit einem langen Messer die Burg entweischneidet. In jeder Hälfte der Kuchenburg sitzt ein Knäblein und singt. Ein Häslein hüpft aus der einen Hälfte, aus der anderen schwirrt ein buntes Vögelein heraus. Der Jörgl reißt Augen und Mund auf. Er sieht den Küchenbuben nicht, der ihm einen Becher Wein hinreicht.

Am Mittwoch zieht der Jörgl wieder heim. Was er erlebt hat, kann er immer noch nicht fassen.

Viele Jahre sind vergangen. Der Jörgl ist ein alter Mann mit schlohweißem Haar geworden. Aber immer noch erzählt er davon, wie er dazumal anno 1474 auf der Amberger Fürstenhochzeit dabei gewesen ist.

Vom Aufwand bei dieser Hochzeit können wir uns kaum eine Vorstellung machen. 5 Zentner Mandeln, 15 Körbe Feigen und große Mengen Pfirsiche, also Früchte, die damals bei uns keiner kannte, wurden verbraucht. 50 feiste Ochsen und 50 gute Kühe und Hunderte von Kälbern und Schweinen wurden nach Amberg geschafft. 80 Zentner Butter und 24 große Fässer mit Heringen wurden angeliefert. 20 Köche standen dem "Obristen Koch" zur Seite, 5 neue Küchen hatte man eigens im Schlosshof aufgebaut. 6 Bäcker mussten schon 10 Tage vorher mit dem Brotbacken für dieses Fest beginnen. Es war schwer, die 300 Fürsten, Grafen und Adeligen, die mit zahlreichem Gefolge kamen, in der Stadt unterzubringen. Fast noch schwieriger war es, die Pferde zu versorgen. Der Bräutigam zog mit 1000 Rossen gen Amberg und die Braut hatte keinen bescheideneren Tross. An Pracht und Aufwand stand die Amberger Hochzeit der heute weltberühmten Landshuter Hochzeit wenig nach. Ein Jahr nach dem Amberger Fest vermählte sich nämlich Herzog Georg von Niederbayern, der Bruder der jungen Frau Pfalzgräfin in Landshut mit der polnischen Königstochter Hedwig.

Im Sebastiansviertel erinnern Margaretenweg und Philippstraße an das Brautpaar um 1474.


 

Vilsabwärts Eisen, vilsaufwärts Salz.

Schifffahrt auf der Vils! Viele Jahrhunderte zählte sie zu den Besonderheiten Ambergs. Ließ es das Wetter zu, dann fuhr man von April bis Oktober, Woche für Woche, am Sonntagmorgen mit vier bis sechs Schiffen, alle beladen mit Erz und Eisen, nach Regensburg. Man belieferte unterwegs die Hämmer und kam am Donnerstag oder auch erst am Freitag mit Salz zurück.

Erst 1826 hat man diesen Wassertransport eingestellt. Einige Begebenheiten sollen an diese vergessene Ver­kehrseinrichtung erinnern.

Treideln

Salztransport

Schiffbruch auf der Vils

1479 - Schwer mit Eisen und Blech beladen, näherte sich das Schiff des Meisters Jakob dem Markt Kallmünz. Im Auftrag der Amberger Eisenhändler Plech und Fraislich sollte er diese Ladung nach Regensburg zum Weitertransport nach Ulm bringen. Bislang war die Fahrt ohne Zwischenfälle verlaufen, die schlimmste Strecke hatte man hinter sich.

Die ersten Häuser von Kallmünz waren zu sehen, und schon näherte man sich der Vilsbrücke. 0 je! Ein dumpfer Stoß, ächzendes Holz, gurgelndes Wasser! Wie Frösche platschten die acht Schiffsleute in die Vils, klammerten sich an die Brückenhölzer und zogen sich ans Land. Verletzt war keiner. Das Schiff lag mit aufgerissener Seitenwand auf Grund.

Im Nu waren Neugierige zur Stelle. Bald kamen auch die Amtsleute des bayerischen Herzogs Albrecht in München. Die Amberger begannen die ersten Eisenschienen aus dem kaum brusttiefen Wasser zu bergen. "Halt!", rief der gestrenge Kallmünzer Pfleger. "Nach dem allgemeinen Recht der Grundruhr beanspruche ich dieses gestrandete Gut für Herzog Albrecht." Erstaunt schauten die Schiffsleute, dann protestierten sie, doch das war vergebens. Der Pfleger erklärte ihnen: „Alles Handelsgut das mit einem zerbrochenen Wagen auf einer Straße liegt, ist dem zuständigen Landesherrn verfallen, und wenn ein Schiff Schiffbruch erleidet und zu Grund geht, gehört es ebenfalls dem Grundherrn.“ Als der Schiffsmeister behauptete, die Vils sei Amberger Gewässer, lachten die Kallmünzer nur, und die Kallmünzer gingen mit Feuereifer ans Werk, holten Eisen und Bleche aus dem Wasser und dem Schiffsmeister blieb nichts, als sehr verärgert nach Amberg zurück zu kehren. Die Kallmünzer werkelten weiter, bis das letzte Eisenstück geborgen war.

Zufrieden sah der Pfleger auf das wertvolle Strandgut. Der Herzog würde sich freuen und ihn belobigen. Mancher Bürger aber hatte am Abend sein heimlich weggeschafftes und verschachertes Eisenstück in einem Wirtshaus vertrunken.

In Amberg war man empört. Kurfürst Philipp schickte sofort Hans von Helmstett nach München, zwei Herren des Rates begleiteten ihn. Sie erklärten dem Herzog Albrecht, dass die Wasserstraße zur Donau der Kurpfalz zugehöre und bewiesen dies mit alten Urkunden. Der Herzog sah das ein, und die drei reisten ab mit einer besonderen Anweisung für den Kallmünzer Pfleger. Der schaute recht sauer drein. Alles Eisen, alles Blech musste er den Ambergern zurückgeben.

„Da fehlt aber einiges", stellte Meister Jakob kritisch fest. Das war nicht zu leugnen. Der Pfleger musste schließlich den Ambergern den Wert des verschwundenen Eisens - wo mochte es bloß hingekommen sein - auf Heller und Pfennig ersetzen. Jetzt waren es die Amberger, die lachen konnten.

Schiffe_an_der_Donau

Schiffe aus Amberg in Regensburg an der Donau bei der „Eisengred“ (um 1630)

Auf Vils und Naab durften neben den Ambergern nur der Markt Schmidmühlen Schifffahrt treiben, dieser jedoch nur mit einem Schiff. Salz, Eisen und Erz war auf dieser Strecke für die Amberger zollfrei. Rechtsstreitigkeiten auf dieser Wasserstraße wurden grundsätzlich in Amberg entschieden. Auf gestrandetes oder gesunkenes Gut hatten keiner der verschiedenen Landesherren an Vils und Naab Rechtsanspruch. Diese Flüsse waren kurpfälzisch-ambergisches Gebiet oder Amberger Hohheitsgewässer.

Schiffsunfälle gab es auf dieser Strecke häufig. In manchem Jahr verlor die Amberger Flotte drei bis vier Schiffe. Von einem Schiffmeister wird erwähnt, dass er  im Laufe der Jahre zehn Schiffe „ertränkt“ habe.

Rechtsstreit um beschädigte Brücke

Die Sonderrechte der Amberger auf Vils, Naab und Donau bestimmen auch die gerichtliche Verhandlung wegen der beschädigten Brücke von Etterzhausen.

1525 - Der Amberger Schiffsmeister Hans Krueg sollte für den Augsburger Bürger Hans Pfefferlein 48 Ztr. Karpfen und Hechte nach Mariaort bringen, eine bemerkenswerter Auftrag. Leider erfahren wir nicht, wie man die Fische auf dem Schiff verfrachtet hat.

„Auf dem Weg hat Krueg 6 Knechte nahe Pielenhofen weggeschickt und nur einen Knecht bei sich behalten. Er ist eine Stund in der Nacht gefahren und hat am St. Mathiastag das Schiff an der Brücke zu Etterzhausen erstossen weswegen die 48 Ztr. Fisch verloren gingen. Das es Kruegs Schuld ist, der die Knecht weggeschickt und bei Nacht gefahren ist, … was wider die Ordnung der Schiffsleut Teutscher Nation ist verlangt Pfefferlein den Ersatz seines Schadens.“ Dieser Unfall wurde im kurpfälzischen Amberg und nicht im Neuburger Amt Burglengenfeld behandelt und Pfefferlein kam sicher zu seiner Entschädigung, denn bei Nacht zu fahren und ohne das nötige Schiffsvolk ist mehr als fahrlässig. Es klagten aber auch die Gemeinde Etterzhausen, die ihre stark beschädigte Brücke richten lassen musste. Davon wollten aber Krueg und die Amberger Schiffsmeister nichts wissen: „Sollten wir allen Schaden, so sich bei Fällen der Brücken ergibt … wieder gut machen müssen, so wüssten wir die Schifffahrt nicht zu betreiben, da jeder Anlieger nur nach seinem Vorteil und Nutzen ins Wasser baut und nicht Rücksicht auf die Schifffahrt nimmt. Daher kommt es immer wieder zu Schädensfällen. Nämlich in Schmidmühlen, Emhof, Dreidendorf, Kallmünz, wo Schiffe immer wieder Pflöcke an der Brücke ab- hinwegstoßen, ja auch gar ein Joch abwerfen. Item mehr als einmal wurde die Brücken zu Pettenhofen auf den Schiffen hinweggeführt. Bis zur Stunde hat man niemals was bezahlt. … Item, so ist noch in der Menschengedenken, dass zu Etterzhausen kein Brücken, sondern von alters eine Überfahrt (Fähre) gewesen. Die Schifffahrt ist also älter als die Brücke, und man hätte so bauen müssen, dass die Schiffe nicht Schaden erleiden können.“

Nun forderte Krueg Ersatz der Reparaturkosten am Schiff. Der Ausgang des Rechtsfalls ist leider nicht bekannt. Man wird sich darauf geeinigt haben, dass jeder seine Schäden selbst trägt.

Es ist vielfach belegt, dass Mühlen- und Hammerwerksbesitzer vor 1640 alle Schäden an den Fällen, an Uferbauten und an ihren Brücken selbst behoben ließen. Schließlich waren die Fälle ja auch die Stauanlagen für den Mühlen- oder Hammerwerksbetrieb. Die Müller- und Hammerherrn mussten auch bei der Wasserhaltung Rücksicht auf die Schifffahrt nehmen. So mussten sie den Fall bei der Talfahrt offen lassen, also das Wasser fließen lassen, bis die Schiffe den nächsten Fall erreicht hatten. Bei der Bergfahrt aber war der Fall zu schließen, sobald das letzte Schiff durchgezogen war. Damit die Schiffe am Sonntag genug Wasser hatten, mussten am Samstag gen Abend die Mühlen und Hammerwerke oberhalb der Stadt ihre Stauanlagen öffnen.

Diese Vorschriften zeigen, welche Bedeutung die Vilsschifffahrt für die Allgemeinheit hatte. Bemerkenswert ist, dass die Schiffsleute und die Stadt 1501 eine Genehmigung für die Sonntagsfahrt von Papst Alexander VI. erwirkten, da nur an diesem Tag die Werksanlagen an Vils und Naab nicht arbeiteten. Schiffsleute waren nunmehr vom Besuch der Sonntagsmesse befreit.

Selbstbedienung eines Hammerherrn

1550 - Der Hammermeister Wolf Schweiger von Dietldorf war verärgert. Wieder waren die Schiffe durch Dietldorf gefahren und kein Erz hatten sie ihm abgeladen, obwohl er die Fracht schon lange bezahlt hatte. Er beschloss, sich selbst zu helfen.

Am nächsten Sonntag wartete er in Schmidmühlen auf die Schiffe. Kaum hatte er sie erspäht, ritt er eilends zu seinem Hammer, öffnete den Fall und ließ das aufgestaute Wasser ablaufen. Dann rief er seine Knechte, hieß sie Schaufeln mitnehmen und zog den Schiffen entgegen. In­zwischen hatten die Amberger den Fall von Pettendorf ohne Schwierigkeiten durchfahren. Doch was war nur mit der Vils los? Immer mussten sie zu den Stangen greifen, um die Schiffe von einer Sandbank zu drücken und in tiefes Wasser zu schieben. Das hat es doch sonst nicht gegeben. Und dann saßen sie knapp vor Dietldorf endgültig fest.

Sollte man's glauben? Gerade zur rechten Zeit kam Herr Schweiger mit einer Schar Knechte und bot ihnen seine Hilfe an. Wie in alter Zeit die Schiffszieher, so schleppten nun die Dietldorfer das erste Schiff ab. Doch was sollte das? Bei der Erzschütt des Hammers hielten sie an und banden das Schiff fest. Gar höflich bat der Hammerherr, das Schiff zu entladen. Mit den 450 Zentnern Erz wollte er vorerst zufrieden sein.

Was blieb den Ambergern übrig? Sie machten gute Miene zum bösen Spiel. Während sich das Erz am Ufer häufte, schwoll auch das Wasser wieder an. Als das Schiff entladen war, schaukelte die Amberger Flotte wieder munter in der aufgestauten Vils. Die Fahrt konnte weitergehen.

Der Rat der Stadt Amberg hat sich später mit dieser Eigenmächtigkeit des Herrn Schweiger befasst und ihm einen scharfen Tadel verpasst. Das hat den wenig gestört. Künftig hat er nie mehr über nachlässige Erzzufuhr klagen brauchen.

Vilsab

Die Amberger Schiffe belieferten nicht nur ab Vilshofen die Hämmer an Vils und Naab mit Erz, sie brachten dieses für die Werke an Laber und Altmühl auch zur Erzschütt nach Mariaort. Ansonsten transportierten sie auch Wein, Getreide, Fische und Stoffe nach Regensburg. Nach Amberg brachten sie südliche Weine, Möbel, Obst und Kirchenpflastersteine.

Vilsauf

 

60 Ztr. zusätzliche Fracht bedeutet. 400 bis 450 Ztr. dürften die höchste Belastbarkeit dargestellt haben.

Bei 575 Ztr. Erz, wie Reß auf S. 98 im V 0 Band 91 angibt, hätte ein Schiff 70 cm einsinken müssen. Eine solche Belastung ist theoretisch möglich. Es gibt Berichte, die dartun, dass Donauschiffe einst so belastet wurden, dass sie mittschiffs nur 20 cm über die Wasseroberfläche ragten.

Auf der Vils hat man aber auf Untiefen und Furten Rücksicht nehmen müssen. Auch die Fahrt durch die engen Fälle wurde bei größer werdender Lademenge immer gefährlicher.

Nun liegen Angaben vor, dass ein Schiff bis zu 50 Bergfuder Erz laden konnte. Nachdem Reß ein Fudergewicht von 11,2 Ztr. annimmt, kommt er tatsächlich auf 575 Ztr. es gibt aber Hinweise, dass damals ein Fuder nur rund 8 Ztr. wog. 50 Fuder entsprachen dann rund 400 Ztr. und das liegt im realen Bereich der Belastbarkeit eines Vilsschiffes.

Sechs Schiffsleute reichten aus, um eine  Fracht von bis 500 Ztr. nach Regensburg zu bringen und das innerhalb von 12 Stunden. Bei der Talfahrt bewegten sich die Schiffe schneller als die normale Strömung, denn bei jeder Fallöffnung wurde die Geschwindigkeit beschleunigt. Am Sonntag arbeiteten weder Hammerwerke noch Mühlen, und man konnte die Fälle jederzeit öffnen. Für 50 Fuder (Fuhren) zu je 8 Ztr. waren dagegen beim Transport auf der Straße 50 Wagen, dann 100 Pferde und mindestens 50 Fuhrleute nötig. In 12 Stunden aber schafften sie die Strecke. Amberg — Regensburg nie. Man war dann auf den miserablen Straßen mindestens 2 Tage unterwegs, es war also eine Übernachtung, dann Futter für die Pferde und entsprechende Verpflegung für 50 Knechte nötig. Die große Rentabilität der Vilsschifffahrt ist aus diesen Angaben zu ersehen.

Weniger günstig war die Bergfahrt. Man fuhr nämlich ständig gegen die Strömung und nach jedem Fall in immer seichteres Wasser. Am Montag mussten die zwei Reitknechte mit vier Pferden je Schiff in Regensburg sein. Bis weit ins 15. Jahrhundert jedoch mussten „Schiffszieher“ die Schiffe schleppen.

 

Nicht nur die Fälle, auch die Furten bereiteten mehr Schwierigkeiten. Daher waren die Schiffe bei der Fahrt nach Amberg höchstens mit 240 Ztr. Salz, also 160 Salzscheiben beladen. Vier Pferde zogen an einem Schiff, 2 Reitknechte hatten sie zu leiten. Für die Salzladung aber wären auf dem Landweg immerhin 30 Wagen, 60 Pferde und 30 Fuhrknechte nötig gewesen. Auch für die Fahrt Regensburg - Amberg hat sich demnach der Schiffsverkehr noch gut rentiert. Allerdings dauerte die „Afferfahrt" 4 Tage, während die Fuhrwerke die Rückfahrt in 2 Tagen schafften.

Wahrscheinlich wäre auch die Bergfahrt rascher möglich gewesen. Man nahm aber freiwillig Rücksicht auf die Arbeit der Hammerwerke, obwohl keine Verpflichtung dazu bestand. Ein willkürliches Öffnen der Fälle hätte jedoch häufig den Betrieb der Hochöfen unterbrochen, die Schiffsleute warteten deshalb. In der Regel übernachteten sie bei der Rückkehr am Montag in Etterzhausen, am Dienstag in Kallmünz und am Mittwoch in Ensdorf.

Dann versorgten sie ferner durch Sonderfahrten die Hämmer im Passauer Bistum. Bei dem großen Erzbedarf konnten die Amberger Schiffe selbst bei besten Willen nicht allen Wünschen rechtzeitig nachkommen. Nicht nur Herr Schweiger aus Dietldorf hat auf sein Erz warten müssen. Eisen aber schafften Eisenschiffe bis nach Ulm. Von dort aus fand das bayerische Eisen Verbreitung bis in die Schweiz und nach Oberitalien. Sogar nach Ungarn fuhren lange Zeit Amberger Schiffe.

Fall


Ehemaliger „Fall“ bei Ensdorf.

1557 – Eine Schifffahrt kann recht lustig sein, besonders wenn’s talwärts geht. Nach jedem Fall, durch den man pfeilgeschwind gerissen wurde, glitt man rascher dahin. Zu tun gab’s ja nicht viel. Man musste nur das Schiff im rechten Fahrwasser halten.

Die sechs Mann des letzten Schiffes im Amberger Schiffszug genossen dieses geruhsame Dahingleiten. Außerdem genossen sie auch das mitgenommene Bier. In der Glut der Schiffsfeuerstelle brutzelten einige Fische, die man nicht gekauft hatte. Nicht gekauft waren übrigens auch das Holz und die Rüben neben dem Herd.

Mit Gejohle und Geschrei steuerten sie den Fall der Ensdorfer Mühle an. Durch Stangenstöße beschleunigten sie die Fahrt. Der Müller am Fallbaum hob beschwörend und warnend die Hände. "Hejo, stoßt den Fettwanst ins Wasser!", rief einer und schon richteten sich drohend einige Stangen gegen den Müller. Das Schiff wurde von der Strömung in den Fall gerissen, prallte gegen die Fallwand, dass die Bohlen krachten und die übermütigen Burschen durcheinander purzelten. Noch ein Aufprallen an der Gegenwand, lautes Gejohle und dann schwamm das Schiff frei im Fluss.

Kopfschüttelnd und erbost schaute ihnen der Müller nach. Ausgerissene Rüben, mitgenommenes Brennholz und gestohlene Fische, das hätte er ihnen verziehen. Aber ihn zu beschimpfen und zu bedrohen und so verrückt in den Fall zu fahren, dass man nicht wusste, war nun das Schiff oder der Fall zerschlagen, das ging zu weit.

Die munteren Burschen bekamen es zu spüren. Schon am Tag nach der Rückkehr ließ sie der strenge Rat vorführen. Zu beschönigen gab's nichts. Ihre ganze Freizeit bis zur nächsten Fahrt mussten die zwei Hauptschreier im Gewölbe des Nabburger Tores verbringen. Die anderen sechs saßen bei Wasser und Brot im Dockenhansl.

Die Schiffsknechte stammten meist aus den Dörfern rings um Amberg, während die Gespanne von Amberger Fuhrleuten gestellt wurden. Die Amberger Schifffahrt beschäftigte rund 45 bis 65 Leute, und war damit eines der größten Unternehmen in Amberg. Die Knechte, die keinerlei Berufsausbildung brauchten, hatten einen Verdienst, der dem der Handwerksgesellen entsprach. Der Salzhandel der Amberger versorgte nicht nur die mittlere und nördliche Oberpfalz, sondern auch mittel- und oberfränkische Gebiete mit dem lebensnotwendigen Salz.

SalzfaesserSo wurde einst Salz befördert. Das Salzfass (A), auch Scheibe genannt, wog rund 1 1/2 Ztr., die Kufe (B) nur 80 Pfund.

Schifffahrt im Krieg

Juni 1632 - Vier Amberger Schiffe, beladen mit 720 Ztr. Salz, waren auf der Rückreise. Bislang hatten sie eine gute Fahrt gehabt, obwohl das Wasser gering war. Bei der langen Furt, nahe Treidendorf, hatten sie jeweils 8 Pferde vor ein Schiff spannen müssen, um diese Untiefe überwinden zu können.

Der Wasserstand machte den Schiffern jedoch in diesen heißen Tagen die geringste Sorge. Nicht umsonst begleiteten 27 bayerische Soldaten mit ihrem Korporal die Zillen. Der Schwedenkönig stand bei Nürnberg, ja, wenn manche Berichte stimmten, rückte er bereits gegen Sulzbach vor. Der Landesherr, Kurfürst Maximilian, lagerte bei Schwandorf. In die nördliche Oberpfalz waren Einheiten Wallensteins eingedrungen. Wirre Berichte von Kämpfen, Plünderungen und Brandschatzungen hatten sie vernommen. Die Gerüchte wucherten üppiger als die Schlingpflanzen in der Vils.

Nun näherten sich die vier Schiffe dem Markt Schmidmühlen. Die Soldaten marschierten in Gruppen zwischen den Gespannen und genossen den geruhsamen Dienst. – Halt! Was wollte der erste Schiffsreiter? Warum fuchtelte er so aufgeregt gegen Norden? Rasch bemerkten es die Soldaten und Schiffsleute. Ein Soldatenhaufen zog ihnen entgegen. „Die Schweden! Hilfe! Feindio!", so scholl es durcheinander. Die Schiffe rückten zusammen, die Soldaten liefen vor zum ersten Schiff und bildeten eine schwache Linie. Die Musketiere zündeten ihre Lunten an, die Pikeniere senkten die Spieße. Doch dann lachten die Soldaten lauthals:

„0, diese Amberger! Schweden sollen das sein! Kennen die Dummköpfe keine bayerischen Soldaten?“ „Vivat Maximilian!“, schrie der heranrückende Haufen, und „Vivat Maximilian!“, scholl's zurück. Dann begrüßten sich die Soldaten und jetzt lachten auch die Schiffsleute, sie lachten leider zu früh.

Es waren freilich bayerische Soldaten und gleich so viele, dass die 28 Mann des Geleits in dieser Menge untergingen. Es währte nur wenige Augenblicke, dann waren die Schiffsreiter aus den Sätteln gezerrt und die Zugstränge durchschnitten. Mit 17 erbeuteten Pferden zogen die Soldaten ab. „Vivat Maximilian!“, hörte man sie noch lange schreien. Verblüfft und verlegen schauten ihnen die Geleitsoldaten nach. Nur allmählich begriffen die Schiffer das Geschehen.

Bayerische Soldaten hatten bayerischen Schiffsleuten, die im Schutz eines bayerischen Geleits fuhren, sämtliche Pferde geraubt. Ein Bote eilte mit dieser Nachricht gen Amberg.

Neue Gespanne und eine sehr starke Wachmannschaft brachten am nächsten Tag die wertvolle Salzladung nach Amberg. Dann bemühten sich die Schiffsmeister um ihre Pferde. Bei Obristen und Generalen sprachen sie vergebens vor. Erst als sie stattliche Trinkgelder hingelegt hatten, konnten sie einige Erfolge buchen. Acht Pferde fanden sich. Die anderen neun blieben bayerische Armeegäule.

Doch schon am nächsten Sonntag fuhr man trotz aller Gefahren wieder nach Regensburg. Zu notwendig war das Salz und zu gewinnbringend der Salzhandel.

Wegen der Kriegsunruhen war bereits 1621 der Amberger Erzbergbau eingestellt worden. Von den Vorräten der Amberger Erzschütt konnte man noch lange die Hämmer beliefern. Die Salzversorgung wurde zum Hauptanliegen der Schifffahrt. Salz war und ist lebensnotwendig. Trotz Gefährdung durch eigene und feindliche Truppen wurde die Salzschifffahrt aufrecht erhalten und brachte der Stadt große Gewinne. Sogar in der Pestzeit 1633/34 fuhren die Schiffe. - An die einstige Schifffahrt erinnern Schiffbrücke, Schiffbrückgasse, Schiffgasse, Salzstadelplatz und Salzstadelgasse.

Amberger_Salzstadl

Der Amberger Salzstadl in Regensburg bei der steinernen Brücke um 1784

Vilsschiffnachbau

Nachgebautes Vilsschiff, allerdings verkürzt.


 

Wie der Eselsbeck seinen Namen bekam

Vor 500 Jahren! Die Martinskirche wurde gebaut. Baumeister Zunter errichtete aus mächtigen Quadersteinen die neuen Mauern. Schon ragten die gotischen Spitzfenster über die Bürgerhäuser hinaus. Je höher die Mauern wuchsen, desto schwieriger wurde die Arbeit.

Der Bäckermeister beim Salzstadel hatte weniger Sorgen, Die Maurer verdienten gut, und das Arbeiten machte hungrig. Da waren die Semmeln schon weg, ehe sie kalt wurden, Oft schaute der Bäcker zu den fleißigen Maurern hinauf. Er sah auch jeden Tag den Lehrbuben zu, welche die schweren Steine auf einer Holztrage über die schwankenden Bretter hinauftrugen.

Wie die Burschen wieder einmal langsam und gebückt unter der Steinlast hinaufstiegen, hielten sie auf halber Höhe inne und schauten hinunter auf die Gassen. Das hätten sie nicht tun sollen. Schon rutschten die Steine von der Trage ab und hinunter in die Tiefe. „Ihr Esel!" schreit der Steinmetzmeister hinauf.

„Jawohl, noch dümmer als ein Esel, wenigstens dümmer als meine zwei Esel, die hinten in meinem Stall stehen", sagte der Bäckermeister. Er wollte auch gleich beweisen, dass seine Esel gescheiter waren als die Lehrbuben und holte sie aus dem Stall. Der Bäckermeister ging zum Gerüst, die Esel hinterdrein. Er stieg über die Stufen hinauf, seine guten Esel schön langsam ihm nach. „Jawohl, das sind die rechten Steinträger", sagte der Steinmetzmeister, „die sind nicht neugierig, sie schauen nicht übers Geländer hinunter, die sollen fortan die Steine hochtragen!“ Und so geschah es auch. Unverdrossen trugen nun Esel die Steine und jeden Tag um ein Stück höher, so wie die Mauern wuchsen. Meister Zunter wurde alt, Meister Flurschütz nahm seine Stelle ein. Es wurde weiter gemauert, weiterhin schleppten die Esel die Lasten. Endlich stand Sankt Martin fertig da. Die Kirche wurde geweiht. Das war ein Fest. Der Bürgermeister dankte allen, die mitgeholfen hatten am Bau, dem Baumeister, den Steinmetzmeistern, den Maurern und den Zimmerleuten, auch dem Pfarrer und den Ratsherren, die mitgesorgt hatten. Keinen hatte er beim Dank vergessen. „Nein, Herr Bürgermeister, einige hast du doch vergessen!“ Am nächsten Tag ging Meister Flurschütz über den Salzstadelplatz hinüber zum Bäckermeister. Der stand gerade vor der Ladentüre Als ihm der Steinmetzmeister etwas ins Ohr flüsterte, musste der Bäckermeister herzlich lachen.

Bald sahen die Amberger, wie der Steinmetzmeister an der Ecke des Bäckerhauses saß und an einem Stein hämmerte und meißelte.

Was soll da für ein Kunstwerk entstehen? Die Leute blieben stehen und rätselten herum und fragten. Der Steinmetzmeister blieb stumm. Er verriet nichts. Aber dann sahen sie doch, was da allmählich aus dem Stein herauskam: Ein Esel.

„Allen hat unser Bürgermeister gedankt, unsere Steinträger hat er vergessen“, so sagte der Steinmetzmeister. Die Amberger freuten sich, dass nun auch die braven Esel ein Denkmal bekommen hatten, und sie kauften noch lieber als vorher ihre Semmeln beim Eselsbeck.

Dies ist natürlich nur eine fantasievolle Sage. Kein Esel kann zentnerschwere Blöcke auf ein schwankendes Baugerüst tragen. Die Quader der Martinskirche zeigen noch die Zangenlöcher, in welche die Steinzange griff und die Steine festhielt beim Aufziehen mit dem Kran. - Das Eselsbild aber ist das Hauszeichen der Glaserfamilie "Esenböck", und zeigt einen „Eselsbock“, einen männlichen Esel. Tatsächlich besaß die Glaserfamilie „Essenbeck“ bis 1570 das Anwesen, in welchem dann über 400 Jahre verschiedene Bäckermeister ihr Brot gebacken haben. – Kein Wunder, dass man „Essenbeck“ zu „Eselsbeck“ und Eselsbäcker machte.


 

Der ungetreue Fuchssteiner

„Das soll er mir büßen! Vertraut hab ich ihm wie meinem besten Freund. Ich saß ruhig und ohne Sorgen hier in meinem Heidelberger Schloss und wusste nicht, wie mich dieser Fuchssteiner betrügt. Einsperren lasse ich ihn! Einen größeren Lumpen hat mein Amberger Gefängnis solange es besteht, noch nicht gesehen!“

So schimpfte und tobte der Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz. Er hatte auch allen Grund dazu, zornig zu sein. Für sein Amberger Land hatte er den Dr. Johann von Fuchs­stein als Kanzler bestellt. Und wie oft hatte er gesagt:

„Auf den ist Verlass. Er macht alles recht“.

Was aber tat der Fuchssteiner? Er setzte sich mit Vertretern der Reichsstadt Nürnberg an einen Tisch, zusammen und verschacherte die beiden Ämter Lauf und Hersbruck mit den Dörfern und mit Wiesen, Feldern und Wäldern. Ein Säckchen voller Goldstücke war der Verräterlohn für den ungetreuen Kanzler.

 Nun saß er im Schlossturm zu Amberg. Er schaute durchs Gitter hinaus und sah die Wolken ziehen. Am Faschingsdienstag 1523 hatten sie den Fuchssteiner ins Gefängnis für Adelige im Schloss gesteckt, und jetzt war schon Sommer geworden.

Unter den Adeligen, die jeden Tag beim Kurfürsten waren, hatte er aber immer noch Freunde. Die baten so lange für ihn, bis der Kurfürst endlich sagte:

„Meinetwegen, lasst ihn heraus! Aber sehen will ich ihn nicht mehr in meinem Land.“

Als man den Fuchssteiner aus dem Gefängnis holte, verließ er, so schnell er konnte, die kurpfälzischen Lande. Er wusste genau warum.

4 Tage später sprengte ein Reiter von Heidelberg ins Schloss und brachte einen Brief des Kurfürsten. Was stand darin? Die kurpfälzischen Truppen hatten endlich die Burg Landstuhl des berüchtigten Franz von Sickingen erobert. Der streitsüchtige Ritter war dabei ums Leben gekommen.

 Viel Schaden hatte Sickin­gen der Kurpfalz zugefügt. Unter seinen Papieren aber fand man Briefe des Fuchssteiners. Dieser hatte insgeheim den Friedbrecher beraten und unterstützt. Jetzt wollte der Kurfürst seinen geldgierigen und verräterischen Kanzler streng nach dem Gesetz zur Rechenschaft ziehen.

Zu spät! Der Fuchssteiner war über alle Berge. Nur seinen Namen hat er in Amberg gelassen, bis auf den heutigen Tag. „Fuchssteiner“ heißen die Amberger den Turm, in dem der Verräter längere Zeit eingesperrt war.

Nach seiner Flucht aus der Kurpfalz hat der Fuchssteiner ein recht bewegtes Leben geführt. Im Bauernkrieg hat der beiden Seiten gedient und beide Seiten verraten. Später stand er im Dienst des gewalttätigen Herzogs Ulrich von Württemberg. Das Geschlecht der Fuchssteiner stammt aus dem gleichnamigen Dörflein westlich von Amberg. Der ungetreue Kanzler war übrigens kein armer Mann, er besaß nämlich die große Hofmark Ebermannsdorf. Der Fuchssteiner-Turm hat auch später noch als Gefängnisturm gedient. Der vornehmste von allen Gefangenen jedoch blieb der Fuchssteiner.


 

Die festeste Fürstenstadt

München die schönst’, Leipzig die reichst’, Amberg die festest’ Fürstenstadt

So hat man vor vielen Jahrhunderten in Deutschland gesagt. Und der Bürgermeister Schwaiger hat's stolz um 1560 in sei­ner Chronik aufgeschrieben. Wie kam Amberg zu diesem bemerkenswerten Ehrentitel?

Bei der Anlage der ältesten Stadtbefestigung waren die Pfarrkirche St. Georg und der Bereich des späteren Bürgerspitals außerhalb der Stadtmauer geblieben. Die älteste Stadt reichte nur vom Rossmarkt bis zum Spitalgraben und von der Schiffbrücke bis zum Lederersteg. Dann wuchs Amberg, denn Salzhandel, Erzbergbau und Eisenhandel gaben vielen Arbeit und Verdienst. Auch außerhalb des ältesten Mauerrings baute man Häuser.

Ab 1300 musste man an die Vergrößerung der Stadt und an den Bau einer neuen Befestigungsmauer denken. Wie König Ludwig seinen Ambergern bei diesem Vorhaben geholfen hat, wissen wir schon. Unbekannt ist uns, wann die Arbeiten begannen. Sicher jedoch ist, der Stadtgraben wurde zuerst angelegt. Jahrelang mussten viele Tagwerker mit Hacken, Schaufeln und Schubkarren sich plagen, ehe der breite und gut 2500 m lange Graben fertig war. Sehr tief mussten sie ihn im Osten und Westen ausheben, denn man wollte ja das Wasser der Vils um die Stadt leiten. Amberg sollte eine große Wasserburg werden und für die Osthälfte schaffte man es auch. Das ausgehobene Erdreich warf man zur Stadt hin auf, und so entstand hinter dem Graben ein Wall als weiterer, behelfsmäßiger Schutz. 1326 arbeitete man bereits am ersten neuen Stadttor bei der Georgskirche. Doch das Graben und Aufschütten, das Steineanfahren und Mauern ging noch viele Jahrzehnte weiter.

Die Nachfolger Ludwigs des Bayern unterstützten ebenfalls den "Stadtbau", und 1363 verzichtete Pfalzgraf Rupprecht für immer auf die Zolleinnahmen vom Erzberg und in der Stadt zugunsten der Stadterweiterung. 1404 übertrug König Rupprecht seinen Ambergern "die Stadtgräben" zum ständigen Unterhalt, denn nach jedem Hochwasser mussten diese geräumt werden. Dagegen gestattete er seinen Bürgern das Einsetzen von Fischen. Die 5 Bürgermeister durften diese Wasserflächen, als einzige Vergütung übrigens, für ihre Mühen im Dienst der Gemeinschaft abfischen.

Die Amberger mussten trotz aller Hilfe tief in ihr Säckel greifen für die "neue Stadt". Die Steuereinnahmen des Stadtkämmerers waren gottlob hoch. Es gab genug reiche Bergwerksbesitzer und Händler, und selbst die Handwerker waren meist wohlhabend. Zugleich halfen Strafgelder beim Mauerbau. Da hatte z. B. der Hans Klopfer 1455 den Stadtrat beleidigt. Zur Strafe musste er einige Meter Stadtmauer bezahlen. Mehrere Bürger waren nächtlicherweile lärmend durch die Stadt gezogen. Sie mussten Steine anfahren lassen zum „Stadtbau“. Ähnliche Vergehen waren nicht selten und freuten den Stadtkämmerer.

Die Türme der Befestigung dienten damals auch als Gefängnisse. Den Dockenhansel sperrte man in so einen Turm. Was er angestellt hatte, weiß kein Mensch mehr. Als er entlassen wurde, blieb sein Name dem Turm, und noch heute heißt der massige Eckturm beim Nabburger Tor der "Dockenhansel". Man sollte es nicht glauben, dieser Gauner ist uns noch namentlich bekannt, während seine hochweisen Richter schon längst vergessen sind.

Um 1500 waren die Befestigungsarbeiten weitgehend abgeschlossen, aber jedes Jahr musste etwas getan werden, um größere Schäden gar nicht aufkommen zu lassen.

Nun lag die Stadt sicher hinter einem breiten Wassergraben, den man beim Zeughaus aufstauen und ablassen konnte. Die Wasserfläche begrenzte die Zwingmauer, die in Amberg schon so hoch war wie anderorts die Hauptmauer. Hoch ragte darüber die Stadtmauer mit dem überdachten Wehrgang und den vielen Zinnen und Auslugscharten. 97 Türme verstärkten die Anlage. Den Zugang zur Stadt bewachten besonders mächtige Tore. Dort, wo die Vils den Befestigungsring unterbrach, hat man auf mächtigen Bögen den Wehrgang über den Fluss geführt. Wie bei den Toren Zugbrücken im Notfall den Eingang sperrten, so konnten bei der Stadtbrille und beim Vilstor schwere Fallgitter das Eindringen auf dem Wasserweg verwehren. Man hatte wirklich an alles gedacht. Selbstverständlich war die Stadt gut mit Waffen versehen.

Stadtbrille mit Fallgitter Schloss mit Tor und Zugbrücke (um 1606 nach Schweigers Relief)

Fast alle Bürger besaßen Harnisch und Helm, Schwert und Spieß. Manche konnten sich Rüstungen leisten, wie sie besser kein Adeliger besaß. Die meisten verstanden mit Pfeil und Bogen und mit der Armbrust umzugehen. Kaum waren die Feuerwaffen aufgekommen, hatten die Amberger einen Büchsenmeister, und im späten 16. Jahrhundert übte jeder zweite Bürger mit seinem eigenen Gewehr.

Drohte der Stadt Gefahr, flatterte vom Martinsturm die weiße Kriegsfahne, dann eilten die Bürger auf die Wehrgänge und besetzten die Türme. Die Zugbrücken schwangen hoch, und das Wasser im Stadtgraben schwoll an. Aus der betriebsamen Stadt fleißiger Handwerker und wagemutiger Kaufleute war eine waffenstarrende Festung geworden. Wer konnte da noch Angriffsabsichten haben? Zu eindringlich sah jeder, dass jene Recht hatten, die Amberg als „die festeste Fürstenstadt“ rühmten.

Aus dieser Geschichte ist zu sehen, dass eigentlich die Wehrmauer die Stadt ausmachte. Hahnbach und Rieden sind Märkte, sie waren nie von einer Mauer umgeben. Vilseck und Hirschau sind Städte, sie waren einst mit Mauern und Türmen befestigt. Ambergs Befestigung hat sich in vielen Jahrhunderten bewährt. In keinem der vielen Kriege vor 1700 hat man die Stadt auch nur ernsthaft belagert. Amberg zählt zu den ganz wenigen Städten Deutschlands, die während des 30-jährigen Krieges von Belagerung, Eroberung, Plünderung und Brand verschont blieben. Erst 1703, als die Artillerie wirkungsvoller eingesetzt werden konnte, musste sich die Hauptstadt der Oberpfalz das erste Mal nach mehrwöchiger Belagerung und Beschießung einem kaiserlichen Heer ergeben.

Wer um die „Allee“ geht, entdeckt noch viel von der alten Stadtbefestigung. Oft sieht man an den unverputzten Stellen der Mauer die alten, später vermauerten Öffnungen zwischen den Zinnen. Als die Feuerwaffen Bogen und Armbrust verdrängt hatten, wurden sie durch Rechteckscharten ersetzt. An die 50 Türme und Turmreste sind noch vorhanden und „Hinter der Mauer“, zwischen Nabburger Tor und Bahnhof blieb sogar der Wehrgang erhalten.

NeutorDer alte Stadtgraben führt nun kein Wasser mehr, dafür hat man schöne Spazierwege angelegt, die an den alten Mauern und Türmen, aber auch an hübschen Baum- und Buschgruppen vorbeiführen. Aus den Befestigungsanlagen der „festesten Fürstenstadt“ sind Stätten der Erholung geworden.

 

Neutor – 1870 abgebrochen


 

Das "Amberger Lärmen"

Pfalzgraf Johann Kasimir, der als Vormund des Kurprinzen Friedrichs IV. ab 1583 die Kurpfalz regiert hatte, war im Januar 1592 gestorben und mit großem Prunk in Heidelberg beigesetzt worden. Am 26. Januar 1592 hatte man in der Amberger Martinskirche dem Verstorbenen ebenfalls letzte, fürstliche Ehren erwiesen. Dreimal waren alle Glocken geläutet worden. In großer Prozession waren Schüler, Magister und Geistliche mit den Herren der kurpfälzischen Regierung zur Trauerfeier geschritten, mit ernsten Mienen hatte man die Trauerpredigt und die feierlichen Chorgesänge angehört.

Nun erfüllte Unruhe die Hauptstadt der Oberpfalz. Die evangelischen Amberger und Oberpfälzer hatten sich seit gut 25 Jahren gegen die religiöse Unduldsamkeit der kalvinischen Regierung wehren müssen. Bei jeder Gelegenheit war versucht worden, den Kalvinismus in der Oberpfalz einzuführen und zugleich die Rechte und Freiheiten des Landes zu schmälern. Dem Vormund gegenüber konnten die Oberpfälzer ihr evangelisches Bekenntnis verteidigen. Wie sollte es nun werden?

Der neue Herr galt als fanatischer Kalvinist. Zudem waren ihm auch die Rechte und Freiheiten der Städte ein Dorn im Auge.

Die Amberger dachten an Neumarkt. Mit List und Gewalt hatten sich kurpfälzische Truppen der Stadt bemächtigt. Ihre alten Rechte wurden geschmälert und den Bürgern hat man kalvinische Prediger aufgezwungen. Verärgert erinnerten sich die Amberger an das Wüten der Bilderstürmer in ihren Kirchen. Altäre, Bilder und Figuren, die frühere Geschlechter geschaffen hatten, waren zerstört worden.

Immer lauter wurden Befürchtungen geäußert. Sorge und Angst wuchsen. Die Entrüstung stieg. Es erwachte schließlich der Wille zum Widerstand und immer eindringlicher vernahm man: „Wir müssen unsere alten Freiheiten verteidigen! Wir lassen uns den evangelischen Glauben nicht nehmen! Die Jahrhunderte alten Rechte der Stadt dürfen nicht aufgehoben werden.“

Die Herren der Regierung dagegen waren sich ihrer Sache sicher. Hinter den Forderungen des Landesherrn standen ja die Soldaten in Neumarkt. Die Unruhe der Bürgerschaft schätzten sie gering ein. Erstaunt war man im Schloss, als am 10. Februar die Herren des Rates bis Mitternacht im Rathaus beisammen saßen. Was ging hier vor?

Am nächsten Tag wurde alles noch rätselhafter. Die Stadt­tore blieben geschlossen. Alle Bürger eilten aufs Rathaus.

Dort ging es erregt zu. Man beschloss, der Kurfürst muss alle Rechte und Freiheiten Ambergs bestätigen. Der Kurfürst muss versichern, das evangelische Bekenntnis in Amberg nie zu unterdrücken. Erst nach diesen Zusicherungen wird die Stadt ihn als Herren anerkennen. Da man einen Überfall der kurpfälzischen Soldaten fürchten musste, wurde ausgemacht, die Schlossbrücke über den äußeren Schlossgraben abzubrechen, damit nicht durchs Südtor kurpfälzische Soldaten ins Schloss und von dort aus in die Stadt kommen konnten.

All dies teilte man dem Statthalter mit. Das gab eine Aufregung! Dreimal lief der Kanzler ins Rathaus und protestierte und begehrte fast bittend einen Aufschub des Brückenabbruchs. Doch gerade während dieser Verhandlungen waren zwei mit Fässern beladene Fuhrwerke am Vilstor angelangt, die der Michelfelder Richter nach Neumarkt beordert hatte. In den Fässern waren Harnische und Waffen für die kurpfälzischen Soldaten. Die Ladung wurde sichergestellt, die Verhandlungen des Kanzlers blieben erfolglos.

Leonhard Müntzer Stadtkämmerer

Ludwig Steinhauser
Innerer Rat

Dr. Paul Dienstbeck Stadtsyndikus

Am Nachmittag erschien alles, was in Amberg Waffen tragen konnte, in bester Ausrüstung auf dem Marktplatz. 400 Schützen, dann Handwerker mit ihrer Wehr, und zahlreiche Bürger in Harnisch zogen in Fünferreihen und in bester Ordnung um das Rathaus. Ein stolzes Schauspiel bürgerlicher Wehrhaftigkeit.

Dann wurden die Tore neuerdings geschlossen und bewacht. Kleinere Abteilungen umstellten das Schloss. Begleitet von einer starken Schützenabteilung zogen Schmiede, Mauerer, Zimmerleute und Steinmetze aus dem Wingershofer Tor. In kürzester Zeit war die Schlossbrücke abgebrochen. Niemand, auch kein Soldat, konnte nunmehr ohne Willen und Genehmigung der Amberger ins kurfürstliche Schloss oder aus der Stadt. Die Regierung war in einer bösen Lage. Bei der allgemeinen Erregung war ein Sturm der Bürger aufs Schloss nicht ausgeschlossen. Die hochmütige Drohung einiger der Herren, man werde mit den Ambergern wie mit den Neumarktern verfahren und zudem einige Köpfe rollen lassen, hatte die Bürgerschaft stark aufgebracht.

Nach acht Tagen fanden die Herren ihre Lage unhaltbar. Es kam sie hart an, den Rat um die Erlaubnis zum Verlassen der Stadt zu bitten. Die Bürgermeister versicherten zwar, die Herren hätten nichts zu befürchten, man werde sie sogar gegen die Bürger schützen. Dennoch wollten die Herren Räte weg. Bei schlechtestem Winterwetter verließen sie samt ihren Familien Amberg und zogen nach Neumarkt.

 

Gabriel Plech
Innerer Rat

Bernhard
Büchelmeyer
Stadtschreiber

Hiob Schwaiger
Bürgermeister

 

Die Bürger setzten nunmehr ihre Stadt in Verteidigungszustand. Das grobe Geschütz wurde aufgefahren, die Zugbrücken und Fallgitter überprüft, die Wachen neu eingeteilt und die Wehrmauern des Schlosses besetzt. Vorsichtshalber vermauerte man die Zugänge vom Schloss in die Stadt. Die Bürgerschaft war einig wie nie zuvor. Die wenigen Kalvinisten hielten sich zurück und blieben unbelästigt. Nur einmal musste die Stadtwache eingreifen, als ein Bürger seine Wut über die Machenschaften der Regierung an einem jungen Kalviner auslassen wollte.

Ambergs Haltung stärkte den Widerstand der Oberpfälzer gegen die beabsichtigten Neuerungen. Leider fand das geordnete Vorgehen der Amberger nicht überall Nachahmung. In Nabburg erschlugen die Bürger ihren hochmütigen herrischen Pfleger, und in Tirschenreuth ging es dem streitsüchtigen Oberhauptmann ebenso. In Hahnbach verweigerten 1600 Bauern die Huldigung und gingen schließlich mit Prügeln auf die Abgesandten des Kurfürsten los. Ähnliches geschah in Hirschau.

In Heidelberg war man entsetzt. Friedrich IV. fürchtete, die Amberger würden die kurpfälzische Herrschaft für immer abwerfen. Eindringlich mahnte er jetzt seine Räte in Neumarkt zu Güte und Entgegenkommen. Man verhandelte, doch die Amberger wichen nicht von ihren Forderungen. Im Juni 1593 einigte man sich. Der Kurfürst bestätigte die Rechte und Freiheiten der Stadt und versprach, niemand in Glaubenssachen zu bedrängen. Damit waren die Amberger zufrieden und huldigten ihm.

Das mutige und kluge Vorgehen der Amberger hat damals allüberall in Deutschland Aufsehen erregt. Als „Amberger Lärmen“ gingen die Ereignisse von 1592/93 in die Geschichte ein.

Wappen Friedrich IV. und seiner Gemahlin Juliane von Oranien am Landgerichtsgebäude

Amberg wurde ab 1521 allmählich eine evangelische Stadt. 1538 bekannte sich der Stadtrat zur Lehrmeinung Luthers, mit dem man mehrfach Briefe wechselte. 15 Jahre bestanden beide Konfessionen nebeneinander. 1553 verbot das evangelische Stadtregiment das katholische Bekenntnis.

In der Folgezeit hatte die Oberpfalz schwer unter der religiösen Unduldsamkeit ihrer Herrscher zu leiden. Schon Ott-Heinrich (1556 - 59) ordnete die Zerstörung von Altären und Bildwerken an und erregte damit den Unwillen der Amberger. Friedrich III. (1559 - 76) war Kalvinist, er verwies die evangelischen Geistlichen des Landes. Schon damals kam es zu Unruhen in Amberg. Ludwig VI. (1576 - 83) war evangelisch und ging seinerseits streng gegen alle Kalviner vor.

Das „Amberger Lärmen“ brachte keinen Dauererfolg. Kaum hatte Friedrich IV. seine Macht gesichert, brach er alle seine Zusicherungen. 1597 entzog er der Stadt viele Rechte und Freiheiten. Wieder kam es zu Bilderstürmen. Evangelische Geistliche mussten auswandern. An diese Zeit religiöser Auseinandersetzungen erinnern leere Figurennischen an verschiedenen Kirchen und der abgeschlagene Ölberg bei St. Georg.

Die Amberger Künstler von der Sitt und Deinfelder verehrten 1591 ihrer Vaterstadt den berühmten Amberger Liedertisch, das wertvollste Stück unseres Heimatmuseums. Die Wappen der führenden Persönlichkeiten Ambergs im Jahr 1592, die wir vorne sehen, schmücken dieses Kunstwerk. Der sechsstimmige Liedsatz dürfte vom Amberger Komponisten Raselius stammen. Der Text weist auf die damalige Notzeit hin.


Abgeschlagener Ölberg bei St. Georg (jetzt nicht mehr sichtbar).

„Weil Du Herr Christ an diesem Ort
Versammelt hast durch dein Göttlich wort
Ein Christlich kirch und Regiment
welch dich ehrt, lobt und fest bekennt,
So bitten wir durch die gnade dein
Wöllst bleiben bei diesem Häufleih klein.“

 


 

Kurfürst Friedrich's Gewaltritt.

Am 12. Oktober 1619 ritt Kurfürst Friedrich von der Pfalz durch die herbstbunten fränkischen Lande. 2 Läufer begleiteten ihn wie es damals bei hohen Herren üblich war. Nach feierlichem Gottesdienst war er in Heidelberg aufgebrochen, um nach Amberg zu reiten. Nun saß er schon Stun­den im Sattel, noch fühlte er keine Müdigkeit. Auch seine zwei Trabanten hielten sich noch gut. Also weiter, denn es ging um sehr viel.

Die evangelischen Herren Böhmens, hatten ihn zum König gewählt. Jetzt ritt er gen Amberg, um dort die Reise nach Prag vorzubereiten. Angesichts der friedlichen Dörfer und der lachenden Fluren kamen ihm seine alten Bedenken: „Muss ich wirklich die böhmische Krone haben? Kann ich nicht mehr als zu­frieden sein mit den gesegneten Landen an Neckar und Rhein und der Oberen Pfalz mit ihren Bergwerken und Eisenhämmern? Wie schön ist Heidelberg! Und die Residenz in Amberg kann sich auch sehen lassen. Ob es zum Kampf mit dem habsburgischen Kaiser um Böhmen kommt?“

Südflügel des Schlosses (umgebaut 1602) und Zeughaus (errichtet 1604) Bauten Christian von Anhalts)

Doch was hatte ihm sein Statthalter in Amberg, Fürst Christian von Anhalt, sein klügster Kopf in der Amberger Regierung immer wieder beschwörend gesagt? „Kurfürstliche Gnaden, ihr seid nicht nur Herr der Kurpfalz. Euch haben die evangelischen und reformierten Reichsstände zum Anführer der Union gewählt. Dieser Bund steht hinter Euch. Wir haben Holland. England, Savojen, Frankreich, Ungarn und vielleicht sogar die Türken zu Verbündeten. Niemand kann uns etwas anhaben."

Bei so überzeugenden und erfreulichen Argumenten konnten die Ablehnung seiner Bemühungen durch die Mehrzahl seiner Räte und die sorgenvollen Warnungen seiner Mutter (eine Oranierin) kein Gewicht haben. Mehr Bedeutung hatten für Friedrich schon ungewöhnliche Zeichen. So geschah es, dass Sekretär Mauritius das Glückwunschschreiben des Führers der oberösterreichischen Stände Baron von Tschernembl anlässlich der Wahl Friedrichs zum König von Böhmens, unversehens mit dem Tintenglas statt der Streusandbüchse behandelte. Entsetzt war Friedrich V., als er das ver- und abgewaschene Schriftstück sah. Und der Anhalter nickte nur verständnisvoll und erklärte: „Euer Liebenden, dies bedeutet, dass dies Werk ohne Trübsal nicht kann abgehen, doch kann man die Schrift wohl lesen.“ – Also werden die guten Wünsche gelten und in Erfüllung gehen. Überzeugender und klarer als sein Statthalter konnte keiner reden.

"Bedenkt, seid ihr König von Böhmen, dann ist's mit der Macht des Kaisers und der Habsburger vorbei. Dann hat aber auch die Reformation Luthers und Kalvins gesiegt, und die Macht des Papstes ist endgültig gebrochen. Ihr wisst, wer König von Böhmen ist, wird meist der nächste Kaiser. Greift, zu! Gott will es so!"

Der einsame Reiter dachte auch an seine lebensfrohe, junge Gemahlin, die schöne Tochter König Jakobs von England. „Du hast eine Königstochter geheiratet, nun mach sie zur Königin!", so hatte sie ihn oft bedrängt und an die glanzvolle Hochzeit 1615 in London erinnert. So sei es denn! Prag, die Goldene Stadt, soll die glanzvolle Residenz sei­ner geliebten und verwöhnten Königin werden.

Unwillkürlich ließ er sein Bräunl mehr ausgreifen. Er fühl­te sich stark. So wie er jetzt bis Amberg durchhalten würde, so gewiss würde ihm auch die böhmische Krone zufallen. Beides war zu schaffen. Die Läufer neben ihm dachten schon lange nicht mehr. Gleich Maschinen bewegten sie sich. Die Sonne versank hinter Friedrich, blutrot färbte sich der Himmel. Dann verblasste das Rot allmählich, und der Horizont im Osten wurde dunkel. Die Dörfer am Weg versanken in der Dämmerung, das Land wurde grau. Ein Hochgericht stand am Weg. Krächzend flatterten die Raben vom Galgen hoch, aufgeschreckt vom Hufschlag des Pferdes. Nachdem die Dämmerung die ferne Landschaft einhüllte, bemerkte Friedrich beklommen, wie viele Kreuze, Galgen und Friedhöfe seinen Weg begleiteten. Ein unheimlicher Ritt in eine ungewisse Zukunft!

Doch dann wurde es im Osten hell. Der Mond steigt empor. Sein Silberlicht zeigte dem Kurfürsten ein verzaubertes Land. Burgen glänzten auf steilen Höhen. Flussläufe blitzten, und leichte Nebel schwebten über blinkenden Weihern. Wie hübsch sind die stillen Städtchen und Dörfer. Im Osten, wo Amberg und das Goldene Prag liegen muss, segeln lichte Wolken im kristallklaren, dunklen Nachthimmel. Mit neuer Zuversicht reitet der Kurfürst durch seine oberpfälzischen Lande. - Die Läufer neben ihm nehmen von dieser Pracht nichts wahr.

Der Mond sank bereits nieder, als Friedrich die Türme von St. Georg und St. Martin erblickte. 250 km waren in 18 Stunden bezwungen. Vom Pferd und von den Läufern hatte der Fürst eine unglaubliche Leistung gefordert. Das Georgentor wurde eben geöffnet, da taumelte einer der Trabanten, schlug der Länge nach hin und tat seinen letzten Atemzug. Vor dem Schlosstor brach der zweite Läufer röchelnd zusammen und starb. Nachdem Diener den Kurfürsten beim Fuchssteiner aus dem Sattel geholfen hatten, sank sein Pferd in sich zusammen und verendete.

Erweiterungsbau der kurfürstlichen Kanzlei, errichtet l601 und l610 unter Christian von Anhalt

Das bedeutet „nichts Gutes“, raunte man allgemein. Dem Kurfürsten kamen bange Ahnungen. Fürst von Anhalt freilich sah es anders: „Herr, dies zeiget, dass eine so wichtige Sache nicht ohne Ungelegenheiten abgehen wird. Doch habet guten Mut!“

Und Friedrich ritt weiter nach Prag. Am 4. November 1619 wurde er mit größter Prachtentfaltung zum König gekrönt. Dann wurde regiert. Aus dem Veitsdom und anderen Kirchen wurden Altäre, Bilder und Figuren entfernt und zerstört, was den Prager Bürgern sehr missfiel. Die kurpfälzisch-kalvinischen Kirchenräte besetzten Pfarrstellen mit Kirchendienern ihrer Konfession, wodurch sie sich bei der mehrheitlich evangelischen Bevölkerung verhasst machten. Ansonsten jagten sich den Winter über die Festlichkeiten, und Elisabeth war überglücklich.

1620 aber lösten Landsknechtstrommeln und Kriegstrompeten die Tanzmusik ab. Herzog Max von Bayern zog als Verbündeter des Kaisers gen Prag. Am Weißen Berg stellte sich Christian von Anhalt zur Schlacht und wurde vernichtend geschlagen. Rund ein Jahr nach der Krönung ritt Friedrich als Flüchtling über die Grenze Böhmens. „Winterkönig!“ höhnten ihn seine Gegner. 1621 besetzten diese die Oberpfalz, 1622 die Rheinpfalz. Erst in Holland fand Friedrich für seine Familie eine sichere Zuflucht. Prag und Amberg hat er nie mehr betreten. 1632 starb er als Flüchtling, sein Grab ist unbekannt.

Der Gewaltritt Friedrichs ist nicht nur sagenhafte Überlieferung. Das ausgestopfte "Bräunl" stand z. B. noch vor 150 Jahren im Zeughaus. Eine Tafel am Fuchssteiner erinnert an diesen Gewaltritt.

Fürst Christian von Anhalt war von 1595 bis l620 Statthalter der Oberpfalz. Von Amberg aus leitete er die kurpfälzische Politik Er hielt hier prächtig Hof. Das Schloss (Landratsamt) wurde vergrößert und bekam bis 1606 seine jetzige Gestalt. Das Zeughaus und die Regierungskanzlei mussten erweitert werden, das Wagenhaus am Paulanerplatz und ein großes Ballhaus im Zwinger beim Wingershofertor wurden neu errichtet. Nach dem Zusammenbruch seiner Politik trennte sich der Anhalter von Friedrich V. und versöhnte sich mit dem Kaiser.

Kurfürst Friedrich, geboren 1596 in Amberg, wurde in St. Martin getauft. Oft und gern hielt er sich in Amberg auf. Der junge, unerfahrene Herrscher überließ die Staatsgeschäfte zumeist seinen Räten. Er selbst war ein leidenschaftlicher Jäger und ein ausgezeichneter Reiter.

Die Politik des Anhalters brachten nicht nur der Kurpfalz Leid und Unglück. Aus dem böhmischen Krieg wurde der 30-jährige Krieg (1618 - 1648), eine verheerende Zeit für das deutsche Reich.


 

Das große Sterben - Die Pest in Amberg

„Vor Krieg, Hunger und Pest verschone uns o Herr!“ Vieltausendfach wird im Dezember 1633 dieser Gebetsruf in der Oberpfalz wiederholt. Den Krieg hat man kennen gelernt. Das gesamte Land bis zur Donau und sogar die feste Reichsstadt Regensburg sind von den Schweden erobert worden. Was hat dieses böse Jahr an Ruinen hinterlassen! Stillstehende Hammerwerke, ausgebrannte Bauernhöfe und Hausruinen allüberall zwischen Waldsassen und Neumarkt. - Unberührt vom Krieg liegt dagegen als bayerische Insel im schwedischen Machtbereich die feste Stadt Amberg.

Der Hunger ist den Oberpfälzern nicht mehr unbekannt. Bayerische, kaiserliche und schwedische Truppen haben plündernd das Land durchzogen. Unzählige hat dieses schlimme Jahr zu Bettlern gemacht. Ausgeraubte Ställe und Scheunen, mutwillig verdorbene Fluren und geplünderte Bürgerhäuser allüberall zwi­schen Waldeck und Waldmünchen. Auf den Schüttböden der ober­pfälzischen Hauptstadt Amberg aber lagern noch stattliche Getreidevorräte. - Glückliches Amberg!

Die Pest freilich, die im Gefolge von Krieg und Hunger ins Land gezogen kam, ist nicht vor den Toren und Mauern Ambergs geblieben. Jetzt, so scheint es, ist man mit ihr fertig geworden. Die Torwächter haben jedem den Zutritt verwehrt, der nicht nachweisen konnte, dass er aus einem "Ort mit gesunder Luft" kommt. Die Absonderung der Kranken ist auch gelungen. Ent­weder hat man sie im Haus bei St. Katharina untergebracht, oder man hat sie in ihren Häusern eingeschlossen und von den Zuträgern versorgen lassen. Die Totenträger haben seit einigen Wochen nicht mehr viel zu tun. Auch naht der Winter, erfahrungsgemäß wird die Pest bald erlöschen. Gott sei Dank!

Im Februar 1634 werden die Badstuben wieder geöffnet. Die Stadt gilt als pestfrei. Nur für ein Haus ist die Sperrfrist von sechs Wochen noch nicht abgelaufen. Das Leben könnte seinen gewohnten Lauf nehmen, doch die Angst geht um und lässt die Bürger schlimme Dinge wahrnehmen. „Hört nur! Blaue Lichter hab ich gesehen, viele, viele. Von der Stadt sind sie zum Katharinenfriedhof gezogen. Am Martinsfriedhof sind gräusliche, schwarze Würmer herumgekrochen, das bedeutet Unheil." Einer hat sogar den Pestvogel schreien hören: „Hui, hui, ei, ei von hundert nur drei!“

Die Stadtverwaltung will der Gefahr vorbeugen! Die Pestmandate werden verlesen. Alle Miststätten müssen bei Androhung schwerer Strafe geräumt werden. Noch schärfer als sonst passt man auf, dass Urin und stinkender Unrat nicht auf die Straße geschüttet werden, da verderbte Luft der Pestilenz gar förderlich. Es wird scharf gerügt, dass die Metzger die Fleischbänke schlecht reinigen, und die Bäcker die Schweine verbotenerweise auf der Straße „weiden“ lassen. Man lässt Häuser, die von der Pest infiziert waren, mit Seifenlauge reinigen und ausräuchern. Die Apotheker müssen sich mit Medikamenten versehen. Den Bürgern empfiehlt man den Kauf von Riechbüchslein, da stechende Kampfer- und Essigdämpfe ungesunde Luft fernhalten. Zum Räuchern bietet man Wacholder an. Was kann man mehr tun?

Im März / April mehren sich die Todesfälle. Ist's die Pest, ist's ein anderes Übel? Da stirbt ohne langes Krankenbett ein vornehmer Herr. In der Franziskanerkirche wird er beigesetzt. Kurz darauf sind auch seine zwei Kinder und die Magd tot. An den Leichen sieht man deutlich die schrecklichen, schwarzen Beulen. Die Stadt setzt eine Pestkommission ein.

Im Mai 1634 schreibt die Regierung beschwörend, es möge, alles unternommen werden, dass „diese leidige Sucht nicht weiter um sich greift, sondern alsbald gedämpfet und gefangen wird.“ Die Pestkommission tut, was möglich ist. Das Schlos­serhandwerk hat Schlösser und Ketten für die Sperrung der infizierten Häuser zu fertigen. Zuträger werden eingestellt. Sie müssen die Eingeschlossenen mit Lebensmitteln versorgen. Bader verpflichtet man als Seuchenärzte. Sie haben die Kranken aufzusuchen und deren Zustand dem Herrn Stadtmedikus, der nicht mehr aus der Apotheke geht, zu beschreiben. Der gelehrte Herr verordnet dann die Arzneien, der Apotheker mischt sie, und der Bader bringt sie den Kranken.

Nichts wird besser. Man benötigt bereits vier Leichenträger. Die Stadtkammer muss für alle Geldausgaben der Seuchenkommission aufkommen.

Schlimm steht es anfangs um die Seelsorge. Stadtdekan Hantsch und Spitalpfarrer Gastl streiten sich, wer für die Betreuung der Kranken zuständig ist. Sie schieben sich diese Aufgabe gegenseitig zu und tun nichts. So kommt es, dass einige Bürger ohne die Tröstungen der Religion sterben. Der Jesuitenpater Mannsdorfer, er hat kaum von diesem Missstand gehört, da übernimmt er „freiwillig und gern“ diesen Dienst. Seine Ordensbrüder helfen ihm. Sie sammeln Geld und Lebensmittel bei den Wohlhabenden. Mannsdorfer kann damit vielen Hungernden helfen. Unverdrossen eilt er zu Kranken und Sterbenden, bis ihn selbst der Schwarze Tod ereilt.

Mit der steigenden Sommerhitze nimmt die Zahl der Toten stän­dig zu. Am 28. Juli 1634 werden z. B. neun Häuser als neu angesteckt gemeldet. Die Stadtkammer hat allmählich Mühe, die Seuchenbekämpfung zu finanzieren. Während die Einnahmen der Stadt immer mehr zurückgehen, werden steigende Forderungen an die Seuchenkommission gestellt: Dr. Golla will acht Gulden pro Woche. Der Bader von Lintach will als Seuchenarzt nur dann arbeiten, wenn man ihm drei Gulden wöchentlich gibt. Einen Gulden fordern Zuträger und Totenträger.

Inzwischen sind schon acht Männer nötig, um die Toten des Tages in der Nacht hinaus nach St. Katharina zu tragen.

Im August schaffen es diese acht auch nicht mehr. Sie bringen die Leichen zunächst nur vor das Georgentor, das man unbedenklich offen lassen kann. Dann tragen sie den Leichenhügel ab, soweit die Nachtzeit ausreicht. Sie reicht häufig nicht aus, und der Hügel wächst. So geschieht es, dass ein Wachtmeister bei der Rückkehr von einem Erkundigungsritt über die entseelten Körper stürzt und betäubt zwischen ihnen liegen bleibt.

Bald muss ein Bagagewagen zum Leichentransport verwendet werden. Die Räder hat man dick mit Filz beschlagen, um die Nachtruhe der geängstigten Einwohnerschaft nicht zu stören. Bis zu 40 Tote werden in mancher Nacht aus der Stadt gefahren.

Doch das Leben geht weiter. Salz hat gesundheitsfördernde, heilende Kräfte. Die Salzschiffe holen deshalb die Gottesgabe bis von Straubing, Händler kommen aus fernen Orten nach Amberg und zahlen dafür höchste Preise. Auch Markttage finden statt. Aber Lebensmittel werden allmählich knapp, und die Bauern der Nachbardörfer tragen hohe Gewinne heim. Mancher bringt so die Pest mit in sein Heimatdorf.

Feierliche Beerdigungen gibt es dennoch. Was kam an Volk zusammen beim Begräbnis des Herrn Kanzlers Baier! Doktor Spenholz hatte eine unbedenkliche Todesursache bescheinigt, denn sonst hätte der hohe Herr ohne Priester und Gesang und all die letzten irdischen Eitelkeiten unter die Erde müssen. Gegen Geld leistet übrigens der Herr Doktor bereitwillig solche und ähnliche Gefälligkeiten.

Die Isolierung der Kranken und der möglichen Krankheits­überträger gelingt nicht, denn Zuträger, Ärzte, Totenträger und ihre Angehörigen laufen zu Händlern und Handwerkern. Noch immer sind Gaststätten offen, ja, Bierbrauer und Weinhändler machen sogar gute Geschäfte. Bier und Wein schätzen viele als Medizin. Auch die Soldaten des Herrn General Wahl halten sich nicht an die städtischen Anweisungen. Willkürlich wechseln sie ihre Quartiere.

 

Leprosenhaus001

Bei der Katharinenkirche wurden die Opfer des Pestjahres 1634 in Massengräbern verscharrt. Das Gebäude an der Kirche wurde 1588 als Krankenhaus errichtet und 1634 ebenfalls mit Pestkranken belegt.

In steigendem Maße befällt die Krankheit nun auch die Amberger Garnison. General Wahl will den ihm anvertrauten letzten bayerischen Waffenplatz in der Oberpfalz und die ihm unterstellten Truppen mit einem Schlag von der Seuche befreien. Er befiehlt, dass alle Kranken und deren Angehörige Amberg zu verlassen haben. Diese Anordnung wird mit brutaler Härte durchgesetzt. Rings um die Stadt bauen sich die Vertriebenen Behelfshütten, Obst und Feldfrüchte sind ihre einzige Nahrung.

Gleichzeitig entzieht General Wahl der Stadt die Leitung der Seuchenkommission. Nur für die Kosten hat weiterhin die Bürgerschaft aufzukommen. Doktor Spenholz und Rentmeister von Sickenhausen werden Direktoren der Seuchenbekämpfung. Eine ihrer ersten Maßnahmen ist die Erhöhung des Wochengeldes für Spenholz auf 18 Gulden. Doch auch Wahl denkt an sich. Trotz aller Not erpresst er Tag für Tag ein Tafelgeld von rund 180 Gulden vom Stadtkämmerer. Acht Ochsen entspricht dieser Betrag. Seine Offiziere bereichern sich ihrem Rang entsprechend in ähnlicher Weise. Von allen Fuhrwerken, die Ambergs Tore passieren, erheben sie Sondergebühren.

Ist's erstaunlich, dass bei solchen Vorbildern auch die Soldaten zu etwas kommen wollen? Es vergeht keine Nacht, in der nicht  leer stehenden Häuser erbrochen und ausgeräumt wird. Tücher, Kleider, Betten und andere Habseligkeiten von Verstorbenen und Ausgewiesenen werden zwischen den Kriegsknechten ausgetauscht, werden in die Nachbarorte ver-

Das alte Leprosenhaus aus dem 14. Jahrhundert wurde 1522 Stadtkrankenhaus. In Seuchenzeiten - auch 1634  wurden hier bis zu 50 Infizierte untergebracht. Heute ist dieses Gebäude Herberge für Obdachlose.

 

Leprosenhaus

schachert und an Bauern, die trotz der Ansteckungsgefahr in Amberg schanzen müssen, billig abgegeben.

Nun gestattet man den Ausgewiesenen wieder die Rückkehr. Allmählich erlischt das letzte Vertrauen zur Obrigkeit. Sogar von den Medizinern erhofft man nichts mehr. Die verordneten Arzneien stehen häufig unberührt neben den Toten. Als die Lebensmittel knapp werden und man weder Zuträger noch Ärzte finden kann, gibt man die Anweisung, dass jeder, der Geld hat, sich selbst mit Nahrung, Pflegern und Arzneien versehen möge. Mancher, der die Pest hätte überstehen können, muss an Entkräftung sterben. Schließlich fehlt es sogar an Schlössern und Ketten, um verseuchte Häuser abzusperren. Doktor Spenholz "bannisiert" daher die Kranken und deren Angehörige. Er zwingt sie durch Androhung von Geld- und Gefängnisstrafen in den Häusern zu bleiben. Weil die Versorgung der "Bannisierten" ganz ungenügend ist und niemand verhungern will, hat dieser Bann wenig Wirkung. Trotz willkürlicher Geldstrafen wird die Sperre kaum mehr beachtet.

Ein Schimmer von Zuversicht kommt auf, als Pater Hell, der Rektor der Amberger Jesuiten, den Bau einer Marienkapelle auf dem Amberg anregt, um so die Fürsprache der Gottesmutter für die bedrängte Stadt zu erlangen. Er stiftet ein Marienbild und trägt es am 5. September auf den Berg. Nur einige Offiziere und wenige Bürger begleiten Hell. Der alte Wachturm wird zur Marienkapelle. Das erhoffte, befreiende Wunder aber bleibt vorerst aus. Das Sterben geht weiter, und Anfang Oktober liegt auch Pater Hell tot in seiner Zelle.

Erst im November gehen Neuansteckungen und Todesfälle merklich zurück. Endlich, im Dezember erlischt die Pest. Nur einige Häuser hat sie verschont, aber viele Familien gänzlich ausgerottet. Viele Häuser, ja ganze Straßen sind ausgestorben wie die Ziegelgasse und die Untere Nabburger Straße Alle Bewohner des Franziskanerklosters, des Bürgerspitals und des Leprosenhauses liegen nun draußen bei St. Katharina. Im Februar 1635 bedeckt man die Toten in den Massengräbern mit einer Kalkschicht und füllt halbmannshoch Erde auf.

Die Überlebenden erfassen erst nach und nach, dass kein Pestwagen mehr fährt und keine Pestfeuer mehr qualmen. Bürger, die von der Seuche verschont blieben, noch mehr freilich jene, die durch Narben am Körper an die schwarzen Beulen und die überstandene Seuche erinnert werden, erachten das Leben als neu geschenkt. Für sie wird das Ende des großen Sterbens ein Wunder, das sie, je mehr sie das Ausmaß des Verderbens überblicken können, nicht zu fassen vermögen.

Von all den verheerenden Seuchen, die Amberg seit 1096 heimge­sucht hatten, war keine so folgenschwer gewesen, wie jene des Jahres 1634.

1635 berichtet die Stadtverwaltung, dass weit über 1/3 der Be­völkerung an der Pest starb. Noch im März 1635 waren 40 ausgestorbene Häuser nicht gesäubert und ausgeräumt. Von den 20 Amberger Jesuiten erlagen 14 dem Schwarzen Tod.

1634 wütete die Pestilenz übrigens nicht nur in Amberg und der Oberpfalz, ganz Bayern war von ihr heimgesucht. Die Oberammergauer Passionsspiele wurden damals gelobt.

Es dauerte viele Jahrzehnte bis Amberg sich von den Verlusten des Jahres 1634 erholt hatte. Noch um 1700 standen Häuser leer, andere waren Ruinen und manche waren sogar abgerissen worden. Gärten wurden auf ehemaligen Hausgrundstücken angelegt. Der große Pfarrgarten von St. Martin entstand so.

An General Wahl erinnert eine Straße bei der Kaiser-Wilhelm-Kaserne (jetzt Fachhochschule). Gegen ihn, Dr. Spenholz und dem Rentmeister Sickenhausen wurde übrigens 1635 ein Strafverfahren eingeleitet. Wahl wurde strafversetzt. Dem Rentmeister wurde vorgeworfen, er habe „mehr auf den privaten als den allgemeinen Nutzen gesehen … sich der Untertanen nicht angenommen … es mit dem Kommandanten und den Offizieren gehalten … bei der Pestdirektion ganz versagt, so dass in Amberg fast alle Häuser angesteckt wurden.“

Eine Straße beim Krankenhaus ist dem Andenken Pater Hells gewidmet. Der von ihm angeregte Neubau einer Kirche auf dem Berg wurde sofort begonnen. Vorbild war das Pantheon in Rom. Der Krieg und die allgemeine Not verzögerten die Vollendung der Rundkapelle. Als sie 1641 benutzt werden konnte, war der „Amberg“ schon eine bekannte Wallfahrtsstätte geworden. Zwar brannte 1646 die Kapelle völlig aus, doch das tat der Wallfahrt keinen Abbruch und 1649 wurden die Brandschäden beseitigt. – Der Wachturm mit dem Gnadenbild war vom Feuer ohnehin verschont geblieben.

Doch schon ab 1696 mussten Turmkapelle und Kirche, die zu beliebten und bekannten Wallfahrtsstätten geworden waren, dem Bau unserer jetzigen Bergkirche weichen. Zwei Deckengemälde von Asam erinnern an das große Sterben 1634. Nicht nur das prachtvolle, barocke Gotteshaus, auch das schönste unserer Heimatfeste, das Bergfest, geht auf das Pestjahr 1634 zurück.

Bergkirche

So sah unsere Bergkirche 1725 aus. Hospiz und Mesnerhaus, die hier mit abgebildet sind, wurden in der nachfolgenden Zeit beträchtlich erweitert.

 


 

Neue Heimat in Amberg, 1649

Sorgfältig prüft der Wächter am Nabburger Tor die Papiere eines Mannes, dem man auf den ersten Blick den ehemaligen Soldaten ansieht. Da ist die Bescheinigung, dass der Jörg Rauch Feldschmied im bayerischen Heer gewesen und nunmehr ausgemustert ist. Hier ist die Anzeige, dass er aus einem Ort kommt, wo - Gottlob - keine Pest herrschte. Man muss gut aufpassen, vorm Tor treibt sich genug Gesindel im Land umher. Die entlassenen Landsknechte sind oft schlimme Burschen.

Neugierig schaut der alte Soldat durch den Torbogen in die Stadt. Vor gut 20 Jahren ist er mit den Pappenheimern in der oberpfälzischen Hauptstadt gelegen, und die wohlhabende, schöne Stadt hat ihm, dem blutjungen Schmiedegesellen, nicht schlecht gefallen. „Schaut etwas heruntergekommen aus, dieses Amberg. Zerstört aber ist nichts, muss also den großen Krieg gut überstanden haben“, sinniert der Jörg.

„Was habt ihr vor?“ Die mürrische Frage des Wächters reißt ihn aus seinen Gedanken. Zögernd kommt seine Gegenfrage:

„Meint ihr, ich könnte für ein paar Tage hier Arbeit finden?“ Dazu weiß der Wächter keine rechte Antwort. In letzter Zeit sind Bürger sogar aus der Stadt gezogen, um sich als Bauern auf dem Lande niederzulassen, weil das Leben in der Stadt gar so schwer geworden ist. „Wer arbeiten will, kann ein bescheidenes Auskommen finden“, meint der Wächter etwas barsch.

Jörg geht durchs Tor und weiter zur Goldenen Gans. Manch fröhlichen Umtrunk hat er dort mit seinen Kameraden gehabt. Doch jetzt ist die Wirtsstube leer, und der Hausherr ist wenig gesprächig. Das Bier jedoch mundet dem Jörg. „Das Brauen haben sie an der Vils nicht verlernt“, denkt er.

Dann schaut sich Jörg in der Stadt um. 0 je, wie sehen die Straßen aus! Häufig erblickt er leer stehende Häuser. Wie unordentlich sind die Miststätten in Gassen und Straßen. Hühner und Schweine rennen überall herum wie in einem Bauerndorf. Am Marktplatz ist's nicht besser. Sogar neben dem Rathaus stehen Häuser mit vernagelten Türen und leeren Fensterhöhlen.

Nur vier Bauern sitzen am Markt. Kritisch prüfen einige Hausfrauen Hühner und Eier. Was war da einst für ein Leben und Treiben! Ein altes Weiblein reibt und bürstet vor der Ratstrinkstube armseliges Kleiderzeug im Waschzuber. Ob die etwas weiß von früheren Bekannten?

Jörg nennt Namen und Berufe, die Frau jedoch erzählt immer wieder von der schlimmen Seuche, die 1634, als der Schwed’ bei Nördlingen geschlagen wurde, viele Bürger hingerafft hat. Sie erinnert sich auch an verschiedene Familien, die 1629 die Stadt verlassen haben, weil sie nicht katholisch werden wollten. Der Schiffmeister Puechner ist damals nach Regensburg gezogen, die Familie Salmuth nach Ansbach und einer der Stiefsöhne des Herrn Bader ist damals gar zu den Indianern über das große Meer.

Nachdenklich schlendert Jörg um die Martinskirche zum Salzstadelplatz. Eines der vier Salzschiffe wird gerade entladen. Die Schröter schleppen die schweren Salzscheiben in den Salzstadel, Fuhrwerke warten auf ihre Ladung. Trotzdem, es ist nicht so wie damals. Ein Schiffsknecht erzählt ihm, dass in Amberg schon lange kein Erz mehr gefördert wird und die meisten Hammerwerke an Vils und Naab öd und verfallen sind.

Er geht zur Goldenen Krone. Mein Gott, wie schauts hinterm Eselsbeck aus! Das Kreuzwirtshaus und zwei andere Bürgerhäuser

Blick über den Pfarrgarten auf St. Martin. Am Ende des Gartens standen einst das Kreuzwirtshaus und zwei Bürgerhäuser.

sind Ruinen, auf denen Büsche und kleine Bäumlein wachsen. Beim Kronenwirt erfährt er dann, dass 1640 diese drei Häuser niedergebrannt sind. Er hört ferner, dass der Nachbar, der Regierungsrat Dr. Ulrich, wegen seines evangelischen Glaubens nach Nürnberg ins Exil gegangen ist. Das Haus gehört ihm noch, und der Herr Stadtpfarrer Dr. Hantsch bewohnt es als Mieter. Die Herren Jesuiten haben nämlich den alten Pfarrhof bei St. Georg vom Kurfürsten erhalten und einen eigenen Pfarrhof hat man in Amberg noch nicht erworben. Die Gäste erzählen ihm von der Beschießung der Stadt anno 1648 durch den schwedischen General Königsmarck, von den häufigen Einquartierungen, den hohen Kriegssteuern und immer wieder vom Pestjahr 1634 und vom Auszug vieler Mitbürger um des evangelischen Bekenntnisses willen. Immer mehr interessiert den Feldschmied, der in den Kriegsjahren auch viel erlebt hat, das Geschick dieser Stadt. Man schildert ihm den Brand des Schlosses 1644: Während eines schrecklichen Gewitters schlug der Blitz ein, und trotz aller Löschversuche brannten alle Gebäude völlig aus. Ein schreckliches Schauspiel! So groß war die Hitze, dass sich die Kanonen mit lautem Donner selbst entluden und in der Stadt große Verwirrung entstand, weil man glaubte, der Feind stehe vor den Mauern. Man fürchtete, das Feuer könne über die Stadtbrille aufs Zeughaus überspringen. Da hat man den Pulverturm vorsichtshalber ausgeräumt und viele Zentner Schießpulver in die Vils gekippt. „Der Herr soll sich nur ansehen, was von dem schönen Schloss geblieben ist.“

Schloss_abgebrannt

Das tut er auch. Sind diese kahlen, zerrissenen Mauern wirklich einst das schöne und prächtige Schloss gewesen, in dem die pfälzischen Kurfürsten residiert haben? - Es wird allmählich Abend.

Beim Schmied am Rossmarkt, wo er einst gelegentlich gearbeitet hat, bittet er nach altem Handwerksbrauch um Herberge und Arbeit. Der Meister, er ist der dritte seit 1625 auf dieser Schmiede, nimmt ihn gerne auf. Am nächsten Tag schon steht Jörg am Amboss und hämmert an einer Pflugschar.

Was ist noch viel zu erzählen? Die Arbeit gefällt ihm und die Stadt auch. Nach einigen Wochen lässt er sich die seit Jahren leer stehende Schmiede am Vilstor vom Stadtrat überschreiben. Zahlen braucht er fast nichts, denn herrenlose Häuser hat die Stadt genug. Froh ist man im Rathaus über jeden, der sich in Amberg niederlässt. - Jörg Rauch hat in Amberg eine Heimat gefunden.

Die Verhältnisse in Amberg waren 1649 wirklich so schlimm, wie sie Jörg Rauch, eine erfundene Person allerdings, erfahren hat. 1621, als der Bayernherzog Maximilian Amberg besetzte, hat allein das Salzamt 40 000 Gulden an Kriegskosten abliefern müssen. Bergbau, Erz- und Eisenhandel kamen im gleichen Jahr zum Erliegen. 1628/29 verließen gegen 140 Bewohner vielfach mit ihren Familien die Stadt, um nicht ihren Glauben wechseln zu müssen. Die meisten dieser Auswanderer gehörten zum wohlhabenderen Teil der Bürgerschaft und nahmen gut ein Viertel des steuerpflichtigen Vermögens mit ins Exil. Dann kamen Einquartierungen und hohe Kriegssteuern, auch deshalb verließen manche Bürger ihre Vaterstadt. 1648 waren 66 Häuser herrenlos und teilweise eingefallen. Noch 1680 konnte man für 1 Gulden Jahreszins, den erbrachte bereits ein Kapital von 20 Gulden, ein Haus erwerben. Ja, schon durch die Übernahme der Reparaturkosten konnte man Besitzer eines verlassenen Hauses werden. Selbst um 1700 waren so stattliche Gebäude wie der Eichenforst noch unbewohnt.

Nicht besser sah es rings um Amberg aus. Leerstehende, eingefallene und niedergebrannte Bauernhöfe gab es 1648 nahezu in jedem Dorf. Manche Ortschaft, z. B. Schlauderhof mit 4 Höfen, war völlig verlassen. Viele Felder und Wiesen waren ab 1634 zu Wald geworden. Nur sehr langsam erholte sich die Oberpfalz und Amberg von den verheerenden Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges.

Wie dem Jörg Rauch ist es seitdem vielen ergangen, die zufällig nach Amberg kamen und blieben. Manche, die gegen ihren Willen nach Amberg mussten, verließen später die Stadt ungern. Bei Staatsbeamten galt der Spruch: „Zweimal weint jeder, der nach Amberg versetzt wird, einmal wenn er ankommt und dann, wenn er weg muss.“ Übrigens, die letzte Schmiede in Amberg, es war jene, die unser Jörg erworben hat, wurde erst 1980 aufgegeben. Man findet das schöne Fachwerkhaus beim Vilstor an der Ecke Jesuitenfahrt / Vilsstraße.


 

Ein Hochaltar für St. Martin

Der hochwürdige Herr Nikolau Dorn hatte schwierige Aufgaben übernommen, als er 1646 in den Wirren des großen Krieges Pfarrer von Amberg wurde. Es war für ihn kein Pfarrhof vorhanden, es fehlte an Geistlichen, und die Gläubigen waren arm. Sehr grämte er sich über seine Pfarrkirche St. Martin. In den Zeiten der Bilderstürmer waren alle Figuren, Altäre und Bilder entfernt worden. Als Hochaltar diente ein gewöhnlicher Holztisch mit einem großen Kreuz, hinter welchem ein roter Teppich hing. Wohl hatte die Regierung den Jesuiten schon 1627 für die Errichtung eines großen, würdigen Altares eine stattliche Summe versprochen, doch dann waren die schlimmen Kriegsjahre gekommen, und das Geld war für Waffen und Söldner verwendet worden.

25 Jahre sind inzwischen vergangen und die „vürnehmste und Hauptkirche in der Oberen Pfalz“ ist immer noch leer und schmucklos. Dekan Bayer kann nichts unternehmen, denn das Kirchenvermögen ist dahingeschmolzen und von den verarmten Pfarrkindern kann er nicht viel erwarten.

Um so mehr ist der Dekan überrascht, als er 1653 aus München erfährt, dass tausend Gulden für die Errichtung eines Hochaltars zur Verfügung stehen. Mit der Stadtverwaltung und mit den Herren in der Regierungskanzlei kann sich der Pfarrer rasch einigen. Eifrig plant man, doch dann kommt kein Geld. Drei Jahre vergehen, und nichts geschieht für St. Martin.

Da erhält im November 1656 der Botenmeister Schmauß den Befehl, 1.500 Gulden beim Zahlamt München abzuholen und diese stattliche Summe für den Hochaltarbau aufzubewahren. Sogleich plant man wieder. Ein großer Altar soll's werden, ein Werk, welches das hohe Kirchenschiff bis zur Decke ausfüllt. Ein wertvolles Bild will man, und deshalb verhandelt man mit den Erben des bedeutendsten Künstlers Europas, Peter Paul Rubens in Antwerpen. Als aber diese Erbengemeinschaft 2.000 Brabanter Taler forderte, das entspricht 1.200 bayerischen Gulden, kriegen die Amberger Bedenken.

Da bietet ein anderer Maler, Caspar de Crayer nennt er sich, den Ambergern seine Dienste an. Er hat nicht nur bei Rubens gelernt, sondern auch viele Jahre in dessen Werkstatt mitgearbeitet. An manchem Rubensgemälde hat er mehr gemalt als der große Meister. Nein, es muss kein teuerer Rubens sein! Für 900 Gulden will dieser tüchtige Rubensschüler ein Riesengemälde von 20 Schuh Höhe und 15 Schuh Breite liefern. Lange Verhandlungen braucht's da nicht. Crayer erhält von der Regierung der Oberpfalz den Auftrag für das Hochaltarbild der Martinskirche. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Im Januar 1659 holt der Amberger Malermeister Loots das große Gemälde, auf dem alle in Amberg besonders verehrten Heiligen und die Krönung Mariens durch die Heilige Dreifaltigkeit dar­ge­stellt sind, in Antwerpen ab. Wohlbehalten bringt er die zu­sam­mengerollte Lein­wand nach Amberg. Erfreut be­staunen Dekan Dorn, der Kirchenrat und die Herren der Regierung das herrliche Bild; ein größeres und schöneres hat Amberg noch nie gesehen.

Die ausgeräumte Martinskirche

Für den Altaraufbau verpflichtet man den Schreinermeister Wirsching von Neumarkt. Für 900 Gulden will dieser einen mächtigen Altar mit zwei gewundenen Säulen und vielem Schnitzwerk fertigen. Schon im Dezember 1659 erhält Dekan Dorn einen Brief, dass 8 bis 10 Fuhrwerke zum Abholen von fertigen Altarteilen nach Neumarkt kommen möchten, doch solle man gutes Wetter abwarten. Das tut man. Im Januar 1660 können weitere 6 Fuhren nach Amberg gebracht werden. Im städtischen Salzhaus stapeln sich allmählich Bretter, Balken, Gesimsteile und Säulen. Obwohl der Neumarkter Meister mit 6 Gesellen arbeitet, dauert es noch viele Monate, ehe alle Engel, Ornamente und Blumengebinde geschnitzt sind.

Im Januar 1661 fordert Wirsching wieder 10 Fuhrwerke an, doch möge man abwarten, bis die Straßen besser befahrbar sind. Er wünscht ferner einen Aufseher beim Aufladen und Abladen der Schnitzwerke und mahnt, die Arbeiten ja gut zu lagern. Im Juni 1661 kommen endlich die letzten Stücke nach Amberg.

Die Aufstellung des Altars wird für Amberg eine kleine Sensation. Für Holzgerüste hat die Kirchenverwaltung bereits gesorgt, und rasch wachsen die Säulen und Altarwände fast bis zum Scheitelpunkt des Gewölbes empor. Dann soll das farbenprächtige, große Crayerbild eingefügt werden.

Doch welche böse Enttäuschung! Ist der bayerische Schuh größer als der von Brabant? Hat sich Crayer beim Messen geirrt? Das Bild ist zu kurz und füllt nicht die Höhe des freigelassenen Mittelfeldes. Was ist zu tun?

Man wagt in Amberg keine Entscheidung und wendet sich an die kurfürstliche Regierung in München. Von dort kommt der knappe Befehl, das Bild ist unten ein Stück anzusetzen. Wer sollte das tun? Soll man das Bild wieder nach Antwerpen schicken? Da übernimmt der Amberger Malermeister Loots diese schwierige Arbeit. Sie gelang ihm so vortrefflich, dass heute niemand diese Ergänzung des Crayerbildes bemerkt.

Gott sei Dank, der Altar steht.

Schwierigkeiten bereitet inzwi­schen die Finanzierung. Die 1500 Gulden sind schon lange aufgebraucht, und der Kirchen­verwalter ist nicht in der Lage, Loots die Transportkosten zu erstatten.

Natürlich muss er auch auf die Bezahlung der Vergrößerung des Crayerbildes warten. Dekan Bayer versucht, durch einen Opferstock der Finanzmisere abzuhelfen. Doch nur gut 50 Gulden kommen im Lauf der Monate zusammen, und damit sind noch nicht einmal Loots Reisekosten gedeckt.

Da weiß die Regierung eine bessere Geldquelle. Mit Strafgebühren soll der Hochaltar bezahlt werden. Wer sich in der Oberpfalz Raufhändel, irgendwelche Unbotmäßigkeiten oder den Bruch kirchlicher Gebote, z. B. des Fastens, der Sonntagsheiligung oder gar einen Ehebruch leistet, muss jetzt besonders kräftig zahlen, denn der Hochaltar in der Hauptkirche der oberpfälzischen Hauptstadt ist teuer. So können durch Strafgelder Schulden getilgt werden. Der Altar verbleibt jedoch vorerst ohne Farbe und Vergoldung.

Wieder vergehen 5 Jahre. Erst 1664 kann der Amberger Schreiner Allers den Tabernakel fertigen. Für das Bekrönungsstück über dem großen Gemälde liefert Maler Loots ein Bild mit den Leidenswerkzeugen Christi. Auf seinen Lohn in Höhe von 96 Gulden muss er allerdings wieder einige Zeit warten. 1667 stirbt Dekan Dorn, der sich 12 Jahre mit dem Hochaltar der Martinskirche beschäftigen musste, vollenden konnte er ihn nicht. Diese Arbeit musste er seinem Nachfolger Christoph Bayer überlassen.

Im Sommer 1670 verpflichtet man Meister April von Stadtamhof für die Fassarbeiten am Altar. Dunkelbraun soll die Grundfarbe sein, nur die Rückseite ist gelb zu bemalen. Alles Schnitzwerk dagegen, auch die großen Säulen und die Engel müssen mit Blattgold gefasst werden. Gesichter, Arme und Füße der Engel sollen fleischfarbig eingefärbt werden. Schließlich verpflichtet sich April, ganz oben den Namen Jesu und einen Strahlenkranz in Blattgold anzubringen und die Schilde der großen Engel auf den Gesimsen mit dem bayerischen Wappen zu schmücken. Im November 1670 kann Meister April seine Arbeit beenden. Für Löhne und Material zahlt man ihm 1200 Gulden.

Vom Baugerüst befreit steht nun der Altar mit dem prächtigen Crayerbild und den goldglänzenden Schnitzwerken vor der staunenden Amberger Bürgerschaft. – „Gut Ding braucht Weile“, denkt Dekan Bayer, denn immerhin sind 43 Jahre vergangen seit dem ersten Entschluss zur Errichtung eines Hochaltars. 17 Jahre hat man an diesem größten Barockaltar der Oberen Pfalz gearbeitet und über 4.200 fl ausgegeben.

Das Bild Crayers, es ist über 30 m² groß, ist über dem Sakristeieingang der Martinskirche auf der Empore zu sehen. Bis heute blieb es das größte Gemälde Ambergs.

1658 wurde übrigens eine langjährige Verbindung zwischen Amberg und Kaspar Crayer, dem großen Künstler aus Antwerpen (gestorben 1691), angebahnt. Die Martinskirche erhielt noch zwei Bilder dieses Meisters, das große Gemälde der Enthauptung des heiligen Johannes ist jetzt im Turmgewände aufgehängt, ein kleineres Bild, das Maria im Kreis vieler Heiliger zeigt, ist neben dem Sakristeizugang zu bewundern. Auf diesem letzten Bild hat sich der Meister samt seiner Familie selbst dargestellt. Drei Altarbilder der Georgskirche (Kreuzabnahme, St. Ignatius und Franz Xaver) sind von ihm und das prächtige Gemälde mit der Himmelfahrt Mariens im Kongregationssaal ebenfalls.

Das große Bild in St. Martin hat allerhand erlebt. 1703, bei der Belagerung Ambergs, wurde es von einer österreichischen Kanonenkugel völlig zerfetzt. Der heute vergessene Amberger Malermeister Wilhelm hat das Werk eines der besten Rubensschüler so zusammengeflickt und restauriert, dass der Schaden heute sogar Fachleuten nicht mehr erkennbar ist.

Der große Altar Wirschings wurde 1871, als die Martinskirche ihre jetzige, dem gotischen Charakter der Kirche angepasste Ausstattung erhielt, abgebrochen und leider vollständig zerstört. Ein Engelskopf im Museum dürfte der letzte Rest dieses großen, barocken Werkes sein.

Ähnlich wie den Amberger Regierungsräten und dem Dekan im Jahr 1661 erging es den Jesuiten 1768 mit ihrem Hochaltarbild in St. Georg. Der Münchner Hofmaler Schöpf hatte ein neues Altarbild geschaffen. Als man dieses in den vorhandenen Altar einsetzen wollte, war es zu hoch. Die Patres standen vor der Wahl, entweder den Drachen zu Füßen des Kirchenpatrons oder die Hl. Dreifaltigkeit über dem heiligen Georg abzuschneiden. Sie entschieden sich für die 2. Möglichkeit. Der abgeschnittene Bildteil ist im Maltesergebäude aufbewahrt. Der Hochaltar der Georgskirche entspricht übrigens annähernd jenem, den Wirsching für St. Martin schuf.


 

Der Amberger Knödel

1703 kämpfen der Kaiser und seine Verbündeten gegen Ludwig XIV. von Frankreich und Kurfürst Max Emanuel von Bayern um die vielen Länder, welche der kinderlos verstorbene König Spaniens hinterlassen hat. Über ganz Europa weitet sich dieser Erbfolgekrieg aus, und unsere Oberpfalz bleibt nicht verschont. Ende August 1703 rückt der kaiserliche General Herbeville von Böhmen her in die Oberpfalz ein. Das Städtchen Furth im Wald kapi­tuliert nach kurzer Beschießung. Cham leistet länger Widerstand, doch Anfang Oktober muss die Besatzung von 250 Mann die Stadt übergeben. Ohne Gegenwehr rückt Herbeville gegen Westen, denn Kurfürst Max Emanuel liegt mit seinem Heer in Schwaben und denkt nicht daran, seinen oberpfälzischen Untertanen zu helfen. Die Kaiserlichen fühlen sich schon als die Herren des Landes und sind sehr erstaunt, als der Stadtkommandant von Amberg, Graf San Bonifacio, sich weigert, Amberg zu räumen.

Während die kaiserlichen Truppen rings um Amberg Quartier beziehen, reitet General Herbeville mit einigen Offizieren auf den Mariahilfberg, um sich einen Überblick zu verschaffen.

Erfreut ist er nicht über das, was er durch sein Fernrohr sieht. Will man die Stadt erobern, muss man erst Palisaden und spanische Reiter im Vorfeld wegräumen. Dann hat man den Vorwall zu stürmen, ehe man zum tiefen Wallgraben kommt, hinter dem der große Hauptwall droht. Ist der gewonnen, dann steht man vor dem wassergefüllten Stadtgraben. Wie soll man den durchwaten, wenn hinter der Zwingermauer, auf dem Wehrgang der Hauptmauer und in den vielen Türmen entschlossene Verteidiger stehen? Eine rich­tige Festung, dieses Amberg! Man muss schweres Geschütz haben, um diese Mauern zu bezwingen. Sogleich schickt der General einen Offizier nach Nürnberg, um Pulver und Belagerungsartillerie von der Reichsstadt anzufordern. - Gelegentlich kracht unten ein Schuss. „Sind recht aufgeregt, diese Amberger, und haben anscheinend zu viel Pulver“, spötteln die Offiziere.

General Herbeville hat genug gesehen. Nachdenklich wendet er sich zum Gehen und nimmt erst jetzt so richtig die schöne, große Wallfahrtskirche wahr. Langsam steigen die Österreicher die Stufen hinauf und verweilen andächtig vor dem Bild Mariahilf. Als sie gehen wollen, nähert sich etwas verlegen der Prior Pater Bonaventura und bittet die Herren, ins Kloster zu kommen.

Im kleinen Refektorium isst man gerade, und es bedarf keiner langen Rede, dann sitzen die Österreicher mit den Patres vor der dampfenden Schüssel mit Hühnersuppe. Während des Essens plaudert man über die Wallfahrtskirche und ihre Geschichte,

In der Wallfahrtskirche Fronberg bei Hahnbach befindet sich dieses Votivbild, das die Belagerung des Jahres 1703 in vielen Einzelheiten zeigt.

über die noch fehlenden Altäre und die so wertvollen Votivgaben. Der Prior nutzt diese Gelegenheit und bittet den General um ein Wachkommando für Kirche und Kloster. Herbeville ist ungehalten über diesen Wunsch, denn er kommandiert schließlich keine Räuberbande. Unwillig winkt er ab.

Dann kommt das Gespräch auf die bevorstehende Belagerung. Was erzählen die Franziskaner? 2500 Soldaten und 1000 Mann des bewaffneten Landvolks sollen in der Stadt sein. Der General schaut ernst drein. „Was, 60 Geschütze sollen auf den Wällen stehen? So viele haben wir nicht“, meint der General nachdenklich. „Dazu kommt die Bürgerwehr!“, trumpft Pater Bonaventura auf. „Sind tüchtige Leute und wissen sogar mit ihren Geschützen wie richtige Kanoniere umzugehen.“ Doch da kann der General nur lachen: „Aber Herr Pater, von Bäckern, Metzgern und Köchen, die gelegentlich zu Fronleichnam einen Böller krachen lassen, hat die kaiserliche Armee sicherlich nichts zu fürchten.“

Da, ein scharfes Sausen in der Luft, splitterndes Glas, polternde Steine, aufplatzendes Gemäuer und Schreie des Entsetzens! Nachdem sich der Staub in der Stube verzogen hat und sich einige Herren die Hühnersuppe aus den Augen gewischt haben, sehen alle die Bescherung. Da liegt zwischen Scherben der Suppenschüssel und Putzbrocken und Steinen eine glänzende schwarze Kugel auf dem Tisch.

Niemand ist verletzt. Der General fasst sich zuerst. Als er die aufgeregten und erschrockenen Gesichter seiner Umgebung sieht, zwingt er sich zu besonderer Gelassenheit: „Recht habt Ihr, Hochwürden, schießen können diese Metzger und Gastwirte.“

So unfreundlich haben die Amberger 1703 dem kaiserlichen General Herbeville einen besonders harten Knödel zur Hühnersuppe serviert.

Er klopft sich den Staub vom Uniformrock. Pater Bonaventura, noch etwas blass vom Schrecken, antwortet hastig und aufgeregt:

„Ja, da haben Euch diese Böllerschützen einen hübschen Knödel zur Suppe serviert. Seht Euch vor, die haben noch mehr von dieser Art.“ Der General nickt und drängt zum Aufbruch. Als er sich an der Pforte vom Prior verabschiedet, überkommt ihn angesichts der glücklich vorübergegangenen Gefahr der Wunsch,

Über .dem Portal der Bergkjrche hat man die Kanonenkugel, die 1703 die Mahlzeit der Österreichischen Offiziere störte, als Schmuck angebracht.

aus Dankbarkeit jemandem eine Freude zu bereiten. Recht froh fühlt er sich. „Pater, für Eure gut gemeinte Gastfreundschaft sollt Ihr die erbetene Wache haben“, versichert er und fährt schmunzelnd fort, „doch sorgt dafür, dass diese Amberger Schützen Eure Wächter, Euch selbst, Euer Kloster und besonders diese schöne Kirche nicht weiter mit Knödeln traktieren. Übrigens, den Knödel dort, den schenke ich Euch.“ Pater Bonaventura verspricht: „Herr General, den werde ich als Andenken an Eueren Besuch gut aufheben.“ Das tat der Pater. Die schwarze Kugel ist noch immer über dem Kirchenportal zu sehen.

Die Geschichte um diese Kanonenkugel ist eine schöne Erfindung. Schon schießtechnisch war damals so ein gezielter Schuss nicht möglich. Man hat zwar 1704 das Dach der Bergkirche, das versehentlich von den Ambergern getroffen wurde, ausbessern müssen, aber nichts am Kloster. Auch ist in der Chronik des Klosters dieser Wunderschuss nicht vermerkt. Und was geschah wirklich im November 1703?

Nachdem schweres Geschütz aus Nürnberg eingetroffen war, ließ General Herbeville am Martinstag die Stadt mit glühenden Kugeln und mit pulvergefüllten Hohlkugeln „bombardieren“. 40 Wohnhäuser und 80 Nebengebäude brannten völlig aus. Sogar der Martinsturm stand in Flammen, doch gelang es einem Franziskanerpater, das Feuer zu löschen.

Die Schäden am Turm waren jedoch so schwer, dass man ihn 1720 bis zum Glockenstuhl abbrechen musste. Beim Neuaufbau erhielt der Martinsturm seine jetzige Gestalt und Höhe (92 m).

Die Kaiserlichen begnügten sich mit diesem einen Bombardement. An einer Zerstörung Ambergs lag ihnen nichts, an einem Winterquartier dagegen sehr viel. Sie begannen anschließend die Stadtmauer dort, wo jetzt das Kaufhaus Whörl steht, niederzuschießen. Bei der geringen Treffsicherheit der damaligen Geschütze wurden dabei im Laufe des Novembers viele Gebäude beschädigt. Die Belagerer arbeiteten sich in den nächsten Wochen in mehreren Sturmgräben fast bis an den Hauptwall heran. Einem Generalsturm, der für die Stadt die schlimmsten Folgen haben musste, stand nichts mehr im Wege, nachdem ein Stück der Stadtmauer zusammengestürzt war und die Mauertrümmer teilweise den Graben füllten.

Am 28.11.1703 gewährte General Herbeville der Stadt und der Besatzung eine überaus ehrenvolle Kapitulation. Die bayerischen Truppen durften mit allen Waffen, Fahnen und klingendem Spiel nach Regensburg abziehen. Den Bürgern wurde größte Schonung und Rücksichtnahme zugesichert. Die Herren der Regierung konnten in kaiserlichen Dienst treten, sie durften aber auch mit all ihrem Hab und Gut zum bayerischen Kurfürsten ziehen oder in Amberg privatisieren. Die Soldaten des Landaufgebots, zumeist waren dies Bauern der Umgebung, durften sofort heimkehren. Allerdings musste die Stadt 20 000 Gulden Kriegssteuer zahlen.

Die Belagerung von 1703 hat auf beiden Seiten keine großen Verluste verursacht. In Amberg fanden 27 Beerdigungen statt, also nicht mehr als in Normalzeiten. Nur zwei Soldatenbegräbnisse stehen im Sterbe­buch. Die Schäden an den Gebäuden waren schwer. Kaum ein Haus war verschont geblieben. Am Gasthaus Schießl, am Walfischhaus und am Einwohneramt erinnern Kanonenkugeln an das Jahr 1703. Erst 1714, nachdem der Friede von Rastatt den großen Krieg beendet hatte, wurde Amberg wieder bayerisch.


 

Der Haiderschuster und St. Sebastian

Schustermeister Hans-Georg Haider war ein großer Freund und Verehrer des Hl. Sebastian. Diesen tapferen, edlen römischen Offizier, der als großer Helfer in Pestzeiten galt, schätzte er be­sonders. Seit seiner Kindheit war er gerne hinaufgegangen zur Sebastianssäule über der Hockermühle, wo vor 200 Jahren schon eine Kapelle dieses Heiligen gestanden hatte. Leider war sie 1566 von den Bilderstürmern zerstört worden. Alle, die mit ihm zu tun hatten, wussten von seiner großen Verehrung für St. Sebastian. Seinen größten Wunsch, die abgebrochene Sebastianskapelle wieder erstehen zu sehen, den konnte und wollte jedoch niemand erfüllen.

Die Jahre vergingen, Georg Haiders Kinder wuchsen heran. Die Kriegszeit von 1703 brachte ihre Nöte und Sorgen. Dann ging einer seiner Söhne zum Studium der Theologie nach Rom. An einen Wiederaufbau der Sebastianskirche dachte der Schuster kaum mehr.

Da geschah 1708 etwas ganz Unerwartetes. Ein dicker Brief kam aus Rom von seinem Sohn, und was dieser schrieb, das war wirklich nicht zu glauben. Der oberpfälzer Sohn eines Handwerkers war mehrmals von einem vornehmen, würdigen Kurienkardinal eingeladen worden. Der hohe Kirchenfürst hatte bald Gefallen an dem jungen Amberger gefunden und nun verband beide eine enge Freundschaft. Der alte Haider schüttelte darüber verwundert den Kopf. Doch der Brief war noch nicht zu Ende. Sein Sohn hatte dem vornehmen Römer von der abgebrochenen Amberger Sebastianskirche erzählt und von seinem Vater, der so gerne diese Kirche aufgebaut sähe. Was nun folgte, musste der Schuster zweimal lesen. Zwei vollkommene Ablässe hatte der Kurienkardinal vom Heiligen Vater Klemens für die künftige Sebastianskirche erwirkt.

Da lagen nun die beiden wertvollen Dokumente, sorgfältigst geschrieben von der päpstlichen Kanzlei, versehen mit dem päpstlichen Siegel und unterschrieben vom Heiligen Vater. Kaum anzurühren wagte der Schuster diese Dokumente. „Jetzt muss die Sebastianskirche wieder gebaut werden“, freute sich der Schuster.

Doch so einfach ging es nicht. Sicher, die hochwürdigen Herren am Ordinariat zu Regensburg waren über die beiden Ablassbriefe sehr erfreut und gratulierten Amberg zu diesem päpstlichen Gnadenverweis. Sie wiesen aber darauf hin, dass der Bau der Kapelle eine Angelegenheit der Amberger sei.

Dekan Tatzmann zeigte recht wenig Interesse an einem weiteren Kirchenbau in Amberg und zweifelte sogar die Echtheit der beiden Ablassbriefe an. Der Verwalter der Mess-Stiftungen wurde fast böse, als er von der Möglichkeit der Wiederaufrichtung des Sebastiansbenefiziums erfuhr. Da müsste ja ein neuer Benefiziat aufgestellt und bezahlt werden! Gegen den Kirchenbau selbst hätte er nichts. Die Herren des Stadtrates waren natürlich erfreut über die Ablässe und die Möglichkeiten einer Winterwallfahrt in Amberg. Gerne wollten sie die Kirche aufbauen lassen, nur Geld wollten sie dafür nicht aufwenden. Auch die Regierung der Oberpfalz in Amberg begrüßte es sehr, dass St. Sebastian, der allseits verehrte bayerische Landespatron, eine eigene Kirche erhalten werde. Tun könne sie dafür leider nichts. Kurz, alle wollten St. Sebastian jede nur denkbare Ehre erweisen, die dafür nötigen materiellen Opfer aber sollte jeweils eine andere Instanz bringen. Georg Haider konnte es nicht fassen, dass sich in den nächsten 12 Monaten gar nichts tat, außer, dass bei den verschiedenen Behörden Akten über den Fall Sebastianskapelle angelegt wurden.

Da machte er sich selbst ans Werk. Mit einigen freiwilligen Helfern begann er den arg verwachsenen Platz der einstigen Sebastianskapelle abzuräumen. Zwischen Schutthügeln legte er die Fundamente der abgebrochenen Kirche frei und diese Mauern waren so massiv, dass man ohne Gefahr auf ihnen weiterbauen konnte.

Dann stellte Haider einen Opferstock an der Straße nahe der Sebastianssäule für den Bau der neuen Sebastianskirche auf. Ganz besonders freute er sich, wenn immer wieder Bürger zu ihm kamen und ihm auch Geld für den künftigen Kirchenbau brachten. Bald verfügte der bescheidene Schuster über Geldsummen, mit denen er bisher nie zu rechnen hatte. Doch er wusste, Bauen war teuer. Deshalb ging er immer wieder mit einer Opferbüchse durch das Landrichteramt Amberg und sammelte bei den Bauern für seine Kirche. Schließlich legte er am Hohenburger Weg mit Erlaubnis des Grundbesitzers einen Steinbruch an. Freiwillige Helfer stellten sich ein und mit wenig Mitteln konnte man Baumaterial gewinnen. Von all diesen Eigenmächtigkeiten nahmen die Herren der Regierung und des Stadtrats keine Notiz. Immerhin wurde dem Schuster nichts verboten.

Trotz dieser vielen Tätigkeiten hatte der Schuster immer wieder bei Behörden schriftlich angefragt, gemahnt und gedrängt und sich schließlich sogar deutlich beschwert. Endlich wies die hohe Regierung der Oberpfalz in Amberg den Stadtrat an, sich ernstlich mit dem Tun und Treiben Haiders zu befassen. So kam am 10. Juli 1710 eine Konferenz zusammen.

Was die Herren Stadträte hier erfuhren, konnten sie kaum begreifen. Sauber abgeräumt war der Bauplatz. 76 Fuder guter, großer Quadersteine waren aus dem nahen Steinbruch herangeschafft worden. Der Steinbruch war so gut erschlossen, dass man noch alles übrige Baumaterial hier gewinnen konnte. Dann kam die Spendenabrechnung. 150 Gulden hatten Wohltäter dem Schuster ins Haus getragen. 100 Gulden konnte er aus dem Opferstock entnehmen. Fast 180 Gulden hatte Heider bei seinen Bettelgängen über Land von den Bauern erhalten. Man konnte nicht mehr zurück, die Sebastianskapelle musste gebaut werden.

Ein Baumeister wollte Georg Haider jedoch nicht werden, er woll­te als Schuster lieber bei seinem Leisten bleiben. Froh war er deshalb, als Herr Samuel Hetzendorfer, Mitglied des Inneren Rates, Schwarzfärber und Besitzer des Walfischhauses, die weitere Leitung des Bauvorhabens übernahm. Hetzendorfer, ein begeisterter Liebhaber der Baukunst begann sofort mit den Arbeiten. Eng arbeitete er mit Maurermeister Beimbl zusammen, dem Baumeister unserer Bergkirche.

 

St. Sebastian, erbaut 1711 Der Anbau gen Norden entstand 1755

Doch für Haider war damit sein Wirken für St. Sebastian nicht zu Ende. Geld brauchte man weiterhin, und so zog er mit entsprechenden Bescheinigungen und Empfehlungen der Stadt und des Pfarrers durch ganz Bayern und bettelte für den Kirchenbau. Von Waldsassen bis Mühldorf am Inn klopfte er bei Pfarrherren, Stadträten, Märkten und Adeligen an, um einige Kreuzer zu erhalten. 40 bis 50 Gulden brachte er im Durchschnitt von jedem seiner zwölf Bettelgänge heim. Ungefährlich waren diese Reisen nicht, und 40 Gulden in Kleingeld hatten zudem ein schönes Gewicht.

Ein besonderes Erlebnis hat Haider immer wieder erzählt. Im Spätsommer 1712 war's. Er war mit seinem Begleiter, dem Christian Steinmüller bis Wasserburg gekommen. Demütig trugen sie Bürgermeister und Stadtschreiber ihr Anliegen vor und baten in bescheidenen Worten um ein Bauopfer. Die beiden Herren prüften gar kritisch die Bescheinigung der beiden. Dann entfernte sich der Bürgermeister. Zum Erstaunen der beiden Bittsteller kam er mit zwei Stadtknechten wieder und ließ die beiden Amberger abführen. Von Schwindlern und Urkundenfälschern hörten sie noch etwas, und dann saßen sie in finsteren Zellen. Bei der Vernehmung erzählten sie ihre Geschichte und wiesen sogar die Ablassbriefe vor. Doch nichts glaubte man ihnen. Der Papst soll einem Schusterssohn zwei Ablässe haben zukommen lassen, und diese Ablässe für eine nichtvorhandene Kirche ausgestellt haben? Das war einfach unglaublich. Die beiden waren für die Wasserburger raffinierte Lügner und Fälscher, die selbst Urkunden des Heiligen Vaters nachmachen konnten. Nun, der Scharfrichter von Wasserburg würde Arbeit bekommen um sie zum Reden .zu bringen.

Bevor man aber in peinlicher Befragung auf der Folterbank von den vermeintlichen Spitzbuben ein Geständnis erpresste, schickte man einen Boten nach Amberg. Er sollte exakte Auskunft bringen. Zwölf Tage war dieser unterwegs und so lange saß Haider mit seinem Gefährten im Wasserburger Gefängnis bei Wasser und Brot. Der Brief aus Amberg bestätigte natürlich ihre Aussagen, und ihre Unschuld war erwiesen. Mit einer bescheidenen Gabe für die Sebstianskirche ließ man sie wieder ziehen.

Mit großer Freude sah Haider, wie im November 1712 der Rohbau der Kirche völlig unter Dach kam. Noch 1712 konnte er die erste Messe in der kleinen Kirche besuchen und zu Sebastiani 1713 wurde erstmals der Ablass verkündet. Schon 1712 hatte der Bischof ein Benefizium für diese Kirche genehmigt. Der Haiderschuster hatte für den Heiligen Sebastian wieder eine Kirche in Amberg erstehen lassen.Auferstandener.jpg

Diese unwahrscheinliche Geschichte ist völlig durch Archivalien belegt. Man kann freilich die Haltung des Pfarrers Tatzmann bis zu einem gewissen Grad verstehen. Immerhin waren in Amberg ab 1690 die Kirchen der Franziskaner und Jesuiten prächtig neu ausgestattet worden, dann hatten die Salesianerinnen ein neues Kloster samt Kirche erhalten und auch die Paulaner bauten fest an ihrem Kloster. Ab 1696 war die Wallfahrtskirche Mariahilf neu gebaut worden und in allen anderen Kirchen Ambergs besonders in der Martinskirche, hatte man viel für eine gediegene Inneneinrichtung geopfert.

Ab 1703 herrschte Krieg. Die Schäden der Belagerung konnten nur allmählich behoben werden, denn Einquartierungen und Kriegsabgaben gelasteten die Bürger noch lange. Erst 1715 erhielt die Kapelle ihren Hochaltar und erst 1722 bekam sie Seitenaltäre und Kirchenbänke.

Sebastiansfigur.jpgNach der Vollendung des Neubaus der jetzigen Sebastianskirche erfahren wir nichts mehr von Hans-Georg Haider. Auf dem Gedenkstein über dem Kirchenportal werden die Leistungen des Ordinariats, des Stadtrats und der Regierung gerühmt. Haiders  Namen suchen wir vergebens. Schließlich hat er ja gerade nur ein Drittel der Gesamtbauausgaben beigebracht.

Lange Zeit standen die Sebastianskirche und ihr Mesnerhaus allein und einsam zwischen den Feldern und Wiesen über der Hockermühle am alten Weg nach Hohenburg bzw. Velburg. Inzwischen sind ab 1920 nicht nur einzelne Häuser, sondern ganze Wohnviertel und eine große Kaserne – inzwischen eine Wohnablage - hier errichtet worden. Nach der kleinen Kirche heißt das südlich anschließende Wohngebiet heute Sebastiansviertel. Die Kirche selbst wurde 1982/85 gründlich restauriert.

 


 

Die Belagerung Ambergs im Österreichischen Erbfolgekrieg 1745

Das Kriegsjahr 1744, das 4. des großen Krieges um das Habsburger Erbe, ging zu Ende. Die preußische Armee, die im August in raschem Siegeslauf Böhmen erobert hatte, lag nun nach verlustreichen Rückzugskämpfen mit den Truppen der habsburgischen, ungarischen Königin Maria Theresia in Schlesien im Winterquartier. Die mit Friedrich II. von Preußen verbündeten Bayern und Franzosen hatten ab August 1744 nach und nach fast kampflos jene Gebiete Süddeutschlands besetzt, welche die kgl. ungarische Armee, die aus österreichischen, böhmischen und ungarischen Einheiten und Scharen von Panduren und Kroaten bestand, freiwillig geräumt hatte. Am 20. September hatte Graf Nadasti mit 600 Kroaten Amberg, das die Truppen Maria Theresias seit 1743 besetzt hatten, verlassen, nachdem er durch die Androhung der Plünderung 4000 fl von den Bürgern erpresst hatte.

Die österreichischen und ungarischen Verbände, die zuerst im Laufe des Jahres über den Rhein und weit in Frankreich vorgerückt waren, dann aber in Eilmärschen quer durch Süddeutschland nach Böhmen gegen Friedrich II. ziehen und kämpfen mussten, richteten sich in Schlesien und Böhmen für den Winter ein. Nur das Korps Bärnklau kehrte anfangs Dezember nach Bayern zurück in das Gebiet zwischen Regen und Donau, das die Österreicher erst vor knapp drei Monaten verlassen hatten. Um die Weih­nachtszeit besetzten Panduren sogar Burglengenfeld.

Zuversicht in Amberg

In Amberg, der stark befestigten Hauptstadt der Oberpfalz, machte man sich wegen der Kroaten und Panduren Bärnklaus keine Sorgen. Seit 3. Dezember lagen 300 Hohenzollern-Dragoner, 350 Morawitzky-Grenadiere und 400 Kommandierte des Regiments Comte de Sax in Amberg. Stadtkommandant war General d'Envie. Alle Bürger waren bereit, ihre Stadt zu verteidigen. Auch 80 Studenten des Jesuitengymnasiums hatten abenteuerlüstern Schreibzeug und Bücher mit Flinte und Säbel vertauscht und übten eifrig mit diesen Waffen.

Eifrig besserte man Schanzen und Mauern aus. Besonders bemühten sich die Bürger um die Kanonen, welche die abziehenden Ungarn im September in den Stadtgraben gekippt hatten. Man wollte gerüstet sein. Mit Kämpfen während des Winters rechnete jedoch nie­mand. Voll Zuversicht sah man dem kommenden Jahr entgegen, denn der bayerische Kurfürst und Landesherr, Kaiser Karl-Albrecht, war an der Spitze seiner Truppen wieder in seine Hauptstadt München zurückgekehrt. 40000 Mann zählte die kaiserliche Streitmacht, die gegen Inn und Donau vorrückte und in Ingolstadt einen Teil der kgl. ungarischen Armee einschloss. Nach der Winterruhe musste 1745 die Entscheidung zu Gunsten des Wittelbachers fallen.

Winterfeldzug gegen Amberg

An Silvester jedoch überschritt das Korps des Generals von Thüngen, rund 16000 Mann stark, von Böhmen her die Grenze. Es sollte in der Oberpfalz Winterquartier beziehen und die Verbindung mit der kgl. ungarischen Besatzung in Ingolstadt herstellen.

Auch Bärnklaus Husaren rührten sich. Am 2. Januar 1745 besetzten sie Hirschau und ritten gen Amberg. Zur gleichen Zeit wollten Dragoner der Amberger Garnison die Lage in Hirschau erkunden. Bei Steininglohe trafen die Reiter aufeinander. Die Vorhut der Ungarn wurde zersprengt. Dann trabten stärkere Husarenhaufen an und hetzten in wilder Jagd durch Ammersricht und über den Galgenberg hinter den Kaiserlichen her.

Tags darauf ritten die Rotmäntel Bärnklaus gegen das Nabburgertor und wechselten Schüsse mit der Wache, bis die Dragoner ausrückten. Diesmal waren die Husaren die Ge­jagten. Erst bei Lengenfeld endete die Verfolgung.

Amberg galt schon im 16. Jahrhundert laut Michael Schwaigers Chronica als „festeste Fürstenstadt" im Reich. Der bayerische Kurfürst Max ließ im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) rund um die Alt­stadt ausgedehnte Erdwerke, also Schanzen, Wälle, Gräben und Bastionen errichten und Amberg zur stärk­sten Festung Nordbayerns ausbauen. Hunderte von Bauern aus der gesamten Oberpfalz mussten monatelang Hand- und Spanndienste leisten, und auch Bürger und Soldaten waren zum Schanzen verpflichtet. Und der Erfolg? Amberg war eine der wenigen Städte Bayerns, die im Dreißigjährigen Krieg nicht einmal belagert wurden.

Im Spanischen Erbfolgekrieg wurden Mauern, Türme und Erdwerke von 1701 bis 1703 gründlich überholt, und die Stadt konnte über vier Wochen einer Belagerung durch kaiserliche und fränkische Truppen widerstehen. Nachdem Bayerns Kurfürst Max-Emanuel nichts unternahm, um den Belagerungsring zu sprengen, konnte die Garnison ehrenvoll kapitulieren.

Eine letzte, sehr aufwändige Erweiterung der Erdwerke ließ im Österreichischen Erbfolgekrieg Kurfürst Karl-Albrecht von 1741 bis 1743 durchführen. Sie bewährte sich bei der Belagerung 1745, von der hier berichtet wird.

Am 4. Januar blieben Ambergs Tore geschlossen und die Zugbrücken aufgezogen. 16 Ge­schütze wurden in Stellung gebracht. Zwei hatte d'Envie nebst vielen Kugeln und reichlich Pulver von der bayerischen Festung Rothenberg nördlich Hersbruck, holen lassen. Es wurde ernst. Von Thüngen rückte gegen die Naab vor.

In Amberg blieb man gelassen. Kaiser Karl-Albrecht hatte jede mögliche Hilfe zugesagt. 16 französische und zwei pfälzische Bataillone und 16 Eskadrons Kavallerie sollten zwischen Kelheim, Hemau und Neumarkt aufmarschieren, Amberg notfalls zu Hilfe kommen und die Einschließung Ingolstadts sichern.

Wingershofertor.jpg

Wingershofertor um 1745

 

Vor der mittelalterlichen Stadtbefestigung, also vor Stadtmauer, Zwinger, Stadttor und Stadtgraben war um 1640 die große Wingershofertorschanze errichtet worden. Mit dem Tor war sie durch eine Zugbrücke verbunden. Wie bei allen Amberger Toren befanden sich in dieser Bastion das Wachlokal der Soldaten und das städtische Zollhäuschen. Dann war noch Platz für die Aufstellung von Ge­schützen, und für Ausfälle konnten sich hier die Soldaten versammeln. Auch die Schanze war von einem tiefen, breiten Graben umgeben. Durch ein gemauertes Tor im Hauptwall und über eine weite­re Zugbrücke kam man in den Vorhof der ein einfaches Tor hatte und von Palisaden begrenzt war. Palisaden begrenzten übrigens die gesamten Erdwerke und bildeten das erste Hindernis für den An­greifer. Zwischen 1741 und 1743 mussten viele Tausende fester Pfähle aus den Wäldern um Amberg geholt und auf der gegen drei Kilometer langen Strecke in den Boden gerammt werden.

Am 5. Januar bezog von Thüngen Quartier in Pfreimd, und am 6. überschritten seine Ver­bände die Naab. Am Nachmittag ritt er selbst mit vielen Offizieren über Galgenberg und Mariahilfberg nach Drahthammer, um Amberg in Augenschein zu nehmen. Er sah, dass an den Schanzen emsig gearbeitet wurde, besonders an jenen bei St. Georg. - Ambergs schwächste Stelle? - Man zählte die Geschütze und wurde nachdenklich. Selber hatte man nur leichte Feldstücke. Allen war klar, kein Offizier von Ehre konnte einen solchen Platz kampflos übergeben. In Steiniglohe bezog man Quartier.

Vom Martinsturm hatte man diesen Erkundigungsritt gut beobachten können. Herrn d'Envie war klar, was der oberpfälzischen Hauptstadt bevorstand.

Am 7. Januar rückte das kgl. ungarische Korps Thüngens gen Amberg. Am Hang des Mariahilf­bergs entstand das Hauptlager. Man hob Erdgruben aus, deckte sie mit Astwerk und Stroh ab, bezog Gartenhäuschen und quartierte sich in den Kellern am Bergweg ein. Das Dra­gonerregiment Ballayra hatte das Belagerungskorps gegen Überraschungsangriffe der Neumarkter Garnison abzusichern. Über die Brücke bei Drahthammer, alle anderen waren auf Befehl d'Envies zerstört worden, zogen die Reiter ab, Ziel: Ursensollen.

Gefechte zwischen Ullersberg und Kastl

Inzwischen hatte der französische Stadtkommandant in Neumarkt vom Vormarsch Thüngens gegen Amberg erfahren. Am 6. bekam er die Anweisung, die Garnison in Am­berg zu verstärken. Noch am Spätnachmittag rückte Oberst Cocheret mit 900 Grenadieren ab und dürfte in Trautmannshofen die Nacht verbracht haben. Bei grimmiger Kälte und miserablen Wegverhältnissen war's ein beschwerlicher Marsch. Am 7. Januar, als die Sonne schon tief im Westen stand, erreichten die Franzosen die Albhöhe bei Ursensollen. Sie sahen den Mariahilfberg, das Wahrzeichen Ambergs. Nur 1 1/2 Stunden Marsch trennten die müden Marschierer von ihrem Ziel. Cocheret ahnte keine Gefahr und ließ seine Soldaten in Ursensollen, Ullersberg und anderen nahe gelegenen Orten Quartier nehmen. 

Es war eine böse Überraschung für die ungarischen Dragoner, die sich in Ullersberg und Ursensollen gerade häuslich einrichteten, kochten und die Pferde fütterten, als unvermutet französische Grenadiere über sie herfielen. Kurz war der Kampf, allgemein das Flüchten, dann konnten die Sieger sich über die erbeuteten Pferde, Waffen und Monturen freuen und in die schon vorgewärmten Quartiere rücken. Endlich ausruhen! - Zwischen den Häusern lagen einige tote Dragoner, die ersten Opfer.

Noch bei Dämmerlicht sprengten königlich-ungarische Reiter in die Dörfer, stachen und hieben auf die überraschten Franzosen ein, verfolgten die Fliehenden und machten 50 Ge­fangene. Viele Tote blieben auf dem weiten Gefechtsfeld. Nur noch knapp 400 seiner versprengten Leute konnte Oberst Cocheret im Schutz eines Waldes sammeln. Eiligst führte er sie gen Westen.

Die Ballayra-Dragoner waren schneller. Noch vor Kastl stellten sie die Schar Cocherets. Der Oberst deckte mit einigen Soldaten den Rückzug der Seinen, bis er tödlich getroffen zusammenbrach. Was den Reitern entkommen konnte, sammelte sich in der alten Kastler Klosterburg. Am Morgen des 8. Januars kapitulierten die Letzten der Einheiten Coche­rets. 11 Offiziere und 173 Soldaten mussten nach Pilsen ins Gefangenenlager marschieren.

D'Envie in Amberg wusste zu dieser Zeit bereits, was geschehen war. Ein Bauer hatte ihm vom Anmarsch der Franzosen berichtet. Der General hatte erwartet, Cocheret würde bis Amberg durchmarschieren und hat ihm als Geleit die Amberger Dragoner entgegenge­sandt. Diese hatten im Plechholz nahe Atzlricht gewartet und waren, als sie Gefechtslärm vernahmen, gegen Ursensollen geritten, um festzustellen, dass niemand mehr da war, dem sie helfen konnten. Wie durch ein Wunder konnten sie unerkannt zwischen gegnerischen Kolonnen in der Nacht wieder in die Festung Amberg zurückgelangen.

Groß war die Enttäuschung der Amberger, als im Laufe des 8. Januars die Kunde vom blutigen Geschehen bei Ursensollen und Kastl durchsickerte. Siegeszuversicht weckte dagegen die Nachricht von den Kämpfen am 7. und 8. Januar bei den Verbänden der ungarischen Königin Maria-Theresia.

Die erste Belagerung

Am 8. Januar rückten vormittags erstmals kgl. ungarische Truppen über den Galgenberg stadtwärts. Sie erlitten einige Verluste, als die Ziegeltorbatterie das Feuer eröffnete. Am Nachmittag wurde d'Envie zur Übergabe der Stadt aufgefordert, prompt folgte die Ablehnung. Kurz darauf ließ der Stadtkommandant durch seine Dragoner die Ziegelei vor dem Ziegeltor, die den Belagerern leicht als Unterkunft und Deckung hätte dienen können, zerstören und niederbrennen.

Von den Flammen alarmiert eilten Panduren und Kroaten der Brandstätte zu. Wieder donnerten die Amberger Kanonen. Ohne Verluste kehrten die Dragoner zurück. Es kam die Nacht. Während in der Ruine der Ziegelhütte das Feuer allmählich verlosch, flammten rings um die Stadt allüberall Lagerfeuer auf, an denen sich frierende Soldaten wärmten.

Am 9. Januar besserten die Soldaten Thüngens die Obersdorfer Brücke aus und arbeiteten den ganzen Tag und noch lange in die Nacht hinein an Geschützstellungen beim Keller­weg und bei St. Katharina. 14 leichte Regimentsstücke, zwei Achtpfünder und drei Sechspfünder wurden in die Schanzen gebracht.

Am 10. Januar begann früh um acht Uhr die Beschießung der Stadt. Fünf Geschütze donnerten gegen die Stadtmauer bei St. Georg. Alle anderen Kanonen schossen glühende Kugeln in die Stadt.

Die städtische Feuerordnung bewährte sich. Sauste so ein Feuerball in ein Gebäude, dann rannte man mit Löscheimern los, um durch Wassergüsse ein Unheil zu verhindern. Fehlte es an Wasser, tats auch Mist von der nächsten Düngerstätte. Mit Jaucheschöpfern holte man die tückischen Geschosse aus Scheunenecken und Dachgewinkel.

Das „Feuereinwerfen" sollte den Widerstand der Bürger brechen. Allerdings wollte von Thüngen 1745 nicht die Zerstörung der Stadt, die er als Winterquartier für seine Truppen vorgesehen hatte. Mit großem Einsatz und wohl auch einigem Glück verhinderten die Bürger 1745 bei zwei Beschießungen den Ausbruch größerer Brände. Mit Wassereimern, Mistladungen, Jauchschöpfern und Hacken gingen sie gegen die glühenden Kanonenkugeln vor.

 

Loeschen

 

Rasch waren die Bürger mit diesen Löscharbeiten vertraut. In eifriger Betriebsamkeit riefen sich die Löschmannschaften die Zahl der abgekühlten „Knödel" zu. Allgemeine Heiterkeit gab es, als Halbwüchsige die abgelöschten Kanonenkugeln zu den bayerischen Geschützen auf den Wällen schafften, und die Kanoniere die österreichischen Geschosse unter Blitz und Donner an die Absender zurücksandten.

Hunderte glühender Eisenkugeln schlugen in die Stadt, keine Feuersbrunst entstand. Durchlöcherte Dächer, angeschlagene Hauswände aber gab es in jeder Gasse. Arg ruiniert war das Dach des Schlosses. Schlimm sah es beim Schwanenwirt und beim Türkenwirt aus. Besonders häufig war das Jesuitengebäude getroffen worden. Fast unbeschädigt hatte da­gegen die davor liegende Stadtmauer den Tag überstanden. Die leichten Geschütze konn­ten von St. Katharina her nichts ausrichten. Einige Sturmkolonnen näherten sich zwar der Georgsschanze, die Artillerie der Amberger zwang sie zum Rückzug.

Georgenschanze_6

Die Batterie auf dem Georgsfriedhof ist noch weitgehend erhalten.

 

Es dämmerte stark, als die letzten Feuerkugeln wie böse Sterne in die Stadt stürzten. Dann brachten die österreichischen Kanoniere die Geschütze zurück in das Hauptlager. Dort war man sehr unzufrieden mit den Ergebnissen dieses Tages.

Nochmals bot Thüngen eine ehrenvolle Kapitulation mit freiem Abzug an: Erneute Ablehnung.

Wache

Wache in der Stadt

Bei „erschröcklicher Winterskälte" wurden neben den Soldaten der Garnison auch die bewaffneten Bürger und sogar die knapp 16jährigen Studenten des Jesuitengymnasiums „mit Leibs- und Lebensgefahr" als Wachen eingeteilt. Pechpfannen hatten nachts in der Stadt die Straßen zu erhellen.

In Amberg wurden die Fenster rasch dunkel, höher aber loderten rings um die Stadt die Lagerfeuer, und über Stadt und Land funkelten in seltener Klarheit die Sterne einer kalten Winternacht.

Beängstigende Vorbereitungen, eine bange Nacht

Am Morgen des 11. Januars sahen die Bürger, dass alle Geschütze vor der östlichen Stadt zusammengezogen waren. Sollte hier wie 1703 Bresche geschossen werden?

Dann meldete der Türmer, dass im Lager draußen Sturmpfeiler zusammengenagelt wurden und Fuhrwerke voll Leitern aus den Dörfern eintrafen. Leitersturm also! Das hieß Kampf Mann gegen Mann und - falls dem Ansturm nicht standgehalten wurde - Plünde­rung, Brand und Tod in der Stadt. Angst und Mutlosigkeit erfasste viele Amberger. Das Wasser im Stadtgraben war gefroren und war kein Hindernis mehr.

D'Envie aber vertraute auf die Festigkeit und Höhe der Stadtmauer und die Stärke der eigenen Artillerie, Bürger und Studenten ließ er auf die Wehrgänge rücken, die Soldaten sammelten sich als Eingreifgruppen von je 200 Mann bei den Toren. Bei angespannter Auf­merksamkeit verging der Tag.

Schlimmer wurde die Nacht. Unruhig flackerten draußen die vielen Lagerfeuer. In der Stadt qualmten auf Befehl d'Envies allüberall Pechpfannen und jagten unheimliche Schatten durch die Gassen. Angestrengt starrten und lauschten die Posten in die Finsternis. Laut ging’s zu vor den Schanzen. Eine Frau verlor schließlich die Nerven. Schreiend flüchtete sie durch die Stadt und löste beinahe eine allgemeine Panik aus.

Die Morgensonne des 12. Januar beendete alle Ängste der Nacht und alle Besorgnisse. Sie beschien einen menschenleeren Berghang. Jetzt wusste man die Ursache der nächtlichen Unruhe vor den Schanzen. Gegen Mitternacht waren die österreichischen Einheiten abgerückt. Die Franziskaner vom Bergkloster konnten davon berichten.

Erst kaum fassbar, dann aber um so erfreulicher fanden die Bürger diesen Wechsel. War’s ein Wunder? Wer hatte das bewirkt? War’s die eigene Tapferkeit? In gehobener Stimmung befolgte man die Befehle d'Envies und verbrannte im ehemaligen Lager alles, was brennbar war, vom Sturmpfeiler bis zum Strohbüschel. Dann hieb man alles nieder, was die freie Sicht behindern konnte: Bäume, Hecken und Zäune, Hopfengärten und Garten­häuser. Keine Deckung, kein Unterkommen, ja nicht einmal Brennholz sollten die Solda­ten Maria-Theresias bei einer Rückkehr vorfinden. Viel Holz brachte man in die Stadt, denn bitter kalt war es. Kaum vorstellbar, dass Kroaten und Panduren noch mal in Eis und Schnee vor Amberg biwakieren würden.

Die Entscheidung, Neumarkt

Während die Amberger alle Ängste aus der Erinnerung an die kurze Belagerung ver­drängten und sich als kühne Verteidiger fühlten, zog von Thüngen mit 6000 Mann und einigen Geschützen gen Neumarkt. 1600 Franzosen zählte die dortige Garnison. Würden sich die anderen Truppen des kaiserlichen Landesherrn, die schon im Altmühltal standen, mit der Neumarkter Streitmacht vereinen, dann war eine weitere Belagerung Ambergs unmöglich, dann konnte der Blockadering um Ingolstadt nicht durchbrochen werden.

Schnee und Frost erschwerten den Marsch der kgl. ungarischen Truppen. Am 12. Januar erreichte man gerade Kastl. 6000 Soldaten drängten in die Häuser des Marktes. Am 13. war man in Pilsach, ein noch beengteres Nachtquartier. Dennoch besser als das Schneefeld vor Amberg.

Im festen Neumarkt dachte man an keine Gefahr. Die Garnisonen in Dietfurt und Beilngries fühlten sich sicher. Man wartete auf besseres Wetter und nahm an, Thüngen verhielte sich ebenso.

Doch am 14. Januar stand Thüngen vor Neumarkt und forderte die Übergabe der Stadt. Man lehnte ab. In der Nacht zum 15. brachten die Angreifer in aller Stille ihre Kanonen in das Kapuzinerkloster, kaum einen Steinwurf vor der Stadtmauer. Am frühen Morgen begann aus geschützter Stellung und ganz kurzer Entfernung das Brescheschießen. Gegen Mittag klaffte eine breite Bresche in der Mauer. Jetzt kapitulierte die Garnison. 1600 Sol­daten zogen in Gefangenschaft, mehrere Fahnen, über 400 Pferde und reichlich Vorräte an Waffen und Verpflegung fielen in die Hände der kgl. ungarischen Armee.

Am gleichen Tag mussten französische Truppen Hemau den Soldaten Bärnklaus über­geben. Der Rückzug der Kaiserlichen und Franzosen über die Donau war die Folge dieser beiden Ereignisse. Der Weg nach Ingolstadt war frei für Bärnklaus Reiter.

Amberg war nun neben der Veste Rothenberg der einzige Waffenplatz des Kaisers und seiner Verbündeten in Nordbayern, eine Insel inmitten des Habsburger Machtbereichs, kaum erreichbar für bayerisch/französische Verbände und völlig auf sich gestellt.

Die Regierung in Amberg und der Stadtkommandant erfuhren rasch von dieser entschei­denden Änderung der Lage, verheimlichten sie aber der Bürgerschaft und der Garnison.

Lagerfeuer

Ungarische Wachposten

Sehr zu leiden hatten bei der grimmigen Winterkälte die Soldaten der kgl. ungarischen Armee. Viele mussten die Nächte unter freiem Himmel verbringen. Um mächtige Lagerfeuer, die Hopfenstangen, Obstbäume und Zäune verzehrten, lagerten die Wachen.

Die Untertanen holzten also weiterhin voll Siegeszuversicht ihre eigenen Obstgärten ab und ruinierten befehlsgemäß ihre Gartenhäuser. Begierig wartete man auf Erfolgsmeldungen.

Thüngens Korps marschierte inzwischen bei klirrender Kälte über Kastl nach Sulzbach. Dort ergänzte man die Munitionsvorräte. Schweres Belagerungsgeschütz fand Thüngen nicht vor, er musste sich mit einigen Mörsern begnügen.

Die zweite Belagerung

Allgemeine Bestürzung in Amberg, als am 19. Januar völlig unerwartet die gefürchteten Husaren die Stadt blockierten. D'Envie hätte nun doch gerne gewusst, ob die Stadt weiterhin verteidigt werden solle. Einer seiner Offiziere, Oberleutnant von Bernzoll, erbot sich, aus München neue Anweisungen einzuholen. Am 20. Januar, kurz bevor die Stadt ganz von der Außenwelt abgeschnitten war, brach er als Bauer verkleidet, zu seinem gefähr­lichen Botengang auf.

Am 21. begannen die Belagerer zwischen der Ruine der Ziegelei und dem Kellerweg, kaum 100 Schritte vor der Stadtmauer, ein mühsames Graben und Pickeln. Steinhart der Boden! Der Wall erreichte keine ausreichende Höhe, auf einen Deckungsgraben musste man verzichten. Bis tief in die Nacht schufteten die Soldaten. Die Schanze blieb auch am 22. unvollendet. Schanzkörbe wurden als Notbehelf aufgestellt, doch womit sollte man sie füllen? Tief durchgefroren war das Erdreich. Mit einigen Fuhren Mist aus den nahen Dörfern behalf man sich schließlich.

In der Stadt herrschte Wachsamkeit. Die Schanzarbeiten der Belagerer störte man durch überraschende Feuerüberfälle. Was konnte man noch tun? Ein Befehl d'Envies ließ Glockengeläute, Uhrenschlag und Nachtwächter verstummen. Die Zeit stand trotzdem nicht still.

Am 23. Januar morgens schafften die österreichischen Kanoniere sieben Geschütze in die Schanze und begannen mit der Beschießung der Stadtmauer. Gleichzeitig schleuderten andere Kanonen glühende Kugeln vorwiegend in die untere Stadt links der Vils. Mörser verschos­sen Bomben von rund 70 Pfund.

Mit den glühenden Kugeln wussten die Bürger umzugehen. Die Bomben aber, diese mit Pulver gefüllten Hohlkugeln, brachten Verwirrung. Sie durchschlugen nicht nur Dächer und Zimmerdecken, sie zerfetzten bei ihrer Explosion Dächer, Riegelwände, Fenster und Zimmereinrichtungen. Frauen und Kinder suchten angsterfüllt in den massiven Gewölben der Klöster Schutz. - Glücklicherweise sah man die Bomben beim Heranfliegen und konnte in Deckung gehen.

Wieder hatte man Erfolg, nur einige Häuschen beim Türkenwirt brannten aus. Beschädigte Häuser gab es freilich in jedem Stadtviertel. Auf der Wart war fast jedes Gebäude mehrmals getroffen worden. Den Schwanenwirt hatte es auch diesmal erwischt.

Über 1000 Bomben und Kugeln schlugen in die Stadt, doch hätte es keine Verluste gegeben, wäre nicht ein geltungsbedürftiger Soldat bei einer Bombe stehen geblieben, um die Explosion abzuwarten.

Verlustreicher war der Tag für die Belagerer. Die Amberger hatten Geschütz- und Gewehrfeuer besonders auf die vorgeschobene, ungenügend ausgebaute Geschützstellung konzentriert. Im Laufe des Vormittags fielen dort zwei der Geschütze aus. Unter Lebensgefahr mussten Sanitäter 30 tote oder verwunderte Kanoniere aus der Schanze holen. Gegen 12 Uhr stellten die restlichen fünf Geschütze das Feuer ein. Es fehlte an Artilleristen. - Die Stadtmauer wies kaum Schäden auf.

Nein, Amberg war nicht wie Neumarkt mit leichter Feldartillerie zur Übergabe zu zwingen. Zwar hatte Thüngen schwere Geschütze in Passau angefordert, und bis Schwarzenfeld waren sie schon gebracht worden. Wegen der Schneeverwehungen war es jedoch völlig ungewiss, wann sie vor Amberg eingesetzt werden konnten. Durfte man die Belagerung fortsetzen? Durfte man die Soldaten länger in Eis und Schnee kampieren lassen? Die Kälte hatte bereits mehr Todesopfer gefordert als die Kugeln der Amberger. - Die Lage war bedenklich.

Ausfall der Amberger

Die Lage wurde kritisch. Um 4 Uhr senkte sich die Zugbrücke des Ziegeltors, und 200 Freiwillige, und zwar Dragoner und Grenadiere, Bürger und Studenten, erstürmten die österreichische Geschützstellung. Die schwache Besatzung floh. Alle Geschütze waren schon vernagelt und unbrauchbar, als man im Lager endlich Alarm schlug. Trotz heftiger Angriffe von Panduren und Kroaten gelang auch der Rückzug, denn die Amberger Geschütze beherrschten das Feld. Nur sieben der Freiwilligen waren verwundet worden.

Jubel in der Stadt! Wann hatte die kaiserlich-bayerische Armee in diesem unglückseligen Krieg ähnliche Erfolge errungen? Grund zum Trinken, Grund zum Feiern! Noch im Laufe des Nachmittags entstand ein langes Gedicht vom erfolgreichen „Lerchenfang" der „heldenmütigen bayerischen Löwen".

Kanonen

Am Nachmittag des 23.1.1745 überfielen die Amberger die österreichische Geschützstellung und vernagelten fünf Kanonen.

Ab 6 Uhr abends verschossen die Belagerer ihre restlichen Bomben und verdarben bis 2 Uhr nachts die Nachtruhe bzw. die Siegesfeier der Bürger. Während dieses Spektakels ließ Thüngen die unbrauchbaren Geschütze nach Ammersricht schaffen.

Gegen Morgen wurden auch die Mörser abtransportiert. Gleichzeitig rückten die ersten Einheiten der kgl. ungarischen Armee in bessere Quartiere ab. In Amberg bemerkte dies niemand.

Ende der Belagerung

Thüngen erachtete ein weiteres Ausharren vor den Wällen Ambergs als sinnlos. Eine Blockade der Zufahrtsstraßen musste vorerst genügen. Ausschlaggebend für den Abbruch der Belagerung war neben den Misserfolgen des 23. eine Nachricht, die dem österreichischen General am Abend dieses schlimmen Tages von einer Eilstaffette ins Bergkloster gebracht worden war. Kaiser Karl-Albrecht war tot. Das Ableben dieses Wittelsbachers, dessen Ehrgeiz den Krieg entfacht hatte, konnte zu Friedensverhandlungen führen, und die wollte man in anständigen Unterkünften abwarten.

Am 24. ließ Thüngen durch zwei Franziskaner des Bergklosters d'Envie von diesem wichtigen Todesfall unterrichten. Misstraute der Stadtkommandant dieser Botschaft? Er behielt diese Mitteilung für sich und ließ durch Wachen verhindern, dass die Patres mit Bürgern sprechen konnten. Bürger und Soldaten sollten diese schlimme Botschaft nicht erfahren.

Am Nachmittag befahl der Stadtkommandant einen Ausfall gegen den Kellerweg und ließ ein Gartenhaus am Berghang abbrennen. Seltsam! Einige Rotmäntel beobachteten zwar diese Aktion, aber Widerstand leistete niemand. Wieder fühlten sich die Amberger als Sieger, denn ohne Verluste konnten sie in die Stadt zurückkehren. Am Abend näherten sich Soldaten des Regiments Kolowrat den Toren der östlichen Stadt. Wieder blitzte und donnerte es von den Wällen Ambergs. Wieder ein Erfolg, die Soldaten Maria Theresias, der Königin von Ungarn, zogen sich eiligst zurück.

Die kriegerische Begeisterung in der Stadt schwoll nach den Erfolgen dieser Tage mächtig an. In den Wirtshäusern hatten die Strategen des Biertischs bereits die Oberpfalz befreit. Generalausfall! Sturm auf das gegnerische Lager! Offene Feldschlacht mit den kgl. ungarischen Truppen! So überboten sich die kühn gewordenen Bürger. Alles wollte man wagen und einsetzen für den Kaiser und Landesherrn. - Der aber lag prunkvoll auf­gebahrt in der Münchner Residenz, allen irdischen Nöten und Wünschen entrückt. - Vor Ambergs Wällen lagen dürftig mit Stroh und Kiefernzweigen bedeckt unter hohem Schnee die Opfer der letzten Tage. Ein ordentliches Begräbnis war im gefrorenen Boden nicht möglich.

Abmarsch der Garnison - Kapitulation

Rückblickend waren Anstrengungen und Opfer beider Seiten während dieser zweiten Belagerung tragische Nutzlosigkeiten. Noch bevor General von Thüngen mit dem Brescheschießen und „Feuereinwerfen" am 23. 1. beginnen ließ, war ihm Amberg bereits vom bayerischen Oberkommando überlassen worden. Ehe d'Envie durch den kühnen Aus­fall am 23.1.1745 die Belagerer so schwächte, dass sie nicht mehr mit einer raschen Er­oberung Ambergs rechnen konnten, hatte man in München für ihn und seine Soldaten den Marschbefehl nach Niederbayern ausgefertigt.

Oberleutnant von Bernzoll kam am Morgen des 25. Januars mit den angeführten Anweisungen aus München zurück. Eine unglaubliche Leistung übrigens. Einen Teil der Gesamtstrecke hatte er zu Fuß unter ständiger Gefahr der Entdeckung durch österreichische Streifen bewältigen müssen. Erst zwischen Donau und der Residenzstadt hatte er in raschem Wechsel Armeepferde benutzen können. Bei schneidender Kälte und tiefem Schnee aber war das Reiten kein Vergnügen.

Vom Tod des Kaisers hatte d'Envie jetzt volle Gewissheit, von ihm selbst aber erwartete man, dass er die Amberger Garnison der bayerisch-französischen Armee in Niederbayern zuführe.

Es wurde ein aufregender Tag. Um 5 Uhr nachmittags Regierungskonferenz; bedenk­liche Mienen bei den Herren Räten, als sie die neueste Lage erfuhren. Um 6 Uhr Appell für die Soldaten auf dem Marktplatz. Marschbereit! Die Soldatenfrauen hatten mit ihren Kindern und ihrem Gepäck in den Quartieren zu bleiben. Dann Appell für die bewaffneten Bürger. Frohgemut und wohlbewaffnet fanden diese sich ein. Es war so weit! Generalausfall! Vertreibung der Belagerer! - Dachten sie.

Erschüttert waren Bürger und Soldaten, als ihnen der Tod des Kaisers mitgeteilt wurde. Entsetzt waren alle, als der Befehl zum Abmarsch der Garnison kam. In Eile wurde das Notwendigste von den Soldaten verpackt. Alle Kanonen bis auf drei, die man mitnehmen wollte, ließ d’Envie vernageln. – Mit bangen Erwartungen übernahmen die Bürger und Studenten  noch mal die Wachdienste.

Mitternacht! - Durchs Wingershofertor rückte die Garnison aus, zog zum Neutor und weiter nach St. Katharina. Voran die Dragoner, dann die Grenadiere. Die Mitte der Kolonne bildeten drei Kanonen, mehrere Bagagewägen und die Kutsche des Generals. Grenadiere folgten, Dragoner beschlossen den Zug. Kaum ein Laut. Man hatte vorsorglich sogar die Räder der Kanonen und Fahrzeuge mit Lumpen umwickelt.

Bald hatte man Eglsee erreicht, umstellt und 20 österreichische Kürassiere aus den Schlafstuben geholt. Ähnlich verfuhr man bei allen Orten an der Marschroute. Die Zahl der Gefangenen wuchs und wuchs.

Sehr spät erfuhr Thüngen vom Ausmarsch der Garnison. Alarmierte Husaren konnten bei Hersbruck 25 kaiserliche Dragoner der Nachhut gefangen nehmen. D'Envie aber erreichte mit seiner Truppe und den Gefangenen - von 300 berichtet Wiltmeister - am Vormittag des 26. Januars die bayerische Festung Rothenberg.

Ungefähr zur gleichen Zeit verlangten die Panduren und die Kroaten die Öffnung der Tore Ambergs. 400 Mann besetzten die Stadt, ließen sich trefflich verpflegen, bezogen die Quartiere und waren vorerst mit 900 fl zufrieden. 69 kranke Franzosen wurden Kriegsgefangene. Amberg stand wieder unter österreichischer Verwaltung.

Die Bürger Ambergs, die wochenlang im ständigen Wechsel zwischen Furcht, Hoff­nung, Angst, Entschlossenheit und Begeisterung ihre Pflicht getan hatten, fügten sich schicksalsergeben den neuen Verhältnissen, ja, sie empfanden es als Erleichterung nicht mehr im Brennpunkt der Geschichte stehen zu müssen.

Den Österreichischen Erbfolgekrieg hat man in Bayern nahezu vergessen. Fruchtlose Bemühungen, verlorene Schlachten verzeichnet man nicht gerne in vaterländischen Geschichts­büchern. Amberg hat in diesen schlimmen Jahren noch mal seine militärische Bedeutung be­weisen können, hat aber neben der geschilderten Belagerung noch viel Schweres miterleben und erdulden müssen.

Da mussten zu Kriegsbeginn durch Scharwerker die Schanzen erweitert werden. Viele Bürger verloren dabei ihre Gärten. Dann hatte man für die gegen Böhmen ziehenden fran­zösischen Heere Magazine und Feldbäckereien anzulegen. Ab 1741 lagerten immer wieder starke französische Verbände, einmal sogar 30.000 Mann, in und um Amberg. Im Armeelazarett im Jesuitenkolleg das die Padres hatten räumen müssen, starben 1742 gegen 12.000 verwundete Franzosen als Opfer von Seuchen. Auch 400 Bürger wurden hinweggerafft. - Die Massengräber an der Köferinger Straße sind heute völlig vergessen.

Am 15. Juni 1743 überließ Stadtkommandant Oberst Vallade Amberg kampflos der kgl. ungarischen Armee. 1744 lagerten längere Zeit 20.000 bis 40.000 Soldaten der Königin Maria Theresia am Galgenberg.

Ungemein drückend waren die Forderungen der Militärs. Die österreichische Verwaltung hat gegen 100.000 fl von der Stadt erpresst, die verbündeten Franzosen verlangten wahrscheinlich noch mehr.

Nun zu den Hauptakteuren im blutigen Drama „Amberg 1745". - Es gelang d'Envie, seine Soldaten über Nürnberg und Donauwörth nach Niederbayern zu bringen. Auch Max-Josef III., der kurfürstliche Nachfolger Karl Albrechts, hoffte, durch einen Angriff auf Wien die Vormacht Bayerns zu besiegeln. Doch auch ihm kam die kgl. ungarische Armee am 21. März zuvor, sie überrannte die verstreut stehenden bayerisch / französischen Verbände, siegte bei Paffenhofen und besetzte in vier Wochen Bayern. Im Frieden von Füssen gab Bayern seine Großmachtpläne endgültig auf.

General von Thüngen konnte seinen erschöpften Soldaten rund drei Monate Ruhe in der Oberpfalz gönnen. Am 5. Mai führte er sein Korps nach Schlesien zum Kampf gegen die Preußen. Am 5. Juni 1745 fiel er in der Schlacht bei Hohenfriedberg.

Benutzte Quellen: Oberpfälzische Chronik von Johann Kaspar von Wiltmaister, Sulzbach 1783. -„Der Österreichische Erbfolgekrieg", herausgegeben vom k. u. k. Kriegsarchiv, Band 5, 6, 8, Wien 1901/02. - Tagebuch des Franziskanerklosters Amberg von 1744/45, in Abschrift im Kloster auf dem Mariahilfberg. - „Wiener Diarium" 1744/45 - Zeitungsband, Hofbibliothek Wien. - „Krieg und Heerwesen", „Amberger Büchl" Nr. 2 von Generalmajor Anton Dollacker, Amberg 1920.

 


 

Anselm Desing, ein Universalgenie aus Amberg

Professor in Freising

Was geht im würdigen Festsaal des Gymnasiums vor? Hat man ihn in eine Werkstätte verwandelt? Da hämmern einige Gymnasiasten Latten zusammen, andere sägen Balken zurecht, wieder andere schwingen mit viel Eifer Malerpinsel über gespannte Leinwandflächen. In einer Ecke scheinen sich Schneider niedergelassen zu haben, und einige angehende Gelehrte hantieren mit Rollen und Zahnrädern wie Mechanikerlehrlinge. Nun? Pater Desing bereitet mit seinen Schülern ein Theaterspiel für die Faschingszeit vor.

Im Nebenraum sitzt er inmitten der Spieler und probt. Zwischen Unter­richtszeit und Chorgebet hat er in klassischem Latein eine Komödie geschrieben. Nun lässt er die Spieler ihre Rollen vorlesen, er verbessert die Aussprache und Betonung, übt Gesten ein und übernimmt gelegentlich auch selbst eine Theaterrolle. Dann lässt er die Buben die Texte lernen und eilt in den Saal.

Zufrieden stellt er fest, dass die Maler und Schneider keine Probleme haben. Schreiner, Zimmerleute und Mechaniker jedoch schauen ziemlich ratlos drein. In dieser Komödie soll ein Geist über die Bühne schweben und dazu braucht man ein Flugwerk. Pater Desing hat seinen Schülern zwar einen genauen Plan gezeichnet, aber den begreifen die Herren Studenten nicht recht. Da ruft der Herr Professor seine Handwerker zusammen. Er erklärt ihnen an dieser Theatermaschine die Wirkungsweise des Flaschenzugs, führt vor, wie die Zahnradübersetzung funktioniert, und zeigt, wie das Gerüst so aufgebaut werden kann, dass der Geist auch wirklich nicht abstürzt. Er doziert erst lateinisch, und die Buben haben dann in ihrer Muttersprache seine Ausführungen zu wiederholen. Dann wechseln sie um. Schließlich kann die Arbeit am Gerüst und Flugwerk ohne ihn fortgesetzt werden.

Rasch zeichnet Desing für seine Schneider noch einige Entwürfe für Theaterkostüme und greift selbst zu Nadel und Schere. Und siehe, seine Nähte sind ebenso vorbildlich wie seine lateinischen Sätze! Recht zufrieden ist er mit seinen Schülern, und diese finden ihren Unterricht auch überaus angenehm.

Halt, er muss ja noch einen Gedenkstein auf eine Kulisse malen. Mit raschen Strichen entstehen sechs Stufen und darüber die Steinsäule. Mit dunkler Farbe setzt er die Schatten ein und nach kurzer Zeit steht das Denkmal in vollendeter räumlicher Ansicht auf der Kulisse. Natürlich hat der malende Lateinprofessor nichts dagegen, dass immer mehr seiner Schüler ihm zuschauen. In lateinischer Sprache erklärt er ihnen zwischendurch die Grundsätze der Perspektive.

Doch nun muss er zu seinen Musikanten. Ob sie mit den Musikstücken, die er eigens für diese Komödie komponiert hat, zurecht kommen? Während im Saal weiterhin an der Bühne gearbeitet wird und die Schauspieler sich ihre Rollen einprägen, ergreift Desing den Taktstock und lässt sein kleines Orchester geigen, flöten, trompeten und pauken.

Dann wird es Zeit, wieder nach den Handwerkern zu schauen. Als Desing in den Saal tritt, empfängt ihn betretenes Schweigen. Der erfahrene Lehrer erfährt rasch, was geschehen ist. Die Ursache der Verlegenheit ist übrigens gut zu sehen. Ein Schüler hat Professor Desing gesuchte. Eilig rannte er über die Bühne und wollte ausgerechnet über die Treppe zum Denkmal hinaufsteigen. Nun klafft in der Kulisse ein großer Riss. Zur Verwunderung der Schüler lacht Desing herzlich. Er freut sich, dass ihm die räumliche Darstellung der Treppe so gut gelungen ist. In griechischer Sprache erzählt er den Buben vom Maler Zeuxis, der Weintrauben so naturgetreu malen konnte, dass Vögel sie wegpicken wollten.

Die Glocke verkündet das Unterrichtsende. Die Schüler bedauern, dass dieser Schultag schon wieder zu Ende ist. Pater Desing aber sitzt kurze Zeit später in seinem Zimmer, um weiter an einem Lehrbuch für Geschichte zu arbeiten.

Dozent in Salzburg

Um 1740 ist Salzburg die berühmte Universität der bayerisch-österreichischen Benediktiner. Über 100 Klöster schicken ihre Leute zum Studium dorthin. Der berühmteste Professor der hohen Schule aber ist Pater Anselm Desing aus Amberg. Für Vorlesungen über lateinische Dichtkunst hat man ihn von seinem Konvent Ensdorf erbeten, dann hat er zusätzlich Mathematik übernommen, schließlich noch Geschichte und dann sogar Ethik. Nebenbei wurde er selbst Doktor der Philosophie. Außerdem schreibt und schreibt er fast ununterbrochen Bücher für den Unterricht in Algebra, Geometrie und Anatomie. Das sind Fachgebiete, die bislang in Salzburg wenig Gewicht hatten. Seine Vorlesungen sind gut besucht, seine Bücher finden Anklang, und allgemein ist sein Rat begehrt und geschätzt.

Eben sitzen zwei Pater des berühmten Klosters Kremsmünster bei ihm. Die Abtei will eine Akademie aufbauen. Desing soll Ratschläge für Gliederung, Leitung und Lehrpläne dieser Einrichtung geben. Auf Naturwissenschaften soll er besonderen Wert legen.

Bewundernd blicken die beiden Besucher auf die vielen physikalischen Geräte, die ihnen meist fremd sind. Interessant finden sie die verschiedenen Weltkugeln, an denen Professor Desing ihnen die Entstehung der Jahreszeiten erklärt. Erstaunt schauen sie drein, als sie erfahren, dass Desing diesen Globus selbst entworfen und auch selbst gebaut hat. Schmunzelnd berichtet er, dass er schon in Freising einen riesigen Globus geschaffen hat. Leider musste er ihn dort lassen, weil er nicht durch die Tür gebracht werden konnte.

Für Geschichte und Erdkunde empfiehlt Desing gründliche Arbeit an Karten. Er zeigt seine Geschichtsmappen, selbst entworfen, gestochen und ausgemalt. Feldzüge, Schlachtorte, Festungen, Straßen, Grenzveränderungen, Herrschafts- und Verwaltungsbereiche zeigen sie.

Er hat aber noch eine besondere Überraschung. Da steht ein schwarzes Kästchen. Er entzündet einige Öllämpchen in dessen Innern und zieht die Vorhänge zu. Geheimnisvoll dämmrig ist der Raum. Dann einige Handgriffe, an der weißen Zimmerwand ist groß und deutlich ein Plan des Salzburger Landes zu sehen. Verdutzt sehen sich die Pater aus Kremsmünster an. Die Karte verschwindet, ein Plan der Stadt Wien ist zu sehen. Weitere Karten folgen und zuletzt lässt dieser Zaubermeister sogar Blumen und Früchte erscheinen.

Zwar erklärt Desing seinen Gästen ausführlich, wie er dieses Bildgerät gebaut hat, aber so ganz begreifen die Pater diese Hexerei nicht.

Baumeister in Kremsmünster

1746 ist Desing eifrig mit der Neuordnung des Passauer Archivs beschäftigt. Hunderte von Urkunden hat er schon abgeschrieben. Er ist glücklich, sich endlich ohne andere Verpflichtungen den historischen Forschungen widmen zu können. Eigentlich lenkt ihn nur der tägliche Briefverkehr etwas ab.

Eben öffnet er einen Brief aus Kremsmünster. Erfreulich, was sich dort tut. Eine große wissenschaftliche Sammlung hat man geschaffen, und für diese will man ein eigenes Gebäude mit Arbeits- und Ausstellungsräumen bauen. Dann hat Abt Alexander vor, eine Sternwarte auf dem Dach errichten zu lassen. „Eine gute Idee!“, murmelt Desing, wendet das Blatt, liest weiter und schüttelt ungläubig den Kopf. Da steht es eindeutig: „... bitten wir Euch, die Planung und Bauleitung für diesen Turm der Wissenschaften zu übernehmen und ganz nach Eurer bewährten Einsicht zu verfahren.“

So wird Desing zum Architekten, Statiker und Bausachverständigen. Er studiert bauwissenschaftliche Bücher, befragt Maurermeister und Zimmerleute, und es entstehen Entwürfe und Pläne. Schon nach kurzer Zeit kann er die ersten Bauskizzen vorlegen. Er fertigt sogar ein maßstabgetreues Holzmodell der Sternwarte. 1749 kann der Grundstein für den Bau gelegt werden.

Die Sternwarte von Kremsmünster. Das erste Hochhaus Europas, ein Bauwerk Anselm Desings.


Doch nun gibt's Schwierigkeiten. Manche Konventualen meinen, dass dieser Bau über die finanziellen Kräfte des Klosters gehe, andere sprechen gar von einem babylonischen Beginnen, von einer sündhaften Überschätzung der Wissenschaften. Tatsächlich zwingt Geldmangel bereits 1750 zur Einstellung der Arbeiten am Turm.

Es kommt noch schlimmer. Als man die Arbeiten wieder aufnimmt, glaubt der Maurermeister, am Material und an der Mauerstärke sparen zu müssen. Er weicht von Desings Planungen ab. Da stürzt im Mai 1755 das weit fortgeschrittene Bauwerk teilweise ein. Von einer Fügung des Himmels, von einem Gottesurteil sprechen die Kritiker, obwohl der Maurermeister freimütig sein Verschulden eingesteht. Mehr als Abt Alexander sind dessen Stiftsuntertanen von diesem Unglück betroffen, hat doch der Bau vielen Verdienst und Arbeit gegeben.

Pater Desing überlegt sofort, wie die Schäden auf einfachste und sicherste Art zu beheben seien. Die Finanzierung wird neu durchgerechnet. Gemeinsam mit dem Abt kommt er zu dem Ergebnis, dass die Fortsetzung des Turmbaues das Kloster weniger hart belasten würde, als die Einstellung der Arbeiten den vielen Handwerkern und Hilfskräften schaden muss. Nicht nur der Wissenschaft soll der Bau dienen, auch den armen Bürgern und Bauern des Stiftes soll er Arbeit und Brot geben.

Und man baut weiter nach den Vorschlägen Desings. Ohne weitere Zwischenfälle wird 1758 die große Sternwarte vollendet. 28 m mal 18 m misst seine Grundfläche, und 60 m hoch ist der gewaltige Block. Das erste und lange Zeit auch das größte Hochhaus Europas, den großartigsten und zweckmäßigsten Ausstellungsbau der je für eine Schule errichtet wurde, und die eindruckvollste Sternwarte, die sich bislang ein Kloster erbaut hat, dieses stolze Wahrzeichen von Kremsmünster schuf der Amberger Anselm Desing, ein einfallsreicher und kluger Baumeister.

Am 15. März 1699 wurde der spätere Abt von Ensdorf, Anselm Desing, in Amberg geboren. Sein Vater, Regierungsadvokat und Hofrichter, starb schon 1703. Bei Verwandten wuchs der Bub auf, und besonders sein Onkel Anton Herdegen, der Pfarrer von Arnbruck, förderte die natürliche Begabung des Buben. Von 1710 bis 1715 besuchte er das Gymnasium der Jesuiten in Amberg. Dem damaligen Bildungsziel entsprechend, hat man vorwiegend die lateinische Sprache gepflegt, während Geschichte und Erdkunde, Mathematik und Physik nahezu bedeutungslos waren. Doch durch Eigenstudium kam Desing zu einem umfassenden Wissen in diesen Fächern. Gründlich und erfolgreich beschäftigte er sich mit Kompositionslehre, Kupferstechen und Malerei. 1717 trat er in das Benediktinerkloster Ensdorf ein.

Seit 1761 war Desing Abt des Klosters Ensdorf. Die Pflege der Wissenschaft und die Sorge um die Schule waren auch hier seine besonderen Anliegen. So entstand in Ensdorf die erste Lehrerbildungsanstalt in der oberen Pfalz. Für seine Untertanen sorgte er besonders im Hungerjahr 1771 in vorbildlicher Weise. Bis zuletzt schrieb und forschte er. Am 17.12.1772 fand man ihn tot an seinem Schreibpult, das mit Büchern und Heften bedeckt war, die Schreibfeder noch fest in der Hand.

Pater Anselm Desing ist in Amberg fast vergessen, obwohl eine Straße im Dreifaltigkeitsviertel nach ihm benannt ist. Noch heute stellen seine Urkundensammlungen einen wertvollen Bestand der Münchner Universitätsbibliothek dar. In Kremsmünster aber kennt jeder den Abt Desing von Amberg. Sein Bild hängt in seinem Turm, und über hundert seiner Briefe verwahrt man als besondere Kostbarkeit.

Kloster Ensdorf - letzte Wirkungsstätte und Begräbnisplatz Anselm Desings.


 

Hunger! Hunger!

Am Silvestertag 1770 notiert sich der Rentkammerrat Kaspar Wiltmaister für seine Chronik gewissenhaft die Ereignisse und Besonderheiten des zu Ende gehenden Jahres. Tief taucht er die Gänsefeder ins Tintenfass und schreibt:

Es ist im Frühjahr das Hungerbrünnlein (die Quelle am Fuß der Lindenallee) so stark gelaufen, dass ein kleines Bächlein neben dem Raigeringer Fußsteig zum Lindenbrünnlein floss. Hat jedermann eine schlechte Ernte erwar­tet, ist aber das Getreide gut geraten. Item hat sich in den Kellern der Bürgerhäuser und sogar in den Gewölben der Jesuiten oft Wasser gezeigt, obwohl die Vils gar seicht gewesen.

 

Weiß niemand, was das bedeuten soll. Es leuchtet auch im Herbst mehrere Nächte der Him­mel im Norden ganz rot und selbst die ältesten Amberger haben noch nie so ein geheimnisvolles Licht gesehen. Einige Greise haben gemeint, es sei dies das Nordlicht, von dem man in ihrer Kindheit erzählt hat. Schlechte Zeiten soll dieser rote Schein anmelden.

Nun, viel hat's nicht gebracht dieses Jahr. Streusand drüber! - Über die nächste Seite malt er groß 1771.

Das neue Jahr lässt sich gut an. Im Mai steht das Getreide hoch im Halm, und man darf mit einer guten Ernte rechnen. Auch Herr Wiltmaister hat keine Bedenken, als die oberpfälzische Regierung die landesherrlichen Getreidevorräte verkaufen will. In den nächsten Tagen leeren sich rasch die Schüttböden des Schmalzkellers, des Wagenhauses und des Zehentstadels.

Dann kommt der Juni. Er beginnt mit Regen und endet mit Regen. Die trockenen Tage kann man an einer Hand abzählen. Die Felder sind grundlos, die Halme liegen wie niedergewalzt am Boden. Der Juli ist kaum besser. Im August faulen die Halme und die Körner keimen in den Ähren. Als endlich Erntewetter kommt, hat man nichts mehr zu ernten. Die Äcker geben kaum die Aussaat zu­rück. „Hab' noch nie einen so schlechten Sommer erlebt“, notiert Herr Wiltmaister.

Bereits im September steigt der Brotpreis. Die Regierung hat keine Getreidevorräte und kann nicht helfen. Die Räte überlegen, ob man aus Böhmen, Schwaben oder Franken Getreide holen soll. Doch diese Überlegungen sind müßig. Kein Fuhrmann ist bereit, auf den schlechten Straßen Gespann und Fahrzeug zu ruinieren. Aus Prag kommt zudem die Meldung, dass für das Königreich Böhmen eine Ausfuhrsperre für Getreide verfügt wurde. Man fürchtet dort, erhöhte Getreidelieferungen in die Oberpfalz könnten den Brotpreis im Königreich in die Höhe treiben.

Bei einem Spaziergang sieht Wiltmaister, wie Männer, Frauen und Kinder auf den Feldern keimende und angefaulte Ähren zusammensuchen. „Die trocknen wir auf dem Ofen, und zerquetscht kann man die Körner noch gut in der Suppe essen“, antworten sie ihm, als er wissen will, ob denn die Hühner dieses Getreide noch mögen. „Was bleibt dann noch für meine Hennen?“, sinniert der Herr Rat. Das erfährt er daheim rasch. Seine Frau schlach­tet eben Hühner und Gänse, obwohl Martini und Weihnachten noch weit sind. Mit dem bescheidenen Getreidevorrat kann man kein Geflügel halten. In den Dörfern werden gleichzeitig Schweine und Rinder geschlachtet und an Fleisch fehlt es nicht.

Der Regierung wird berichtet, dass die Bäcker das Brot schon um den doppelten Preis verkaufen. Die Bauern geben das Viertel Weizen nicht unter 5 Gulden ab. Die Bäcker mischen Gersten und Hafermehl in den Brotteig, ja, es gibt sogar Gerstenbrote zu kaufen. Billig aber ist dies auch nicht. Dann kann der Eselsbeck einige Tage nicht mehr backen, weil ihm das Mehl ausgegangen ist. Die Bauern haben keine großen Vorräte, Bäcker und Müller müssen bei vielen Höfen anklopfen, ehe sie Geschäfte machen können. Man weiß allerdings, dass einige Bauern recht volle Getreideböden haben, aber nichts abgeben, weil ihnen die hohen Preise zu niedrig sind. Im Dezember zahlt man schon den dreifachen Normalpreis, also 7 1/2 Gulden für ein Viertel Weizen.

Taglöhner und Bürger ohne eigenen Feldbau hungern bereits. Wenn um 4 Uhr die Bäcker einheizen, stellen sich Frauen vor den Bäckereien an und warten. Kommt nach Stunden das frische Brot und wird der Laden geöffnet, dann beginnt ein Drängen und Quetschen und Stoßen. Es gibt zerrissene Kleider und Beulen. Doch nur selten reicht das Brot für alle.

Wo gibt es Brot?

Frau Wiltmaister hat einmal bei drei Bäckern vergebens gewartet. Gelegentlich bringen Bauern und Bäcker bis von Kastl und Vilseck Brotlaibe auf den Markt und verkaufen ihre Waren zu den in Amberg üblichen hohen Preisen. Dieses teure Brot wird ihnen beinahe aus den Händen gerissen. Mit stattlichen Gewinnen können die Brotlieferanten heimgehen.

Wiltmaister ärgert sich über diesen Wucher auf Kosten der Armen. Arg erbost ist er über einige Bürger und angesehene Herren, die, wie der Löwenwirt, noch beachtliche Getreidemengen im Lager haben und nichts verkaufen, sondern auf höhere Preise warten.

Es gefällt dem Herrn Rat nicht, dass er für einen Roggenlaib von zehn Pfund einen halben Gulden zahlen muss, aber er kann ihn sich kaufen. Viele Taglöhner aber verdienen gerade das, was sie für ihren Tagesbedarf an Brot ausgeben müssen.

Mancher Bürger erinnert sich an Erzählungen der Alten, dass man im großen Krieg Baumrinden zerrieben und unter das Mehl ge­mischt hat. Immer häufiger sieht der Herr Rentkammerrat abgekratzte Baumstämme, wenn er auf den Mariahilfberg geht. An­dere suchen Flechten an Bäumen und Steinen. Als Brei schmecken sie eigenartig säuerlich, doch sie füllen den Magen.

Viele Freunde gewinnen die Kartoffeln. Diese fremden Pflanzen, die viele Bürger wegen ihrer seltsamen Blüten in ihren Zier­gärten pflegen, hat man bislang bestenfalls an Schweine verfüttert. Jetzt kocht und röstet man sie und rühmt ihren Wohlgeschmack. Auch Herr Wiltmaister lässt sich zu einem Kartoffel­essen einladen. Daheim erzählt er: „Man kann sie wirklich essen, doch mich haben sie sehr rasch satt gemacht“, und dabei schneidet er sich einen großen Kanten Brot ab.

Im März notiert der gewissenhafte Chronist, dass ein Viertel Weizen zehn Gulden kostet, das ist ein sündhafter Preis. Der Schuster, der sich um das Schuhwerk der Wiltmaisterschen Familie kümmert, kommt verlegen und verschämt zum Herrn Rat und bittet ihn um ein Darlehen. Er kann von seinem Verdienst nicht mehr das nötige Brot für seine Familie kaufen, denn er hat kaum Arbeit, weil alle für das tägliche Brot sparen müssen. Gerne hilft der Herr Rat. Wie dem Schuster geht es vielen. Häufig reicht der Taglohn nicht für den Bäcker, viele haben bereits ihre bescheidenen Ersparnisse angreifen müssen. Der Löwenwirt freut sich über die hohen Preise und verkauft nichts. „Noch teuerer muss das Getreide werden“, erklärt er höhnisch.

Die Bauern streuen im Frühjahr ihr sorgsam gehütetes Saatgetreide aus. Banges Hoffen und innige Gebete begleiten diese Arbeit. In den Dörfern rings um die Stadt wird das Getreide nun auch knapp. Während in der Stadt die Polizei den Brotverkauf bei den Bäckern überwachen muss, um Schlägereien zu verhindern, müssen die Bauern bei den Backöfen Wache halten, sobald die Laibe eingeschossen sind. Man hat es ja erlebt, dass Unbekannte die Backöfen ausgeräumt hatten, ehe die Backzeit abgelaufen war.

Leute wie den Löwenwirt gibt es noch mehr. Ein Lengenfelder Bauer hat bisher jeden Bäcker und Melber weggeschickt. „Ihr zahlt mir in vier Wochen noch mehr, und von meinen Körnern läuft keines weg. Hab oft für viel Weizen nur wenig Geld bekommen, jetzt will ich mit wenig Weizen viel verdienen.“ Der Kochbauer von Gailoh hat die teuere Gottesgabe gar in Fässern und Kisten versperrt. Der Geizkragen gönnt sich selbst kaum Brot, denn in seiner Vorstellung verwandeln sich die Körner alle in Goldstücke.

Im Mai bieten Bäcker und Melber 15 Gulden für das Viertel Weizen. Gott sei Dank, wachsen reichlich Pilze. „Viel Schwammer, viel Jammer!“ klagen die Leute, aber ohne die Schwämme wäre der Jammer noch größer. Das Wachstum der Feldfrüchte begleiten Bittandachten und Flurumgänge, und die Vaterunserbitte ums „tägliche Brot“ wird besonders innig gebetet.

Aufgebracht ist man über jene, die sich noch immer nicht von ihren Vorräten trennen wollen. Da empfindet man es als gerechte Strafe, dass im Hof des geizigen Lengenloher Bauern Feuer ausbricht und das Anwesen vernichtet. Was von dem hart­näckig zurückgehaltenen Getreide übrig bleibt, mögen nicht einmal die Hühner. Der Löwenwirt wird unsicher. Er ist be­reit, einige Viertel Korn abzugeben. Freilich, statt 1 3/4 Gulden Normalpreis verlangt er neun. Als jedoch zwei Tage später ein Bäcker kommt und dieses Geschäft machen will, hat sich's der Löwenwirt anders überlegt. Zehn Gulden verlangt er, und der Kauf unterbleibt.

Kurz darauf endet die Notzeit unvermutet rasch. Von auswärts wurde Getreide nach Amberg gebracht. Überall erwartet man eine gute Ernte. Der Getreidepreis geht zurück. Nun liefern die Bauern der Umgebung noch rasch ihre letzten Vorräte auf den Markt, um an der Teuerung zu verdienen. Daraufhin sinken die Preise weiter. Wie ärgert sich der Löwenwirt. Er will sein Getreide loswerden, aber nun nimmt ihm keiner etwas ab. Spöttisch deuten ihm auf der Straße die Leute nach.

Ende Juni schreibt Wiltmaister eine schreckliche Begebenheit auf. Dem Kochbauern von Gailoh hat die Geldgier den Verstand weiter verwirrt, und jetzt, da seine Erwartungen jäh zunichte werden, verliert er völlig den Kopf. Dort, wo er auf dem Dachboden seine Getreidekisten und Fässer verwahrt hat, macht er seinem Leben ein Ende. Der Scharfrichter muss kommen und ihn vom Strick schneiden. Auf dem Schinderkarren schafft er ihn zur Richtstätte und verscharrt ihn unter dem Galgen.

So endete der Kochbauer

Ende Juni beginnt die Ernte. Der erste Erntewagen wird festlich geschmückt in die Stadt gefahren. Froh und glücklich begleiten ihn viele Bürger zum Marktplatz. Dort bleibt er stehen, während in der Kirche eine Dankandacht mit feierlichem Te Deum gefeiert wird.

Im August ist der Getreidepreis wieder auf seinen normalen Stand gesunken. Erst jetzt bringt der Löwenwirt sein Korn an. Nur 1 1/4 Gulden bekommt er für das Viertel, das er einst für neun Gulden nicht hat hergeben wollen. Mit Schadenfreude vermerkt der Chronist, dass der Löwenwirt „anstatt des gesuchten übertriebenen Gewinns einen sehr beträchtlichen Schaden davongetragen hat“.

Danket, danket dem Herrn.

Zum Jahresende 1772 beschließt Wiltmaister seine Eintragungen über die große Hungersnot und fügt an: „Der Herr verschon' uns fürderhin vor solcher Missernte.“

Hungersnöte hat es in der Vergangenheit öfter gegeben, die Ursachen waren unterschiedlich.

1557 kamen Heuschrecken in solchen Mengen, dass sie die Sonne verdun­kelten und fraßen alles ab, was grün war. Drei Jahre dauerte diese Plage, die Menschen und Tieren die Nahrung schmälerte.

1415 hat ein sehr nasser Sommer alle Erdgewächse verdorben, auch den Weinstock. Alle Wiesen waren vom Wasser überschwemmt und alles Gras verwüstet.

1495 haben sich den Sommer über grausame Donnerwetter allenthalben ereignet und in vielen Orten ungemeinen Schaden getan, wie dann der Hagel in Amberg und in den benachbarten Orten das Getreide in den Boden geschlagen." Es sind auch Raupen in ganz Deutschland eine häufige Plage gewesen, welche die Früchte abgefressen und alles vergiftet. Es haben am Korn kleine Würmlein den Halm abgefressen, dass er umgefallen."

1571 war es so kalt, dass die Flüsse und Bäche alle zugefroren waren und keine Mühle mehr arbeiten konnte und überall Mangel an Mehl war.

1590 ließ ein heißer Sommer fast alle Wasserläufe austrocknen. Man hat das Wasser teuer kaufen müssen. Wegen Futtermangel hat man überall das Vieh abtun müssen.

1740 hat eine große Kälte bis Mitte Mai gedauert und nach der schlechten Ernte musste man das Getreide um den dreifachen Preis kaufen.

1762 erfror bei großer Kälte zu Pfingsten die Kornblüte und überdies hat es vom 29. März bis 2. Juni nicht geregnet. Der Getreidepreis stieg auf das Vierfache. Böhmen, Franken und Sachsen hatten ebenfalls unter einer Missernte zu leiden. Aus Bayern dagegen konnte man Getreide einführen und so die größte Not lindern.

1817 kam es nach einem sehr nassen Sommer zu einer allgemeinen Missernte in ganz Bayern. Auch in diesem Jahr hatte man eine verfehlte Vorratshaltung betrieben und wieder durfte aus Böhmen kein Getreide ausgeführt werden. Die Hungersnot dieses Jahres hat endgültig die Kartoffel zur bevorzugten Feldfrucht der Oberpfalz werden lassen. Seitdem wurde unsere Heimat nicht mehr vom Hunger heimgesucht, wenn wir von den Kriegszeiten absehen.

Die Erdäpfel oder Erdbirnen hat der Amberger Regierungskanzler Pistorini übrigens schon 1725 aus den Niederlanden bezogen und als Zierpflanze gehalten. Erst im Laufe der Jahrzehnte hat man sie zur Schweinemast ver­wendet und zu Wiltmaisters Zeiten galt sie als Nahrung des „gemeinen Mannes“. Die höheren Stände schätzten sie mehr als Grundstoff für Klei­derstärke und Haarpuder. Lange Zeit war die Regierung gegen jede Aus­weitung des Kartoffelanbaues, denn man fürchtete Mangel an Brotgetreide. Schließlich erkannte man allgemein, dass die Kartoffel in unserer Ober­pfalz besonders gut gedeiht. Nach 1817 wurde unsere Heimat von den Nachbarn im fruchtbaren Niederbayern als Erdäpfelpfalz bezeichnet.

Übrigens, alle Angaben - außer jenen für 1817 - hat der Chronist Kaspar von Wiltmaister zusammengesucht und überliefert. Er wurde 1706 in Neu­markt geboren, heiratete 1755 eine Amberger Apothekerstochter und wurde 1759 kurfürstlicher Rentkammerrat. Für seine umfassende Chronik Ambergs konnte er die reichhaltige Sammlung seines Kollegen Dreer verwenden. Druck und Herausgabe seiner Chronik hat Wiltmaister 1782 gegen den Wider­stand seiner Regierungskollegen veranlasst. 1784 starb er. Die Wiltmaisterstraße beim Krankenhaus erinnert an ihn.

 


 

Hochwasser in der Altstadt 1784

Im Franziskanerkloster in Amberg sitzt ein Pater nachdenklich vor dem leeren Blatt auf seinem Tisch. Er will für die Chronik des Konvents das schlimmste Geschehen des Jahres 1784 festhalten. Er schreibt alles auf was ihm noch in Erinnerung ist und was ihm glaubhaft berichtet wurde, und wir können noch heute in der Klosterchronik des Franziskanerklosters und über das schlimmste Hochwasser in Amberg informieren:

„Zu Anfang Januar fiel ein so häufiger Schnee, dass dadurch den 27. und 28. Februar bei einfallendem Tau- und Regenwetter über die halbe Stadt unter Wasser gesetzt wurde, also zwar, dass solches fast zwei Schuh höher stieg als 1782, in welchem Jahr seit alters hier die größte Wasserhöhe angemerkt wurde. Kurz, das Wasser reicht in der oberen Stadt bis gegen den Rossmarkt und in der unteren bis gegen die Spitalkirche. Man konnte sogar über die Krambrücke mit Schiffen fahren. Die Brücken außer der Stadt, wie auch die obere und untere Mühlbrücke, sind vom andrängenden Eis und Holz gänzlich abgerissen. Krambrücke, Schulbrücke, Schiffbrücke und die obere Mühle samt ihrem Wehr sind sehr beschädigt.

Die Untere Mühle, dann die Loh- und Schleifmühle sind vollkommen ruiniert und unbrauchbar gemacht worden. Die Unkosten für die Stadtkammer werden auf 30.000 Gulden geschätzt.

Ferner sind in der Pfarrkirche St. Martin alle Kirchenstühle von der Gewalt des Wassers hochgehoben und unter sich und über sich gekehrt. Das Pflaster ist meistenteils aufgerissen und auch einige Totengrüfte sind geöffnet.

In den kurfürstlichen Salzstädeln sind etliche tausend Salzscheiben im Wasser zerschmolzen.

Hochwasser in der Martinskirche

Das kurfürstliche Regierungsgebäude hat sich nach Verlaufen des Wassers an  etlichen Orten zerspalten und gleichsam zum Sturze geneigt. Zur Herstellung muss viel Geld aufgewendet werden. In .der Apotheke der hiesigen Klosterfrauen soll sich der Schaden auf 3.000 Gulden belaufen. Von den Einzelpersonen der Stadt hat den größten Schaden erlitten der hiesige Materialist Herr Mazillis, dem ein ganzes Fass Arsenikum, etliche Fässer Zucker, Indigo, Öl und anderes mehr  zugrunde gingen.

In unserem Konventgarten stand das Wasser 5-6 Fuß hoch, es reicht bis an die Türschwelle des Refektoriums. Es sind

also Blick von der Schiffbrücke zur Stadtbrille zur Zeit des Hochwassers um 1784

alle unteren Gewölbe, Keller und die beiden Grüfte vom Wasser vollkommen angefüllt. Wie hoch das Wasser stand, lässt sich heute noch an den Hochwassermarken beim Schul­steg oder an der Schiffbrücke ablesen.

Hochwasser

Hochwasser1909Über die weiteren Ereignisse schrieb der Pater noch nieder, dass man im Kloster über 14 Tage täglich an der „Ausschöpfung der Keller“ arbeitete: „Dabei waren 10 - 15, anfangs sogar 20 - 25 Personen beschäftigt. Im Bierkeller und auch in der neuen Gruft wurde eine Hauptmauer beschädigt, es wurden auch einige Gräber geöffnet. Die Kessel im Waschhaus, in der Walk und im Branntweinhäusl hat das Wasser herausgerissen, alles musste wieder repariert werden. Die Kirche und der Kreuzgang sind zwar von der Über­schwemmung befreit geblieben, doch sind in der Kirche die Altäre St. Michaelis und Mater Dolorosa und auch alle alten Totengrüfte samt dem Kirchenpflaster und auch das Gewölbe beim Eingang der Pforten nachgesunken. Das muss nun alles neu auf­geschüttet und gepflastert werden. An einigen Orten ist der Kreuzgang, das Refektorium, die Sakristei und das Pflaster in der Kirche eingesunken. Die Gartenmauer ist sowohl innen als auch außen durch das Wasser sehr beschädigt worden und muss ebenfalls mit großen Kosten ausgebessert werden. Die Fischbehältnisse hat das Wasser mit sich fortgeführt.“

„Dieser großen Überschwemmung ungeachtet, ist niemand in der Stadt im Wasser ertrunken bis auf ein Kind von sieben bis acht Jahren, Hochwasser1995welches ungefähr von einer Stiege ins Wasser fiel. Der Herr bewahre in Zukunft unsere Vaterstadt vor solch großem Übel.“

Zwar ist das Hochwasser von 1784 bis heute das verheerendste geblieben, das Amberg je heimgesucht hat Ähnliche Katastrophen erlebte unsere Stadt allerdings häufiger, Hochwassermarken am Hause südlich der Martinskirche und am Lederersteg erinnern daran. Von anderen Überschwemmungen berichten unsere Chroniken, Am 15. Februar 1571 folgte grimmiger Winterkälte plötzliches Tauwetter mit Regen und „die Gewässer haben allenthalben an Häusern, Brücken, Stegen, Ackern, Gärten und Wiesen großen Schaden getan. Jedermann meinte, der jüngste Tag war angebrochen.“

Große Schäden verursachte das Tauwetter zwischen 25. und 27. Februar 1595. Besonders die Mühlen und Hammerwerke an Vils und Rosenbach wurden sehr geschädigt.

Hochwasser_19091662 heißt es, dass am 25. Januar die Vils um 10 Werkschuh (das sind 2,8 m) über ihren gewöhnlichen Lauf gestiegen ist. Den Bewohnern der Unteren Georgenstraße musste man mit Kähnen die Lebensmittel bringen.

Das Hochwasser am 29. und 30. Dezember 1765 reichte bis zur Oberen Apothekergasse und auch der Paradeplatz war völlig überschwemmt.

Die Überschwemmung des Jahres 1909 (4. mit 6. Februar) reichte bis zur Regierungsstraße. Im Stadtgraben konnte man mit Kähnen fahren, über den Marktplatz mussten Stege geschlagen werden. Von dieser letzten großen Überschwemmung bewahrt das Stadtarchiv noch einige Fotografien.

 


 

Bernhardskirche - Nationaltheater

Als der Nachtwächter am Klosterplan die vierte Morgenstunde des 6. Oktober 1802 ausruft, bemerkt er einen matten Lichtschimmer in den Fenstern der Bernhardskirche. Was haben die guten Franziskaner zu so früher Stunde vor? Er schaut durch die Tür.

Blick über die Stadt auf die Bernhardskirche

In der mächtigen Halle werden an einigen der 13 Altären bei flackernden Kerzen Messen gelesen. Laienbrüder und einige Bürger ministrieren. Übergroß, fast drohend, erscheint im schwachen Dämmerlicht die Figur des heiligen Johann Capistrano über der Kanzel. Wie ein riesiger Block ragt die Orgel auf der zweiten Empore nach oben, stumm und unheimlich. Nur das halblaute Beten aus den Kapellennischen ist zu vernehmen. Der Guardian, Pater Victurnus, spricht am Hochaltar das Kyrie, alle wiederholen mit tiefem Ernst, wie es dem Nachtwächter dünkt, die Bitte um Gottes Erbarmen. Dann stimmt Pater Victurnus das Gloria an, seine Mitbrüder singen mit, aber der Nachtwächter merkt, aus frohem Herzen kommt dieser Lobpreis des Herren nicht. Nun, er weiß ja nicht, dass in dieser frühen Stunde die Franziskaner Abschied nehmen von ihrem Kloster, von ihrer Gemeinschaft und von Amberg. Etwas verwundert geht er weiter.

Der Guardian kennt die Sorgen seiner Gemeinschaft. Einige Ab­schiedsworte will er ihnen mitgeben, und so versammelt er sie zu einer kurzen Ansprache um den Hochaltar. Er bekennt, dass es ihm ein Trost ist, dass sie alle mit gutem Gewissen Amberg verlassen können. Der Amberger Konvent hat unter großen Entbehrungen dieses stattliche Kloster zwischen 1453 und l480 gebaut. Konventsmitglieder waren es, die den Großteil der schönen Kirchenausstattung geschaffen haben. Er weist auf die kunstvolle Uhr hin, die eben schlägt und das Werk eines Fraters ist. Er fährt fort: „Wir haben uns alle redlich bemüht, Amberg und den Ambergern zu helfen in allen Nöten.“ Die Bürger nicken und erinnern sich dankbar des wagemutigen Einsatzes der Franziskaner bei jedem Brand in der Stadt. Der Guardian stellt fest:

„Wir haben dafür spüren dürfen, dass man uns gerne hat, man hat uns geholfen, und ohne den Beistand der Bürger wäre es nicht möglich gewesen, diese Kirche auszuschmücken, unsere Bibliothek auszubauen, die Lodenwalkerei einzurichten und unser Brauhaus aufzubauen.“

Wehmütig denken die Bürger an vergnügte Stunden im Klosterbräustüberl. Der Prediger wird nachdenklich: „Doch haben wir all das, was uns zur Verfügung stand, nicht schon als Selbstverständlichkeit hingenommen? Nach dem Willen des heiligen Franz sollten wir Bettler sein. Es war sicher eine besondere Bosheit, dass die Regierung uns ausgerechnet am Namensfest unseres Ordensstifters den Ausweisungsbefehl zugestellt hat. Lasst uns dies jedoch als Mahnung betrachten, dass wir hier auf Erden nirgendwo einen festen Platz und eine feste Aufgabe haben sollen. Lasst uns dem Beispiel des heiligen Franziskus folgen, der mit leeren Händen sein Vaterhaus verlassen hat. Mög' er und der allmächtige Gott uns auf unseren weiteren Wegen beschützen.“ Mit einem festen „Amen“ antwortet die kleine Gemeinschaft.

Die Messe ist zu Ende. Gewohnheitsmäßig verwahren die Pater ihre Messgewänder in der Sakristei. Die bürgerlichen Messdiener verabschieden sich. Tränen stehen ihnen in den Augen, und traurig gehen sie heim. Dann sitzt der Konvent beim gemeinsamen Morgenmahl. Inzwischen löscht der Küchenbruder das Herdfeuer und verräumt das Geschirr. Während sich die Mönche aus ihren Zellen die Wolldecken holen, die eine hohe Regierung mitzunehmen gestattet hat, geht der Guardian noch mal in die Kirche und löscht das ewige Licht beim Hochaltar. Kurz darauf tritt ein Beamter des Landrichters ins Refektorium und fordert die Schlüssel für Kirche und Kloster. Vor dem Kirchenportal warten bereits Wägen. Es ist noch finster und die Stadt liegt noch im Schlafe, als gegen halb sechs Uhr die Franziskaner Amberg in Richtung Freystadt verlassen.

Mönche beim Verlassen des Klosters

Vier Wochen bleibt das Kloster völlig ohne Leben. Anfang November aber füllt lautes, unheimliches Treiben, die weitläufigen Gänge und Höfe. Da werden einfache, rohe Stühle, Tische und Bettstellen aus den Mönchszellen geschleppt. Geschirr, Kessel, Töpfe und Pfannen der Klosterküche werden auf den Hof geschafft. Auf einigen Tischen stapeln sich Bettwäsche, Tischtücher, Vorhänge und Lodenballen. Kurfürstliche Beamte versteigern die Einrichtung des Klosters zu billigen Preisen an Kauflustige. Weniger laut geht es in der Sakristei zu. Kelche, Monstranzen, Leuchter und Becher werden für die kurfürstliche Münze eingepackt. Amberger Bürger müssen sehen, wie die kostbare Klostermonstranz, die sie erst vor einem Jahr um 600 Gulden von der kurfürstlichen Silberkommission zurückgekauft haben, nun doch nach München geschafft wird. In der Bibliothek sortiert inzwischen Sekretär Bernhard die 5294 Bücher, wählt die wertvollsten aus und lässt schließlich 15 schwere Bücherkisten nach München transportieren. Gegen 4000 Bände finden um den Spottpreis von 5 Kreuzer je Stück Käufer. Über 1000 Bände wandern in die Papiermühlen. Den Winter über stehen Kloster und Kirche verlassen inmitten der rührigen Stadt. Ende März geht der Ausverkauf weiter. Die Kirche muss geräumt werden, damit man dieses Zeugnis des finsteren Mittelalters abbrechen kann, wie es eine „weise, aufgeklärte Obrigkeit“ bestimmt hat.

Professor Graf kommt aus München und sucht die schönsten Bilder für die kurfürstliche Gemäldesammlung aus. Die Stadt Weiden kauft für ihr Rathaus die kunstvolle Konventuhr. Wie freuen sich die Kümmersbrucker über die 3 Altäre, die sie billig erstehen können. Dabei ahnen sie gar nicht, wie wertvoll das St. Annabild des Rubensschülers Crayer ist. Viele Fuhrwerke schaf­fen die Teile der großen Orgel nach Seligenporten. 3 Altäre und die Kanzel holen die Bärnauer, und auch die Illschwanger kaufen 3 große Altäre. Über die ganze Oberpfalz wird die Einrichtung der Bernhardskirche zerstreut.

Die verkauften Einrichtungen der Bernhardskirche werden abtransportiert.

Voll Trauer und Bitternis sehen die Amberger wie Bilder, Figuren und Altäre, die sie selbst oder ihre Vorfahren für ihre Franziskanerkirche gestiftet haben, verschachert werden, weil der Staat Schulden hat und Geld braucht. Am 16. April ist die Kirche leer.

Der Nachtwächter, der vor der Alten Veste die Mitternacht ansingt, wird vom fröhlichen Lachen und Schreien im Saal des alten Herzogschlosses beinahe aus dem Takt gebracht. Mißbilligend brummt er: „Was feiert der Herr Baron Eghker schon wieder?“ Nun, die Mitglieder des „Adeligen Gesellschaftstheaters“ haben das Schauspiel "Dienstpflicht" probeweise mit verteilten Rollen gelesen. Sehr zufrieden sind sie, diese Herren Barone und Reichsgrafen, diese Regierungsdirektoren und Rentkammerräte, diese vornehmen Gräfinnen und adeligen Damen. Oh, da werden die Bürger schauen, wenn ihnen auf der Bühne gezeigt wird, wie tüchtige Beamte ihrem Dienst verpflichtet sind! Jetzt sitzt man zwanglos beim Wein, schwärmt von den diesjährigen Theateraufführungen und klagt wie üblich über die ungünstigen Verhältnisse im kleinen Theater an der Seminargasse. Ein richtiges Theater brauchte man, eine große Bühne, viele Kulissen, eine Theatermaschine. Wunschträume! Daraus kann nichts werden, wenn man nicht 25.000 Gulden hat.

Da schlägt eine der Damen vor, die leere Klosterkirche als Theater zu nutzen. Erst schauen sich alle erstaunt an, doch dann überschreien sich alle in Äußerung der Zustimmung, man klopft sich auf die Schultern, sinkt sich vor Freude in die Arme. Als die fröhliche Ausgelassenheit etwas nachlässt, verkündet Herr Statthalter Reichsgraf von Holnstein mit halbamtlicher Miene: „Meine Damen und Herren, die Bernhardskirche wird unser Theater.“ Beifallklatschen, jubelnde Zustimmung und knallende Sektflaschen übertönen den Nachtwächterruf. Mißbilligend schüttelt drunten auf dem Platz der Alte den Kopf, und mehr kann er sich angesichts der hochgestellten Ruhestörer gar nicht leisten.

Als am 4. Mai 1803 das leere Kloster dem Melber Thomas Bruckmüller um gut 25.000 Gulden verkauft wird, zirkulieren bereits Spendenaufrufe für den künftigen Musentempel. Die Finanzierung ist gesichert. Die Regierung hat kurzerhand das städtische Almosenamt als Bauträger und späteren Besitzer verpflichtet, und die stattlichen Beträge, die Ambergs Bürger für die Armen gegeben haben, müssen für den Theaterbau verwendet werden. Dafür sollen der Almosenverwaltung die künftigen Einnahmen aus dem Theaterbetrieb zufallen.

Ab Mai 1803 wird der Klosterplan zu einer großen Baustelle. Maurer verändern die Fenster, Dachdecker arbeiten am Giebelwalm, Zimmerleute hauen die Balken für die Theaterkonstruktion zurecht. Ständig kommen Fuhrwerke mit Baumaterial und Baumstämmen.

Bald verlagert sich diese emsige Tätigkeit ins Innere der ehemaligen Kirche. Zimmermeister Graf errichtet aus mächtigen Balken das Gerüst für die Ränge, den Unterbau für das Parkett und die Stützen der Bühne. Leonhard Bacher, der kunstreiche Schreinermeister, der Schöpfer des prächtigen Altares im Kongrega­tionssaal, verkleidet die Logen und die Bühne, liefert die Bänke und Stühle und fertigt die Rahmen für die Theaterkulissen. Auf seiner Rechnung stehen ferner ein großes Schiff auf Rollen, eine Brücke, ein Sarg, ein richtiges Bauernhaus und viele, viele andere Stücke für die Bühnengestaltung.

Der Hofmaler Schelling aus München arbeitet monatelang an den vielen Kulissen. Gegen 4 000 Meter Leinwand verbraucht man, und die oberpfälzischen Weber machen gute Geschäfte. Unter der Bühne werkelt der Mühlarzt Beck - wir würden ihn Mechaniker nennen - an dem Zauberwerk der Theatermaschine. Ein Schacht für die großen Gewichte wird gegraben. Zahnräder, Walzen, Zugseile und Rollen fügt er zu einem seltsamen Gebilde zusammen, das einer großen Uhr gleicht. Schließlich hängt er die 24 Kulissenwagen an den Drehbaum. Ein Hebeldruck, das Gewicht gleitet nach unten, die Hauptwalze dreht sich, und von jeder Seite gleiten 6 neue Kulissen auf die Bühne, während 6 verschwinden. Gleichzeitig wechseln Hintergrund und Deckenkulissen. In Sekundenschnelle wird aus einem Gefängnis ein Schlosssaal.

Am 4. Oktober 1803 kann das Theater feierlich eröffnet werden. Da sehen die Besucher, also viele adelige Herrschaften aus einem weiten Umkreis, aber auch wohlhabende Bürger und ehrsame Handwerker Ambergs und Theaterfreunde oben auf dem „Juchhe“, lauter getreue Untertanen, ihre hochweisen, hochadeligen Herren der Regierung als Helden, Liebhaber und Schurken auf der Bühne agieren. Sie staunen beim raschen Wechsel des Bühnenbildes, zucken bei Blitz- und Donnerschlägen zusammen und sind gerührt von der aufopfernden „Dienstpflicht“, die ihnen gezeigt wird. Der Nachtwächter, der zu später Stunde den lauten Beifall hört, schüttelt den Kopf. Vor knapp 6 Monaten begann man mit dem Umbau, und erst ein Jahr ist es her, dass Pater Victurnus das ewige Licht in der Bernhardskirche löschte.

Die vertriebenen Franziskaner kann er nicht vergessen. Er kann sich nicht über dieses Theater in der einstigen Bernhardskirche freuen, und vielen seiner Mitbürger geht es ebenso.

Der Zuschauerraum des Stadttheaters

Die Ausweisung der Franziskaner 1802 war bereits die zweite in der Geschichte der Amberger Ordensniederlassung. 1553 übergaben die Ordensoberen das Kloster Kurfürst Friedrich II., da es ihnen an Nachwuchs fehlte. Der Landesherr übernahm es mit Zustimmung des Papstes. 1555 verließen die letzten Minoriten Amberg. Kalvinische Herrscher machten das Kloster zum kurfürstlichem Pädagogium. Die Kirche wurde ausgeräumt.

Nachdem 1621 Truppen des katholischen Herzogs Max I. Amberg besetzt hatten, kehrten 1626 die Franziskaner wieder zurück. Sie bauten von 1667 bis 1669 in die große, spätgotische Kirchenhalle mit der seltenen Holztonnendecke, die 1480 holländische Franziskaner geschaffen hatten, 8 mächtige Stützpfeiler und zogen ein barockes Steingewölbe ein. Nach und nach konnte die Kirche dank der reichlichen Spenden Amberger Bürger gediegen ausgestattet werden.

Ab 1690 übernahmen die Franziskaner alle gottesdienstlichen Verpflich­tungen in der Wallfahrtskirche Mariahilf. 1802 mussten sie auch das Bergkloster räumen, doch 1850 kehrten sie wieder auf den Mariahilfberg zurück.

Das St. Bernhardskloster blieb als Gaststätte und Brauhaus bis heute im Besitz der Familie Bruckmüller. Im Laufe der Jahre wurde das Natio­naltheater von 1803 allen Ambergern lieb und wert. Die Stadt hat stets dafür gesorgt, dass Gebäude und Theatereinrichtungen in gutem Zustand blieben. Bis zu 100 Aufführungen wurden in mancher Spielzeit geboten.

1955 musste der Theaterbetrieb wegen einer fehlenden Feuermauer eingestellt werden. Bald zeigten sich Schäden am Dachgebälk. Sehr unzulänglich war die Heizungsanlage. Da man für das Gebäude keine passende Nutzung wusste, beschloss 1969 der Stadtrat den Verkauf an eine Bank und erteilte die Abbruchgenehmigung. Die Bemühungen der Amberger Bürger für die Erhaltung des traditionsreichen Theaters, der Einspruch des Landesamtes für Denkmalpflege und der Verbot des Abbruchs durch die Regierung führten schließlich zu einer Aufhebung des Stadtratsbeschlusses und zu einer gründlichen Restaurierung des Theaters. 1978 konnte das Amberger Stadttheater in der alten St. Bernardskirche wieder eröffnet werden.


 

Rezers Ehrentag - 21.09.1848

Welch ein Treiben auf dem Marktplatz! Ein großer, prächtiger Kranz, den die Vinzentinerinnen für das neue Krankenhaus geflochten haben, lockt immer neue Gruppen an. Eben schmücken ihn die Amberger Mädchen mit langen, bunten Seidenbändern. Fröhlich und gelöst schaut Bürgermeister Rezer vom Rathaus auf die vielen festlich gekleideten Menschen, die den Platz allmäh-

Festzug beim Nabburger Tor

lich so füllen, dass man sich gar nicht vorstellen kann, wie hier ein ordentlicher Festzug zustande kommen soll.

Doch als um 3 Uhr nachmittags die Kapelle der Bergleute anmarschiert, da finden sich die Leute in Reihen zusammen und in schönster Ordnung geht’s mit der Musik voran zum Nabburger Tor. 16 weißgekleidete Mädchen, alle geschmückt mit schwarz-rot-goldenen Schärpen, tragen auf blumengeschmückter Bahre den Kranz und den Buschen für die Hebefeier des Krankenhauses. 12 Buben mit weiß-blauen Schärpen und Fähnlein gehen ihnen zur Seite.

Die Maurer folgen, voran ihr Fähnrich in schmucker, mittelalterlicher Tracht. Lustig lässt er die Fahne kreisen. Dann kommen die ehrsamen Meister und Gesellen des Maurerhandwerks in ihrer saubersten Arbeitskleidung. Stolz und würdevoll tragen sie ihr Werkzeug, also Winkeleisen, Hammer, Kelle, Steinmetzgerät und Wasserwaage. 20 sinds, die heute stolz ihr Werk, an dem sie fast 1 Jahr gearbeitet haben, ihren Mitbürgern zeigen wollen.

Wieder naht ein Fähnrich im bunten, alten Kostüm. Auf seiner Fahne prangt das Bild des heiligen Josef, und der würdige Patron der Zimmerleute schwebt heute besonders verwegen durch die Luft. Besonders fallen die sechs Zimmergesellen auf. Mit Rosmarin, Zitronen und schwarz-rot-goldenen Bändern haben sie ihre Win­keleisen geschmückt. Mit Rezer freuen sich viele, dass sie heute so häufig diese Farben des neuen deutschen Bundes sehen. 6 Altgesellen kommen mit ihren schweren Queräxten, 6 andere tragen Bandbeile. Die 2 Steinmetzmeister Ambergs gehen dann für sich. Nun kommen die wichtigsten Leute der heutigen Feier, der Krankenhausverwalter, der Bauführer und Zimmermeister Gürtler und der Obermeister der Maurerzunft.

Die Amberger Behörden folgen, also die Magistratsbeamten, die Stadträte und die Gemeindebevollmächtigten. Bürgermeister Rezer schaut während des Marsches erfreut auf die dichten Zuschauerreihen, die überall den Weg des Zuges säumen. Immer neue Gruppen reihen sich dem Festzug ein und beschwingt gehts dahin bei den Klängen der Musik.

Jetzt verlässt die fröhliche Menschenschlange durchs Nabburger Tor die Stadt, schiebt sich durch abgeerntete Felder und vorbei an fruchtschweren Obstgärten hin zum Mariahilfbergweg und weiter zum Rohbau des Marienkrankenhauses. Die Mädchen und die Buben sind schon hinter den Gerüststangen im großen Hause verschwunden, da dringen noch immer Leute durch das altersgraue Stadttor.

Stattlich ist der Rohbau des neuen Krankenhauses. Seit über 100 Jahren ist in Amberg kein ähnliches Gebäude mehr errichtet worden. Über den beiden Giebeln bauschen sich an hohen Stangen Fahnen mit den bayerischen Farben. In der Mitte aber, dort wo sich einst das Kapellentürmchen erheben wird, bewegt sich mayestätisch eine riesige schwarz-rot-goldene Fahne.

Richtfest -- Krankenhaus bau 1848

Die Mädchen mit Kranz und Buschen stehen nun im Dachstuhl un­ter der großen Bundesfahne. Die Knaben schließen sich rechts und links an und die Werkleute umrahmen diese hübsche Kindergruppe. Die beiden Fähnriche steigen hoch hinauf ins Dachgebälk und lassen vom First ihre Fahnen lustig flattern.

Der Garten füllt sich, und auch ins Haus drängen Männer, Frauen und Kinder. Aus vielen Fenstern schauen bereits fröhliche Menschen hinaus in den milden Herbsttag und hinunter auf die vielen, vielen Festgäste. Lustig spielt die Kapelle bis alles versammelt ist. Inzwischen haben sich auch die Behörden auf einer Tribüne eingefunden. Die Musik endet, und allmählich verstummt das vielstimmige, fröhliche Gemurmel der Menge.

Bürgermeister Rezer schaut zufrieden, nein, glücklich auf das Haus und freut sich über dieses Werk, um das er sich 8 Jahre lang bemühen musste. Jetzt hat Amberg ein Krankenhaus. Überall sieht er dann Schwarz-Rot-Gold, diese Farben, unter denen sich jetzt alle deutschen Stämme freiwillig zusammengefunden haben, von Südtirol bis Schleswig-Holstein, von Kärnten bis Ostpreußen. Im neuen Bund wird Bayern, wird Amberg einer schönen Zukunft voll Freiheit, Einigkeit und Gerechtigkeit entgegengehen, so hofft er.

Jetzt tritt Zimmermeister Gürtler, der nicht nur den Bau geleitet, sondern auch die Baupläne entworfen hat, auf das schmale Podest im Dachstuhl und spricht mit kraftvoller Stimme den wohlgereimten Meisterspruch für dieses Werk der Nächstenliebe:

Nach gutem, alten Meisterbrauch
besteig' ich heut die Balken auch,
um meinen Spruch mit Wein zu netzen,
und auf den First den Kranz zu setzen.

In fast klassischen Reimen erinnert er dann an die Grundsteinlegung im Jahre 1847 und auch an die freiheitliche Bewegung im März des Jahres 1848, an die Bundesversammlung in Frankfurt und an die neue Verfassung in Bayern:

Da gesellten, erkoren durch Völker Vertrauen,
sich die Männer in Frankfurt zusammen
und begannen am Dome der Einheit zu bauen in der Freiheit geheiligtem Namen.

Dann preist der Redner das Banner des neuen deutschen Bundes und bekennt für sich, und wohl auch für die meisten der Anwesenden:

Was ein echter Gesell von gedrungenem Kern, der bekennt sich zum Banner der Einigkeit gern.

Ausführlich schildert er den Baubeginn, die mühsame Arbeit und die vielen Schwierigkeiten und empfiehlt in einem schlichten Gebet den Bau der hohen Namenspatronin:

Maria, gnadenvolle,
sieh nieder hold und gut
und nimm zu unserm Wohle
dein Haus in deine Hut.

Aber auch seinen Stolz und seine Freude über die vollbrachte Leistung verbirgt er nicht:

Die Freude pocht in meiner Brust,
wenn ich den hohen Bau betrachte,
den, viel bemüht der Geist erdachte,
er ist mein Stolz und meine Lust.

Nun wird’s Zeit für die Trinksprüche. Diesen alten Zimmermanns­brauch begründet er in hübschen Strophen und preist dabei Noe als ersten Zimmermann, der zugleich der Erfinder des Rebensafts ist:

Wie Herr Noah halt ich auch,
treu mit Zimmermannsbedacht,
an dem guten alten Brauch,
der die Seele munter macht.

Zuerst preist er alle, die durch ihre Opferbereitschaft dieses große Werk ermöglicht haben. Er dankt im Namen all der Kranken, denen dieses Haus helfen wird und schließt:

Ihr edlen Geber nehmt entgegen
des Himmels reichsten Gnadensegen.

Ein Altgesell reicht ihm das volle Weinglas, und unter dem to­senden Beifall der großen Menge bringt er allen Wohltätern den ersten Ehrentrunk. Die Musik setzt ein und Böller krachen. Das Glas hat seinen Dienst getan, in hohem Bogen fliegts hinab. Doch unten lauern schon pfiffige Bürschlein, um dieses Erinnerungsstück mit Mützen und Tüchern aufzufangen. In den allgemei­nen Beifall für die Verse mischt sich die heitere Anerkennung für den glücklichen Fänger, um den sich sofort einige Bürger drängen, die für blinkende Gulden ihm dieses Andenken abkaufen wollen. Dann preist Gürtler seine Vaterstadt, ihre Bewohner und besonders Bürgermeister Rezer, und der zweite Ehrentrunk gilt:

Amberg, der guten Pfälzer Stadt,
und was sie Gutes und Edles hat,
dem Bürgermeister auch daneben,
mit seinem segensreichen Streben.

Wieder braust der Beifall, wieder blitzt das fallende Glas und wieder retten es geschickte Bubenhände.

Das 3. Glas wird der bayerischen Heimat und König Maximilian gewidmet. Man erwartet einiges von diesem König, der so rasch die Verfassung anerkannt hat:

Und mög’ König Max, der uns milde regiert,
der Himmel den Segen verleihen,
dass unter der Krone, die würdig ihn ziert,
das Recht und die Freiheit gedeihen.

Während er das 3. Glas ebenfalls in einem Zuge leert, nicken ihm seine Zunftgenossen anerkennend zu, und der Jubel steigert sich, als auch dieses Glas aufgefangen wird. Den 4. Trunk weiht er dann in begeisterten Versen dem deutschen Vaterland, der deutschen Einigkeit und Erzherzog Johann, dem Reichsverweser:

Oh, möge gut zumal geraten
der Bau der deutschen Einigkeit,
durch Männer Rat und Männer Taten,
dem Heil des Vaterlands geweiht.

Hoch hebt er das volle Glas, damit ja alle sehen können, dass er keine halben Sachen liebt und laut schallt’s über die lauschende Menge:

Dem lieben deutschen Vaterland
im freien, einigen Verband
und Deutschlands bravsten Mann,
dem edlen Erzherzog Johann,
ein donnernd Lebehoch!

Die letzte Aufforderung hätte es nicht gebraucht. Es dauert lange bis sich die begeisterten Zurufe legen. Mit einem letzten Gedicht begleitet Gürtler das Aufsetzen des Kranzes und des großen Blumenbuschen. Während im Winde die vielen Bänder des Kranzes lustig flattern, bittet er noch mal Gott den Herrn um Schutz für dieses Haus. Ein kräftiges Amen beschließt diesen Teil der Feier.

Anschließend berichtet Bürgermeister Rezer, wie die Amberger sich stets der Kranken angenommen haben, wie sie schon vor 1300 für die armen Aussätzigen zwei Häuser gebaut und im Bürgerspital stets eine Krankenpflegestube unterhalten haben. Er fährt fort: „1522 bauten schließlich unsere Vorfahren das alte Leprosenhaus bei St. Katharina zu einem allgemeinen Krankenhaus um. Um 1542 wurde schließlich das ehemalige Benefiziatenhaus bei der Katharinenkirche eine Krankenpflegestätte. Seit 306 Jahren dient dieses Gebäude der Unterbringung und Pflege der Kranken. 300 Jahre sind’s bereits. Stets hat die Krankenhausstiftung im Geiste christlicher Nächstenliebe und bürgerlicher Gesinnung für die Kranken gesorgt. Stets haben die Bürger durch reichliche Spenden das Vermögen dieser Stiftung vermehrt. Über 8.000 Gulden verfügte die Krankenhausstiftung bereits vor 10 Jahren, und bislang konnten von den Zinsen dieses Vermögens alle Dienstboten und Handwerksgesellen, aber auch alle Bürger, denen die häusliche Pflege mangelte, im Krankheitsfalle versorgt werden.“

Marienspital

Er führt aus, wie man in den letzten Jahren immer deutlicher die Unzulänglichkeiten des alten Krankenhauses erkannte. Mit bewegter Stimme berichtet er: „Diese Erkenntnis führte zu Taten echt christlicher Nächstenliebe. In knapp 10 Jahren wurden über 20.000 Gulden gestiftet.“ Er nennt die Namen all der hochherzigen Geber, angefangen vom Benefiziaten Walbrunn der 1800 Gulden schenkte, bis zum Peter Winter von Süß, der als Dienstknecht starb und 11 Gulden der Stiftung vermachte. Er vergisst nicht Johann Erras, der seinen Stein­bruch bei Raigering der Krankenhausverwaltung überließ, so dass man billig zu 12 000 Quadersteinen kam. Rezers Freund, der Graf von Platen, schüttelt zwar mißbilligend den Kopf, aber die Amberger dürfen schon erfahren, dass dieser fränkische Standesherr, dem Amberg zur Heimat geworden ist, nicht nur alle Gartenarbeiten übernommen hat, sondern auch sämtliche Pflanzen, Samen, Sträucher und Bäumchen geben will.

Rezer wendet sich an die Kinder und bittet sie, diesen Tag, den sie so schön und eindrucksvoll mitgestaltet haben, nicht zu vergessen. Zum Schluss vereinen alle ihr Gebet für die Wohltäter des Marienspitals und Rezer schließt mit dem Ausruf:

„Heil und Segen allen Wohltätern unseres Marienspitals“. In das oft wiederholte vielstimmige Hoch mischt sich nochmals die Blasmusik und das Donnern der Böller. Das Richtfest ist beendet.

Noch lange steigen Bürger durch die Stockwerke des Rohbaues, bewundern das weiträumige Haus, schauen fröhlich auf die Stadt Amberg, die umgeben vom herbstbunten Ring der Allee und den altersgrauen Mauern und Türmen vor ihnen liegt und blicken immer wieder hinauf zur großen schwarz-rot-goldenen Fahne.

Alle städtischen Behördenvertreter treffen sich nochmal am Abend im Wingershof, um am Hebmahl der Bauleute - auf eigene Kosten versteht sich - aufgeräumt und fröhlich teilzunehmen. Wieder werden die Veranwortlichen für den Neubau des Krankenhauses in lustigen und ernsten Trinksprüchen gefeiert, und Rezer bekommt noch manches lobende Verslein zu hören. Er ist überglücklich und hofft nur, der Bau des neuen deutschen Bundes möge unter den Farben schwarz-rot-gold ebenso gut gelingen wie der Bau des Marienkrankenhauses.

Krankenhaus (1984) mit den bestehenden Erweiterungsbauten

Der Bau von 1848 war so großzügig geplant, dass er bis 1928 allen Anforderungen gerecht werden konnte, obwohl sich die Bevölkerung der Stadt in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt hatte. Von 1928 bis 1930 wurde der erste große Erweiterungsbau angefügt. Nach dem Kriege reichten die vorhandenen Räumlichkeiten nicht mehr aus, denn Ambergs Bevölkerung war auf 45.000 angewachsene Ab 1955 entstand der Küchen- und Entbindungstrakt. Zwischen 1961 und 1967 wurden weitere Gebäudlichkeiten angefügt. Doch die Bautätigkeit ging weiter. 1984 stellte der Rezerbau nicht einmal mehr den zehnten Teil des Gesamtkomplexes dar. Inzwischen musste auch er einem Neubau weichen.

Ein besonderes Verdienst Rezers war es dann, Vinzentinerinnen für die Leitung des Hauses gewinnen zu können. Bis 1974 haben sie im Krankenhaus in selbstloser Weise christliche Caritas vorgelebt, dann mussten sie mangels Nachwuchs Amberg aufgeben.

Mit seinem Marienkrankenhaus durfte Rezer mit Recht zufrieden sein. Sein eigenes Geschick dagegen ist tragisch. Der von ihm so sehr gewünschte einige deutsche Bundesstaat, der alle deutschen Fürstentümer einschließlich Österreichs umfassen sollte, scheiterte am Widerstand der deutschen Fürsten. In Amberg schlug die Stimmung bald um. Die hohe Beamtenschaft und die Offiziere waren ja bereits der Hebefeier fern geblieben. Sie wollten nichts mehr von bürgerlicher Freiheit und allgemeiner Gerechtigkeit und deutscher Einigkeit wissen. Die schwarz-rot-goldene Flagge verschwand schon 1849. Rezer verlor sein Bürgermeisteramt, die Regierung beförderte ihn zum Landrat von Freising. Als 1850 das Amberger Krankenhaus vollendet war, konnte er wegen seiner angegriffenen Gesundheit nicht zur Eröffnungsfeier kommen. Im Oktober 1850 starb er. Die Rezerstraße erinnert an den Mann, dem wir unser Marienkrankenhaus verdanken.


 

Amberg und die Eisenbahn

An einem Frühlingsabend 1834 sitzen beim Malteserwirt einige Herren des Historischen Vereins eifrig diskutierend beisammen und unterhalten sich über ihre letzten Archivarbeiten. Ein Gast am Nachbartisch bittet nach einiger Zeit, sich zu ihnen setzen zu dürfen, da ihn Geschichte sehr interessiere. Es wird ein sehr anregender Abend. Ehe die kleine Gruppe gegen 23 Uhr aufbricht, lobt der Fremde nicht nur das gute Malteserbier, er ist auch von Amberg angetan. Die Herren vernehmen das gerne. Dann aber stellt er missbilligend fest, dass diese schöne Stadt nur schwer erreichbar ist. „Von Bayreuth nach Amberg brauche ich fast länger als für eine Reise nach Augsburg. In der Postkutschenzeit hätte ich Amberg beinahe ebenso schnell erreicht als jetzt mit der Bahn. Haben ihre verehrten Vorfahren geschlafen, als die Eisenbahnlinien abgesteckt wurden?“, meint er. Dem alten General Dollacker lässt dieser Vorwurf des Bayreuthers keine Ruhe. Wie war das mit der Eisenbahn? In den nächsten Wochen ist der General häufig in Ambergs Archiven. Was er da in dicken Akten findet, das hätte er früher wissen müssen. Man bedenke, 1835 fuhr die erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth. 1837 eröffneten die Sachsen und 1838 die Preußen ihre ersten Eisenbahnlinien. Bereits 1838 aber reichten die Städte Nürnberg, Regensburg und Amberg ein Gesuch um die Geneh­migung einer Bahnverbindung bei König Ludwig I. ein. Nachdem keine Antwort erfolgte, erneuerte Ambergs Bürgermeister Rezer 1841 dieses Ansuchen.

„Na, das müsste der Bayreuther erfahren!“, denkt Dollacker, als er liest, wie ab 1844 Ambergs Stadtväter ausgerechnet mit Bayreuth wegen einer Schienenverbindung verhandelten. Durch das Vilstal sollte sie weiter nach Regensburg geführt werden. Rezer hat dieses Projekt gründlich prüfen lassen und war überzeugt, dass sich diese Strecke gut rentieren würde. Nutzen würde diese Bahnlinie den Märkten Hahnbach, Rieden und Kallmünz, dann den Städten Auerbach und Vilseck und besonders Amberg mit seinen knapp 8.000 Einwohnern und seinen zahlreichen Garnisonen. Welchen Aufschwung würden die Hammerwerke an der Vils und der Bergbau bei Amberg und Sulzbach nehmen. Sogar die Kosten hat man schon zusammengestellt, mit 8 Millionen Gulden hofft man auszukommen.

1847 und 1849 bemühen sich die Städte Nürnberg und Amberg um eine möglichst kurze Verbindung nach Böhmen. Amberg schlägt eine Linie über Schwarzenfeld und Waidhaus nach Pilsen vor.

Als beim nächsten Stammtisch Dollacker seinen Freunden seine Forschungsergebnisse vorträgt, ist man erstaunt. Da wollten die Amberger also 1849 der Eisenbahnknotenpunkt der Oberpfalz werden mit direkten Verbindungen nach Pilsen, Regensburg, Nürnberg und Bayreuth.

„Warum sind aber diese Planungen unserer Vorfahren gescheitert?“, will Dollacker wissen. In den Akten bis 1855 findet er nur neue Eingaben der Stadt bei der hohen Regierung, endlich mit dem Bau wenigstens einer der großen Linien zu beginnen. Dann entdeckt er die ersten Einwände. Bei Burglengenfeld arbeitet ein modernes Eisenwerk, die Maxhütte. Dieser Betrieb wünscht einen Bahnanschluss nach Regensburg. Die Regensburger wiederum drängen auf eine Schienenverbindung mit Böhmen über Schwandorf und Cham. Die Vilstalbahn lehnt man am Sitz der Kreisregierung ab. In Amberg aber will man unbedingt, dass die Strecke über Schwarzenfeld nach Pilsen endlich begonnen wird, und man bietet 1854/55 in München sogar die Gründung einer Aktiengesellschaft zur Finanzierung dieses Vorhabens an. Doch vorerst geschieht nichts.

Beim nächsten Historikerstammtisch kann Seminardirektor Blößner einiges zur Geschichte der Eisenbahn berichten. Er weiß, dass die Amberger um 1850 den Bahnhof im Westen der Stadt nahe Gärbershof planten. Die Bürger wollten nicht, dass die Bahnlinie die Stadt vom Mariahilfberg trennt. Schon gar nicht wollten sie für die Bahnlinie im Osten der Stadt ihre Allee opfern. Die Eisenbahnsachverständigen dagegen wollten gerade am Ostende der Stadt die Bahnstation errichten.

Dollacker forscht weiter und findet, dass man um 1855 in Ostbayern wegen der Bahnangelegenheit mit München sehr unzufrieden war.

Alle anderen Regierungsbezirke besaßen bereits Anschluss an das große, eiserne Verkehrsnetz. Man konnte z. B. bereits von Aschaffenburg nach Hof und nach München mit dem Zug reisen. In die Oberpfalz und nach Niederbayern führten noch keine Schienen. Bitter beklagte sich die Handelskammer der Oberpfalz über diese Zurücksetzung.

Es waren dann Privatleute, die das Schienennetz der Oberpfalz schufen. Die Bankiers Eichthai und Hirsch bemühten sich um die Gründung einer Aktiengesellschaft für den Bahnbetrieb in Ost­bayern. Erst als sich das berühmte Bankhaus Rothschild in Frankfurt, die Firma Cramer-Klett (MAN) und der Fürst von Thurn und Taxis an diesem Unternehmen beteiligten, kam es im April 1856 zur Gründung der Ostbahngesellschaft.

Leider besaß in dieser Aktiengesellschaft die Stadt Amberg kaum Einfluss. Für 50.000 Gulden wollten die Amberger Aktien, doch sie bekamen nur ein Aktienpaket von 4.200 Gulden. Die Regensburger Interessen dagegen vertrat der Fürst von Thurn und Taxis, der erste Präsident der Gesellschaft.

Noch 1856 begannen die Arbeiten an der Strecke Nürnberg-Amberg-Schwandorf-Regensburg. Von der Vilstalbahn wurde nicht mehr gesprochen. Schwandorf war zudem als Ausgangsstation für die Verbindung nach Böhmen vorgesehen. Die Strecke Amberg – Schwarzenfeld – Waidhaus - Pilsen war damit hinfällig.

Noch immer bemühten sich die Amberger um die direkte Verbindung nach Bayreuth. 1858 mussten sie erkennen, dass auch diese Absicht nicht zu verwirklichen war. Die Bayerische Staatsbahn Augsburg-Bamberg sah in einer Privatstrecke Amberg-Bayreuth-Hof ein Konkurrenzunternehmen und erhob Einspruch. Die Amberger Planungen mussten zu den Akten gelegt werden.

Von den Arbeiten an der Bahnstrecke zwischen 1856 und 1859 weiß der General noch einiges von seinem Vater, der damals Landrichter in Amberg war. Es gab keine Schwierigkeiten beim Grundstückskauf. Die Vermessungsarbeiten waren rasch abgeschlossen. Dann rückten Arbeitskolonnen an, und mit Pickel und Schaufel wurden Dämme und Einschnitte für den neuen Verkehrsweg geschaffen. Amberger Fuhrunternehmer verdienten nicht schlecht, Brauer und Wirte konnten sich am erhöhten Umsatz freuen, und mancher Schneider und Schuster musste zusätzlich Gesellen einstellen, um die zerrissenen Kleider bzw. Schuhe der Arbeiter ersetzen zu können. Von Herrn Blößner erhält der General einen Brief mit interessanten Mitteilungen. „In den Krankenhausrechnungen fand ich die Anzahl der Arbeiter vermerkt, die während der Arbeiten zu Schaden gekommen sind. 1857 schickte die Eisenbahnsektion 20 Verletzte in das Marienhospital, 1858 waren es 104, also genau ein Viertel aller Patienten. 1859 nahmen die Schwestern 70 Eisenbahnarbeiter auf und 1860 nochmals 20. Es müssen Hunderte von Arbeitern rings um Amberg beschäftigt gewesen sein.“

„Dann wird sie interessieren, dass es 1857/58 zwischen der Malteserbrauerei und der Ostbahn wegen des Wasserstollens beim Schimmelbauer Schwierigkeiten gab. Die Wasserzufuhr zur Brauerei ließ sehr nach. Der Bahnhof erhielt daher eine Wasserleitung vom Lindenbrünnlein her.“

„Ferner fand ich, dass noch 1858 wegen der Allee und der Gestaltung des Bahnhofplatzes keine Einigung erzielt worden war. Die Stadt hat sich sogar beim König über die Ostbahngesellschaft beschwert, allerdings vergebens. Schließlich war die Gesellschaft bereit, den Bau der Brücke über den Stadtgraben zu übernehmen, nachdem die Stadt einen Straßendurchbruch vom Spital her zum Bahnhof beschlossen hatte.“

„Ich empfehle Ihnen übrigens, die Zeitungen von 1859 und 1860 durchzusehen.“

Natürlich freut sich der General über diese Aufmerksamkeit und holt sich noch am gleichen Tage die zwei Jahresbände des Amberger Tagblatts aus der Provinzialbibliothek. Dann notiert er eifrig.

8. September 1859 – „Heute, bald nach Mittag, hatten wir das Vergnügen, die erste Lokomotive an unserem Bahnhof heranbrausen zu sehen. Diese kam von Schwandorf her an und kehrte nach zweistündigem Aufenthalt, während eine große Menge Schaulustiger herbeigeströmt war, wieder dahin zurück.“

12. September 1859 – „Gestern hatten wir das Vergnügen, zwei Lokomotiven dahier zu sehen. Die eine, von Nürnberg kommende, traf etwas vor 12 Uhr in der Nähe der Vilsbrücke beim Weiherhäusl (nahe Neumühl) ein und schob einen eleganten Waggon vor sich her, in welchem sich einige angesehene Mitglieder des Vorstands der Ostbahngesellschaft befanden. Obwohl die Strecke beim Weiherhäusl inzwischen mit Schienen belegt worden ist, stiegen die Herren, da die Strecke bis zum Bahnhof noch nicht ohne Gefahr zu befahren war, vor der Brücke aus und begaben sich zu Fuß hierher.

Lokomotive der Bayerischen Ostbahnen - gebaut 1857/58 bei Maffei in München.

Der Waggon wurde sodann durch Arbeiter zum Bahnhof geschoben. Eine zweite Lokomotive war im Verlauf des Nachmittags von Schwandorf her angekommen. Von dieser wurde obiger Waggon und die Reisegesellschaft nach Regensburg weiterbefördert. Am 7. 12. 1859 berichtet das „Tagblatt“ aus München. „Am 8. 12. 1859 sollen die Herren Vorstände der Ostbahn auf der vollständigen Strecke von Regensburg über Amberg nach Nürnberg und am gleichen Tag wieder zurück nach München fahren. Der ganze Bau ist jetzt in allen Teilen vollkommen gelungen und, was die Hauptsache ist, er ist sehr wohlfeil und weit unter den ersten Kostenanschlägen gebaut worden. Am 12. 12. 1859 findet die eigentliche Eröffnung der Bahnstrecke statt.“

Beachtenswert findet Dollacker den Rückblick auf das Jahr 1859 in der Neujahrsausgabe 1860. Da heißt es: „Das abgelaufene Jahr ist seit Dezennien das wichtigste für unsere Stadt gewesen. Das Wort Lokomotive, der Name des Zauberrosses der weltbewegenden Dampfkraft, ist für uns nun kein leerer Begriff mehr. Am 8. 9. 1859 brauste die erste Lokomotive auf den uns mit der kaiserlichen Noris und der ehrwürdigen Ratisbona im raschen Flug verbindenden Gleisen heran und brachte die ersten Grüße einer neuen Zeit. ... Seit 12. September sehen wir nun regelmäßig das Dampfross ankommen und abgehen. Waren und Menschen bringen und fortnehmen auf den eisernen Linien, die nicht allein die Richtung für Handel und industriellen Verkehr, sondern auch die Entwicklung des industriellen Fortschritts und des Kulturlebens in hohem Grade bestimmen.

Die Stelle der Gärten, deren freundliches Grün die Baumgänge der Allee mit dem Mariahilfberg verband, nimmt nun der Bahnhof ein mit seinen Gebäuden

Auf der Wart in der jetzigen Bahnhofstraße. In der Mitte der ehem. Gasthof vor dem Durchbruch der Stadtmauer zum Bahnhof. Links das Bürgerspital, rechts steht jetzt ein Kaufhaus.

und Geleisen. Im Frühjahr wurde erst der Grund gelegt, in Hiltersdorf und Neuricht brach man die Quader, und in wenigen Monaten war er fertig.

Vom Bahnhof kann man jetzt in die Stadt hineinblicken, allerdings nur über Mauertrümmer und Schutthalden abgerissener Gebäude. Der Stadtmauerdurchbruch ist einer Bresche überaus ähnlich, und er ist wohl auch eine solche, die von einer neuen Zeit in die beengenden Mauern und die beengten Verhältnisse unserer Stadt gebrochen wurde.

Inzwischen arbeitet man bereits an der Brücke über den Stadtgraben, und die Häuser an der Bahnhofstraße sind bereits geplant. Wir Amberger haben für dieses neue Verkehrsmittel freilich auch unsere Opfer gebracht. Die herrliche Allee wurde an ihrer schönsten Stelle unterbrochen und eine prachtvolle Lindenreihe musste gefällt werden. Um die Gelder für die neue Straße aufzubringen, sahen sich die Stadtväter gezwungen, den Malzaufschlag zu erhöhen.

Aus allem, was er liest, spürt Dollacker, wie überglücklich die Amberger 1860 waren, weil sie früher als jede andere Stadt der Oberpfalz den Anschluss an das länderverbindende Schienennetz bekommen haben. Zwanzig Jahre intensiver Bemühungen schienen 1859 belohnt zu werden. Amberg wurde sogar Schnellzugstation. 1861 konnte die Linie Schwandorf-Furth i. W. eröffnet werden. Unsere Stadt hatte davon einigen Nutzen.

Die weitere Entwicklung kennt Dollacker bereits. 1864/65 wurde die wichtige Strecke Schwandorf - Weiden - Mitterteich fertiggestellt, gleichzeitig wurde die Strecke Weiden - Bayreuth befahrbar. Schwandorf und Weiden sind seitdem die Eisenbahnknotenpunkte der Oberpfalz. Beide Orte verdanken dieser Vorrangstellung sehr viel. Als dann 1875 die kürzere Verbindung Regensburg-Nürnberg über Neumarkt fertig war, endete die Schnellzugzeit in Amberg. Die alte Hauptstadt der Oberpfalz blieb abseits der Haupteisenbahnlinien.

Beim nächsten Stammtisch berichtet der General zusammenfassend alles, was er gefunden hat. Schade, dass der Herr aus Bayreuth nicht zuhören kann. Die Runde der Heimatgeschichtsfreunde meint, dass diese ausgezeichnete  Arbeit unbedingt veröffentlicht werden muss. Herr Dollacker übergibt sie 1936 der Heimatzeitschrift „Oberpfalz“. Nun kann jeder nachlesen, wie sich die Amberger ab 1838 für den Eisenbahnbau eingesetzt haben, und wie sie leider ihre Planungen nicht durchsetzen konnten.

Die Dampflokomotive von 1859 fuhr langsamer als unsere Diesellokomotive, wie der damalige Fahrplan zeigt.

Regensburg ab                   Amberg an              Amberg ab              Nürnberg an

05.16                               07.55                     08.01                     10.50
12.46                               15.14                     15.20                     17.54 
17.12                               20.54                     17.40                     21.50

Man vergleiche mit der Postkutsche! Die Extra-Eilpost brauchte rund acht Stunden von Amberg nach Regensburg oder Nürnberg.

Bezahlt hat man 1860 für die einfache Fahrkarte Amberg-Regensburg 171 Kreuzer in der 1. Klasse, 114 Kreuzer in der zweiten Klasse und 75 Kreuzer in der 3. Klasse. Eine Postkutschenfahrt für diese Strecke kostete dagegen 90 Kreuzer. Diese Preise sind vergleichsweise sehr hoch, denn damals kosteten eine Maß Weizenbier 5 Kreuzer, ein Pfund Ochsenfleisch 15 Kreuzer und ein Pfund Butter 24 Kreuzer.

In Amberg hat man sich weiterhin für neue Eisenbahnstrecken eingesetzt. 1877 bemühte  sich die Stadt vergebens um eine Strecke Amberg – Velburg - Ingolstadt. 1879 drängte sie ohne Erfolg auf den Bau einer Verbindung von Amberg nach Neumarkt. Erst 1905 wurde die Lokalbahn Amberg - Kastl - Lauterhofen eröffnet. Vorher schon, 1898, war nach neunjährigem Bemühen die Bahnlinie nach Schnaittenbach fertiggestellt worden. Als letzte Strecke entstand zwischen 1908 und 1910 die Vilstalbahn nach Schmidmühlen. So war Amberg wenigstens Knotenpunkt einiger Lokalbahnen geworden.

Die Blütezeit der Eisenbahnen neigte sich ihrem Ende zu. Der Automotor wurde immer stärkerer Konkurrent der Dampfkraft. Immer mehr Personenautos befuhren die gut ausgebauten Straßen, immer mehr Güter wurden von Lastwagen befördert. Der Personenverkehr auf der Bahnstrecke nach Lauterhofen wurde 1962 eingestellt, 1972 begann man mit dem Abbau der Gleise. Nach Schmidmühlen fuhr 1966 der letzte Personenzug und der Personenverkehr nach Schnaittenbach wurde 1976 eingestellt. Dafür erreichte als neuer, schneller Verkehrsträger die Autobahn 1976 den Amberger Raum. Rund 100 Jahre war der Eisenbahnzug für Amberg das Hauptverkehrsmittel.


 

Wasserversorgung Ambergs bis 1893

Wasser in Amberg

Ursprünglich gab es im Stadtgebiet Ambergs reichlich gutes, fließendes Wasser. Sogar die Vils, unser Heimatfluss, führte noch im 19. Jahrhundert reines, trinkbares Wasser. Ihr damals sprichwörtlicher Reichtum an Fischen und besonders Krebsen ist dafür ein sicherer Beweis, dass sie damals gesund war. Vilswasser konnte allen Ansprüchen genügen.

Dazu gab es noch einige kleine und größere Quellen in der Altstadt. Unterhalb der Martinskirche entsprang nahe der Vils einst die Rainerquelle. Heute ist sie verschüttet. Im Bereich des Klosters der Armen Schulschwestern war die Quelle des Zollerbrunnens. 1601 verlegte man eine Bleileitung von dieser Quelle durch die Vils zum Haus des Stoffhändlers Jonas Geißel. Sie ist schon lange verschüttet und selbst die genaue Lage ist unbekannt.

Einige Quellen befanden sich westlich des Fuchssteiners am Westrand des Schlossgrabens. Ihr Wasser floss südlich des Turms am Dr.-Sattler-Haus in die Vils. Friedrich I. ließ 1453 den tiefen und breiten Schlossgraben anlegen, den diese Quellen füllten und der sogar mit Fischen besetzt wurde. Im Zusammenhang mit dem Bau Schlossgraben 1 um 1900 hat man diesen Weiher aufgefüllt.

Sehr stark ist noch immer die Fürstenquelle unterhalb der Stadt. Sie ist aber jetzt ganz gefasst. Ihr Wasser versorgte einst den Fürstenhof, daher ihr Name. Es floss durch einige Weiherlein, ehe es in die Vils einmündete,  die damals ihren Lauf weiter östlich im Bereich des alten Dultplatzes hatte. Die Bewohner vom Fürstenhof bzw. Wingershof holten hier ihren Wasserbedarf, daher der Name Fürstenquelle. Das kleine Bächlein floss einst durch einige kleine Weiher zur Vils. Um 1850 versorgte die Quelle die Strafanstalt im Fürstenhof. Heute zeigt ein Eisenrohr, aus dem ständig Wasser fließt, die einstige Quellenlage an. Ihr Wasser wird in einigen Industriebetrieben verwendet und speist zudem einen kleinen künstlichen Bach zwischen den Sportanlagen und beim Schanzl.

Zwei starke Quellen, beide hießen Lindenbrünnlein, entspringen nahe der Stadt am südlichen Fuße des Mariahilfberges. Die stärkere und ältere davon ist heute verschüttet und verrohrt. Ihre Brunnenstube war nahe der jetzigen Fabrikstraße. Das Lindenbrünnerl am Fuße der Lindenallee läuft jetzt nur ein kurzes Stück sichtbar.

Auch an den übrigen Abhängen des Mariahilfberges finden wir an verschiedenen Stellen über der Lehmschicht des Ornatentons schwache Quellaustritte, die vielfach nur am feuchten Grund feststellbar sind. Die höchstgelegene Quelle ist das Kräuterbrünnerl am Mariahilfberg, das zudem kaum verändert wurde.

Fast überall in der Altstadt erreicht man schon in geringer Tiefe das Grundwasser. Erstaunlich ist, dass selbst bei St. Georg schon in fünf Meter Tiefe Wasser ansteht.

Eine sehr starke Wasserader zieht von Westen kommend unter dem Schrannenplatz Richtung Vils. Beim Bau der Turnhalle der Armen Schulschwestern wurde 1983 wahrscheinlich dieser Wasserlauf angegraben, in kürzester Zeit war die Baustelle überflutet und man musste starke Pumpen einsetzen. Unbekannt ist, woher dieser unterirdische Wasserlauf kommt. Er scheint unter dem Vilsbett weiter und tief unter dem einstigen Stadtgraben gen Osten zu fließen.

Schon beim Bau des neuen Vilsbetts gab es 1934 Schwierigkeiten wegen der Bodenbeschaffenheit in der ehemaligen Gärtnerei Zahn. Das neue Vilsbett musste mit Betonwänden eingefasst werden, das Wasser wäre sonst unterirdisch ins alte Bett gesickert. Der Bereich zwischen Paradiesgasse und Viehmarkt hieß einst „Im Krötensee“. Man darf aus diesem Namen auf ein feuchtes Gelände schließen.

Wasser für den Haushalt

Wer nahe an der Vils wohnte, holte sich seinen Wasserbedarf aus dem Fluss. Selbst die Frau Pfalzgräfin ließ noch 1409 auf dem Umgang ihres Hauses (jetzt Klösterl) einen Aufzug zum offenen Gang im ersten Stock anbringen, damit man das Vilswasser leichter kübelweise in ihre Gemächer schaffen konnte.

Es war nicht schwer, bei den gegebenen Grundwasserverhältnissen Zieh- oder Schöpfbrunnen anzulegen. Mit Sicherheit hatte jeder wohlhabende Bürger seinen eigenen Brunnen entweder im Hofraum oder im Keller oder gar in der Küche. Es kam auch vor, dass zwei Nachbarn sich gemeinsam einen Brunnen hatten bauen lassen und später die Unterhaltskosten teilten. Schwaiger (um 1550) berichtet von 243 privaten Brunnen innerhalb der Altstadt. Interessant ist, dass es sogar in der Martinskirche einen Schöpfbrunnen gab.

Im lehmigen Grund war es nicht schwer, eine Zisterne anzulegen, in welcher sich das Wasser von den Dachflächen sammeln konnte. Selbst im Rathaushof  wurde eine solche Anlage 1984 freigelegt.

Manche Handwerker brauchten besonders viel Wasser

So suchten die Gerber für ihr Gewerbe die Nähe des Flusses. Unsere alte Lederergasse läuft parallel zur Vils, die Gerberwerkstätten waren unmittelbar am Fluss. Hier wurden die Häute gewässert. Zwischen unserer Fleischbankgasse und der Vils stand das alte Schlachthaus, und die Fleischbänke grenzten unmittelbar an dieses Gebäude. Weitere Fleischbänke, (die Metzger hatten grundsätzlich in ihren Wohnhäusern keine Verkaufsräume), befanden sich auf der Brücke über den alten Stadtgraben nahe der Spitalkirche. Alles was beim Schlachten abfiel, wurde in die Vils oder den Spitalgraben geworfen.

Auch die Tuchfärber hatten ihre Werkstätten entweder an der Vils oder am alten Spitalgraben. Das Walfischhaus am alten Stadtgraben, das einem Schwarzfärber gehört, ist beispielhaft für diese Platzwahl.

In der Fischgasse längs der Vils (heute heißt sie Schiffgasse) wohnten sieben Fischer, die in festen Fischkästen im Fluss ihre Fische bis zum Verkauf verwahrten.

Eine der ältesten Brauereien Ambergs befand sich am Mühlhof. Sie konnte nicht nur ihren hohen Wasserbedarf aus dem Flusse decken, man hat das Vilswasser auch zur Kühlung verwendet.

Die Blechzinner brauchten für Reinigung und Ablaugen der Bleche viel Wasser. Die ersten Zinnereibetriebe standen am Schlossgraben. Später verlegte man sie in das Rückgebäude des Anwesens Untere Nabburger Straße 5, das unmittelbar am alten Stadtgraben lag.

Der alte Spital- oder Münzgraben war bei Bränden in der östlichen Stadthälfte von großer Bedeutung, da er meist weite Wege zur Vils oder zu einem Brunnen ersparte. Dank verschiedener Stauvorrichtungen konnte man Löschwasser dort lassen, wo man dem Brand am nächsten war.

Dass die Strömung der Vils innerhalb der Stadt zwei große Mühlen, eine Walkmühle für die Lodenherstellung, eine Schleiferei und schließlich die Münze bzw. die spätere Gewehrfabrik betrieb, sei wenigstens erwähnt. Die Vils ermöglichte ferner als Verkehrsweg Ambergs Salz-, Erz- und Eisenhandel.

Öffentliche Brunnen in der Altstadt

Selbst in der reichen Stadt Amberg konnte sich nicht jeder Bewohner einen eignen Brunnen leisten. Bei machen Häusern war wegen der geringen  Grundstücksgröße eine eigene Wasserversorgung nicht möglich. Die Mehrzahl der rund 850 Amberger Haushaltungen war ohne eigene Wasserstelle. Hier musste die Gemeinschaft der Bürger, die Stadt, helfen.

BrunnenUm 1550 zählte Amberg 42 öffentliche Schöpf- oder Ziehbrunnen, aus denen sich jedermann nach Belieben bedienen konnte. Die „Löffelgasse“ erinnert noch an einen solche Straßenbrunnen, an den „Löffelbrunnen“. Wahrscheinlich diente hier eine große Kelle zum Wasserschöpfen. Ansonsten hatten alle diese Brunnen eiserne Ketten und feste Kübel.

Wiltmaister hat für das 18. Jahrhundert 40 dieser Brunnen Örtlichkeiten zugeordnet, wir können uns also ein Bild von der Verteilung dieser allgemeinen Wasserstellen innerhalb der Altstadt machen.


1. Beginn der Georgenstraße, Abzweigung Fleischbankgasse.
2. Ecke Regierungsstraße / Zuckerbäckergasse
3. Im Hof der neuen Kanzlei, jetzt Landgericht
4. Im Hof der alten Kanzlei, jetzt Landgericht
5. Im Schlosshof
6. In der Steinhofgasse
7. In der Badgasse
8. Vor dem Zehentstadel in der oberen Neustift
9. In der unteren Neustift nahe dem Wingershofer Tor
10. Vor dem nördlichen Maltesergebäude 
11. Am unteren Ende des Malteserplatzes
12. Am Rossmarkt
13. In der vorderen Langen Gasse
14. In der hinteren Langen Gasse
15. In der Paradiesgasse
16. In der Vilsstraße beim Vilstor
17. Auf dem Paradeplatz
18. In der Ziegelgasse, Nähe Ziegeltor
19. In der Ziegelgasse, Nähe Pestalozzischule
20. Am Eck Bahnhofstraße / Obere Nabburger Straße
21. Obere Nabburger Straße vor Nr. 9
22. Beim Nabburger Tor
23. In der oberen Hälfte der Unteren Nabburger Gasse
Bild00124. In der unteren Hälfte der Unteren Nabburger Gasse
25. In der Münzengasse
26. Auf dem Paulanerplatz
27. In der Rosengasse
28. Am Viehmarkt
29. In der Weinstraße
30. Beim Salesianerinnenkloster beim Mühlsteg
31., 32., 33. In den Höfen der Kasernen in der Herrnstraße und Kasernstraße
34. Obere Apothekergasse
35. In der Herrnstraße
36. Nördlich des Rathauses
37. In der Löffelbrunngasse
38. In der Schiffgasse
39. Im Zeughaus
40. Im Baustadel

 

Zu Schwaigers Zeit musste jeder Bürger im Vierteljahr 10 Pfennig für die Instandhaltung dieser Brunnen und den allgemeinen Wachdienst entrichten, eine Zusammenstellung, die ungewöhnlich ist. Diese allgemeinen Wasserstellen wurden demnach ständig überprüft und in gutem baulichen Zustand erhalten. Da Wiltmeister nur 40 Brunnen anführt, Schwaiger aber 42 angibt, müssen in der Zwischenzeit zwei Brunnen eingegangen sein. 1874 aber gab es 44 öffentliche Pump- und Schöpfbrunnen und dazu die fließenden Brunnen der Lindenbrünnerlleitung.

Die städtische Wasserleitung

Schon 1501 bekam Amberg eine Wasserleitung, die frisches Quellwasser in die Stadt brachte. Man hatte das vordere Lindenbrünnerl in einer Brunnenstube gefasst und in einer Leitung aus durchbohrten Kiefernstämmen floss das Wasser in das kurfürstliche Schloss (jetzt Landratsamt). Eine Abzweigung vorm Nabburgertor führte zu einem Brunnenbecken an der Nordseite der Martinskirche, am Marktplatz und im Bürgerspital. Kurfürst Philipp ließ die nötigen Bäume aus seinen Forsten holen.

Die Wasserleitung Ambergs ließen Kurfürst Philipp und der Stadtrat gemeinsam verlegen. Sie war eine beachtliche Leistung. Man musste zum Beispiel nicht nur den Stadtgraben unterqueren, dies geschah beim Nabburger Tor. Man musste nahe der Stadtbrille auch durch die Vils. Der Brunnen am Marktplatz und bei St. Martin standen ausschließlich der Allgemeinheit zur Verfügung, jener im Spital wohl auch. Er war jedoch eine besondere Hilfe für diese sehr große caritative Einrichtung, zu der eine eigene Brauerei gehörte. Das laufende Wasser im Schloss war bis zu einem gewissen Grad Statussymbol des hohen Landesherrn. Wasser scheint dort auch in die Küche und Metzgerei weitergeleitet worden zu sein. Das Schloss war demnach das erste Wohngebäude mit fließendem Wasser in Amberg. Beim Erweiterungsbau des Rathauses 1572/73 wurde ein Brunnen im Innenhof, der jedermann und jederzeit zugängig war, an die städtische Leitung angeschlossen.

Die Kiefernröhren hatten leider keine lange Haltbarkeit, und länger als 10 Jahre waren sie nicht zu gebrauchen und mussten ersetzt werden. Am 31. Mai 1576 verhandelten Kurfürst Ludwig VI. und der Stadtrat mit dem Regensburger Glocken- und Büchsengießer Schultheiß wegen des Ersatzes der hölzernen Röhren durch solche aus Blei. Man einigte sich. Der Regensburger goss in der Amberger Glockengießerei das Rohrmaterial und Bleirohr_Landratsamterneuerte das gesamte Wasserleitungsnetz.

Er leistete gute Arbeit, denn über 325 Jahre waren keine großen Reparaturen nötig. Erstaunlich ist, dass dieser tüchtige Glockengießer weder lesen noch schreiben konnte. Sein Schwager musste für ihn unterschreiben.

Bleirohrleitung im Landratsamt.

 Die neue Leitung lieferte so reichlich Wasser, dass man es in weitere Räume des Schlosses leiten und sogar noch zwei schöne Springbrunnen in den Schlossgärten anschließen konnte.

Ob das „Weißbierbrauhaus“ in der Oberen Nabburger Straße (Nr. 9) bei seiner Gründung 1617 bereits eine Zuleitung erhielt, ist noch zweifelhaft. In späteren Jahren floss auch hier Wasser vom Lindenbrünnerl.

Da 1644 das kurfürstliche Schloss nach einem Blitzschlag völlig ausbrannte und anschließend mehr als 70 Jahre lang Ruine blieb, gingen die dortigen Brunnenstellen ein.

Dafür bekam um 1670 der Pfarrhof St. Martin eine eigene Zuleitung. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde das städtische Salzhaus am Marktplatz, an die Leitung angeschlossen. Vor dem Türkenwirt, der die jetzige Bahnhofstraße auf der Höhe der Ziegelgasse abschloss, wurde ebenfalls ein fließender Brunnen aufgebaut, und auch der Türkenwirt selbst durfte für seine Brauerei Wasser abzweigen. Als 1695 die Salesianerinnen ihr Kloster erbaut hatten, ließ die Stadt vom Pfarrbrunnwechsel ab durch die Lederergasse zum Mühlhof und durch die Vils hindurch eine Leitung für die Klosterfrauen verlegen. Als 1762 die kurfürstliche Münze in Amberg eingerichtet wurde, erhielt diese ebenfalls fließendes Wasser.

Aus den fließenden Brunnen in städtischen Gebäuden und auf öffentlichen Plätzen konnte jedermann nach Bedarf Wasser holen. Von den privaten Beziehern von Lindenbrünnerlwasser verlangte die Stadt einen jährlichen Wasserzins. Diese erste Wasserleitung der Stadt blieb auch ihre einzige. 1850 sind folgende Abnehmer und allgemeine Brunnen vermerkt: Drei Häuser an der jetzigen Jahnstraße, der Nabburgertorbrunnen, das Weißbierbrauhaus in der Oberen Nabburger Straße, der Türkenwirt, der Johannisbrunnen auf der Wart, der Spitalbrunnen, die Gewehrfabrik (ehemals Kaufhaus Storg), der Dechanthof, das Militärspital im ehemaligen Paulanerkloster und das Paulanerbrauhaus.

Es waren also einige Abnehmer seit 1762 hinzugekommen, während die Leitung zum Salesianerinnenkloster aufgelassen worden war.

Alle öffentlichen fließenden Brunnen bestanden aus großen Steinbecken in barocker Form, sie hatten hübsche Eisengitter und den Johannisbrunnen schmückte eine Nepomukfigur, die jetzt in einer Nische des Eckhauses Bahnhofstraße Obere Nabburger Straße steht. Ambergs Stadtbild hat viel verloren, als diese Brunnen nach der Schaffung der zentralen Wasserversorgung 1893 beseitigt wurden. Als letzter verschwand der Brunnen hinterm Nabburgertor um 1965.

Auch Brunnenstube, Überlauf und Lindenbaum beim vorderen Lindenbrünnerl hat man inzwischen beseitigt. Nur das Gasthaus zum Lindenbrünnerl erinnerte noch lange an die erste, alte Wasserleitung Ambergs. Einige Rohre aus Holz und Blei, die bei Erdarbeiten gefunden wurden, sind im Heimatmuseum und bei den Stadtwerken zu sehen.

Jesuitenleitung und andere Privatanlagen

Die Jesuiten, die ja nicht nur für Kloster und Garten, sondern auch für ihre Schulen, ihr Schülerheim und besonders für ihre Brauerei viel Wasser benötigten, schufen sich ab 1692 eine eigene Wasserversorgung. Am Nordhang des Mariahilfbergs, an der so genannten Angerspitz, wo der Brauneisenstein dem Opalinuston aufsitzt, ließen sie einige längere Stollen in den Berghang treiben und diese ausmauern und einwölben. In zwei Brunnenstuben wurde das Wasser, das in den Stollen zusammenfloss, in Holzröhren zum Schimmelbauernhof, wo ja heute noch eine Quelle ist, und weiter den Triftweg abwärts geführt. Dies war die hintere Leitung. Ähnlich verfuhren die Patres am Degelberg, unterhalb der ehemaligen Haushaltungsschule. In mehreren Stollen sammelte man das Wasser, dann floss dieses in Holzröhren zu einer Brunnenstube und lief weiter den „Bergweg“ hinab, ebenfalls zum Triftweg, wo „Angerleitung“ und „Deglbergleitung“ sich vereinten.

Durch den Kellerweg zog sich die Leitung weiter hin zum Ziegeltor und am äußeren Stadtwall entlang bis zur Höhe der Oberen Mühle (jetzt AZ). Hier verlief sie unter Stadtwall und Stadtgraben, beim Vilstor ging’s durch die Vils und mit der Jesuitenfahrt stieg sie hinauf in das Jesuitenkolleg.

Auch diese Anlage bestand ursprünglich nur aus durchbohrten Kieferstämmen. Später hat man vom Vilstor ab Bleirohre verlegt. Trotz aller Wasserverluste, bedingt durch die unzulängliche Abdichtung der Röhrenverbindung, hatte diese Leitung noch einen so großen Druck, dass die Patres in ihrem Garten 1762 einen imposanten Springbrunnen bauen konnten.

200 Jahre versorgte diese komplizierte Anlage das Jesuitenkloster und später Malteserbrauerei und Studienseminar mit frischem Quellwasser.

Reste von Brunnenstuben und Stollen finden wir unmittelbar unterhalb der Haushaltungsschule und an der Angerspitze, nahe den großen Wallanlagen für den einstigen Schützenplatz.

Die alte Brunnenstube am Fuße einer mächtigen Linde wurde erst beim Ausbau des Lindenviertels beseitigt. Die moderne Sprudelanlage mit verschiedenen Becken, aus welchen das Wasser quillt, erinnert noch an diese private Wasserleitung.

Seit 1662, als der Mesner Kreukl sein Haus bei der Marienkapelle bezog, und besonders ab 1696, als die Franziskaner ihr Hospiz auf der Bergeshöhe errichteten, begannen die Bemühungen um Wasser für die Bergbewohner. Man grub tiefe Brunnenschächte, der Erfolg war gering. Man war letztlich immer wieder auf die kleine Quelle nordöstlich der Kirche angewiesen, die entsprechend gefasst wurde und heute Kräuterbrünnerl heißt. Das hintere Linden­brünnerl war einst ein Hungerbrünnerl, das nur gelegentlich lief, dann aber nach aller Überlieferung stets eine schlechte Ernte anzeigte. Als es 1750 ständig floss, ließ der Gärtner Zottmeier auf eigene Kosten eine private Wasserleitung zu seinem großen Garten bei der Dreifaltigkeitskapelle anlegen. Die Brunnenstube ist noch gut erhalten. Der Name dieser Quelle erinnert übrigens noch an den ersten Bergmesner, Sigmund Kreukl. Kreuklbrunnen hieß sie erst, aber mit dieser Bezeichnung wusste man schon um 1800 nichts mehr anzufangen und verbesserte das unverständliche „Kreukl“ zu „Kräuter“, eigentlich eine „Verböserung“. Man staute ihr Wasser sogar zu einem kleinen Weiher, errichtete dazu eine Waschbank, damit Kreukl und auch die Patres große Wäsche waschen konnten.

Hygienische Verhältnisse und Wasserversorgung

In Amberg schätzte man sich immer glücklich über die reichliche und zuverlässige Versorgung mit Wasser. Seit der Anlage der Lindenbrünnerlleitung im Jahre 1501 hatte sich jedoch keine wesentliche Verbesserung mehr ergeben, wenn man vom Bau der Jesuitenleitung, mehr eine private Angelegenheit, absieht. Man hatte fließendes Wasser, Privatbrunnen in jedem dritten Bürgerhaus und 40 öffentliche Schöpfbrunnen bzw. Pumpbrunnen. Es hatte niemand weit zu einer Wasserstelle. Gerade dieses Grundwasser aber wurde immer mehr zu einer Gefährdung der Bevölkerung. Immerhin lebten innerhalb der Stadtmauern zeitweise bis zu 7000 Menschen, während es gegenwärtig kaum 2500 sind. Waren die Abortlagen damals primitiv, so waren die Abortgruben eigentlich gemeingefährlich. Versitz- oder Sickergruben waren’s, die bestenfalls gegen nahe Hauswände durch eine Lehmaufschüttung etwas abisoliert waren. Das Mauerwerk wollte man schützen, gegen das Versickern der Abwässer im Untergrund hatte man nichts. Und ausgeleert wurden die Gruben nur dann, wenn es sich nicht mehr vermeiden ließ. Der Schinder, der ohnehin als unehrlich galt, musste diese schlimme Arbeit übernehmen. Nachts zog er mit seinen Gehilfen zur Arbeit, „Nachtkönig“ nannte man ihn drum spöttisch, bezahlte ihn aber wesentlich besser als jeden Handwerksmeister. Der Kostenaufwand war die Ursache, dass man diese Arbeiten gerne aufschob.

Ein weiteres Problem war durch die Viehhaltung gegeben. Es gab kaum ein Haus ohne Haustiere. Sogar im kleinwinzigen Ehhäusel befand sich ein Stall, den eine Kuh freilich nur im Rückwärtsgang verlassen konnte, während einige Ziegen gut Platz hatten. Der Amberger Stadtpfarrer dagegen hielt im 17. Jahrhundert zeitweise 5 Pferde, 200 Schafe, 15 Schweine und 15 Rinder. So groß war der Rinderbestand in Amberg, dass die Stadt zwei Stadthirten an­stellen musste. Dem Viehbestand entsprachen die Miststätten. Nur das Mauerwerk, nie aber der Untergrund, war durch Lehm gelegentlich geschützt. Im Allgemeinen sollten die Dungstätten alle 6 Monate geräumt werden.

Eine allgemeine Kanalisation gab es nicht. Zwar führten einfache Kanäle das Abwasser von der Badgasse bzw. vom Schrannenplatz zur Vils, doch viel davon versickerte zwischen den Bodenplatten auf diesen Strecken. Von den meisten Häusern in Vilsnähe führten ferner kurze „Dollen“ (Kanäle) das Abwasser von Ställen, Aborten und Arbeitsstätten zum Fluss. Ähnlich war es am alten Stadtgraben, der auch Münz- oder Spitalgraben genannt wurde.

Dieser Spitalgraben führte zeitweise wenig Wasser, da er im späten 17. Jahrhundert nur von einigen Wasserläufen, die aus der Kräuterwiese kamen, gespeist wurde. Das sehr verschmutzte, langsam fließende Wasser gelangte auch ins Grundwasser.

Unmöglich wurden diese Verhältnisse, als 1716 zwei Kasernen an der Kasernstraße errichtet wurden, in denen zeitweise 2000 Soldaten untergebracht wurden. Die kurfürstliche Regierung hatte, um Kosten zu sparen, auf die Anlage von abisolierten Abortgruben verzichtet und die Aborte einfach über dem Spitalgraben anfügen lassen. Es half nicht viel, dass man Vilswasser vorm Vilstor abzweigte, um durch Öffnen eines Wehrs wenigstens zweimal in der Woche allen Unrat in die Vils zu spülen.

Immer wieder kam es zu Klagen, dass bald in diesem, bald in jenem Brunnen das Wasser einen üblen Geschmack habe. Man vermutete meist auch richtig, dass eine nahe Miststätte oder eine Abortgrube die Ursache dieser Qualitatsverschlechterung sei. Man hat daraufhin manchmal eine Miststätte verlegt, doch erforderlich war dies nach den damaligen Rechtsverhältnissen nicht. Es genügte nach „Stadt Amberger Brauch“ der Abstand von 5 Schritten zwischen Brunnen und Düngergrube. Man hat z. B. beim Raseliushaus einen Brunnen gefunden, der gerade zwei Meter vom Spitalgraben dieser Cloaka maxima Altambergs entfernt waren.

Man begnügte sich mit dem Ärger über das verunreinigte Brunnenwasser und schimpfte über den „bösen Geschmack“. Dass dieses Wasser die Ursache gefährlicher Krankheiten war, ahnte niemand. Manche verheerende Seuche der Vergangenheit mag in der Wasserversorgung ihre Ursache gehabt haben. Doch das wusste man lange nicht. Hatte ein Brunnen übles Wasser, ging man schimpfend zu einem anderen, dessen Wasser man wohlschmeckend fand, das aber keineswegs gesünder sein musste. Am Wasser der vom Lindenbrünnerl gespeisten Brunnen rühmte man den Wohlgeschmack und die Frische und schloss aus diesen Eigenschaften auf seine Reinheit. Sicher, das Wasser war tadellos, aber an die negativen Auswirkungen der ab 1576 verlegten Bleirohre dachte damals niemand.

Wasser für Ambergs Krankenhaus

Wie schwierig es war, im 19. Jahrhundert für eine wichtige öffentliche Einrichtung die Wasserversorgung zu sichern, sei am Beispiel der Wassernot im Amberger Krankenhaus gezeigt. Ersichtlich wird dabei ferner, dass es selbst einer angesehenen und von viel Idealismus getragenen Stiftung nicht möglich war, das Wasserproblem alleine zu lösen.

Die Krankenhausstiftung hatte dank der Opferbereitschaft vieler Amberger 1848 das Marienkrankenhaus gebaut, das über 100 Kranke aufnehmen konnte. Alle damals neuen Errungenschaften wollte man beim Bau berücksichtigen, fließendes Wasser war daher eingeplant und Bleirohre zur Küche, zum Waschhaus und in den Garten waren bereits beim Bau verlegt worden.

Man wollte vom städtischen Lindenbrünnerl her Wasser ins Krankenhaus leiten, doch drei Bürger, die für ihre Häuser und Gärten das Wasserbezugsrecht von der Stadt erworben hatten, erhoben Einspruch und, was wir nicht verstehen, dieser wurde berücksichtigt. Das Krankenhaus war ohne Wasser.

1850 wurde das Krankenhaus eröffnet, und Tag für Tag hat man das Trinkwasser für die Kranken von einem Brunnen in der Altstadt geholt, während man Koch- und Waschwasser einer alten Zisterne im Krankenhausgarten entnahm. Das ging bis zum Sommer 1851 gut, dann aber war die Zisterne leer. Inzwischen war glücklicherweise beim Haus des Krankenhausgeistlichen ein Brunnen gegraben worden, den die Schwestern benutzten durften. Doch nach einigen Wochen war auch dieser erschöpft, und nunmehr musste alles Wasser, da die Zisterne auch leer war, wiederum in mühsamer Arbeit aus der Stadt geholt werden.

Es musste etwas geschehen. Man ließ die Zisterne vertiefen, dann wurde ein Graben von dieser Wassersammelstelle schräg den Berghang hinaufgeführt, um das „bei Regengüssen reichlich herabschießend Wasser“ in die Zisterne zu leiten. Der Brunnen eines Tagwerkerhäuschens, der bislang wegen einer nahen Miststätte nicht gebraucht werden konnte, wurde gereinigt und die Miststätte beseitigt. Damit glaubte man für einen Notfall genug getan zu haben.

Man wollte aber fließendes Quellwasser. Seit Mai 1851 forschte man am Berghang nach einer geeigneten Stelle für eine Brunnenstube. Unmittelbar unterhalb der Bergkirche, im so genannten Eichelgarten, dem Gelände der oberen Baumannvilla, fand man eine Lehmschicht und legte einen Stollen an.

Ende 1851 stellte man erfreut fest, dass seit Wochen klares Wasser in Stärke eines Männerdaumens aus dem Stollen fließt. An Wasser war also kein Mangel.

Gegen 3000 Gulden veranschlagte die Krankenhausverwaltung für die Bleileitung zum Krankenhaus. Die Gemeindebevollmächtigten der Stadt Amberg aber waren nicht bereit, diese Summe aus der Stadtkammer auch nur vorzustrecken, ja, sie waren der Meinung, ein anständiger Brunnen genüge vollauf. „Wenn allerdings die Krankenhausverwaltung des Hauses diese Summe selbst aufbringen könne, dann könne sie auch eine Wasserleitung legen lassen.“ Das wenigstens gestattete man großzügig.

Einsichtiger war hier das kg. Bergamt, das sogleich einen tüchtigen Bergmann für die weiteren Arbeiten am Stollen im Eichelgarten abstellte. Ein anderer Bergmann arbeitete unentgeltlich in seiner Freizeit im Stollen mit. – Ob sich da die für das Wohl der Stadt zuständigen Herrn Gemeindebevollmächtigten nicht doch ein wenig schämten?

Im Mai 1852 waren Brunnen und Zisterne beim Krankenhaus wieder erschöpft. Der Krankenhausarzt Dr. Luckinger konnte selbst für Krätzekranke keine Bäder mehr verordnen. – Droben im Eichelgarten aber liefen pro Minute 6 ½ Liter aus der Brunnenstube, die in 10 Minuten eine Badewanne hätten füllen können.

Inzwischen war es der Stiftungsverwaltung gelungen, Zuschüsse von anderen Stiftungen zu erhalten. Dem Leitungsbau stand nichts mehr im Wege. Man stand vor der Frage: „Welche Rohre sind am zweckmäßigsten“? Gegenüber Tonmaterial war man sehr misstrauisch. Das Münchner Krankenhaus teilte mit, man habe Bleirohre und sei damit recht zufrieden und habe bislang keinerlei Gesundheitsschädigungen feststellen können. Das kg. Bauamt Amberg schlug Eisenrohre vor. Die Rostbildung hielt man für belanglos, ja, man fand diese sogar günstig, da „eisenhaltiges Wasser gesund sei“. Schwandorf aber hatte mit Eisenmaterial schlechte Erfahrungen gemacht und erst kürzlich eine völlig verrostete Leitung durch die altbewährten Kiefernstämme ersetzt. Man folgte dem Beispiel der Nachbarstadt, besonders, da eine Holzleitung, wie man hoffte, auch weniger Kosten verursacht.

In drei Wochen war die Leitung im Boden verlegt. Im Dezember 1852 sprudelte das Wasser im Garten und in der Waschküche des Krankenhauses. Allerdings bekam man nur 4 ½ Liter in der Minute, in der Küche im ersten Stock aber floss kein Tropfen. Der Wasserdruck war zu gering. Wieder wurde im Eichelgarten gegraben. Im April 1854 konnten die Schwestern voll Freude melden, dass nun auch in der Küche genug Wasser aus der Leitung fließe. Nach 4 Jahren Wasserschleppen und Wasserfahren glaubte man die Misere endlich behoben.

Dreieinhalb Jahre ging’s gut, doch im Dezember 1857 versagte die Leitung. Froh war man, dass ein verständnisvoller Nachbar seinen Brunnen für die Trinkwasserversorgung zur Verfügung stellte. Koch-, Wasch- und Gießwasser konnten die Schwestern beim Krankenhauskuraten holen. Für die drei Klosterfrauen begannen anstrengende Wochen. Sie hatten sich ja nicht nur um die Kranken zu kümmern, auch die Küche, der Waschraum, der Garten und der Einkauf war ausschließlich ihre Angelegenheit. 1858 war das Krankenhaus mehr belegt als je vorher, da viele Arbeiter, die beim Bahnbau beschäftigt waren, mit Prellungen, Quetschungen und Verletzungen eingeliefert wurden. Kühlende Umschläge konnte Dr. Luckinger nur in Ausnahmefällen verordnen.

Anfang Juni 1858 stellte die Stadt den Schwestern einige Arbeiter für den Wassertransport zur Verfügung, die nur für das Wasser zu sorgen hatten. Dies war umso notwendiger, da inzwischen der Kuratenbrunnen ebenfalls erschöpft war.

1859 wurden auf einer längeren Strecke die Holzrohre durch solche aus Blei ersetzt. Der Wasserzulauf besserte sich und genügte wenigstens fürs Kochen und Trinken. Dr. Luckinger bemühte sich in dieser Zeit um die Zuweisung des Lindernbrünnerlwassers, das bislang der Türkenwirt hatte, für das Krankenhaus. Beim Durchbruch der Straße zum Bahnhof hatte das Türkenwirtsanwesen abgelöst und abgebrochen werden müssen. Sein Anrecht auf Wasser vom Lindenbrünnerl war an die Stadt gekommen. Die „aufgeschlossene“ Stadtverwaltung ging auf diese Anregung nicht ein. Die Leitung vom Eichelberg versagte ebenfalls.

Obwohl zwei Bergleute den Stollen nochmal verlängerten, flossen im Krankenhaus gerade 0,75 l aus der Leitung. Nun wurden auch die letzten Holzrohre durch Bleirohre ersetzt, und nun floss endlich wieder das Wasser in reichlichem Maß für einige Monate.

Die Freude war kurz. Im Februar 1860 schien die Leitung verhext. Einige Stunden lief das Wasser normal, dann blieb es stundenlang aus, um anschließend mit ziemlichem Druck aus der Leitung zu strömen. Es war kein Verlass mehr auf diese kostspielige Anlage. Im Sommer 1860 lieferte sie 225 l in der Stunde, diese Menge genügte nicht.

Die Wasserversorgung durch eine bequeme Leitung war also nicht möglich, man musste es mit herkömmlichen Mitteln versuchen. Noch im September 1860 wurden drei Bergleute eingesetzt, um nahe dem Krankenhaus einen Brunnen zu graben. Schon in geringer Tiefe stieß man auf reichlich Wasser. Auf 290 Gulden waren die Arbeiten gekommen, und die Wassernot war nun endgültig vorbei. Man war nicht mehr von der unzuverlässigen Leitung abhängig. Das Pumpen und Wasserschleppen blieb allerdings eine ziemliche Belastung und 12 Jahre änderte sich nichts.

Damals war die Situation so: Der Krankenhausbrunnen hatte stets reichlich Wasser, doch war dieses Wasser nicht gut. Alles Trinkwasser musste von einem Nachbarn geholt werden, der natürlich zu dieser Abgabe rechtlich nicht verpflichtet war, aber als vernünftiger Bürger half. Reichlich Wasser stand auch stets in der Zisterne, die Wasserleitung aber gab seit Weihnachten 1871 keinen Tropfen mehr. Man war zur Erkenntnis gekommen, dass die Rohre nicht tief genug verlegt waren und deshalb im Winter einfroren.

Im Februar 1872 bemühten sich Stadtverwaltung und Krankenhausverwaltung endlich gemeinsam um den Erwerb der alten Jesuitenleitung, um nach 22 Jahren endlich eine arbeitssparende und einwandfreie Wasserversorgung für das Marienspital zu sichern.

Die Malteserleitung gab zuverlässig 8 bis 10 l in der Minute. Für 2750 Gulden war die Verwaltung der Malteserbrauerei schließlich bereit, die Leitung zu verkaufen. Sie behielt sich aber den Besitz der Bleirohre auf der Strecke zwischen Oberer Stadtmühle und Brauerei vor.

Mit diesem Kauf war der Wassermangel im Krankenhaus endlich beseitigt. Klagen sind nicht mehr überliefert. Ganz ohne Brunnen und Zisterne kam man im Garten nicht aus. Den Schwestern aber war trotzdem viel Zeitaufwand und Arbeit erspart.

Es sollte immerhin noch 20 Jahre dauern, ehe für das Marienkrankenhaus Wasser in unbeschränkter Menge bequem zur Verfügung stand.

 

Ambergs Wasserversorgung im 19. Jahrhundert

Die rund 300 Privatbrunnen, die 44 öffentlichen Brunnen und die Wasserleitung vom Lindenbrünnerl mussten noch im 19. Jahrhundert für die Wasserversorgung Ambergs genügen, und von der erforderlichen Menge her genügten sie auch. Die Verhältnisse in Amberg selbst aber änderten sich in dieser Zeit in auffallender Weise. Die Bevölkerung wuchs von 5785 im Jahre 1800 auf 19141 im Jahre 1890. Die Altstadt war so dicht wie nie zuvor bewohnt. Über 7000 Menschen lebten innerhalb des Mauerrings, das Militär nicht eingerechnet. Die Viehhaltung war sicher nicht zurückgegangen, waren doch bis 1892 zwei Eskadrons Chevauxlegeres („Schwolische“) mit rund 400 Pferden in der Altstadt untergebracht. Die Kanalisation aber blieb unverändert mangelhaft, das Grundwasser im Stadtbereich war also schwerer als je vorher belastet.

Man nahm es als unabänderlich hin, dass der Typhus in Amberg immer wieder auftrat. Schlimm wütete er zwischen 1809 und 1815, also in der Zeit der napoleonischen Kriege. Sächsische, französische, österreichische und russische Soldaten starben damals an dieser Krankheit in Amberg und viele Bürger. Auch Dekan Gerner starb 1813 an Typhus, 1814 starben innerhalb von 12 Wochen 101 Amberger an dieser Seuche. Dass der Tod aus dem Grundwasser kam, ahnte man kaum.

Während man beim Bau des Marienkrankenhauses (1847 -1850) alles unternahm, freilich ohne Erfolg, um Quellwasser für diese Stiftung zu beschaffen, begnügte man sich 1857 beim Bau der Steinhofkaserne (jetzt Stadtbauamt) mit der Anlage von Pumpbrunnen, die übrigens von der Miststätte für die rund 400 Pferde nicht sonderlich weit entfernt waren.

Ab 1857 brauchte die Ostbahngesellschaft für ihre Lokomotiven Wasser. Sie begann mit dem Bau einer Leitung vom Schimmelbauern (Ende Triftweg) zum Bahnhof. Gegen diese Maßnahme beschwerte sich die Verwaltung der Malteserbrauerei, da sie eine Beeinträchtigung ihrer Leitung vom Deglberg her befürchten musste. Die Ostbahngesellschaft gab daraufhin die Arbeiten beim Schimmelbauern auf und legte mit Genehmigung der Stadt eine Leitung vom Lindenbrünnerl zum Bahnhof.

Schlimm waren die hygienischen Verhältnisse im Zuchthaus. Bis 1862 waren hier oft bis zu 500 Frauen zusammengepfercht, für die einige Pumpbrunnen zur Verfügung standen. Die Sterblichkeit lag zeitweise bei 20 % und mehr im Jahr. Als man nach 1862 die Anstalt für männliche Strafgefangene umbaute, erhielt sie eine zentrale Wasserversorgung, an welche auch die Wohngebäude der Bediensteten angeschlossen wurden. Am Ende der Trappstraße wurde ein Hochbehälter erbaut. Das Wasser der Fürstenquelle musste Tag für Tag von Häftlingen in diesen Behälter gepumpt werden, eine mühsame und schwere Arbeit. In natürlichem Gefälle lief das Wasser dann in die verschiedenen Gebäude. So war für Amberg die erste „Hochdruckwasserleitung“ geschaffen worden, die allerdings „billig“ durch menschliche Arbeitskraft erst auf Hochdruck gebracht werden musste.

Ab 1864 plante man den Bau einer neuen Infanteriekaserne (Kaiser-Willhelm-Kaserne). Obwohl hier 1000 Mann untergebracht werden mussten, begnügte man sich mit Pumpbrunnen, Plumpsklos und Versitzgruben.

Eine betriebseigene Wasserleitung ließ 1864 die Verwaltung der Malteserbrauerei bzw. des kgl. Studienseminars zwischen Braustätte und Vils verlegen. Eine Dampfmaschine pumpte Gebrauchswasser von der Vils zur Braustätte. Die Leitung selbst verlief im Stadtgraben. Die Stadt musste versichern, dieses Grabenstück nicht zu verfüllen und zu bebauen, damit man Reparaturen an den Leitungsröhren jederzeit vornehmen könne. - Nur deshalb blieb das Stadtmauerstück zwischen St. Georg und Vilstor weitgehend erhalten.

Für die Versorgung der Allgemeinheit mit einwandfreiem Trinkwasser aber geschah nichts, obwohl inzwischen Dr. Pettenkofer den Zusammenhang von verschmutztem Grundwasser und Typhus nachgewiesen hatte.

Erstmals wurde am 4. Juli 1872 in einer Sitzung der Gemeindebevollmächtigten öffentlich erklärt, dass es in Amberg an sauberem Wasser fehle. Das Wasser der Fürstenquelle wollte man in die Stadt leiten und eine Dampfmaschine sollte für den nötigen Druck sorgen. Es blieb bei Erklärung und Absicht.

1874 wurde das Wasser der 44 öffentlichen Brunnen untersucht. Es ergab sich, dass nur von 6 Brunnen das Wasser als sehr gut und von weiteren 6 als gut bezeichnet werden konnte. 10 hatten mittelmäßige Qualitäten und 22, also die Hälfte, ganz schlechtes Wasser. Trotz dieses schlimmen Befundes sollte es noch fast 20 Jahre dauern ehe Amberg einwandfreies Wasser hatte.

1880 konnte die neue Lehrerbildungsanstalt eröffnet werden, und sie hatte in den drei Stockwerken fließendes Wasser aus einem neuen Brunnen. Eine im Nebenraum untergebrachte „Gaskraftmaschine“ betrieb die Pumpe. Für Amberg ein Aufsehen erregender Fortschritt. Ansonsten gabs noch Plumpsklos und Versitzgruben.

Probleme mit dem Wasser gab es nicht nur in der Altstadt. Rings um Amberg wurde eifrig gebaut, denn die beginnende Industrialisierung lockte viele in die Stadt. Bei jedem Neubau musste aber auch ein Brunnen gegraben werden. Andererseits konnte man nur dort bauen, wo mit Sicherheit Grundwasser erschlossen werden konnte. Für jeden Bauherrn wurden Wassersuche und Brunnenbau zu einer teueren und aufregenden Angelegenheit.

Bedacht sei auch, dass bis 1893 in Amberg das Wasserpumpen und Wasserschleppen eine Alltäglichkeit waren. Diese mühevollen, zeitraubenden Arbeiten gehörten zum Tagesablauf. Am Waschtag mussten selbstverständlich 1½ bis 2 Zentner Wasser nur fürs Einweichen und Kochen herangeschleppt werden. Zum Fleien ging man da gerne zur Vils auf eines der vielen Waschbänkchen. Jedem Vollbad im heimischen Waschzuber ging ein anstrengendes Wassertragen voraus, und zumeist musste das Badewasser noch für eine oder gar zwei weitere Personen reichen. Baden daheim war mit viel Arbeit verbunden, und so kam es, dass ein Vollbad häufig nur alle „heiligen Zeiten“ üblich war.

Ein alter Amberger aus der Kickstraße erzählte, dass im großen Hausgarten seiner Eltern an heißen Tagen gegen 100 Kannen Wasser vergossen wurden. 100 Kannen, das sind gegen 800 bis 1000 Liter Wasser im Gewicht von 800 bis 1000 kg, die da aus rund 6 m Tiefe heraufgepumpt und weggeschleppt werden mussten.

Neidvoll schauten da die Amberger verständlicherweise nach Sulzbach, wo schon ab 1875 die zentrale Wasserversorgung gut funktionierte, wo eine Dampfmaschine das unentbehrliche Nass in jedes Haus und in jeden Garten drückte und man unbedenklich und ohne Angst Wasser trinken konnte.

Leitungswasser für Amberg - 1892/93

Seit 1830 arbeiten auf dem Erzberg zwei Dampfmaschinen, übrigens die ersten Bayerns, und pumpen Wasser aus den Stollen. Schon 1859 fährt die erste Dampflokomotive durch Amberg, ab 1861 beleuchten Gaslaternen nachts die Gassen und Straßen der Stadt, und 1882 wird erstmals ein Schaufenster elektrisch beleuchtet. 1883 kann die moderne Hochofenanlage in Betrieb genommen werden. Welch ein Fortschritt in dieser kurzen Zeitspanne!

1890 aber stehen noch immer jeden Morgen Männer und Frauen in langen Reihen an den Brunnen, um in uralter Weise das Wasser für den Tagesbedarf zu holen. Dass dieses Wasser nicht einwandfrei ist, weiß man inzwischen. Viele bayerische Städte haben bereits ihre zentrale Wasserversorgung. Dort braucht man den Typhus nicht mehr zu fürchten.

In Amberg aber plagt man sich mit Wasserpumpen und Wasserschleppen und ist froh über jeden Sommer, der ohne gesteigerte Thyphuserkrankungen vergeht. Seit fast 20 Jahren spricht man immer wieder von einer Wasserleitung, finanzielle Überlegungen aber verhinderten bislang das entscheidende Tun. – Die Typhusgefahr sollte schließlich den Bau einer modernen Wasserversorgung erzwingen.

1890 erkranken wieder einige Bürger an dieser gefährlichen Krankheit. Im Sommer 1891 weitet sie sich zur Epidemie aus und fordert erste Opfer. Groß ist der Schrecken. Die Amberger Garnison begegnet dieser Gefahr, indem sie vorzeitig ins Manöver zieht. Am 10. August rückte das 6. Regiment ab und biwakiert bei Moosburg bis zum Beginn der Kaisermanöver um Indersdorf. Am 12. September kommen die Sechser zurück. Die Kavallerie hat bereits am 8. August die Kasernen verlassen und rückt erst am 16. September wieder ein.

Das Wasser verschiedener Brunnen wird 1891 untersucht. Alle Brunnen am Spitalgraben, auch der im Zeughaus, in den Kasernen am Spitalgraben, erweisen sich als verseucht. Militärische Stellen drängen auf Beseitigung dieser üblen Verhältnisse. Sie drohen sogar mit dem Abzug der Garnison. Ein Gutachten des Bezirksarztes zur Amberger Wasserversorgung fällt alles andere als gut aus. Die Regierung der Oberpfalz schaltet sich ein, und gedrängt von so vielen Stellen beschließt die Stadtverwaltung am 23. März 1892 den Bau einer Hochdruckwasserleitung. Man will also von einer hoch über dem Niveau Ambergs entspringenden Quelle das Wasser in einen Wasserbehälter auf einer Anhöhe über der Stadt leiten und von dort aus die Häuser mit Wasser versorgen. Fast bis zur Höhenlage des Hochbehälters steigt dann das Wasser zu den Häusern durch natürlichen Druck von selbst.

Schon im Mai überträgt man dem Ingenieur Kullmann von Offenbach Planung und Bauaufsicht. Rasch sind die Verhandlungen über den Erwerb umfangreicher Waldungen im Quellgebiet des Krumbachs abgeschlossen. Wenig Schwierigkeiten bereitet die Ablösung der Wasserrechte der verschiedenen Mühlenbesitzer, schließlich ist ja vorauszusehen, dass nach Inbetriebnahme der Leitung der Krumbach nicht mehr genug Wasser für die Mühlen hat. Die Firma Holzmann übernimmt die gesamten Bauarbeiten.

Die Notwendigkeit dieser umfangreichen und teuren Arbeiten wird bald in drastischer Art bestätigt. Im Juli 1892 kommt es zu einem starken Ansteigen der Typhusfälle.

Wieder rücken die Soldaten vorzeitig in das Manövergelände um Schnabelwaid. Die Infanterie kommt nach 5 Wochen am 18. September zurück. Auf die Chevauxlegers („Schwolische“), diese schmucken Reiter, warten in Amberger vergebens. Man hat ihnen Bayreuth als Garnison zugewiesen. Gleich wird in Amberg gemunkelt, dass dies nur wegen der miserablen Wasserverhältnisse erfolgt sei. Zu diesem Zeitpunkt ist dieser Vorwurf unberechtigt, man ist bereits fest am Arbeiten.

Die Quellen bei Urspring werden gefasst. Auf dem Nordhang des Amberger Galgenbergs (446 m ü. d. M.) wird an einem großen Wasserbehälter gearbeitet. Von der Höhe über der Ort­schaft Steininglohe, wo die große Brun­nenstube entsteht, und dem Galgenberg bei Amberg wird ein Graben von gut 10 km ausgehoben. Gelände­einschnitte bis zu 8 m Tiefe sind nötig, um ein annähernd gleichmäßiges Gefälle zu

Speicher

Wasserbehälter „Am Anger“ im Bau

Bilderreichen. In drei Absätzen, muss an solchen Stellen der Graben eingetieft werden, und gewaltige Wälle wachsen dann links und rechts des Grabens empor. Hunderte von Arbeitern darunter viele Italiener, sind mit Pickel und Schaufel und Schubkarren tätig. Endlich kann man die schweren Rohre aus Gusseisen verlegen.

Gleichzeitig wird in Amberg allüberall die Erde aufgewühlt. Zwei Leitungsstränge ziehen sich schließlich hinab zur Stadt. Einer quert die Vils und kommt beim Vilstor in die Altstadt und versorgt die westliche Stadthälfte. Der andere erreicht beim Ziegeltor die Altstadt und bringt das Wasser in die Viertel links der Vils. Unmengen, insgesamt 22.500 laufende Meter von Rohrstücken werden angeliefert und verlegt. Was niemand für möglich gehalten hat, was auch uns unglaublich vorkommt, in 18 Monaten sind alle Arbeiten, an die man sich Jahrzehnte nicht gewagt haben, vollendet. Sogar die Kosten, 750.000 Goldmark kommen insgesamt zusammen, halten sich in recht erträglichen Grenzen.

Bild002Am 3. Oktober 1893 kann die „Hochdruckwasserleitung Amberg“ in Betrieb genommen werden. Mit einem Festgottesdienst in der Martinskirche beginnt der ereignisreiche Tag. Die Schulkinder ziehen anschließend singend hinaus zum Hochbehälter. Gegen 11 Uhr erscheint dort der Regierungspräsident von Ziegler aus Regensburg. Die Herren der Stadtverwaltung und alle für den Bau Verantwortlichen finden sich ein, und dann werden die für ein solches Ereignis als angemessen empfundenen Reden gehalten. Sodann öffnet Herr Kullmann die Ventile und in breiten Fächern strömt aus drei Trichteröffnungen das Wasser in den großen, unterirdischen Raum, der mit seinen Pfeilern und Gewölben einer alten Kirche gleicht.

Erstaunt betrachten die Festgäste vom Vorraum her das einmalige Schauspiel. Bengalisches Licht lässt die Wasserkaskaden aufleuchten. Fan­farenklänge vermischen sich mit dem Rauschen der Fluten.

Während man im Hochbehälter in feierlicher Weise die Leitung ihrer Bestimmung übergibt,

Endlich fließendes Wasser!

warten unten in der Stadt die Bürger gespannt auf das Wasser. Entsprechend den Anweisungen des Magistrats sind alle Wasserhähne geöffnet. Gegen 11 Uhr 15 vernimmt man ein leises Pfeifen aus der Leitung, das sich immer mehr steigert, bis endlich aus den Hähnen die ersten Tropfen spritzen. Es gurgelt und rauscht in den Wasserrohren, und dann gischtet schäumend das Wasser in die Becken. Nach 30 Minuten sind die Druckverhältnisse ausgeglichen und gleichmäßig strömt es aus den Hähnen. Ein erstaunliches Bild!

Man denke! Da läuft Wasser durch eine 10 km lange Leitung von selbst zum Hochbehälter am Anger. Ja, Amberg hat eben eine Hochdruckleitung, denn die Urspringer Quellen befinden sich fast 80 m über dem Amberger Marktplatz. Der Hochbehälter am Anger liegt noch so hoch, dass das Wasser bis in die obersten Geschosse der Häuser in der Altstadt steigt und ferner die meisten Gebäude in den neuen Stadtteilen erreicht.

Auch für jene Amberger, die an den Hängen des Maria-Hilfe-Bergs wohnen, ja sogar für die Franziskaner droben bei der Kirche, die mit dem Wasser stets ihre Not hatten, beginnt etwas später eine bessere Zeit. Auf dem höchsten Gipfel des Berges ist ein kleinerer Wasserbehälter gebaut worden. Drunten, beim Krankenhaus steht eine Pumpstation, die mit Stadtgas betrieben wird und die durch einen Röhrenstrang und einer elektrischen Leitung mit dem Hochbehälter verbunden ist. Sinkt droben das Wasser unter eine bestimmt Marke, schaltet unten die elektrische Leitung automatisch die Pumpe ein. Ist der Behälter gefüllt, beendet die Pumpe auf einen elektrischen Impuls hin ihre Arbeit. Alles geht bei der Amberger Wasserversorgung von selbst, eigentlich braucht kein Mensch mehr einen Finger zu rühren. Eine wunderbare Einrichtung, das bestätigen alle, eine billige außerdem.

Die Bürger können es kaum fassen. Das Pumpen und Wasserschleppen hat ein Ende. Zeit hat man plötzlich, weil man ja nur an einem Hahn drehen braucht, um klares und frisches Wasser im Topf oder im Eimer zu haben. Und gesundes Wasser! Niemand wird sich aus dieser städtischen Leitung den Typhus holen. Fröhlich feiert die Bürgerschaft, und ihre Freude war selten so berechtigt.

Auch wir, die Ur-, und Ururenkel jener, die 1893 diese Leitung gebaut haben, sind noch Nutznießer jener Anlage. Noch immer fließt das Wasser ohne jeden zusätzlichen Energieaufwand von Steininglohe zum Behälter am Anger, ja, es fließt sogar noch durch die über 100 Jahre alten Rohre. Selbst der Hochbehälter mit dem Amberger Wappen steht noch unverändert am Anger. Rund 50 Millionen Kubikmeter Wasser waren schon 1984 durch diese Wasserleitung geströmt.

Bis 1917 genügte die Steiningloher Leitung allen Ansprüchen, doch seit 1893 war der Wasserbedarf gestiegen. Das „Wasserwerk II“, das damals bei Lengenlohe geschaffen wurde, lief allerdings nicht mehr von alleine. Aus zwei Tiefbrunnen förderten elektrische Pumpen das Wasser, das im Gegensatz zu dem von Steininglohe sehr kalkhaltig war.

1919 betrug der Zulauf aus dem Urspringer Quellgebiet rund 500.000 m³, bei Lengenlohe förderte man gegen 130.000 m³ Wasser. Das Leitungsnetz im Stadtgebiet betrug damals 34.800 m. Bis zur Erschließung der Tiefbrunnen bei Paulsdorf / Hiltersdorf im Jahre 1965 deckte die Hochdruckleitung von 1893 den größten Teil des Wasserbedarfs unserer Stadt. Gegenwärtig liefert die alte Hochdruckleitung immerhin noch rund ein Drittel des kostbaren Wassers, das Amberg verbraucht.


 

Ein Mahnmal aus schwerer Zeit

Das Kümmersbrucker Gefangenendenkmal

Im Pfarrfriedhof Kümmersbruck überragt ein großer, massiger Steinobelisk, der ungefähr in der Mitte des älteren Gräberfeldes steht die Reihung der Grabsteine. Die Jahreszahl 1914/18 stellt den Zusammenhang zum ersten Weltkrieg her, die französischen Namen und russischen Schriftzeichen genügen, um hier ein Denkmal für verstorbene Kriegsgefangene zu vermuten. Die Verhältnisse, in denen dieses Denkmal entstand, sind allerdings fast völlig in Vergessenheit geraten.

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1914 – die ersten Franzosen in Amberg

Nach dem 1. August 1914 stand nahezu ganz Europa unter den Gesetzen des Krieges. Noch bevor in Amberg die ersten Siegesmeldungen aus Frankreich bejubelt werden konnten, wurde die Luitpoldschule entsprechend bestehender Planung in ein Lazarett umgewandelt. Die Leopoldkaserne, an der seit 1913 mit Nachdruck gebaut wurde, sollte im November 1914 bezugsfertig sein. Das königlich-bayerische Feldartillerieregiment Nr. 13 wartete in Grafenwöhr bereits auf den Einzug in diese damals schönste und modernste Kaserne Bayerns. Doch dazu kam es nicht, denn mit Kriegsbeginn wurde das Regiment in Frankreich eingesetzt. Dafür konnte man in einigen der fertigen Kasernengebäuden gefangene Franzosen unterbringen, bis das für diesen Zweck ebenfalls schon geplante Barackenlager bei Kümmersbruck aufgebaut war.

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Barackenlager nördlich von Kümmersbruck

Am 28. August kam der erste Transport gefangener Franzosen, insgesamt 473 Mann, darunter 10 Schwerverwundete. Obwohl der Zug erst gegen Mitternacht am Bahnhof ausgeladen wurde, hatte sich eine große Anzahl Neugieriger eingefunden, besonders um die 365 Kolonialsoldaten zu sehen. Die Verwundeten wurden mit Autos in die Luitpoldschule gebracht, die übrigen marschierten zur Leopoldkaserne, wo man ihnen zum Empfang Tee und Brot reichte. – Sie wurden sogleich beim Aufbau des Barackenlagers eingesetzt.

Laut Zeitungsbericht der Volkszeitung – jetzt AZ – benahm sich das „Publikum würdig“. Man hatte schließlich das Volk auf dieses Ereignis schon obrigkeitlich vorbereitet. So wurde fünf Tage vorher schon amtlicherseits erwartet, „dass niemand von Ambergs Bevölkerung den Gefangenen gegenüber vergessen möge, was er seiner eigenen Selbstachtung und der Würde des deutschen Volkes schuldig ist. Liebesgaben sind den Gefangenen gegenüber unangebracht. Man möge aber daran denken, dass es sich um Soldaten handle, die im Dienst ihres Vaterlandes ehrlich gekämpft haben. Ernstes Schweigen und Vermeidung jeglichen Drängens ist das einzig angemessene Verhalten.“  Nun wusste es jeder.

 

Menschliche Anteilnahme

Ganz so distanziert wie es ich die Obrigkeit wünschte blieb aber das Verhalten der Amberger nicht. Schon am 1. September schrieb die Volkszeitung einen fast freundlichen Artikel „Aus unserer Franzosenkaserne“. Von den Zeitungsleuten wurden Aussagen von Gefangenen wiedergegeben, welche die deutsch-bayerische Tüchtigkeit und Tapferkeit eindeutig bestätigten. Da soll ein Franzose gesagt haben: „Wenn unsere Kameraden wüssten, wie gut wir hier in Deutschland behandelt werden, würde unser ganzes Regiment die Hände hochheben und sich ergeben.“ Ein anderer:  „Die Deutschen kämpfen wie besessen.“ Und schließlich: „Preußen verdammt gut, Bayern verdammterer gut.“ – Ähnliches konnte man in der Folgezeit noch öfter lesen, die Leute lasens gern und die Zeitungen brachtens „gernerer“.

Bemerkenswert ist die Geschichte eines Gefangenen, eines geborenen Nürnbergers. Seine Eltern waren kurz nach seiner Geburt nach Frankreich gezogen und hatten die französische Staatsbürgerschaft erworben. Ihren Sohn aber schickten sie mit 12 Jahren wieder nach Nürnberg, wo er später das Uhrmacherhandwerk erlernte. Er dürfte dort bei Verwandten untergekommen sein. Seinen Wehrdienst leistete er in Frankreich ab. Im Mai 1914 wurde er zu einer Reserveübung nach Belfort einberufen. An Krieg dachte damals niemand. Schon im August kam sein Regiment an die Front und kurz darauf war er als Gefangener in Amberg.

Verwundetentransporte brachten in der Folgezeit immer wieder verwundete Franzosen nach Amberg, die wie die deutschen Verwundeten ins Marienkrankenhaus, ins Reservekrankenhaus Luitpoldschule oder ins Militärlazarett im alten Paulanerkloster eingeliefert wurden.

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Verwundete Gefangene in der Luitpoldschule

In Nürnberg war man allerdings gar nicht mit der Art und Weise einverstanden, mit der die Amberger ihre Franzosen behandelten. Das „Einvernehmen geht viel zu weit“, besonders wenn „bessere Weibsen ihr mildtätiges Herz in Form von Zigarren und Zigaretten auf die Gefangenen ausgießen“. – Man stelle sich so was bildlich vor! In Amberg wusste man von solchen Herzensergüssen nichts. Dann beschwerte sich der Nürnberger Kritikus konkret, denn man bringt in Amberg verletzte Franzosen mit dem Auto ins Lazarett, während deutsche Verwundete zu Fuß gehen müssen.“ In Amberg verwahrte man sich gegen diese Unterstellung. Man habe alle Verwundeten ohne Rücksicht auf ihre Nationalität gleich behandelt und sich bemüht die schwersten Fälle schnellstens in die Lazarette zu schaffen. – Am 10. September wurde der erste hier verstorbene Franzose im Katharinenfriedhof beerdigt.

Barackenlager Kümmersbruck – Amberg

Am 16. September berichtet die Volkszeitung erstmals von dem Lager bei Kümmersbruck, an dem bereits "seit längerer Zeit" gebaut wurde. Russische Kriegsgefangene sollten hier untergebracht werden. „Die Arbeiten waren bereits weit fortgeschritten, da kam heute ganz unerwartet der Befehl, dass die Baracken für die Russen nicht am vorbestimmten Platz nahe Kümmersbruck, sondern in unmittelbarer Nähe der Kaserne auf dem Gelände des Artilleriedepots gebaut werden müssen. Die Zeitung vermutete, dass mögliche Seuchengefahr für die Ortschaft der Grund dieser Verlegung sei, doch glaubte man auch, dass das Wasser des Krumbachs, das man in Gräben durchs Lager leiten wollte, trotz Filterung nicht hygienisch einwandfrei befunden wurde….“ Man benutzte daher die Wasserleitung der Kaserne und verlängerte sie ins vorgesehene Lager, das Mitte Oktober aufnahmebereit war.

Zivilgefangene in Amberg

Das neue Lager sollte jedoch einen ganz anderen Personenkreis, an den niemand gedacht hatte, aufnehmen. Am 23. Oktober war zu lesen: „Gestern Nachmittag konnten wir den Krieg von einer besonders traurigen Seite kennen lernen. Gegen 17 Uhr kam ein langer Zug französischer Schutzgefangener, ungefähr 450 bis 500 Frauen dazu, Kinder und Greise, im Ganzen ca. 740 Personen. „Sie stammen aus Dörfern zwischen Toul und Verdun, die bei den letzten Kämpfen vollständig zerstört wurden. Die Bewohner flüchteten und stießen auf deutsche Truppen, bei denen sie Hilfe und Schutz suchten. Als arme Flüchtlinge, nur mit wenig gerettetem Gut bepackt, sind sie nach Amberg transportiert worden. Ähnliches erlebten wir im Krieg 1870/71 nicht.“ Die Zeitungsleute fühlten sich bei diesem Anblick an Szenen in Goethes „Hermann und Dorothea“ erinnert.

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Russische Soldaten

„Halb Amberg strömte in der Bahnhofsgegend zusammen, um das traurige Bild zu betrachten. Ein starkes Militäraufgebot hatte Mühe, den Weg zu den Baracken frei zu halten. Es dauerte lange, bis die Gruppe der Flüchtlinge marschfertig war. Sie schleppten Betten, Körbe, etwas Hausrat, kurz ihren letzten Besitz mit sich. Einige steinalte Mütterchen mussten zu den bereitstehenden Autos geführt werden. Von den vielen Kindern waren die meisten ohne Kopfbedeckung. Einige waren ohne Eltern. Soldaten führten sie, Soldaten trugen auch Gepäckstücke, schoben Kinderwägen und halfen, wo es nur ging. Eine alte Frau trugen sie auf einem untergelegten Gewehr. Zwei Priester befanden sich auch unter den Flüchtlingen.“

„Man hörte vielfach, und sicher mit Recht, Stimmen des Mitleids, besonders mit den bedauernswerten Kindern, die ein raues Geschick in so jugendlichem Alter von der Stätte ihrer Wiege riss. Einige gebrechliche Personen wurden von der Sanitätskolonne auf Tragbahren zu ihrem Bestimmungsort bei der Leopoldkaserne gebracht.“

Aufruf um Hilfe

In den folgenden Tagen kamen weitere Schutzgefangene nach Amberg. Sie müssen alle „Schreckliches mitgemacht“ haben, denn „alle sind nun mit ihrem Los verhältnismäßig zufrieden, alle sind froh, dass sie in guter Pflege und Obhut sind“.

Insgesamt waren am 30. Oktober 1914 neben 757 französischen Soldaten 874 Zivilisten beiderlei Geschlechts, darunter 259 Kinder im Barackenlager untergebracht. Jedes Alter war vertreten, vom Säugling bis zum Greis. Einige Frauen standen kurz vor der Entbindung, und eine kleine Französin hat bereits am 28.10. in Amberg das Licht der Welt erblickt. Trotz der eigenen Sorgen und des Kriegselends – das Amberger Regiment hatte bereits verlustreiche Kämpfe in Frankreich hinter sich, und die ersten Verlustlisten hatten in der Stadt Trauer und Leid verbreitet – hatte man in Amberg ehrliches Mitgefühl angesichts dieser vom Krieg vertriebenen Franzosen. Ein Aufruf zeigt dies: „Besonders sind die im zartesten Alter stehenden Kinder betroffen, sie bieten ein Bild menschlichen Elends. Die Schutzgefangenen sind nur mit dem Allernötigsten versehen. Bei der Unzulänglichkeit der zur Verfügung stehenden Räume und bei den ungünstigen Witterungseinflüssen, sowie bei dem fast gänzlichen Mangel an warmer Kleidung, reichen die staatlichen Mittel nicht zur Abhilfe aus.“ Man appelierte daher an die „rühmlichst bekannte Mildtätigkeit aller Bürger“, man bat um „Kinderhemden, Wollstrümpfe, Jacken, Schuhe, Bettwäsche usw., um die größte Not zu lindern“. Dieser Aufruf löste eine großzügige Spendenaktion aus, und beim Bezirkskommando, Herrnstraße 50 häuften sich die Gaben.

Angesichts der vielen Kinder und Jugendlichen bemühten sich zwei französische Lehrerinnen und die zwei Priester um die Errichtung einer Lagerschule. Der deutsche Lagerkommandant tat, was ihm möglich war. Zwei größere Barackenräume  wurden zu Schulsälen, man kümmerte sich um die behelfsmäßige Möblierung und sorgte für den Schulbedarf.

Sterbefälle und Geburten im Lager

Ein Beschluss des Magistrats vom 2. September 1914 hatte den Katharinenfriedhof zum Begräbnisplatz verstorbener Franzosen bestimmt. Zu Allerseelen 1914 waren dort bereits 9 Franzosengräber mit Blumen und Kränzen schön geschmückt. Bereits einen Tag nach der Ankunft in Amberg war am 23. Oktober die 68jährige Maria Massin verstorben.

Es war sicher der Wunsch der Zivilfranzosen, dass ihre Toten im nahe gelegenen Friedhof Kümmersbruck beerdigt werden. Man kam diesem Wunsch nach, und bald reihte sich dort Hügel an Hügel. Am 29.11. schrieb die Volkszeitung: „Im Laufe der letzten Woche wurden aus den Reihen der französischen Schutzgefangenen bzw. Kriegsgefangenen, die in den Baracken bei Kümmersbruck untergebracht sind, nicht weniger als 5 Erwachsene und ein Kind im Kümmersbrucker Friedhof beerdigt. Zwei weitere Todesfälle sind eben aus dem Lager gemeldet worden. Der Kümmersbrucker Friedhof ist zu klein. Als Todesursache ist bei den verstorbenen Franzosen neben der Altersschwäche besonders das ungewohnte Klima anzusehen. Man sieht dem Winter mit großen Befürchtungen entgegen.“

Diese Befürchtungen erwiesen sich als berechtigt. 27 Sterbefälle wurden im Januar 1915 verzeichnet. Insgesamt starben 60 französische Zivilisten im Lager, darunter vier Kinder. Da starb Olga Gagmeur, geboren in Amberg, am 18. November 1914 im Alter von 10 Tagen. Am Heiligen Abend wurde Louise Vejoux geboren, um noch am gleichen Tag zu sterben. Auch Yvonne Sauce starb noch am Tag ihrer Geburt am 2.1.1915. Maria Mangin war mit 87 Jahren die älteste Französin, die in Kümmersbruck bestattet wurde. Als letzter Zivilist des Lagers starb Petit Adolphé am 26. März 1915. – Im April konnte das Zivilgefangenenlager schon aufgelöst werden. Kinder, Frauen und Greise waren über die Schweiz in ihr Vaterland zurückgekehrt.

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Beerdigung in Kümmersbruck

Im ersten Weltkrieg war es noch selbstverständlich auf Zivilisten größte Rücksicht zu nehmen. So hat man von deutscher Seite sehr bald über die Schweiz mit Frankreich wegen der in Amberg untergebrachten Frauen, Männer und Kinder aus umkämpften und zerstörten ostfranzösischen Dörfern verhandelt. Ehe diese Schutzgefangenen Amberg verließen, baten sie ihre im Lager verbliebenen Landsleute und den Lagerkommandanten, ihren in Amberg begrabenen Angehörigen und Freunden einen Gedenkstein zu schaffen.

Noch 1915 errichten tüchtige französische Steinmetzen den großen Gedenkobelisken. Eingemeißelt sind an der Westseite die Namen der 60 im Lager verstorbenen Zivilpersonen, von denen 8 im Katharinenfriedhof und 52 in Kümmersbruck beerdigt wurden. Der Abschiedsgruß der 1915 nach Frankreich Heimkehrenden lautet sinngemäß: „Euch, Greisen, Frauen und Kindern, die ihr fern der Eueren im letzten Schlafe liegt, entbieten wir Euere Schicksalsgefährten, ein letztes Adieu.

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Arbeiten am Gedenkstein

Kriegsgefangenlager für Franzosen, Russen und Italiener

Nachdem die Zivilgefangenen das Lager verlassen hatten, wurden russische Kriegsgefangene nach Amberg gebracht. Mit ihnen kam anscheinend auch ein orthodoxer Priester. Für die polnisch sprechenden, meist katholischen Soldaten des Zaren übernahm Pfarrer Kuttosovsky aus Lemberg, damals Benefiziat auf Schloss Eck die religiöse Betreuung.

Mit den Zivilgefangenen hatten auch deren Seelsorger Amberg verlassen. Nun übernahm Stadtpfarrer Wagner von St. Martin mit seinen Kaplänen die priesterlichen Aufgaben bei den Franzosen.

Das Lager war für rund 5.000 Gefangene vorgesehen, und diese Zahl dürfte erreicht worden sein. Noch 1915 musste der kleine Dorffriedhof Kümmersbruck vergrößert werden. Kriegsgefangene leisteten die Hauptarbeit für dieses neue, gen Westen anschließende Gräberfeld. Auf 16.000 Mark kam diese Baumaßnahme und die Militärverwaltung beteiligte sich an den Kosten entsprechend dem Anteil der Gefangenengräber. - Im August 1916 erklärte das Königreich Italien dem Kaiserreich Deutschland den Krieg. 1917 dürften die ersten italienischen Gefangenen gekommen sein.

Zwar liegen in Amberg keine Beschreibungen und Berichte über das Gefangenenlager vor, doch können wir uns gut ein Bild von dessen Einrichtung und dem Lageralltag machen, denn unter den französischen Gefangenen war ein Fotograf, der als Lagerfotograf mit zwei Gehilfen anscheinend sehr beschäftigt war. Der Lagerkommandant hatte ihm die Einrichtung eines leistungsfähigen Fotolabors ermöglicht, und 1916 konnte der tüchtige Meister aus seinem reichlichen Bildmaterial 60 Aufnahmen auswählen und ein recht aufschlussreiches Album zusammenstellen. Knapp sind die Bildunterschriften in deutscher, französischer und russischer Sprache. – Und dieses Album ist die Hauptquelle unseres Berichts, und eine Reihe von Fotos vergegenwärtigt und veranschaulicht uns heute jene Zeit.

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Der Lagerfotograf

Ums tägliche Brot

Verständlich, dass für die Gefangenen Kochen und Verpflegung besonderen Rang hatten, und der Fotomeister war sicher auch dieser Meinung, denn 12 seiner Bilder zeigen Kochstellen und Speisende. Erstaunt ist man über die anfangs recht primitiven Kochstellen, die sich von einem Lagerfeuer der Pfadfinder kaum unterscheiden. Eine Besonderheit und ein Fortschritt war dann der Kochgraben. Die Köche standen in einem gut 1 m tiefen Graben vor der offenen Feuerstelle, die am Grabenrand eingetieft war. Der Erdaushub bildete wahrscheinlich einen gewissen Windschutz.

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Kochgraben

Einfache kleine Herde wurden bald geliefert, also stationäre „Gulaschkanonen“. Der Kochgraben wurde breiter. Die Feuerstellen waren mit Ofenrohren versehen und durch Schutzschilde gegen Niederschläge von oben geschützt, also eine „Batteriestellung von Gulaschkanonen“. Natürlich gab es bald Gemeinschaftsverpflegung, wahrscheinlich aus der Großküche der Leopoldkaserne. Erfreulicherweise hat es den meisten Gefangenen nicht an Fresspaketen ihrer Angehörigen gefehlt, und es wurde daher auch in den Baracken fest gekocht.

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Fresspaketempfang

Wer über Geld verfügte, Geldüberweisungen waren möglich, konnte in der Lagerkantine einkaufen. Würste, Bier, Wein und Brot wurden angeboten. Das Foto zeigt aber auch Emailtöpfe, Pfannen, Schüsseln und Geschirr. 6 Mann umfasste das Kantinenpersonal. Die Leitung hatte ein bayerischer, wahrscheinlich kaufmännisch vorgebildeter Landwehrmann. Auf einer Preistafel sind über 50 Artikel aufgeführt.

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Gulaschkanonen im Kochgraben

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Lagerkantine

Wurden die Gefangenen in Dörfern für Arbeiten bei Bauern eingesetzt, lernten sie zumindest auch die oberpfälzische Küche kennen. Dunkles Roggenbrot, Bauernseufzer, Knödel und Kartoffelsuppe entsprachen zwar nicht dem französischen Geschmack, und waren ein ungewohntes Mahl, aber satt wurde jeder. Das Bier hat allerdings für die Franzosen den Wein ersetzen müssen, und der Gerstensaft hat so viele neue Freunde gefunden. Allgemein waren die Kriegsgefangenen nicht schlechter versorgt mit Lebensmitteln als die Zivilbevölkerung. Auf den Bildern des Albums sieht man keine unterernährten Personen, wie man leicht nachprüfen kann.

Ärztliche und religiöse Betreuung

Die Unterbringung so vieler Menschen in Holzbaracken mit wenig Waschgelegenheiten und primitiven Abortanlagen steigerte sicher die Gefahr von ansteckenden Krankheiten, wie Grippe und Typhus und Cholera. Die ärztliche Betreuung war daher besonders wichtig. Man hatte im Lager mindestens 25 französische und russische Sanitäter, darunter wohl auch Mediziner. Für die erste Hilfe genügte das Krankenrevier im Lager, doch standen für die französischen und die russischen Patienten je ein Klassenzimmer in der Luitpoldschule zur Verfügung. Behandelt wurden die Gefangenen wie die deutschen Verwundeten von Fachärzten, gepflegt und betreut haben sie ihre Landsleute.

Besondere Fälle wurden ins Militärlazarett bei der Paulanerkirche oder auch ins städtische Marienkrankenhaus verlegt. Zahnbehandlungen übernahm ein Amberger Dentist, für den man

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Zahnstation                       Sanitätspersonal

ein eigenes Behandlungszimmer im Lager eingerichtet hatte. Dank dieser medizinischen Betreuung blieb das Lager von Epidemien verschont, die Sterbefälle waren verhältnismäßig sehr niedrig.

Es wurde bereits erwähnt, dass sich für die kath. Franzosen und Polen rasch Seelsorger fanden. Die Lagerleitung konnte einen eigenen Barackenraum als Kapelle zur Verfügung stellen, und Pfarrer Wagner fiel es nicht schwer, ihn mit einem Altar, Bildern, Leuchtern, Figuren und den nötigen Sakralgefäßen und Geräten auszustatten. Die Geistlichkeit von Amberg und Benefiziat Kuttosovsky hielten regelmäßig Gottesdienst und waren stets erreichbar. Würdig gestaltete man jede Beerdigung und jedes Mal erwies dabei ein höherer bayerischer Offizier dem Toten die letzte Ehre.

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Allerheiligen 1915

Bilder vom Allerseelentag 1915 zeigen, dass der Gottesdienst vor dem Westeingang der neuen Friedhofsmauer an einem aufwändig aufgebauten und geschmückten Freialtar gehalten werden musste, denn hunderte von Gefangenen wollten am feierlichen Amt teilnehmen. Das Lagerorchester übernahm die musikalische Umrahmung und begleitete Lieder und Choräle. Ministranten mit Traglaternen begleiteten das Allerheiligste. Wahrscheinlich hatte die Pfarrei St. Martin den Aufbau und die Gottesdienstgestaltung übernommen. Da ist es verständlich, dass viele Kümmersbrucker zu diesem großen Feldgottesdienst kamen. Von der Straße beim Knabenschulhaus aus, konnten sie das Geschehen am Altar und die viele gläubigen Franzosen und Polen gut überschauen.

Wie üblich in kath. Landen folgte dem Gottesdienst der Gräberbesuch im westlichen Teil des Friedhofs. Gleichförmig waren die Soldatengräber, mit Blumen und Kränzen geschmückt, nicht nur jene für die verstorbenen Freunde und Bekannten der Gefangenen, sondern auch für die hier begrabenen französischen Zivilpersonen. Auch die Franzosengräber im Kathrinenfriedhof hatten auffallenden Grabschmuck.

Selbstverständlich berücksichtigte die Lagerleitung auch die Festtage der orthodoxen Christen, die sich unserer Kalenderreform im 16. Jahrhundert nicht angeschlossen hatten.

So hat man von Seiten der Lagerverwaltung für Leib und Seele der Lagerinsassen gesorgt. Ausreichende Verpflegung und ärztliche Betreuung verhinderten Krankheiten, das Wirken der Geistlichen aber zeigte ihnen die Verbundenheit mit der Gemeinschaft der Christen und dürfte vielen Trost in ihrer kriegsbedingten Unfreiheit und der Trennung von Heimat und Familie gewesen sein.

Arbeiten im Lager – Freizeit

Aufbau und Erhaltung der Unterkünfte, die Gestaltung des Lagers selbst, und die Verbesserung der Lebensbedingungen im Lager durch gegenseitige Hilfe war allerdings eine Möglichkeit und Aufgabe der Gefangenen selbst. Die vielen Handwerker konnten alle notwendigen Arbeiten bestens verrichten.

So hatten die ersten Franzosen schon beim Aufbau des Lagers mitgeholfen und zwar nicht nur Zimmerleute und Schreiner oder Mauerer. Steine zerklopfen zum Einschottern der Wege war eine schwierige, aber ebenfalls notwendige Arbeit. Eine Lagerstraße längs der Baracken hat man gärtnerisch sehr schön gestaltet. Die neue Friedhofsmauer konnten Fachleute errichten und an Hilfsarbeitern hat es nie gefehlt.

Den Schreinern, neun sind fotografiert worden, stand eine Werkstatt zur Verfügung. An Türen, Fenstern, Stühlen, Bänken, Fensterläden war immer etwas zu richten. Viel musste auch neu gefertigt werden. Das Foto zeigt, dass selbst Schaukelpferde hier entstanden sind. Möglicherweise hat manches Kind in und um Amberg so einen französischen Gaul unterm Christbaum gefunden. Wichtig war die Arbeit der acht russischen Schuster, die ebenfalls eine Werkstatt hatten.

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Schreinerei                                 Schuster

Für die Instandhaltung der Kleidung und Wäsche waren Schneider nötig, und solche gab es im Lager sicher. Alle Bilder zeigen, dass man sich im Lager zwar recht leger bewegte. Bei entsprechenden Anlässen aber trat man in sehr ordentlichen Uniformen auf. Auf eine Sonderleistung der Schneiderzunft im Lager ist noch hinzuweisen.

Ein Foto zeigt den Platz vorm „Coffier“, anscheinend das Freiluftwartezimmer des Haarkünstlers, wo man sich bei frischem Kaffee plaudernd die Zeit vertreiben konnte. Zu sehen ist auch der Frisörmeister und seine drei Gehilfen, die den Gefangenen einen ordentlichen Haarschnitt verpassten und vor allem die vielen, sehr unterschiedlichen Bärte angemessen pflegten. Also ein großer, gut besuchter „französischer Friseursalon“ in Amberg.

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Brotzeit im Lager                         Friseursalon

Obwohl einige Großwäschereien fürs Amberger Militär arbeiteten, müssen gelegentlich Gefangene ihre schmutzigen Kleidungsstücke selbst gewaschen haben, denn auf einigen Bildern hängt Wäsche an der Leine.

Es gab jedoch auch Freizeit, die jeder allein oder mit andern nutzen konnte. Dafür stand zumindest für die Franzosen eine Bücherei mit rund 400 Bänden zur Verfügung. In der Bibliothek war auch Gelegenheit für Schach- und andere Brettspiele. Dort lagen auch französische Zeitungen aus Belgien auf. Ob nach 1915 auch russische und schließlich italienische Blätter erschienen, ist vorerst nicht nachweisbar. Einige Franzosen schafften es sogar, für ihre Landsleute eine Lagerzeitung zu gestalten. Leider ist kein Exemplar zu finden.

Bilder belegen, dass im Lager Fußball gespielt und gekegelt wurde. Die Franzosen beschäftigten sich auch mit dem Boulespiel und sogar Tennismatchs fanden im Lager statt.

Und auch das gehört zur Freizeitgestaltung. Kriegsgefangene durften in größeren Gruppen durch die Umgebung Ambergs wandern, wie Fotos beweisen. Der Mariahilfberg muss ein besonderes Wanderziel gewesen sein, sicher hat man auch die Wallfahrtskirche aufgesucht, und einer der Patres war wohl in der Lage, Einiges zur Geschichte von Wallfahrt, Kirchenbau und Kloster französisch oder russisch zu erklären.

Fotografiert wurde am Kalvarienberg, der besonders die Franzosen interessiert haben dürfte. Am Arc de Triomphe ist immerhin das Treffen bei Amberg 1796 unter den siegreichen Schlachten der Zeit Napoleons bzw. der französischen Revolution zu finden. Die Armee Jourdanes konnte sich nämlich in großer Eile und unter Verlusten weiter zurückziehen. Allerdings betrachten die Österreicher die Schlacht bei Amberg als ihren Sieg. Erzherzog Karl konnte schließlich seine Truppen mit denen des Generals von Wartensleben vereinigen, den Franzosen ziemliche Verluste zufügen und mit größerem Nachdruck die Verfolgung fortsetzen.

Ein anderes Bild zeigt französische und russische Soldaten bei einer Rast am Waldrand, der irgendwo außerhalb des Lagers zu suchen ist. Mit einer Wanderung verbunden hat man die Feier des Pfingstfestes 1916. Man hat im Freien, wo ist unbekannt, einen Platz hergerichtet für Konzertaufführungen, und dorthin sind Hunderte von Gefangenen gewandert. Dicht gedrängt haben sich Russen und Franzosen um die Musikkapelle gelagert. Das Programm ist unbekannt, aber sicher blieb es nicht nur bei Instrumentalmusik. Man hat wahrscheinlich auch gesungen und vielleicht sogar Theatralisches dargeboten. Leider hat uns der Lagerfotograf nur drei solche Wanderungen und Aufenthalte im Freien festgehalten. Es war für ihn allerdings umständlich mit Fotokasten, Stativ, Glasplatten und Zubehör solche Ausflüge zu begleiten.

Amberger Lagertheater

Das Bestreben, die Freizeit im Lager sinnvoll und abwechslungsreich zu gestalten, veranlasste einige Theaterfreunde oder Berufsschauspieler frühzeitig ein Liebhabertheater zu gründen. Was sie an Stücken aufführten, ist leider in Vergessenheit geraten, aber man wagte sich auch an Stücke für Sänger und Orchester, wie die Bilder zeigen.

Man muss mit viel Begeisterung begonnen haben, und viele Mitgefangene als Mitarbeiter gewonnen haben. Die Lagerleitung hat das Vorhaben, einen Theaterraum zu schaffen, vorbehaltslos unterstützt, und das Lagertheater konnte sich wirklich sehen lassen.

Die erhöhte Bühne mit Soufleurkasten und Orchestergraben fertigten Schreiner und Zimmerleute des Lagers. Maler gestalteten mit viel Geschick die Bühnenfront und möglicherweise auch die Kulissen für mehrere Bühnenbilder. Einiges, z. B. den Vorhang, dürfte die Lagerkommandantur besorgt haben.

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Bühne und Orchestergraben                              Russische Schauspieler

Viele Kostüme könnten möglicherweise vom Amberger Stadttheater stammen. Alte Zivilkleider gab es sicher auch in Amberg, aber wer besorgte und bezahlte sie? Doch wie man zu den verschiedenen Klamotten auch kam, ohne die Kunst geschickter Schneider hätte man niemals eine vornehme Herren- und Damengesellschaft einkleiden können. Vollendet sind z. B. die drei lustigen Freunde (Bild Seite 20)in den ihren Rollen entsprechenden Garderoben. Bewundern muss man wiederum den Frisör und sein Gehilfen, die russische und französische Krieger sogar in recht hübsche russische und französische Damen verwandeln konnten. Und auch darüber darf man staunen, wie geschickt und passend die „männliche Weiblichkeit“ bekleidet wurde. Elegant, von Hut und Perücke bis zu den Stöckelschuhen. Selbst die Kaffeetassen sind kein Lagergeschirr. Woher kamen bloß alle diese Theaterutensilien?

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Ankündigung einer Aufführung                           Schauspiel mit Boxkampf

Diese Frage ist auch für das Instrumentarium des Orchesters berechtigt. Man verfügte schließlich über ein Klavier, eine Bassgeige, mehrere Trompeten, Klarinetten, Flöten, Trommeln und Geigen. Eigentlich hatte nur die Lagerkommandantur die Mittel und Beziehungen, all diese Instrumente zu besorgen. Man verstand allerdings zu improvisieren. Balalaika und Mandoline sind normalerweise nicht im Orchestergraben zu finden. Können aber notfalls eine Harfe recht und schlecht ersetzen.

Es waren wohl die Franzosen, die schon 1914, als noch die französischen Zivilisten im Lager waren, mit dem Theaterspiel begannen. Vielleicht haben die Französinnen sogar mit Kleidungsstücken ausgeholfen und die Schneider bei ihrer Arbeit unterstützt. Als 1915 Russen im Lager untergebracht wurden, verstärkten sie sofort die Musikantenschar. Lange dauerte es dann nicht, bis im Lager zwei nationale Theatergruppen bestanden. Auch unter den Russen (Bild Seite 20 rechts) waren Theaterfreunde, begeisterte Laienspieler und vielleicht einige vom Fach. Ob die Italiener auch auf dem Theater auftraten und sangen, ist nicht belegt, aber eigentlich doch anzunehmen.

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Drei lustige Brüder                                 Französische „Damen“

Ein Gefangenenlager mit mindestens zwei nationalen Theatergruppen, einem französisch-russischem Orchester und einem eigenen Theater dürfte damals eine Seltenheit gewesen sein. So viel kulturelle Aktivität gab es in Gefangenschaft sicher selten in Europa. Mehr ist aus den Fotos zum Theater nicht zu erkennen, bzw. zu folgern. Dieses Theater und der Theaterbetrieb im Amberger Kriegsgefangenenlager ist eine erstaunliche Leistung, wobei die königlich-bayerische Kommandantur auch mit sich selbst recht zufrieden sein konnte.

Arbeitseinsatz der Gefangenen außerhalb des Lagers

 Die Amberger Kriegsgefangenen wurden zu verschiedenen großen Bauvorhaben eingesetzt. Die sehr umfangreichen Erdarbeiten bei der Kanalisierung der Amberger Altstadt wären ohne ihr Mitwirken kaum möglich gewesen. Bis zu 4 m Tiefe mussten stellenweise mit Pickel und Schaufel die Gräben für die Kanalrohre ausgehoben werden. Transportiert wurden die Erdmassen mit Schubkarren, und der Aushub bildete in den Straßen hohe Wälle. Wenn Amberg ab 1920 eine vorbildliche Abwasserbeseitigung mit vielen Klärteichen für eine rentable Fischzucht hatte und dazu ein Klärwerk dessen Biogas einen Elektrogenerator trieb, dann war dies ebenfalls nur durch den Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen möglich geworden.

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Arbeiten an den Geleisen vor dem Lager                       Arbeiten bei der Vilsbegradigung

Bei den umfangreichen Erdarbeiten im Zusammenhang mit der Begradigung der Vils zwischen Amberg und Drahthammer halfen ebenfalls die Kriegsgefangenen. Der Fluss bildete damals unterhalb der Stadt weite Bögen und Kehren, die seine Laufstrecke sehr verlängerten und seine Fließgeschwindigkeit entsprechend verlangsamten. Im Frühjahr und bei starken Regenfällen, kam es daher leicht zu Hochwasser in der Altstadt. Eine Hochwasserkatastrophe, wie man sie 1909 in Amberg erlebt hatte, wollte man durch diese Baumaßnahmen vermeiden.

Im Rahmen all dieser Arbeiten wurde etwas oberhalb Drahthammer von französischen Zimmerleuten ein fester Holzsteg über die Vils gebaut. Dieser „Franzosensteg“ war lange Zeit die einzige Verbindung zwischen Amberg rechts und links der Vils unterhalb der Altstadt von Amberg. Viele Jahre verkürzte er für Siemensangehörige den Weg zur Arbeit. 1968 hat man ihn durch die Perigeuxbrücke ersetzt.

Die Kriegsgefangenen wurden auch viel beim Straßenbau beschäftigt, und auch die bayerische Eisenbahn forderte für Erdarbeiten Arbeitskommandos an.

Wahrscheinlich waren Kriegsgefangene in Sulzbach-Rosenberg, in der Maxhütte beschäftigt. Auch in Hirschau wird berichtet, dass im ersten Weltkrieg Franzosen im Kaolinwerk tätig waren.

Helfer in der Landwirtschaft

Wegen des Krieges fehlten besonders in der Landwirtschaft männliche Arbeitskräfte, denn alles was wehrfähig war in Deutschland, leistete irgendwo Kriegsdienst. Französische und russische Kriegsgefangene wurden daher in benachbarten Orten untergebracht und arbeiteten auf den Bauernhöfen besonders bei der Ernte mit.

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Hopfenernte

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Abschluss der Hopfenernte

Dem Lagerfotografen mag die bäuerliche Tätigkeit, die sich ja in Frankreich nicht wesentlich von der deutschen Landwirtschaft unterschied, nicht sonderlich interessiert haben. Mehr Gefallen hat er an der Hopfenernte gehabt. So hat er zum Abschluss dieser Zupferei ein Andenken für alle an der Ernte Beteiligten geschaffen Bunt gemischt haben sich französische Kriegsgefangene, Hopfenzupferinnen mit ihren Kindern und die Hofbesitzerin hinter vollen Hopfenkörben gruppiert. Die Körbe sind geschmückt, und viele Zupfer haben Hopfenranken an den Kleidern. Ein weiteres Bild zeigt die Einfuhr des letzten Hopfenranken. Die Pferde sind auch entsprechend geschmückt und die französischen Hopfenzupfer machen einen recht heiteren Eindruck. Anzunehmen ist, dass auch sie sich aufs Hopfenmahl freuen können.

In welchen Orten die Kriegsgefangenen bei der Hopfenernte tätig waren, ist unbekannt. Für Schmidmühlen darf man das annehmen. Denn jener Franzosen, der in Schmidmühlen begraben ist, hat sicher dort gearbeitet, und in Schmidmühlen wurde damals noch viel Hopfen angebaut. Möglicherweise war dies auch in und um Sulzbach der Fall. Auch dort wurde ein französischer Kriegsgefangener beerdigt.

In vielen Orten entwickelte sich ein recht gutes Verhältnis zwischen den Bauernfamilien und ihren französischen Helfern. Man hat nicht nur zusammen gearbeitet, sondern auch zusammen gegessen und getrunken und sich gegenseitig schätzen gelernt, wie ein weiteres Bild zeigt. Im Garten eines Bauernhauses hat es der Lagerfotograf aufgenommen. Bauer und Bäuerin und zwei kleine Mädchen stehen inmitten einer Schar französischer Kriegsgefangener, mit denen sich die Kinder vertrauensvoll beschäftigen. Vielleicht ist das Pferdchen ein Mitbringsel aus der französischen Schreinerei. Von einem Nationalhass ist auf dem Bild nichts zu erkennen, und es ist durchaus möglich, dass hier Verbindungen geknüpft wurden, die auch nach dem Krieg weiter bestanden.

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Bauernfamilie mit ihren Franzosen

Ende des Kriegsgefangenenlagers 1919

Leider hat uns der Lagerfotograf keine Bilder mehr für die Kriegsjahre 1917 /18 hinterlassen. Wir dürfen annehmen oder hoffen, dass sich die Verhältnisse im Amberger Lager nicht negativ entwickelt haben.

Am 9.11.1918 endete der blutige Völkerkampf. Deutschland hatte den Krieg gegen nahezu ¾ der übrigen Welt verloren. Ehe die Franzosen im Laufe des Dezembers das Lager verließen, um in ihre Heimat zurückzukehren, haben sie noch die Namen ihrer in der Gefangenschaft verstorbenen Kameraden auf der Nordseite des Obelisken eingemeißelt. 14 von ihnen waren im Kathrinenfriedhof, einer in Schmidmühlen, einer in Sulzbach und 14 in Kümmersbruck beerdigt worden. Der Spruch unter diesem Namen lautet: „Brüder der Armee, Frankreich erinnert sich euer, vereint im Gedenken an seine auf dem Felde der Ehre gefallenen Söhne“.

Ab 1920 wurden alle Franzosen exhuminiert und nach Frankreich überführt. Wahrscheinlich hat man auch die hier beerdigten sechs italienischen Soldaten in ihre Heimat gebracht. Nur die 15 russischen Soldaten liegen noch im Kümmersbrucker Friedhof. Die kyrillische Inschrift hat Prof. Grasser von Köfering übersetzt:

Ruhet ihr jungen Freunde,
ruhet in ewigem Frieden,
ihr habt ein gutes Gedenken
und ewige Ruhe verdient.

Das Lager, alle Baracken und sonstigen Bauwerke wurden bereits 1919 abgebaut. Was man davon verwenden konnte, brachte man nach Belgien ins ehemalige Kriegsgebiet, wo sie für Arbeiter beim Wiederaufbau des Landes als Unterkünfte verwendet wurden. Das Lagergelände wurde 1933 ein Teil des Heeresnebenzeugamts, das 1945 bei zwei Fliegerangriffen stark zerstört wurde, wobei viele russische Kriegsgefangene und deutsche Zivilangestellte kurz vor Kriegsende umkamen. 1950, fünf Jahr nach Kriegsende begann man in dem Trümmergelände mit dem ersten großen Wohnungsbauprogramm Ambergs. Im Lauf von vier Jahren wurden 569 Wohnungseinheiten erstellt. Rund 2000 aus Osteuropa geflüchtete Russen, Ukrainer, Letten, Litauer und besonders Polen fanden hier neben den Deutschen ein Unterkommen, viele sogar eine neue Heimat.

Wo 1914 – 18 Franzosen, Russen und Italiener als deutsche Kriegsgefangene untergebracht waren, entstand 1950 ein neues Stadtviertel Ambergs. „Am Bergsteig“ ist’s genannt, mit Bewohnern aus unterschiedlichsten Nationen, die sich im Laufe der Jahre nicht nur verständigen konnten, sondern in jeder Hinsicht verstanden. Noch heute besteht hier noch immer eine polnische Pfarrei. An das Kriegsgefangenenlager von 1914 – 1919 erinnert hier nichts mehr.

So blieb nur der Kümmersbrucker Gedenkobelisk mit den Namen von 60 französischen Zivilpersonen, Frauen, Greisen und Kindern, den Daten von 30 französischen, 15 russischen und 6 italienischen Kriegsgefangenen und dem Reliefbild des einstigen Lagers, als letzter Hinweis auf das große Gefangenenlager des Weltkriegs 1914 – 1918. Dass in diesem Lager zu jener Zeit Menschlichkeit und Rücksichtnahme noch Gewicht hatten, erfährt man, wenn man sich, angeregt von diesem anfangs fast rätselhaften Stein, mit diesem Lager befasst. Man findet es erfreulich bis bewundernswert, wie man sich selbst gegen „Feinde“ benahm und Humanität und Nächstenliebe walten ließ.

Erschüttert ist man, wenn man dagegen sieht, was inzwischen an Grausamkeiten und Unmenschlichem bei kriegerischen Auseinandersetzungen nahezu alltäglich wurde. – Es könnte auch anders sein, wie dieser Rückblick auf die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers beweist.

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Relilef des Lagers auf der Vorderseite des Mahnmals.